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junges Leben zu tragen, das sollte mich unendlich freuen! Freilich," — fuhr er bedenklich fort, „wenn Sie die Enkelin des Müllers Brendel sind, wird es mir sehr schwer werden, denn der Alte haßt alles, was mit unserem Hause zusammen hängt und wird es niemals zugeben, daß Sie bei uns verkehren. Wir haben bereits einige Proben seines Haffes erhalten, obwohl wir uns in der freundlichsten Weise ihm zu nähern suchten und vollständig unschuldig sind an dem, was vor vielen Jahren passiert ist. Er verschließt sich eben jeder besseren Einsicht und ich glaube, er ist eigensinnig und hart herzig. Sie werden das erfahren müssen! Gerda schaute dem Sprecher aufmerksam forschend, bei nahe ängstlich in das intelligente von einer leichten Röte überhauchte Gesicht. So rein er das Deutsche sprach, man merkte ihm dennoch den Ausländer an. „Sie sind mit den Helldorfs verwandt?" fragte sie beklommen. „Verzeihen Sie, mein Fräulein," entgegnete er rasch mit einer leichten Verbeugung, „daß ich mich nicht gleich vorstellte, ich bin der Besitzer der Baumwollspinnerei, mein Name ist Viktor Bolz." Er lüftete ein wenig den grünen Filzhut unter dem eine hohe Stirne zum Vorschein kam. Gerda schaute ihn überrascht an. „Ach — Sie sind wohl der Amerikaner?" entschlüpfte es ihr dann rasch. Er lachte belustigt auf. „Also das wissen Sie auch schon? Wer hat Ihnen denn von mir erzählt? Ich kam allerdings aus Amerika, aber ich glaube, ich war schon von Kindheit an mehr Deutscher als Amerikaner; das macht eben, daß meine beiden Eltern Deutsche waren und meine Mutter hat die Sehnsucht nach der Heimat nie ganz aus dem Herzen zu bannen vermocht; sie sprach mir so viel von den deutschen Wäldern, den Bergen, von der Scholle, wo sie geboren war — ich kannte alle deutschen Märchen auswendig; da ist es nicht zu verwundern, daß ich das schöne Land kennen lernen wollte, daß mir meine Mutter so begeistert schilderte. Es war ihr einziger Wunsch die Heimat wieder sehen zu dürfen; — leider ging er nicht in Erfüllung. — Und als meine Eltern gestorben waren, da zog es mich unwiderstehlich nach der Stätte, die meiner geliebten Mutter so unendlich teuer war. Da fand ich allerdings, daß sie recht hatte, das Land ist schön, und es wurde mir eine zweite Heimat. Ich fand auch Arbeit genug, und die Arbeit war für mich ein großer Segen. So überwand ich leichter den Schmerz, den der Tod meiner Mutter mir bereitete. Sie sehen, mein Fräulein, wir teilen eigentlich das gleiche Los: denn auch ich stehe so ziemlich verwaist aus der Welt." Er senkte den Kopf und Gerda, die ihm aufmerksam und interessiert zugehört hatte, fiel lebhaft ein: „Das ist bei einem Manne doch etwas ganz anderes. Er kann überall hin, ihm bietet sich viel leichter eine Gelegenheit, seine Kenntnisse zu verwerten, als einem Mädchen. Wäre ich ein Mann, ich könnte eher den Kampf mit dem Dasein aufnehmen, ich ginge in die Welt hinaus und brauchte nicht um Aufnahme zu betteln. Man wird mir dieselbe widerwillig genug ge währen." „Da mögen Sie wohl recht haben," stimmte Viktor Bolz bei, „aber — verzeihen Sie, daß ich Sie hier so lange aufhalte bei diesem miserablen Wetter. Mir scheint, Sie haben ein trockenes Plätzchen sehr nötig. Sie frieren wohl sehr? Kommen Sie, wir wollen uns beeilen!" „Ach bitte, bemühen Sie sich nicht," wehrte Gerda er rötend, als er seinen wasserdichten Wettermantel abnahm und ihn dem Mädchen um die Schultern hing. „Nein, lassen Sie den Mantel nur ruhig um," lachte er, „ich brauche ihn wirklich nicht und Sie sehen so blaß aus. Ich merkte es wohl, wie Sie fröstelnd zusammenschauerten. Es ist unverzeihlich von mir, daß ich nicht eher daran dachte; und nun führe ich sie auf dem kürzesten Wege zur Mühle." Die beiden schritten jetzt rasch in den bereits nieder dämmernden Abend hinein. Aber es wollte kein rechtes Gespräch mehr aufkommen. Gerda fühlte ihr Herz heftig klopfen bei dem Gedanken an den Großvater und ihr Be gleiter, der von Zeit zu Zeit einen forschenden Seitenblick auf das Mädchen warf, mochte die Gedanken erraten, die hinter der blassen Stirn kreisten. Deshalb hob er nach einer Pause wieder an: „Sie haben gewiß Angst vor dem, was die nächste Zukunft Ihnen bringen wird?" Sie nickte beklommen. „Na, na," ermutigte er gutmütig das junge Mädchen, „lassen Sie den Kopf nicht hängen! So hartherzig wird der alte Müller ja wohl nicht sein, daß er Ihnen die Auf nahme in sein Haus verweigert. Sie sind wohl das einzige Kind seiner Tächter?" „Ja," nickte Gerda. „Und wenn er sich weigert," nahm Viktor das Gespräch wieder auf, „fo kommen sie zu uns. In unserem Hause ist Raum genug für Sie, und meine Verwandten würden sich freuen. Sie wären dann ganz gut aufgehoben. Ich denke, eine Beschäftigung würde sich dann leicht finden lassen." Das junge Mädchen blickte fragend auf. „Ihre Verwandten? Leben dieselben bei Ihnen? Sind das die Kinder von — Robert Helldorf?" Er merkte das Zögern bei Nennung des Namens. „Allerdings," entgegnete er rasch, „die Kinder meines Onkels, für die zu sorgen ich ihrem sterbenden Vater versprach. Kinder sind sie freilich beide nicht mehr, sie sind längst meiner Zucht entwachsen, denn meine Kousine Ada zählt bereits 20 Jahre, während ihr Bruder Egon um drei Jahre älter ist." „Und Sie glauben, daß zwischen den Kindern Robert Helldorfs und mir ein freundschaftlicher Verkehr stattfinden könnte?" „Weshalb nichl, mein Fräulein, hoffentlich sind Sie nicht so engherzig wie der alte Müller Brendel und machen nicht die Kinder für die Sünden des Vaters verantwortlich?" „Robert Helldors hat schlecht gehandelt, er hat sich schwer an meinem Großvater und der armen Trude versündigt! Er hat den Großvater unglücklich gemacht und die Trude in den Tod getrieben!" rief Gerda lebhaft, „ich begreife, wenn der alte Mann seinen Haß auch auf die Kinder über trägt!" „Mein Fräulein, Sie kennen die Geschichte, die da vor langen Jahren passierte, wie es scheint, ganz genau." Gerda nickte. „Mein Vater, der sie mit erlebte, hat sie mir erzählt. Und Sie, wer hat sie Ihnen berichtet?" „Mir? Nun, ich hörte so mancherlei von meinen Arbeitern, doch war es nichts Genaues. Die Kinder Roberts mochte ich nicht nach der Schuld ihres Vaters fragen, und so wandte ich mich an die alte Rosel — Sie kennen wohl auch den guten Geist, der auf der Mühle haust?" Als Gerda lächelnd bejahte, fuhr Viktor fort: „Sie müssen nämlich wissen, daß ich der erklärte Liebling der alten Rosel bin. Der Müller darf das freilich nicht ahnen, das gäbe einen Heidenspektakel, aber die gute Alte hat mich in ihr Herz geschlossen, sie hat es mir nämlich selbst gesagt, als ich sie zufällig im Walde traf. Wir redeten so aller lei, sie fragte mich auch, warum ich mir noch keine Frau genommen hätte. Ich sagte ihr, ich sei nun schon zu alt, um noch zu freien; da lachte sie mich aus. Dazu sei man nie zu alt, meinte sie. Ich glaube, die würde mich gerne nehmen, sie schaut mich immer ganz verliebt an." Zum erstenmale seit dem Tode ihres Vaters lachte Gerda laut und herzlich auf. „Ein komisches Bild, das Sie entwerfen! Die alte Rosel hat doch gern ihre sechzig Jahre auf dem Rücken, Während Sie " Das Mädchen stockte errötend. „Na, weshalb vollenden sie nicht?" lachte er belustigt. „Für wie alt halten Sie mich denn eigentlich?" Gerda warf einen halb schelmischen Blick auf ihren Be gleiter, der sich zu seiner vollen Höhe aufrichtete und sie erwartungsvoll ansah. „Nun?" mahnte er eindringlich, als Gerda verlegen schwieg. „Etwa — 35 Jahre," sagte sie stockend. „O, Sie schmeicheln," lachte er, „ich bin ein alter Knabe, — bereits vierzig!" „Das steht man Ihnen aber nicht an!" — „Na, das freut mich, das heißt, wenn es wahr ist!" „Gewiß," versicherte sie heiter. Gerda hatte für kurze Zeit ihre Sorgen vergessen. Ihr Begleiter verstand es, sie zu unterhalten und zu zerstreuen. Sie hatten das stattliche Dorf erreicht und Viktor deutete auf ein im Villenstil erbautes Haus, das auf einer kleinen Anhöhe stand, ganz abgesondert von den übrigen und mit seinen Türmchen und Erkern einen sehr vornehmen Eindruck machte. „Sehen Sie, Fräulein, dort Hause ich mit meinen Ver Tüchtige AMtimMchen sucht zu höchsten Löhnen Handschuhfabrik, Rabenstein. Halb-Etagen, eine größere und zwei kleinere, in schöner Lage, mit sämtlichem Zubehör, elektrischem Licht und Garten genuß, für 1. April zu vermieten. Wo? zu erfahren in der Exped. d. Bl. Eine Halb-Etage für 1. April 1910 zu vermieten Siegmar, Friedrich-August-Str. 32. Halb-Etage für 1. April beziehbar. Näheres Reichenbrand, Weststraße 20. KI. Helle MWl per 1. April 1910 zu vermieten. Daselbst sind Heiner Fiillofen, sowie einige Zucht- Hähne zu verkaufen. Auch wird Wasch- und Scheuerfrau gesucht. Cin Laden mit Wohnung in Reichenbrand, Nr. 46, sofort oder später zu vermieten. 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W Sie nickte mit leuchtenden Augen. iH „Als ich noch ein Kind war und meine Mutter W lebte, durfte ich zuweilen die Schulferien hier verbrinW Es war eine köstliche Zeit, und wenn mein Großvater W manchmal brummte, — ich hielt mich mit der Rosel, die W immer freute, wenn ich kam. Sie hat manchen dumW Streich von mir gesehen und immer wußte sie Rat, ivW ich etwas zerbrach oder verdarb, daß der Großvater es iW erfuhr." „Und hatten Sie in jener Zeit nie Gelegenheit, W meinen Verwandten bekannt zu werden?" fragte Viktor! Gerda schüttelte den Kopf. W „Mir war es stets streng verboten, in die NäheH Spinnerei zu gehen. Der Name Helldorf wurde nie genaM ich kümmerte mich auch nicht darum, ich befand mich dawW noch in jenem glücklichen Alter, wo man nicht nach Grü»W forscht. Ich nahm das Leben, wie es war und fragte nW warum ich mich von der Spinnerei fern halten sollte. „Warum" erschien mir völlig gleichgiltig." Das langgestreckte Dorf lag hinter ihnen. Gerda HM> es wohl bemerkt, wie die Leute, die ihnen begegneten, W erbietig grüßten, wie viele neugierige Blicke ihnen folgW Einige besonders Ueberraschte blieben sogar stehen und schaW ihnen nach, so lange sie konnten. An den niedrigen FenstW tauchten verschiedene Gesichter auf. Fortsetzung folgW Nachrichten des Kgl. Standesamtes zn Reichend!« vom 22. bis 28. Januar 1910. Geburten: Dem Fabrikarbeiter Gustav Eugm Illig 1 Knabe Aufgebote: Der Bankbeamte Hermann Georg Sander in Ehen mit Anna Martha Fischer in Reichenbrand. Sterbefälle: Die Spulerin Rosalie Pauline Wilhelmine verw. Käi geb. Tränkner, 80 Jahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zv Sieg«, vom 20. bls 2«. Januar 1910. Geburten: Dem Schlosser Paul Emil Reißig 1 Knabe. Sterbefälle: Dem Baumeister Emil Johann Heinrich Bähr 1 L 7 Monate alt; 2 Totgeburten. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu RadensteM vom 22. bis 28. Januar 1910. Geburten: Dem.Maurer Richard Wilhelm Fiedler 1 Sohn; W Former Bernhard Rudolf Kempe 1 Sohn; dem Wirffchaitsb-W Richard Emst Reinhardt 1 Tochter. D Aufgebote: Der Schlosser Hermann William Hartwig mit MatöM Rotzmann; der Handschuhformer Eonrad Ottomar Müller mit Hulda Hiller; der Postbote Otto Alfred Großer mit Frieda Magirius; der Eisenbahnassistent Ernst Willy Frey mit Elise AWE Berger und der Lehrer Arthur Max Kreher mit Rosa Anna Bell Sterbefälle: Die Strumpfwtrkersehcfrau Christiane Wilhelm Porstmann geb. Wüller, 74 Jahre alt; und Gertrud Nora O 30 Jahre alt. ie f Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu RottluEA vom 21. bis 27. Januar 1910. inAh Geburten: Dem Maurer Karl Richard Bauer 1 Knabe; dem Strogen A Herrmann Richard Haupt 1 Mädchen. nd H, Predigtgottesdienst. — Freitag, den 4. Februar Vorm. Uhr Wochenkommunion. Parochie Rabenstein. Am Sonntag Sexagesimae den 30. Januar vorm. 9 ! Predigtgottesdienst mit Beichte und hl. Abendmahl. Mittwoch, am 2. Februar, abend 8 Uhr BibelD im Pfarrhause. Kirchliche Nachrichten. werde Parochie Reichenbrand. faub Am Sonntag Sexagesimae den 30. Januar Vorm. 9 Das Oberstabsarzt und Physikus Or. G. Schmidt'» beseitigt temporäre Taubheit, Ohren- fluß, Ohrensausen u.Schwerhörig- teit selbst in veralteten Fällen. Zu bezieh. L Mk 3.S0 p. Fl. ' urch in 6d6mnitri, Zcinllerstra^e 7. 20 § O1. 4 § 3x 01. OkamomiH aetk.. 3 § 01. Oampkeret. Stube mit Astoven und möglichst großer Küche in der Nähe Reichenbrand zu mieten gesucht. Angebote an Herrn Frisks. lieber, Reichenbrand. ! «Ser 2 Herren Können Kost und Logis erhalten Siegmar, Rosmarinstr. 40, 2 Tr. Ich suche für Ostern 1910 für erstklassige Berufsausbildung einen Dreher- und einen Schlosserlehrling. IL NlLUvr, Siegmar, Mühlenstratze 8.