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geistigen Auge auf. Sie wohnten noch in der alten, bescheidenen Wohnung an der Henriettenstraße. Mit Frau Marie hatte er sich in opferfreudiger Elternliebe mancher kleinen Entbehrung unterzogen, um die Geschenke für Hans und Thilda zu beschaffen. Nun standen Sie in der Wohnstube unter dem Tannenbaum, dessen Lichter brannten, während die Kinder ungeduldig an der Tür flüsterten und wispelten. Frau Marie rührte die Schelle, und das junge Volk stürmte herein. Welcher Jubel! Seine Freude war stiller, aber größer wie die der Kinder gewesen, als dann Hans ihm den selbst gefertigten, bunten Pappkasten, der stark nach Kleister roch, frcudegerötet überreichte und Thildchen ihm mit verschämtem Lächeln die groben, unförmigen Strümpfe in die Hand drückte, an denen sie drei Monate lang gestrickt hatte! Alles vorüber, Alles vorbei! Frau Marie hatte längst die Bescheerung von Weihnachten auf den Neu jahrstag verlegt, denn das war ja entschieden feiner. Und seine Kinder — was war aus dem guten, etwas schwerfälligen Hans geworden? Vor zwei Jahren zu Weihnachten hatte er ihm zum letzten Mal einige Geschenke gemacht, kostbare Kleinigkeiten: einen Ring, eine juchtenlederne Dokumentenmappe, eine Schreib garnitur aus holländischer Bronze; der Junge aber hatte ihm ins Gesicht gelacht und gemeint, Bargeld wäre ihm lieber gewesen. Pah, er war nicht wert, daß sich sein Vater um ihn grämte. Im Gehen stieß er an den ärmlichen Stand eines kleinen Mädchens, das erschreckt nach den ins Rollen geratenen Wollpuppen griff. Johann Wilhelm schaute auf; der trübe Schein der blakenden Oellampe beleuchtete ein blasses, schmales Gesichtchen mit tiefdunklen Augen, das ängstlich aus einer großen, schwarzen Kapuze blickte. Er mußte unwillkürlich an Thilda denken. Ob sie sich jetzt wohl nach der Heimat sehnte, nach ihm? Zu Neujahr würde sie für ein paar Tage in Ferien kommen. Warum nur kam sie nicht zu Weih nachten? Er erinnerte sich: Frau Marie hatte es für überflüssig befunden; vor Weihnachten wären die Züge überfüllt, sie wüßte ja anch, daß ihr immer erst zu Neujahr bescheert würde. Johann Wilhelm lachte bitter und ging schneller, wie von einem plötzlichen Entschluß beseelt; wenn seine Frau auch die Liebe zu ihrer Tochter verloren hatte, so fühlte er anders. Sein Vaterherz sollte zu Rechte kommen. Er begab sich zum Telegraphenamt und depeschierte an Thilda: „Ich sehne mich nach Dir. Komm mit dem nächsten Schnellzuge!" Dann verließ er zufrieden den kahlen, schmutzigen Raum, Schmelzwasser des Schnees stand, den die Eintretenden mit herein gebracht hatten. Morgen Mittag war er nicht mehr allein! Es wurde Zeit, seinem Versprechen gemäß zum Bürgermeister in Gesellschaft zu gehen. Eine leere Droschke fuhr langsam des Weges. Er sprang hinein und ließ sich zuerst zur Villa fahren, um sein Schuh werk zu wechseln. „Der junge Herr ist gekommen!" sagte der Portier, als er die Türe öffnete. Neumann zeigte ungeheucheltes Erstaunen. „Wirklich? Wann denn?" „Mit dem Achtuhrzuge. Er ist sogleich zum Bürger meister, zur Gnädigen." Johann Wilhelm legte schnell die letzte Hand an seine Toilette. Er war aufgeregt; die Nachricht war so unerwartet gekommen. Welche Ursache mochte Hans Heimgetrieben haben? Geld konnte er in Leipzig auf der Lingen'schen Privatbank beheben, fo viel er nötig hatte. Er hatte ihm dort Kredit eröffnet, da ihm die ewigen Bettelbriefe nachgerade zum Ekel geworden waren und bei Hans keine Mahnung zu einer ver nunftgemäßeren Lebensweise mehr fruchtete. Ob viel leicht eine Regung von Liebe zur Heimat — nicht zu den Eltern, das war gewiß — den Jungen herge bracht hatte? Er würde es gleich in Erfahrung zu bringen suchen. In blendendem Licht erstrahlte die Fensterflucht der ersten Etage des Bürgermeisterhauses. Stimmen- gemnrmel und Gläserklingen drang gedämpft hernieder. Eben erlosch eine lustige Lachsalve. Ein Arbeiter in dünner, zerrissener Bluse ballte im Vorbeigehen die Faust uach den erleuchteten Fenstern. Johann Wilhelm, der gerade dem Wagen entstiegen war, winkte ihn zu sich unter das gläserne Vordach. Der Gerufene näherte sich zögernd und widerwillig. „Warum habt Ihr die Faust geballt?" fragte der Millionär. Der andere lachte laut und schrill. „Braucht nichts zu fürchten, Ihr Reichen, ich tue Euch nichts. Meint Ihr, ich wollte mich einsperren lassen? So dnmm bin ich nicht. Freilich, wenn ich allein in der Welt stände — aber nicht jetzt. Dann könnten die zu Hause ganz verhungern." (Fortsetzung folgt.) Mannigfaltiges. — In der letzten Sitzung beider städtischer Körper schaften in Waldheim wurde beschlossen, den Leuten der Pflichtfeuerwehr ein Ablösungsgeld zu gewähren, das sich nach der Höhe des Einkommens des vom Feuerwehrdienst sich Befreienden belaufen soll und zwar bei einem Einkommen von 1200 Mk. vom24. Lebens jahre an. Ein weiterer Antrag betraf die Einführung einer Tanz- und Eintrittssteuer. Begründet wurde derselbe damit, daß durch diese Einnahmequelle der Stadtkasse jährlich ein Betrag von gegen 3-—4000Mk. zugeführt würde, der lediglich von jungen Leuten oder den die öffentlichen Tanzstätten Besuchenden aufgebracht werde. Die Steuer solle in der Weise erhoben werden, daß jede den Tanzsaal besuchende Person außer dem üblichen vom Wirt zu vereinnahmenden Eintrittsgelde von 10 Pfg. einen Betrag von 5 Pfg. an die Armen kasse abzuführen hat. Die Vereinnahmung hätte durch von der Stadt anzustellende und zu bezahlende Ein trittsgeldeinnehmer zu erfolgen. Das aus der Steuer erzielte finanzielle Ergebnis solle in der Hauptsache zur Schaffung sozialpolitischer Einrichtungen, als Volksbad, Kinderbewahranstalt, Volkspark uyd ähn liches Verwendung finden. Der Antrag fand Annahme seitens des Rates, die Stadtverordneten hingegen lehnten ihn mit 9 gegen 6 Stimmen ab. — Graf Zeppelins Versuche, ein lenkbares Luft schiff zu bauen, haben bis jetzt rnnd eine Million Mark MW,-MA UMWtt Ms HM! W MM noch nicht. Graf Zeppelin wird unter die erfolglosen Erfinder zu rechnen sein, wie Tausende andere, die ihren Geist über irgend welchen Problemen zermarterten. Erfolgreicher sind häufig diejenigen Leute, die irgend welche Kleinigkeiten erfanden. In Amerika hat z. B. das beliebte Spielzeug „Dancing jim Crown" und der Hampelmann „John Gilpin" mehrere Jahre hindurch, wo sie Furore machten, das erstere dem Er finder 15000 Dollar und das zweite mehr als 100000 Dollar Rente gebracht. Dieselbe Summe hat ein Mann verdient, der zuerst die doch gewiß einfache Idee hatte, ein Stück Gummi zum Ausradieren an das Ende eines Bleistiftes zu befestigen. Eine Er findung ohne jeden praktischen Nutzen, die dennoch ihrem Eigentümer fünf Millionen eingebracht hatte, ist die des rollenden Hampelmanns. Plan behauptet, daß Harvey Kennedy, der den Schnürsenkel erfand, zwölf Millionen mit dieser Erfindung verdient hat. Der Erfinder der Sicherheitsnadel, der, wie es heißt, sein Modell auf einer Freske vor Pompeji fand und die wirklich geniale Idee hatte, sich dasselbe paten tieren zu lassen, gewann mühelos etwa 60 Millionen. Auch der Erfinder der Stahlfeder verdiente eine ganz ungeheure Summe. Eine Erfinderin hat ein Mittel gefunden, 150000 Mark jährlich zu verdienen, indem sie ein besonderes Wägelchen für Babys in Aufnahme brachte. Der Verschluß von Bierflaschen mittels des Kautschukringes brachte dem Erfinder ein hübsches Vermögen. — Phlegma eines Engländers. Bei einer Eisenbahnkatastrophe kostete es fünf Menschen das Leben, darunter dem Diener eines Engländers. Mylord saß in der ersten Wagenklasse, streckte ruhig den Kopf zum Fenster hinaus, und da er faud, daß sein Wagen nicht gelitten, drückte er sich wieder ruhig in seine Ecke. Ein Schaffner stürzt bleich zu ihm hin, steigt auf die Rampe und redet ihn durch das Wagenfenster an: „Mein Herr, ein großes Unglück ist geschehen!" — „Inäeeck (wirklich)? OK!" — „Drei Wagen sind zertrümmert!" — „In6ee6? OK!" — „Fünf Menschen sind getötet!" — „In6ee<1? OK!" — „Darunter Ihr Diener, Sir! Er ist in sechs Stücke gerissen." — „In six pieces? OK!" — „Was sollen wir mit ihm tun, Sir?" — „Bringen Sie mir das Stück von ihm, an dem die Schlüssel zu meinem Koffer sich befinden!" Nachrichten des K.Standesamtes zn Reichenbrand vom 11. bis 17. Jnli 190». Geburten: Dem Strumpfwirker Karl Otto Mosig in Reichen brand 1 Mädchen; dem Tischlermeister Carl Wilhelm Bach mann in Reichenbrand 1 Knabe; dem Strumpfwirker Louis Albert Barthold in Reichenbrand I Knabe. Aufgebote: Der Lampenwärter Friedrich Wilhelm John in Zwickau mit der Fabrikarbeiterin Klara Lina Winkler in Siegmar; der Schlosser Carl Maria Richter mit der Schneiderin Elisabeth Flora Mathilde Dionysia Becker, beide in Siegmar. Eheschließungen: Vakat. Sterbefälle: Vakat. Orpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm. Sonntags: 12 Uhr vorm. nur zur Eutgegeuuahme von Totgeburtsanzeigen. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 10. bis 17. Juli 190». Geburten: 1 Sohn dem Handarbeiter Karl Emil Neßmann in Rabenstein. Eheaufgebote: Der Handschuhwirker Adolf Isidor Jung hans mit der Handschuhstrickerin Klara Fanny Müller, beide wohnhaft in Rabenstein; der Heizer Friedrich Paul Kreß mit der Handschuhstrickerin Nanny Franziska Gernegroß, beide wohnhaft in Rabenstein. Eheschließungen: Keine. Sterbefälle: Der ans. Fabrikarbeiter Carl August Müller Paul Mehlhorn in Rottluff, 3 Monate alt. 1 Tochter dem Stricker Wilhelm Oswald Büchner in Rabenstein, 4 Monate alt; dem Bassinwärter Louis Hermann Schubert in Rottluff, 3 Monate alt. Der Kaufmann und Handlungsreisende Hein rich Paul Kohlsdorf aus Chemnitz, 39 Jahre alt. Zusammen: t Geburt und zwar 1 männl. 2 Eheausgebotc. — Eheschließungen. S Sterbefälle und zwar 3 männl, und 2 weibl. Heschästszeit. Wochentags: 8—12 Uhr vorm. und 2—6 Uhr nachm. Sonntags: 11—12 Uhr vorm. «ur zur Entgegennahme von Totgeburtsanzeigen. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am 6. Sonntag x>. Irin, den 19. Juli L. c. Vorm. ^9 Uhr Predigtgottesdienst. Parochie Rabenstein. Am 6. Sonntag p. Irin, den 19. Juli L. c. Vorm. 8 Uhr Beichte. Vs9 Uhr Predigtgottesdienst mit hl. Abendmahl. — Uhr Katechismusunter redung. 8vkstt«Aeke! von 7,— an, Kei-nen-81iefeletten von MK. S,SV an, Kei-i-vn-8vknünsAv§el von MK. 8,SV an, Kennen-8vknsIIensAese< von MK. 7,— an Kei-i-en-8eg«HuvksvKuke mit Gummizug v. MK. 1,7S an, von MK. 3,SV an, Prima Vsmen-Ksussvkuke von MK. 3,— an, Prima 0smen-8psngensvkuke von MK. 4,— an, vsmen-LugsAelel von MK. S,— an, vsnien-8«:knüi'- und Knopfs*ie§sl von MK. Sj7S an Ferner empfehle alle Arten Pantoffel, Zeugschuhe, Kinderschuhe von den einfachsten bis zu den feinsten, braune Waren zu bedeutend herabgesetzten Preisen. Otto Oi'unon, Z HivKiiLru'. Hoferstr. 37. GHm Rabenstein. Morgen Sonntag öffentl. Ballmusit. Rob. Börner. VON Oliv Krüns dsü M de! kedUs veslm mMen. Ein guterhaltener Kinderwagen zu verkaufen Neustadt 4 b. Zwei saubere, ordnungsliebende Laufburschen werden sofort gesucht. Lohn 2,50 Mk. Näheres durch die Exped. d. Bl. Kei Appetitlosigkeit IVIsgömvek und 8cylövbtsm I^agvn leisten die bewährten Kaisers stets sicheren Erfolg. Paket 25 Pfg. bei: Emil Winter in Rabenstein.