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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 22.1978
- Erscheinungsdatum
- 1978
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-197800000
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19780000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19780000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 22.1978
-
- Ausgabe Nr. 1, 6. Januar 1
- Ausgabe Nr. 2, 13. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 20. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 27. Januar 1
- Ausgabe Nr. 5, 3. Februar 1
- Ausgabe Nr. 6, 10. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 17. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 24. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 3. März 1
- Ausgabe Nr. 10, 10. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 17. März 1
- Ausgabe Nr. 12, 24. März 1
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- Ausgabe Nr. 14, 7. April 1
- Ausgabe Nr. 15, 14. April 1
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- Ausgabe Nr. 21, 26. Mai 1
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- Ausgabe Nr. 24, 16. Juni 1
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- Ausgabe Nr. 27, 7. Juli 1
- Ausgabe Nr. 28, 14. Juli 1
- Ausgabe Nr. 29, 21. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 28. Juli 1
- Ausgabe Nr. 31, 25. August 1
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- Ausgabe Nr. 36, 9. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 37, 13. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 38, 20. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 39, 27. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 41, 10. November 1
- Ausgabe Nr. 42, 17. November 1
- Ausgabe Nr. 43, 24. November 1
- Ausgabe Nr. 44, 1. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 45, 8. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 46, 15. Dezember 1
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Band
Band 22.1978
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4 Kultur 24. Februar 1978 UZ/08 Brecht: Lust am Erkennen und Spaß an der Veränderung Notizen aus Anlaß des 80. Ge burtstages von Bertolt Brecht Schön frühzeitig verstand es b.b. (damals noch Eugen Berthold Fried rich Brecht), auf sich aufmerksam zu machen. Erstmals, so berichtet eine Anekdote aus seiner Gymna sialzeit, als man das Standbild Schillers für Kriegszwecke' ein schmolz, hatte sich der Pennäler Brecht in die frei gewordene Nische im Augsburger Stadttheater gestellt und erklärt, er werde nunmehr diesen Platz in der deutschen Dra matik einnehmen. Wohlan. Inzwischen ist bekannt, daß die ses Vorhaben aus jugendlicher Maß losigkeit mit der großen Literatur in Erfüllung gegangen ist. Nur der Weg dahin war nicht leicht und nicht vergleichbar mit dem kecken Sprung in die Mauernische. Vorerst begann der 16jährige Bürgersohn naiv mit lyrischen Huldigungen des beginnenden Krieges, dessen Greuel er schon bald zu spüren bekommen sollte. Er wurde zum Kriegsgegner und kam von da beginnend immer mehr in Konflikt mit seiner Um welt. Schließlich brach er (anfänglich total) mit den allgemeinen bürgerli chen Verhaltensnormen (..Der Tel ler, von welchem du issest dein Brot, schau ihn nicht lang an, wirf ihn fort“), unterwarf sich ihnen aber später wieder. Aber anders. „Ich bin aufgewachsen als Sohn/Wohlha- bender Leute. Meine Eltern haben mir/ Einen Kra gen umgebunden und mich erzogen/ In der Gewohnheit des Bedientwer dens/ Und unterrichtet in der Kunst des Befehlens. Aber/ Als ich er wachsen war und um mich sah/ Ge fielen mir die Leute meiner Klasse nicht/ Und ich verließ meine Klasse und gesellte mich/ Zu den geringen Leuten.“ Und er begann sich in sei nen Werken an die Weltanschauung der „geringen Leute“ heranzuarbei ten t nicht aus unterwürfig schwärmerischer Pose, sondern um mit seinen Werken „Gebrauchswerte für die menschliche Praxis heute“ mit „höchster Verständlichkeit“ zu schaffen. Das war verbunden mit der langen, aber konsequenten Suche nach neuen Formen für die neuen Inhalte seiner Literatur, die sich ihm aufdrängten, b.b. mußte also das sich besonders nach den Ereignissen von 1917 und 1918 nach Beschaulichkeit sehnende bürgerli ¬ che Theaterpublikum brüskieren. Theaterskandale und Premieren durchfälle umrahmten seinen Ein tritt in die Welt der Bühne.- b.b. strebte nach der „großen Einfach heit“ in der Modellierung der ge sellschaftlichen Zusammenhänge auf der Bühne, damit sich der Mensch als Resultat von Klassenkämpfen begreife und sich danach verhalten konnte. „Als ich das ,Kapital 1 von Marx las, verstand ich meine Stücke. Man wird verstehen, daß ich eine ausgiebige Verbreitung dieses Buches wünsche“ (1926). „Ich möchte gern eine Kunst ma chen, die die tiefsten und wichtig sten Dinge berührt und tausend Jahre geht: Sie soll nicht so ernst sein.“ b.b. war sehr bemüht, als Dra matiker dem Zuschauer auch Ver gnügen zu bereiten. „Unser Theater muß die Lust am Erkennen erregen, den Spaß an der Veränderung der, Wirklichkeit organisieren“. Dafür wird Brecht ein “ Humor nach gerühmt, der in seiner Originalität auf den befreundeten Münchner Lo kalhumoristen Karl Valentin zu rückgeht, von dem b.b. in seiner Ju gend viel gesehen, gehört, gelernt und dann klug verarbeitet hatte. Und er schämte sich nicht, sich zum Kriminalroman als zu seiner Lieblingslektüre gehörig zu beken nen. „Mein Ideal“, sagte b.b. „ist ein Kriminalroman, der in einem engli schen Pfarrhaus spielt: in der Truhe ist eine Leiche versteckt, und der Butler ist der Mörder.“ — Am 10. Februar wäre er, Bertolt Brecht, der Stückeschreiber, Regis seur, Kulturpolitiker achtzig Jahre alt geworden. Seine Worte „Litera tur hat das Recht und die Pflicht, dem Publikum die Ideen der Zeit wieder zu geben“, stehen gleichsam für sein künstlerisches wie sein po litisches Werden. Einst sollte Strittmatter zehn Sei ten über die menschliche Seite von b.b. schreiben. Brecht hob an, über seinen Schüler zu lachen und dik tierte zwischenrein: „Schreiben Sie: Er liebte ein altes Auto, Sitzun gen, die nicht länger als eine Stunde dauerten, Theater am Vormittag und abends Käse!“ Uwe Kuhr, FDJ-Redaktion Veranstaltungen im Monat März Kabarett „academixer" 11. . 13. bis 18. März, jeweils 20 Uhr, „Ideal und Intensiwirklichkeit" Aula der Volkshochschule Löhrstr. 5 (Nähe Hotel „International“) 12. März, 15 Uhr, Reprisenpro gramm der „academixer“, Aula der Volkshochschule, Löhrstr. 5 (Nähe Hotel „International“), Vorverkauf dieser Messe-Sonderveranstaltungen über die Leipzig-Information am Sachsenplatz Studiobühne 4. und 5. März, 19 Uhr, „Kohl haas“, Schauspiel von Stefan Schütz, Hörsaal der Frauenklinik 701, Phi lipp-Rosenthal-Str. 55, Vorverkauf über Leipzig-Information, Musika lienhandlung Oelsner und Haupt abteilung Kultur 14. März, 20 Uhr, „Lebe, lache gut“, ein Ringelnatz-Abend in der Hafenkneipe, Ernst-Beyer-Haus, Ernst-Schneller-Str. Galerie am Sachsenplatz 56. Verkaufsausstellung, 4. bis 28. März, Wolfram Ebersbach, Gün ter Firit, Gudrun Pontius-Torsten, Gregor Schade, Manfred Smolich Galeriegespräch am 17. März, 19 Uhr, zur Ausstellung erscheint der Katalog 7 der Galerie Klub der jungen Arbei- ter und Angestellten 1: Mär, 19’ Uhr, Zum Tag der Na tionalen Volksarmee: Rundtischge spräch, Thema: Warum braucht der Sozialismus militärischen Schutz? Es spricht Dr. Treiber, anschließend Diskothek 4. März, anläßlich der „Tage des Kabaretts der DDR“, „Werkstatt klub“, Eintritt nur auf Einladung! 8. März, 19 Uhr, Mitglieder des Akademischen Orchesters der KMU spielen: „Werke alter Meister“, an schließend Diskothek 11. März, 19 Uhr, Unser kleines Brechtprogramm mit Diskothek 18. März, 19 Uhr, Diskothek • 22. März, 19 Uhr, „Atelier im Klub“, Diskussion zu Werken der VIII. Kunstausstellung 25. März, 19 Uhr, Diskothek 29. März, 19 Uhr, „Lachen will ge lernt sein“, Humor von anno dazu mal, anschließend Diskothek Hochschulgruppe des Kulturbundes Die „Kleine Galerie“ im Haus der Wissenschaftler zeigt im März Gra fik und Illustrationen von Peter Laube 28. März, 19.30 Uhr, „als wir ein zogen in das neue Haus.. ", Brecht- Abend mit Studenten der Theater hochschule „Hans Otto“, Haus der Wissenschaftler 29. März, 16.30 Uhr, „Schlafstörun gen, Ursachen und therapeutische Möglichkeiten“, Gespräch mit MR Dr. Ursula Laux, Chefärztin der Poliklinik Süd, Haus der Wissen schaftler Die Hexen- und Wurzelszene als Gleichnis für das Schwanken Kohlhaas’ zwischen Herse (Peter Brasch, links), der Kohlhaas (Burkhard Damrau) im gemeinsamen Gehorsam und Aufruhr wider das Unrecht. Kampf stets weiterzutreiben bemüht ist. Einige Anmerkungen zur „Kohlhaas"-Premiere der Studiobühne Große Leistung der Darsteller vermochte Inszenierungs mängel nicht zu überspielen I • T 3" --- Tezension Die historische Figur des Kohlhaas, jenes rößhandelnden Kaufmanns, welcher - dereinst (1532—1540) durch junkerlichen Betrug und Ränke zum Empörer, zum Aufständischen wurde, erfuhr seit der Kleistschen Novelle durch zahlreiche weitere Autoren und das Publikum eine nachgerade per manente Beachtung. Dies ist. fraglos dem großen Reiz des Gegenstandes geschuldet. • Stefan Schütz’ „Kohlhaas“, 1976 entstanden und mit einem auf den er sten Blick Bescheidenheit animierenden „nach Kleist“ untertitelt, gibt in des eine fast völlig neue Lesart, die solcherart ist, daß sie über den ur sprünglichen Wortsinn der Adaption hinäusreicht. Der Potsdamer Autor rückt das dramatische Geschehen in Zeitnähe des Bauernkrieges. Er weist dabei auf die zwingende Notwendigkeit, personifziertes, individuelles Auf begehren gegen Ausbeuter auf die gesamte Klasse der Ausbeuter zu rich ten — und eben dafür auch die gesamte Klasse der Ausgebeuteten zu mo bilisieren, zu befähigen. Es ist dies, so banal oder überzogen das klingen mag, der durchaus taugliche Versuch / ^dramatisierter Revolutionstheorie“, dargestellt an der Misere feudalistischer Kleinstaaterei. Diese völlig neue Qualität der „Kohlhaas“-Interpretation machte — im Gegensatz zum Vorherigen — eine ebenso völlig neue Funktion des Kohlhaas-Knechtes Herse, dem Repräsentanten der Ausgebeuteten also, zwingend erforderlich. Schütz hat diese ja auch heute aktuelle Problematik in höchst beachtli- . Hoher, meisterhafter Konsequenz zu Buche gebracht, zudem in einer Spra che, die sein deutlich erkennbares Vorbild Heiner Müller „manchmal be täubend schön“ zu nennen weiß. Müller weiß natürlich von Schütz noch mehr. Nämlich, daß jedes ..neue Stück ... ein neuer gieriger Griff nach dem lebendigen Theater“ ist, und „seine Begabung trägt ihn gelegentlich über das dem Theater hier und heute Mögliche hinaus“. Zuallererst — und dies sei besonders betont — ist es gut, daß ein jun ger Dramatiker solches tut, zumal er einst selbst jahrelang Schauspieler war. Es ist gut, daß er bewußt die Grenzen der vorgeblichen Enden der Skalenbreite des Theaters erweitern will. All das nicht vordergründiger mo dernistischer Gaukelei oder Manieriertheit wegen. Aber — und das sei ebenfalls besonders betont — erfordert solches von den Leuten des Thea ters selbst, Möglichkeiten und Fähigkeiten, die zumindest bis an die Grenze des gewohnt Geforderten gehen. Von diesem Anspruch Stefan Schütz’, gehört zu haben, fördert natürlich das Bedürfnis, die „Kohlhaas“-Inszenierung von der Studiobühne, Poeti sches Theater „Louis Fürnberg" der KMU, zu erleben. Und eben dieser Schütz-Anspruch macht das Publikum selbst höchst anspruchsvoll, zumin dest spllte er es machen. Es sei schon im vorab gesagt, daß „trotz allem“ —zu dem noch etliches angemerkt werden muß — sich der Theaterabend im Hörsaal der Univer sitätsfrauenklinik auf jeden Fall lohnt. Das ' gilt für das Stück selbst ebenso, auch wenn den Intentionen von Schütz ganz gewiß nicht im er forderlichen (oder möglichen?) Maße, gefolgt wurde, wie für die . außer ordentliche schauspielerische Leistung des großen Laien(!)ensembles insge samt. Meine leisen anfänglichen Zweifel, ob der Leistungsfähigkeit von Amateuren angesichts der immensen komödiantischen Forderungen des Stücks wurden ungemein schnell zerstreut. Das ging ganz offensichtlich nicht nur mir so. Dabei zeigen sich um so mehr die Früchte der nun schon traditionellen Übernahme von Stücken in den. Spielplan der Studiobühne, die (beiderseits des ..Theatergrabens“) beachtliche Leistungen erfordern, die jedoch natürlich zuvörderst die Akteure auf der Bühne zu erbringen haben. Diese Leistungen wurden, wie gesagt, auch beim „Kohlhaas“ erbracht, dennoch blieb nach der Premiere ein anfänglich nicht näher. zu definie rendes, letztlich unbefriedigendes Gefühl, daß. alles nicht so recht stimmig wirkte. Es schien, daß so manches offen blieb, und da macht .man sich natürlich seine Gedanken, da kommen einem schon ein paar Fragen auf, deren Beantwortung die Inszenierung schuldig blieb. Ich weiß nicht, wel che Muse den jungen Hallenser Regisseur Jürgen Verdofsky, der die. Insze nierung besorgte, geküßt haben mag. • Ein glückhafter Kuß schien es mir indes nicht unbedingt gewesen zu sein. Dies meine ich,'obwohl Verdofsky es an Einfällen wahrlich nicht mangeln ließ, wobei er selbst den amphithea- tralischen Charakter des Aufführungsortes und das Publikum ins 'Spiel einzubeziehen bemüht war. Nun komme ich zu dem oben angezeigten „Trotz alledem“. Das in elf Sze nen gegliederte Stück schien sich mitunter, doch recht mühsam, schwer fällig, ja streckenweise fast holprig, zu einem Ganzen zu fügen. Und as lag ganz gewiß nicht an den zu lang geratenen Umbaupausen, die zwar den Zuschauer optisch völlig im Dunkeln ließen, aber natürlich nicht fü das Dunkle betreffs Harmonie insgesamt herhalten können. Die Inszenier rung duldete teilweise gar eine Verselbständigung einiger Szenenbil, der — oder beförderte diese, was aber aufs gleiche hinausläuft — und läßt die Vermutung zu, daß es Jürgen Verdofsky recht schwerfiel, ein durchgängiges Regieprinzip zu erkennen — und damit nachvollziehbar werden zu lassen. Denn daß er eins gehabt haben muß, steht ja in begrün* deter Erwartung. Diese Verselbständigung fiel mir vor allem in der He* xenszene auf, die ja wohl als Gleichnis zu verstehen ist. Hier war die Cho* reographie eindeutig zu stark auf fast nur surrealistische Show-Effekte an gelegt, die das Sinnbildhafte in den Hintergrund drängten und somit das Verständnis ,erschwerten. (Womit ich gar nichts gegen die schönen „Hexen“, sage ...) Aber diese formalen, äußerlichen Schwächen scheinen mir letztlich nur Ausdruck einer viel tiefer wurzelnden Schwäche zu sein, die sich im Stil der Inszenierung insgesamt ausdrückt, in der theatergemäßen Umset zung der Intentionen des Autors Stefan Schütz nämlich. Des Kohlhaas’ Knecht Herse hat, wie schon angedeutet, bei Schütz eine wesentlich weiter reichende Funktion als dies noch bei Kleist und eben leider auch in der Inszenierung der Studiobühne zum Ausdruck kommt. Während Kohlhaas sich fast ausschließlich gegen den Übergriff auf sein Eigentum empört, ist die Empörung Herses anderer, weitaus tieferer Na tur. Er, der Eigentumslose, empört sich gegen die Ungerechtigkeit der Mächtigen, will durch Kampf eine neue, bessere Ordnung. Herse ist be- dingungs- und kompromißloser, kämpferischer, hat er doch nichts zu ver- lieren als die Ketten seiner Knechtschaft. Herse treibt nach der Zerstö rung des junkerlichen Tronkenburg, dem einzigen Ziel Kohlhaas’, diesen zu einem Kampf, den Kohlhaas eigentlich schon gar nicht mehr will, den zu führen er sich auf Grund seines im bürgerlichen Besitztum befangenen Denkens außerstande sieht — und es objektiv auch ist. Kohlhaas ist am Ende seines anarchistischen Aufbegehrens angelangt. Nach der Eroberung Wittenbergs, voller. Selbstzufriedenheit und ohne Argwohn in einer gro ßen hölzernen Wanne „thronend“, aber nicht wirklich herrschend, nicht im neuen Sinne regierend, nun nur ziellos „plantschend“, verschließt er sich der Forderung Herses „Wir haben erobert, wir müssen bauen!“. Nicht umsonst siedelt Schütz die Handlung in unmittelbarer Nähe des Bauernkrieges an, jener bedeutsamen Phase in der frühbürgerlichen Re volution auf deutschem Boden, in der sich die Klassenkräfte erstmals so deutlich differenzierten und vor allem formierten. Freilich, Herse, darge stellt von Peter Brasch, weiß außer der revolutionären Forderung des Auf baus einer neuen Ordnung noch (!) nichts über das Wie, außer — sie muß gerecht sein. Aber diese Ohnmacht ist, wenn auch für ihn und die Män ner des Kohlhaas tragisch endend,' historisch nur zeitweilig. Von dieser überzeugend konzipierten neuen Funktion des Herse spürt man in der Aufführung allerdings gar zu wenig, sieht man von der Schlüs selszene auf der.. Tronkenburg und. dem Schluß ab. Und das ist, so meine ich, der springende, hier leider wunde Punkt der Inszenierung, so dankens wert. es unbestritten auch ist, daß sich die Studiobühne dieses Werkes angenommen hat. Man kann der Studiobühne der KMU ebenfalls getrost attestieren, daß jedes ihrer neuen Stücke „ein neuer gieriger Griff nach dem lebendigen Theater“, ist. Auch sei hier die Begabung der Akteure unbestritten, ja nochmals betont, allen voran Burkhard Damrau als Kohlhaas, Michael Hametner in der vorzüglich gemeisterten Rolle des Luther, Barbara Frank als Till und Thomas Rühmann, der gleich in vier Rollen über- zeugte, aber bei der Inszenierung wäre mehr möglich, ja nötig gewesen,' und das eben nicht nur gelegentlich. Ohne in Widerspruch mit mir selbst geraten zu wollen, der ich als aus gesprochen verdienstvoll anerkenne, daß sich unsere Studiobühne, seit ge- raumer Zeit ’ getreulich besonders anspruchsvoller Stücke . annimmt,. Wo hingegen andere sich diesbezüglich mit der Rolle der drei indischen Af fen begnügen, sei. zu. guter Letzt doch noch eine Sorge genannt.. Allein „gierige“ Griffe ins Repertoire-Angebot genügen freilich nicht, man muß solche schließlich auf Dauer auch künstlerisch „verdauen“, sonst verdirbt man sich manches, wenngleich nicht den Magen. Eine Sorge, die hoffent lich nie in praxi zutrifft. Helmut Rosau In der Rolle des wortgewandten Dem agogen Luther wußte Michael Hamet ner zu überzeugen. Mit der Eroberung Wittenbergs ist für Kohlhaas der Kampf endgültig beendet. Er ist weder bereit, noch in der Lage, sich den unterschiedlichen Forderungen der Bürger (Arme und Reiche) zu stellen. Eine beachtliche Leistung bot Burkhard Damrau in der Titelrolle. (Fotos: Jenö Levai)
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