Volltext Seite (XML)
Erläuterungen Ouvertüre zur Oper „Benvenuto Cellini" von Berlioz (1838) Der Französe Berlioz (1803— 69), der als Programmusiker Vorläufer von Liszt und Richard Strauß ist, schrieb zu seiner Oper „Benvenuto Cellini“ zwei Ouvertüren. Die sogenannte „kleine“ (im Konzertsaale heimisch unter dem Namen „Römischer Karneval“) als Zwischenaktsmusik und die heute erklingende „große“ als Vorspiel zum ersten Akt. Während die „kleine“ sich aus Motiven der Oper zusammensetzt, sind die Hauptthemen der „großen“ frei erfunden. Nur einige Nebengedanken sind der Oper entnommen. Die Karnevalslust, die den Stimmungsuntergrund für die Handlung der Oper bildet, kommt gleich im rassig pikanten Anfangsthema zum Ausdruck. Ein zartes Zwischenspiel mit der Melodie des „Harlekinständchens“ aus der Oper und dem auf den Ernst der nahen Passionszeit weisenden „Kardinalsthema“ leitet über zum Hauptabschnitt, der wieder ganz Ausdruck der Faschingslust ist. Vergeblich mahnt nochmals die Kirche. Doch nach einer plötzlichen Pause gewinnt der Ernst die Oberhand. Aschermittwoch. H-Moll-Sinfonie von Schubert Franz Schubert (1797—1828) lebt nicht nur als der geniale Schöpfer von etwa 600 Liedern fort. Durch seine geradezu ans Fabelhafte grenzende Erfindungskraft sind auch alle anderen musikalischen Gattungen um unvergleichlich schöne Werke bereichert worden. Schuberts Melodien atmen beschauliche Lebensfreude, aber auch Empfindsamkeit. Das weiche Wiener Gemüt mit seiner ewigen Sehnsucht wird bei Schubert zu Klang, ln seiner 8. Sinfonie H-Moll (Unvollendete) gewinnt im besonderen der Ausdruck für die Sehnsucht nach Unirdischem, Jenseitigem, Metaphysischem die höchste Abklärung. Sie enthält Partien, die auch dem härtesten Gemüt Schauer der Wehmut und Innigkeit erwecken müssen. Schubert ist Expressionist im wahrsten Sinne des Wortes: Künder allergeheimster Regungen der Seele. Das Erstaunlichste dabei ist, daß er diesen Aus druck in volkstümlich einfachster Form findet. Es werden zwingende, innere Gründe gewesen sein, die den 25jährigen Komponisten veranlaßten, das Werk zweisätzig zu lassen und nicht die bei Sinfonien sonst übliche Vierzahl der Sätze zu erfüllen. Das niederdrückende Gefühl vergeblicher Hoffnung, die tragische Enttäuschung am Leben, die am Schluß des zweiten Satzes aus den Tönen spricht, bedeutete ihm ein wirkliches Ende, so daß er den angefangenen dritten (Scherzo-) Satz, als doch nicht recht passend, nicht weiter komponierte. Don Juan von Richard Strauß Ein wesentlicher Zug im Charakter RichardStrauß’ (geb. 1864) ist die Diesseitsfreudigkeit. Damit wird es wohl auch Zusammenhängen, daß er den von ihm als Führer der lebenden Tonsetzer erwarteten musikalischen Ausdruck für das Weltleid der vergangenen Jahr zehnte bis heute nicht finden konnte. Don Juan dagegen, das ist ein Thema, an dem sich seine künstlerische Eigenart entflammen konnte. Die leidenschaftlich erregten Seelen zustände Don Juans, des größten Lebensbejahers, in ihren einzelnen Phasen zu verfolgen und zu schildern: vom ersten Aufkeimen einer Liebessehnsucht bis zum Ekel und Ueberdruß, ist ja auch an sich eine musikalisch dankbare Aufgabe. Strauß’ Don Juan-Tondichtung (entstanden im 24. Lebensjahre des Komponisten) hat mit dem Mozartschen Opernwerk nichts gemein. Sie ist vielmehr durch Lenaus dramatisches Bruchstück Don Juan angeregt. Don Juans glänzende Gestalt steht in ihrer Lebensfülle und zugleich edelmännischen Haltung durch die beiden das Werk eröffnenden Themen mit einem Schlage vor unserem geistigen Auge. Alles Weitere ist Schilderung der seelischen Erlebnisse mit den ver schiedensten Frauencharakteren: dem flehenden, zart tändelnden Weibe, der geistig höheren Frau usw. Widerstände gegen sein stürmisches Werben werden stets gebrochen. Einmal scheint sich der Ritter in Koserei und Schwärmerei selbst zu verlieren. Es folgt aber eine Aufraffung zu neuen Siegen (drittes Don Juan-Thema, dionysisch, Waldhörner und Celli im Einklang). Doch auf dem Gipfel der Lebenskraft: plötzliche Erlahmung. „Ein Blitz aus Höhen hat tödlich meine Lebenskraft gebrochen.“ Das Ende: Uebersättigung.