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Rber noch nicht endgiltig! Dem tapferen Rhythmus des Rnfangs teilen fuh immer und immer wieder die Bilder entgegen, die die Erinnerung heraufbefdiworen hatte. Die beiden ringen lange miteinander, wer ftärher fei, auch der Sdtichfalsrhythmus der Pofaunen mifcht fidi in den Kampf. Ein jäher Rbbruch, erfdxüttemde Klagen, allmähliche Rückkehr zum feben. Rls die alte Kraft wieder gewonnen ift, erwachen auch jene Erinnerungen wieder und laflfen die Phantafie nicht wieder los. Wieder ertönt die ßrabtimme der Pofaunen, wieder macht fuh die Seele nach furchtbarem Ringen frei mit der 6laubensmelodie. Und nun hat fie wirklich überwunden. Zitternd uor Freude geniefjt fie die Wonnen des ßlüchs, mit bebenden Pulfen tritt fie frei uon aller Schwere in’s Eeben hinein; Siegesfanfaren erklingen in immer tragen derem ßlanze, immer höher wogt die Brandung des ßlüchs im Herzen und in der leuchtendften Helle des fonnigen Tages wird aus der Trauermelodie, mit der die Hörner begonnen hatten, ein Triumpfgefang des Cebens. con moto. Es fcheint doch, dafj die ßedanken Schuberts uiel bei feinen ungarischen Erleb- niffen weilten, als er diefe Sinfonie dichtete. Klan kann in dem Rndante, dafj den uor fünfundzwanzig Jahren noch ganz allgemein graffierenden törichten Titel „Trauermarfch“ endgültig uerloren zu haben fcheint, eine Reihe Erinnerungsbilder aus Ungarn fehen, und wer nach Herzensgefdiichten ftöbert, mag felbft die KomtefTe Eterhazy drin finden. Der Satj ift zum ßlüch fo unergründlich und unerfchöpflieh, da| er felbft damit nicht umgebracht wird. Er wird wohl für immer der phantafiereichlte Sinfoniefat* aller Zeiten bleiben, der Satj, in dem die größten ßegenfä^e nebeneinander Rehen, in dem die zarteten Uebergänge aus einem ßeheimnis in’s andere überleiten, in dem alle Seligkeit u. alles Ceid friedlich nebeneinander wohnen, über den aller Wohllaut der Sphären und aller Duft des Paradiefes ausgegoffen fcheint, den jedes Kind uerftehen und nicht der gröfjte Weltweife enträtfeln kann. Sd?cu30. Sind in dem Rndante die ungarischen Elemente in mehreren Themen herrschend, fo ift das Scherzo ganz Wien. Uon diefem Scherzo gingen Bruckner und Wähler aus, wenn fie fich das Recht zufprachen, fo, wie Haydn dem Menuett dauernd den Platj in der Sinfonie gefichert, wenn auch nicht als Erfter angewiefen hatte, nun ihrerfeits den üolkstänzen des 19. Jahrhunderts dort Heimatrecht zu uerfdiaffen. Im Scherzo der Tanz draußen in den Dörfern und im Trio die Terzen und Sezten des Uolkslieds, das oom Schönen Wiener Wald fingt und uon Frühlingsabenden und junger Ciebe, fehnfuchtsuoll und immer ein biffel traurig dabei. Rber dann wieder der Tanz; und da gehts nur zärtlich zu und fehr luftig. Hoch luftiger wird’s freilich im finale. Das ift wieder ungarifch. Wie da nach dem jauchzenden Rnfang im Stürmischen Rnlauf die Freude gepackt wird, das ift zum ßreifen deutlich in der Mufik ausgedrückt. Und wie das nun Sprüht und leuchtet und blitzt uon Tebensfunken, wie das jagt und drängt und fich austobtl Und dann das um ßott und alle Welt fich nicht Scherende Strolchen-Thema mit feinen frech gepfiffenen Terzen: „Hab* ich auch im Beutel keinen Heller ßeld, Ift doch mein die ganze liebe runde Welt’“ (Stünde das Thema bei Mahler, hiefje es banal. Hätten wir doch mehr fo unterblieb banale Themen wie dies und „Freude, fchöner ßötterfunken'.“) Schubert kann fich in diefen Terzen nicht genug tun. Ja er zitiert auch, nachdem die Freudenrhythmen des Rnfangs wieder eine Zeitlang erklungen find, das eben erwähnte Freudenthema aus Beethouens „neunter“, allerdings mehr als Thema der Zärtlichkeit: „Wer ein holdes Weib errungen, mifche feinen Jubel ein“. Fat Scheint’s als follte die Stimmung dabei wehmütig und gar tieffdimerzlich werden. Rber da hilft rafdt das Thema des Humors, das Strolchen-Thema, gleich im Kanon gefungen. Hachdem’s leife uerklungen, — eine uon den kötlichen Spielereien Schuberts mit dynamifdien ßegen- fätjen — beginnt wieder das Fet des Tebens, bei dem man keck alles ßlück beim Schopf faljt, immer wieder uon neuem packt. Und nachdem man fich wieder ausgetobt, pfeift man wieder jene fchöne Terzenmelodie, und fo könnte’s tatfächlich in lutigem Wechfel bis in infinitum weitergehen, wenn nicht auf einmal der Tebens- horizont fich doch etwas mit Wolken zu umziehen fchien. Die fröhlichen Terzen der zweiten Hälfte des Strolchen-Themas uermögen gegen die erten uier noten, die fich plötjlich etwas drohend Schichfalmäfjiges geben, nicht mehr ganz Stand zu halten, aber endlich finden fie aus allerhand „uerminderten“ Situationen doch den Weg zum leuchtend hellen C-dur zurück und die Freudenrhythmen des Rnfangs jubeln; „Das Ceben it doch fdiön!“ ßeorg ßöhler. Sluföer ^Ibomtemcnt findet Donnerstag, den 22. Hou. 1928, abends 8 Uhr im Thaliafaal die Schubert - ßedenkfeier der Philharmonie ftatt. Das ßeujandhausquartett und Prof. Ma* Pauer fpielen 3 der berühmteten Kammermufik- werke: t. Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ — 2. Klauierfonate B-dur — 3. Forellenquintett Karten für Mitglieder zum Uorzugspreife uon 2,25 Mk nur noch bis 3t. Oktober bei Hothan; uom t. nouem- ber ab Einheitspreis für alle Befucher 3,— Mk. Donnerstag, den 29. tlouember 1928, abends 8 Uhr im Stadtfdiütjenhausfaal: 3. Philharmonifches Konzert. Diefes Konzert bringt als fymphonifche Werke die Ertaufführung uon Bruckners „Erter Symphonie“ und Schuberts „llnuollendete“ durch die Berliner Philharmoniker.