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Wer hilft? — wer wagt sich da hinein?! —" rief es von allen Seiten. „Was ist denn geschehen?" fragten Neuhinzu kommende. „Dort im Fluß, das Söhnchen des Bürger meisters I" „Ach, es ist sein einziges Kind!" „Schrecklich—schrecklich, welch gräßlicher Jammer!" Der verzweifelnde Vater, wohl einsehend, daß hier nur ein beherzter Mensch und ein tüchtiger Schwimmer Rettung bringen konnte, hatte seine Gattin, die sich nicht auf den Füßen zu halten vermochte, sanft auf den Boden niedergleiten lassen. Dort kniete sie nun und rang die Hände in qualvollem Schmerz. „Lieber Gott!" stöhnte sie, „fordere von mir, was du willst, — nimm mein Leben hin, — nur das Kind nimm uns nicht — das Einzige, das unseres Herzens Freude ausmacht, nimm es uns nicht! Lieber Gott, laß uns den Sonnenschein, unser Kleines, unsern Liebling!" Das klang so herzzerreißend, daß alle Umstehenden, von dem Jammer der beklagenswerten Mutter ergriffen, mit derselben weinten. Der Vater hatte unterdessen rasch den Rock ab gestreift. Feste Entschlossenheit lag auf seinem Gesicht; er machte Miene, dem Kinde nachzuspringen, ohne Besinnen, um nicht noch mehrere kostbare Sekunden verstreichen zu lassen. Die Frau klammerte sich ver zweifelnd an den Gatten, es war ein kurzer, stummer Kampf, — als ganz plötzlich ein hochgewachsener, jlinger Mann herbeistürzte, der, nur einen Blick auf die schreckensbleichen Gesichter der Umstehenden werfend, im Augenblick sich berichten ließ, was geschehen war. Dann drängte er sich durch die Menge, man sah es ihm an, er zögerte und überlegte nicht. „Beruhigen Sie sich, gnädige Frau," rief er laut der vor Angst halb wahnsinnigen Mutter zu, „Wills Gott, bringe ich Ihnen das Kind zurück!" - Und ehe man sich recht besinnen konnte, sah man den kühnen Mann schon vorsichtig die Böschung hinab klettern und dann mutig ins Wasser springen. Es war ein tüchtiger Schwimmer, davon überzeugten sich die Zuschauer, die mit klopfendem Herzen jede Bewegung des kühnen Mannes beobachteten, sofort. Es gehörte ja auch große Kraft und Ausdauer dazu, das schwierige Werk der Rettung zu vollbringen. Ob es gelang? Lautlos stand die Menge und schaute dem grausigen Schauspiel zu, wo zwei Menschen um ihr junges Leben kämpften. Man bemerkte, wie die Entfernung zwischen dem Retter und dein erschöpften Kinde immer geringer wurde, wie er den Kleinen dann nach un säglicher Anstrengung erreichte und ihn mit dem einen Arm fest umschloß. Mühsam und keuchend arbeitete er sich dann stromaufwärts, doch das rasch fließende Wasser drohte die Beiden wieder mit sich fort zu reißen. Einen Augenblick schien es, als hätte den kühnen Mann die Kraft verlassen, als erlahmte sein Arm. Die Bewegungen wurden matter, und äußerst langsam vermochte er vorwärts zu kommen. Doch gelang es ihm endlich, eine Stelle zu erreichen, wo er festen Fuß fassen konnte. Ein lauter, jubelnder Aufschrei begrüßte den Tapferen, welcher, das Kind sorgsam hochhalteud, die Böschung wieder emporzuklettern ver suchte. Jetzt kam Leben und Bewegung in die Menge der Zuschauer. Mehrere Männer eilten, so gut es ging, zu Hilfe, und als man ihm oben das gerettete Kind abnahm, übermannte ihn wiederum die Schwäche — aber nur einen Augenblick. Der Knabe lag regungs los in den ihn umschlingenden Armen der Mutter. Sie achtete nicht darauf, daß ihr das von Wasser triefende Kind die Kleider durchnäßte, sie drückte nur den Liebling fest an sich, als drohe er ihr noch ein mal entrissen zu werden. Der Kleine hielt die Augen zwar geschlossen, aber man fühlte an dem matten Herzschlag, daß das Leben noch nicht entflohen war. Sofort angestellte Wiederlebungsversuche hatten auch Erfolg. Der Knabe schlug die Augen auf, ein schattenhaftes Lächeln umspielte die blassen Lippen. „O Dank, tausend Dank!" Mehr vermochte die junge Frau nicht hervorzu bringen. Aus ihren Augen brachen jetzt erst die Tränen, die ihr vorhin, als ihr heißer, angsterfüllter Blick auf dem gurgelnden Wasser ruhte, versagt gewesen waren. Auch der Vater des Kindes schüttelte dem Retter kräftig die Hand. „Sehen Sie zu, daß Ihr Söhnchen so bald als möglich in warme, trockene Kleider und zu Bette kommt," riet er, den Dank abwehrend, „sonst könnte es geschehen, daß das Kind sich eine schwere Erkältung zuzieht, die leicht gefährlich werden könnte." „Ja, — ja, Sie haben recht, aber auch Sie, mein lieber, junger Freund, müssen eiligst nach Haufe, nur möchte ich Sie zuvor um Ihren Namen bitten, damit ich doch wenigstens weiß, wer mein Kind vom Tode rettete. Der junge Mann, dessen Zähne jetzt hörbar auf einander schlugen, verbeugte sich leicht. „Ich heiße Sigmund Linde," sagte er einfach. „Ah, etwa Doktor Linde, der Sohn der Frau Sekretärs-Witwe in der Rosengaffe?" „Derselbe, Herr Bürgermeister." „Und Sie haben sich erst kürzlich hier nieder gelaffen, wie ich hörte?" „Jawohl. — Ich hatte allerdings die Absicht, meine Praxis in einer größeren Stadt zu eröffnen, allein — meine Mutter will nichts davon hören. Sie hat es mir rundweg abgeschlagen, mich dahin zu begleiten. Es würde ihr natürlich sehr schwer fallen, füllte sie sich von dem lieben, alten, trauten Hause, das so lange Zeit ihre Heimat gewesen, jetzt trennen. Sie wurzelt zu fest hier in der Stadt, auch will sie da begraben sein, wo mein Vater ruht. Und ich mochte die alte Frau nicht noch einmal allein lassen, ich mußte ohnedies, gezwungen durch meine Studien, allzu lange fern von ihr sein. So entschloß ich mich denn, in meiner Vaterstadt und — bei der Mutter zu bleiben, und ich hoffe auch hier mein Brot zu finden." „Das ist brav gesprochen," sagte der Bürgermeister, seine Rührung bekämpfend, „man kann Ihre Frau Mama beglückwünschen, daß sie einen solch' edlen Sohn ihr eigen nennen darf. Ich wünschte nur, daß ich an meinem Kinde dereinst eben solche Freude erlebe. Was den Dank betrifft, mein lieber, junger Freund, so hoffe ich, daß ich fpäter noch Gelegenheit haben werde, denselben abzutragen." „O nicht doch, sprechen Sie nicht davon," wehrte Doktor Linde eifrig, ,,ich tat meine Pflicht, und freue mich, daß mein Bemühen von Erfolg gekrönt war. Jeder Andere hätte dasselbe getan." „O, nicht Jeder hätte den Mut zu einer solchen Tat gehabt," fiel der Bürgermeister ein. „Sie sahen es ja, es wagte sich Keiner hinab. Doch ich wäre dem Kinde nachgesprungen, und hätte es mein Leben gekostet. Ich konnte nicht zusehen, wie es mit dem Tode rang. Sehen Sie nur," fügte er lächelnd hinzu, indem er auf seine Frau zeigte, die nichts zu sehen schien, als das Kind, — „wie glücklich meine Gattin ist, ganz strahlend sieht sie aus. Ja, ja, so ein Mutter- Herz birgt viel Liebe in sich." Der junge Doktor nickte mit leuchtenden Augen. „Ach, mein Gott," fing der Bürgermeister erschrocken an, „es ist unverantwortlich von mir, Sie so lange aufzuhalten! Sie zittern ja ordentlich vor Kälte! Entschuldigen Sie, aber die Freude ließ mich alles vergessen. Wie egoistisch doch der Mensch ist. Nun eilen Sie, eilen Sie, Herr Doktor, daß Sie nach Hause kommen! Wollen Sie denn nicht lieber einen Wagen nehmen?" Damit winkte er eine eben vorbeifahrende Droschke heran. „Bitte, bitte, steigen Sie ohne Umstände ein," wehrte Doktor Linde lächelnd. „Ich laufe schon, dabei komme ich ein wenig in Bewegung, glücklicherweise brauche ich ja gar nicht weit zu gehen. Die Promenade hinauf, die erste Gasse links, und ich bin daheim! Mutter wird mir rasch ihren berühmten Kamillenthee kochen, und alles ist wieder gut!" Mit einem kräftigen, warmen Händedruck trennten sie sich. Auch die junge Frau des Bürgermeisters schüttelte dem Doktor herzlich die Hand. „Leben Sie wohl, hoffentlich sehen wir uns bald einmal wieder, vergessen werde ich Ihnen die mutige Tat niemals," sagte sie, während noch ein dankbarer Blick den jungen Mann traf, der sich ehrerbietig ver neigte und, umringt von einer ihn bewundernden Menschenmenge, rasch den Heimweg antrat. II. Am Fenster ihrer gemütlichen Wohnstube in der Rosengasse, hinter den blütenweißen Gardinen, saß die Frau Sekretärs-Witwe Linde wie gewöhnlich um diese Zeit und strickte. Hie und da warf sie zwischen den blühenden Hyazinten und Tulpen, die das Fenster brett schmückten, einen Blick auf die schmale, fast menschenleere Straße und auf das gegenüberliegende Haus, das dem reichen Seifenfabrikanten Sennebach gehörte und sich recht stattlich präsentierte. Seit nahezu dreißig Jahren wohnte sie hier und beinahe jeden Nachmittag saß sie auf ihrem Lieblings plätzchen auf dem erhöhten Fenstertritt und schaute nach den Leuten, die vorübergingen. Freilich, so lange ihr seliger Mann noch lebte, hatten sie manchmal gemeinsame Spaziergänge unternommen, aber als der Teuere von ihr gegangen war, da zog die Witwe sich scheu von allem Verkehr zurück, nur der Erziehung ihres einzigen Sohnes lebend. Für ihn sparte, für ihn darbte sie, und legte sich mancherlei Entbehrungen auf, von denen Sigmund freilich keine Ahnung hatte. Als dann die Zeit kam, wo sie sich auch von ihm trennen mußte, wo sie ganz allein zurückblieb in dem stillen Hause, da war es ihr, als müßte sie sterben vor Herzweh, und sie weinte heimlich manche heiße Träne. Doch was halfs? Da hieß es eben, sich in das Unabänderliche fügen, denn Sigmund sollte etwas Rechtes werden, so hatte es schon der Vater bestimmt. Und er war etwas geworden. Mit Stolz und Freude blickte die alte Frau auf ihren Einzigen, der sich nun seit zwei Monaten in seiner Vaterstadt nieder gelassen hatte. In dem alten Hause richtete er sich ein Warte- und ein Sprechzimmer ein, mehr brauchte er vorläufig nicht. Er bezog bei seiner Rückkehr das alte, einfache Stübchen wieder, das er schon als Knabe innegehabt, und wo er sich so wohl und gemütlich fühlte, wie nirgends. Er wollte es auch um keinen Preis zugeben, daß die Mutter auch nur ein Stück von der altmodischen Einrichtung gegen ein modernes Vertauschte. (Fortsetzung folgt). Nachrichten des K.Standesamtes zu Reichenbrand vom 26. September bis 2. Oktober 1903. Geburten: Dem Tischler Paul Wilhelm Köpping in Siegmar 1 Mädchen; dem Strumpfwirker Friedrich Wilhelm Schüppel in Siegmar 1 Mädchen; dem Färber Karl Eduard Barth in Reichenbrand 1 Knabe; dem Strumpfwirker Franz Heinrich Grimm in Reichenbraud 1 Knabe; dem Kernmacher Paul Richard Grimmer in Reichenbrand 1 Knabe. Aufgebote: Der Fabrikarbeiter Paul August Kretzschmar mit Emma Frieda Herrmann, beide in Reichenbrand; der Schuhmacher Albin Richard Seifert mit Anna Alma Kraus, beide in Siegmar. Eheschließungen: Der Schneider Richard Emil Glauch in Chemnitz mit Marie Clara Buschmann in Reichenbrand; der Konditor Oskar Oswald Oesterreich in Schönau mit Anna Olga Reitzig in Siegmar. Sterbefälle: Der Zimmermann Friedrich Wilhelm Hermann Lämmel in Reichenbrand, 69 Jahre alt; Christiane Karoline verw. Köhler geb. Bretschneider in Siegmar, 59 Jahre alt. Lrpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr vorm. und 2—6 Uhr nachm. Sonntags: 12 Uhr Vorm. nur zur Entgegennahme von Totgeburtsanzeige«. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 25. September bis 2. Oktober 1903. Geburten: 1 Sohn dem Eisenformer Emil Linus Fiedler in Rabenstein. 1 Tochter dem Strumpfwirker Emil Oswald Hofmann in Rabenstein; hierzu noch ein unehelich geborenes Mädchen in Rabenstein. Eheansgebote: Der Handschuhstricker Karl Ernst Lohse mit Helene Selma Fröhner, beide in Rabenstein. Eheschließungen: Der Handschuhwirker Max Bruno Haase in Rabenstein mit Auguste Emilie Meyer in Limbach; der Färbereiarbciter Paul Rudolf Gütter mit Anna Selma Siegert, beide in Rabenstein; der Handschuhwirker Emil Bruno Irmscher in Rabenstein mit Emma Lina Vogel in Rottluff ; der Mechaniker Felix Georg Hans Borrmann mit Anna Lina Ludwig, beide in Berlin. Sterbefälle: Keine. Zusammen: 3 Geburten und zwar 1 männl, und 2 weibl. 1 Eheaufgcbot. 4 Eheschließungen. — Sterbefall. Geschäftszeit. Wochentags: 8—12 Uhr vorm. und 2—6 Uhr nachm. Sonntags: 11—12 Uhr vorm. nur zur Entgegennahme von Totgeburtsanzeigen. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am 17. Sonntag p. Drin, den 4. Oktober 3. e. vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Parochie Rabenstein. Am 17. Sonntag x>. den 4. Oktober u. c. Erntedankfest. 8 Uhr Beichte, besonders auch für die Rekruten und deren Angehörige. Vs9 Uhr Festgottes dienst. Kirchenmusik: „Danket dem Herrn", Hymne von I. G. Lutze. — Freitag den 9. Oktober a. c. vorm. 10 Uhr Wochenkommunion. Mädchen zum Handschuhlegen bei hohem Lohn gesucht. Limbach. Eine Halb-Etage mit L Zimmer, Küche, Borsaal und Zubehör für SSO Mark zu vermieten. Zu erfahren durch Salms«-'« Buchhandlung, Siegmar. Freundt, möbl. Zimmer mit sep. Schlafzimmer zu vermieten. Siegmar, Friedrich-Auguststr. Nr. 8. Großem lmiMjches Schulm-chen zu einem Kind gesucht Siegmar, Louisenstraße 1, Part. 1 Topfschrank, 1 viereckiger Tisch und 1 Wanduhr billig zu verkaufen. Näheres durch die Buchhandlung von ßt. Aahner, Siegmar. ff. ger. Aal, Kieler Speck-Bücklinge, lebendfrischer Schellfisch eingetroffen und empfiehlt LinN Siegmar