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>&ie Komemttfdje« oon Brahms IV. Sinfonie fn E*jKoil itabms, bei fid) fo gern in 9Jtären unb ©c* 'fd)id)ten perfdjtounbener 3eiten perfekte unb bei SJtoftif bes Sobes nadjgrübelte, bat in biefer Sinfonie — ber oiexten unb lebten — feine Serbe, peffimiftifdje SBeltanfdjauung nod) ergreifenber suin Slusbrud gebradjt, als in feinem „IRequiem“ unb feinem „Sdjidfalslieb“. SSJlübe unb ferner Hingt bic Empfinbung bes e r ft e n S a b e s — er gleißt einem groben ftilifierten fiiebe — an’s Ohr; in fanftem Sdjludjsen flagt bie 3Jtufif über bie 93er* gänglid)feit alles Srbifdjen. Sein £>aupt=Xbema mit bem Hirsen Settfprung unb ber umgefebrten Sers ift toobl bas einfadjfte finfonifib ie oertoanbte SJtotin: Unb bod) formt 23tabms eine SBelt aus biefen brei Söncn — elegifdje Stimmungen mit Slustoeidjungen ins 5ßatbetifd)e. Elegifd) ift auch ber ©runbdjarafter bes 3 m e i* ten Sa bes: eines ballabesfen 9lnbante, fagen* baft ersäblenb in fd)nmrmerifd)er Erinnetungs* Stimmung, babei bod) in männlid)=oerbaltener Äraft unb feufdjer ©mpfinbungstiefe, burib ein ard)aiftifd)es Kolorit oon fird)entonart!id)er 9Jtelo* bientnenbung befonbers gefennseidjnet. 9Bie ein leis erfterbenbes 91benbrot nertlingt es. — Ser brüte Sab, (Allegro giocoso) entnimmt feine Sarbengebung gleidjer ©tunblage, ftürmt aber lebenbig babin, mie es einem fßrefto gesiemt — ein Sd)erso=3lbfd)nitt als heiteres Element, ber fid) aber bod) bcin pfnd)ifd)en ©runbton bes gansen SBerfcs mit feiner SBerbaltenbeit eng anpabt. — Ser oierte Sab birgt bie böd)ften Sßirfungen: er ift einer ber ernfteften unb böd)ftgeftimmten Sinfonie* fäbe, bie ie gefd)rieben tourben. (9Ran nerftebt bas Sd)lagtoort öans o. 23ülotos „Sie sebnte 23eet= bonenftbe Sinfonie“!) 3Jtit geroiibtigen 2lfforben onbebenb tritt eine ganse iReibe oon SRotioen auf, bie eingebenbfte mobulatorifdje Umroanblung er* fahren unb immer bringlicber nad) bem bobeits* polten Stusgang fud)en. fßofaunenflänge fünbigen ihn an unb in ©raoität su Enbe geführt, mit bem öinioeis auf bie Enbliibfeit alles 3tbifd)en unb bie Eroigfeit bes ©öttlidjen enbet biefer granbiofe Sab in einer monumentalen Sd)lu6=Ebaconne, in ber bie 23rabmsfd)e 33ariations!unft ihre bödfftcn Iriumpbe feiert. Eine notbifd)*berbe, in ihren ©efübten immer etmas surüdbattenbe, umflorte unb oerfibleierte SRufif, ift atfo bie Eigenart bes größten finfonifdjen 9ßlaftifers nach Seetbooen. Et ift getoib fein Äünft* ler ber Sarbe roie IRidjarb Straub ober anbere neu* seitlidfe ÜJfufifer, bei benen bie 3arbe als 2lusbrud su faft ungeahnter Sebcutung gelangt. SSrabm* fens Dribeftrierungsfunft ift toeit toeniger finnliib, aber boeb oon einer Satügfeit in ben Sarbtönen, bie beraufibenb roirft unb an ber man bei jebes* maligem Slnbören neue Sdfönbeiten entbedt. Sßenn fRidjarb Straub bie mufifalifdje 33ebeutung25rabms’ mit ber 23emerfung negierte, er fei „ein proteftan* tifdier Oberlehrer“, fo erflärt fid) angefid)ts ber 9Jteifterfd)aft unb fünftlerifdfenißbantafiefülle biefer Sinfonie folcfje ©alligfeit bod) nur aus ber ego* sentrifd)en Stellung, bie bie fdjaffenben SJIeifter meift bem Schaffen ihrer 3eitgenoffen - aud) ber tote 23rabms ift ja noch einer — gegenüber einnebmen.