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UZ/36 10. Oktober 1977 Leseraktion 5 Drei Kurzreisen in die UdSSR, und wer das Glück des Hauptge winns nicht hat, für den besteht die Chance des Gewinns von 3mal 250, 150, 100 und 50 Mark oder Buchprämien. Einzige Bedingung: Erlebnisse Revue passieren lassen über „Deine Begegnung mit der Sowjetunion“. Es sind erlaubt: Erlebnisberichte, Reportagen, Kurzprosa, Lyrik, Fotografie und Grafik. Träger dieser Leseraktion sind der DSF- Kreisvorstand, die UGL, die FDJ-Kreisleitung und die UZ-Redak- tion. Einsendeschluß: 7. November 1977 (Datum des Poststempels). Der Adressat: „Universitätszeitung“, 701 Leipzig, Ritterstraße 8/10. Kennwort: Leseraktion. — Anja, die Sixtina und eine „Lektion" in Dresden Als meine Kiewer Freundin Anja auf eine Einladung hin ihr Kommen für August ankündigte und dazu den Wunsch äußerte, Dresden kennen- zulernen, dachte ich: Das klappt ja bestens. Immerhin weiß man als allgemeingebildeter Mensch über diese Stadt so etwa Bescheid, selbst gesehen hatte ich auch einiges. Bin nen kurzem stand der „Tagesplan“ fest: Ankunft 9.32 Uhr, Stadtbum mel, dabei Zwinger, Brühlsche Ter rasse zeigen, dann — weil es mich Selbst immer wieder dahinzieht — etwa drei Stunden in die Gemälde galerie Alte Meister. Interesse für letzteres war wohl auch bei Anja zu Vermuten, allzuviel Kenntnisse je- | doch — hoffentlich — nicht. Mir fiel ein, daß Anja bei unserem Ken- i henlernen vor sechs Jahren bereits in allen Berliner Buchläden nach Literatur über Dresden und seine Kunstschätze gefragt hatte. Das War — Moment — im Sommer 1969 in der Pionierrepublik am Werbel linsee. Beim ersten Freundschafts treffen mit der sowjetischen Delega tion erzählte mir die elternlose Anja Von ihrer Kindheit im Waisenhaus, die sie dort recht glücklich und fröhlich verbracht hatte. Vor der ! Abreise nach sechs herrlichen Fe rienwochen tauschten wir die Adres sen — und schreiben uns seitdem mit unermüdlichem Eifer. Inzwi schen studieren wir beide — Anja Textilmaschinenbau in Samarkand. Das Wiedersehen verlief herzlich Wie erwartet. Es gab eine Menge zu erzählen, ich stellte Anja meine Fa milie und Freunde vor. Was mich allerdings am meisten begeisterte: Anja bestand darauf, in ihren zwei Wochen DDR-Aufenthalt ausschließ lich deutsch zu sprechen. Na ja, das kam meiner bei Russisch sehr tol patschigen Zunge ganz gelegen. So Verging die erste Woche wie im Pluge, und mit dem zweiten Mitt woch rückte der versprochene Dres den-Ausflug heran. Schon auf der Bahnfahrt in die Elbestadt hätte ich stutzig werden müssen, als Anja dämlich mit erstaunlicher Fach kenntnis über die Ermitage plau derte und mich zweimal fragte, ob Wir uns auch wirklich genug Zeit für die „Sixtina“ nehmen würden. Boch ich merkte noch nichts. Gemäldegalerie Alte Meister. Sie gessicher führte ich Anja von Raum zu Raum, ab und zu auf ein Bild besonders verweisend. Anja folgte bereitwillig und stumm. Eine ganze Weile. Doch dann stellte sie aus hei terem Himmel eine sonderbare Frage. (Wir waren eben vor einen Rembrandt getreten, und ich wollte ein paar „kluge“ Bemerkungen zu meinem Lieblingsmaler starten). Ob man die Steinbrüche besichtigen könne, in denen man dieses und an dere Bilder gefunden hatte? Ich blieb erst mal stehen. Wie kam das Mäd chen denn auf so etwas?! Klar, fiel es mir ein, irgendwie und irgend wann war gegen Kriegsende ein großer Teil der Gemälde von den Faschisten irgendwohin verschleppt und versteckt worden. Präziser wußte ich’s allerdings nicht. Stot terte etwas von „Keine Ahnung“ und deutete auf das „Selbstbildnis mit Saskia“: Rembrandt, hier in sei ner frühen Schaffensperiode, Braut Saskia stolz im Arm, kräftige Rot- Töne ... Anja hörte geduldig zu, und fragte dann: Ob ich wüßte, daß Mar schall Konjew dieses Bild in seinem Erinnerungsbuch „Das Jahr 1945“ erwähnt habe. Es sei doch in deutsch erschienen — 1969. Da habe sie es doch in Berlin gekauft. Ich konnte bloß noch passen. Weißt du, eigentlich habe ich überhaupt keine Ahnung, was damals alles passierte, gab ich zu. Doch Anjas Gesicht drückte weder Verwunderung noch Spott aus, als sie nun in ihrem sau beren Deutsch wie selbstverständ lich zu erklären begann... Der Befehl zur Rettung der Dresd ner Kunstschätze war schon vor der Befreiung erteilt worden. Unter Marschall Konjew, Oberkommandie render der 1. Ukrainischen Front, wurde ein Suchkommando mit Fachleuten gebildet. Rabinowitsch, im zivilen Leben Maler und Journa list, entdeckte in einem Steinbruch an der Elbe eine ganze Anzahl Ge- mälde, die sich in furchtbarem Zu stand befanden. Sie wurden zunächst nach Pillnitz, später in sowjetische Museen in Moskau und Kiew ge bracht und dort mühevoll restau riert. Unter den Bildern Giorgiones „Schlummernde Venus“, Rembrandts „Ganymed“ und die „Sixtina“. „Die schlummernde Venus“. In dem Moment, wo Anja sie erwähnte, erreichten wir das Gemälde, das wohl zu den schönsten in Dresden zählt. Und doch hielten wir uns hier nicht lange auf, denn Anja ent deckte mit einem entzückten Ausruf endlich die „Sixtina“. Mit feierlichen Schritten ging sie langsam auf das imposante Gemälde zu, vor dem sich eine Traube von Knirpsen im Schulalter versammelt hatte und ziemlich aufmerksam die Erklärun gen ihrer Begleiterin über sich er gehen ließ. Ich befürchtete, als ich Anjas bewundernden Blick auf der Madonnenfigur ruhen sah, daß sie mich mit ihrem Wissen wieder in den Schatten stellen würde. Doch da bat sie schon: „Erzähle mir doch bitte etwas über dieses wunder schöne Bild. Weißt Du, von Malerei habe ich nicht viel Ahnung.“ So packte ich alles aus, was ich in Schule und Büchern von Raffaels Meisterwerk erfahren hatte. Anja bedankte sich anschließend „für die interessanten Ausführungen“, und ergänzte bloß nachdenklich, beim Eisenbahntransport der „Sixtina“ zurück in die DDR sei man nach langem Streit über die Versiche rungssumme zu dem Resultat ge kommen, dieses Bild könne man gar nicht hoch genug versichern. Zwei zu null für Anja, dachte ich, und nahm mir vor, beim Verlassen der Galerie eine Reproduktion der „Sixtina“ für sie zu kaufen. Zunächst aber stießen wir noch auf das „Bildnis eines jungen Man nes“. Dieses Dürer-Gemälde habe doch die Regierung der UdSSR 1955 symbolisch für alle geretteten Ge mälde an die DDR übergeben, be merkte Anja zu mir. Wenn ich nun einmal meine Unkenntnis über die ses Kapitel Galerie-Geshichte zuge geben hatte, wollte ich auch alles wissen. So hörte ich von meiner Freundin, daß im Oktober 1955 meh rere Transporte aus der Sowjetunion sämtliche Bilder zurück in ihre Hei mat gebracht hatten. Zuvor, das fand Anja sehr lustig, wurde für jedes Werk ein richtiger Paß aus gestellt, auf dem der Zustand bei der Bergung und die Restaurie ¬ rungsarbeiten angegeben waren. Übrigens, schloß sie, waren es 1240 Meisterwerke, die sowjetische Spe zialisten allein im Puschkin-Museum in Moskau restaurierten. Damit war ich nun wieder ein bißchen schlauer geworden, stellte ich beim Verlassen der Galerie fest. Und zwar hatte ich in doppelter Hinsicht dazugelernt. Einmal über einen wichtigen Ab schnitt in der Geschichte der Gale rie. Vor allem jedoch, daß unsere ausländischen Freunde manchmal mehr über unser Land wissen als wir selbst. Diese etwas beschämende Einsicht verbuchte ich aber nur im Stillen, denn Anja betonte auf der Rückfahrt aus Dresden überglück lich, daß es wohl für uns beide ein Gewinn war, und daß ich sehr, sehr viel Ahnung von Kunst hätte. Nebenbei bemerkt, über die Re produktion hat sie sich höllisch ge freut und tausendmal bedankt. Kaum nach Samarkand an ihre Uni zurückgekehrt, kam ein Päckchen: Mit Konjews „Jahr 1945“. Ute Fizetz. 2. Stj., Sektion Journalistik Angehörige der Sowjetarmee bei der Freilegung des Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar, Juli 1945, das am 7. August von W. I. Tschuikow wieder der Öffent lichkeit übergeben wurde. Repro: R. Müller Konferenz in Lwow und ein Diplom erster Klasse Sowjetische Komsomolzen bei einem Studentenfestival in der sibirischen Stadt Bratsk, an dem auch DDR-Kommilitonen beteiligt waren. Foto: Hans Kuhbach Durch Studentenaustausch echte Freunde gefunden Zehn Studenten der Sektion Physik der KMU fuhren vom 4. bis zum 26. Juli im Rahmen des Studentenaus tausches nach Leningrad. Schon bei der Ankunft wurden wir sehr herz lich von den dortigen Studenten mit Blumen begrüßt. Gemeinsam fuhren wir dann nach Peterhof in das neue Internat der Physikstudenten, wo wir auch untergebracht wurden. Dort steht das großzügig angelegte physikalische Institut und Lehrge bäude, in dem wir uns in den näch sten Tagen intensiv mit den Ausbil dungsmethoden und -möglichkeiten der Leningrader Studenten vertraut machen konnten. Wir lernten mo derne Praktikumsräume und For schungsstätten kennen, hörten Vor lesungen und besichtigten auch das Rechenzentrum. Hier erlebten wir mit großem Spaß die Vorführung einer musizierenden Rechenma schine. Die Betreuung durch die sowjeti schen Studenten, ihre Gastfreund schaft waren einfach großartig. Un sere Freundschaft und das bessere Kennenlernen wurden durch ge meinsame Veranstaltungen wie zwei Ballettabende, eine Fahrt nach Now gorod oder die Besichtigung der Parkanlagen im Petershof, Puschkin und Pawlowsk vertieft. Mit viel Be geisterung führten uns die sowjeti schen Studenten durch die histori schen Stätten von Leningrad. Besonders Pawlowsk hat uns sehr beeindruckt, da dort ein alter Lenin gradkämpfer die Führung übernahm und uns sehr anschaulich und ein drucksvoll über die harte Zeit der faschistischen Blockade berichtete. Ein weiterer Höhepunkt war für uns eine Dampferfahrt auf der Newa zum Ladogasee. Der Abschluß unseres Studentenaustausches bil dete noch ein dreitägiger Aufenthalt in Moskau. Wir hatten uns in den drei Wochen mit unseren sowjeti schen Freunden prima verstanden. Es gab zwar manchmal Sprach- aber nie Verständnisschwierigkeiten. So freuten wir uns, als wir sie nach wenigen Wochen hier bei uns in der DDR wieder begrüßen und sie bei ihrer Aufenthalten in Berlin, Leip zig, Dresden, Jena , und Weimar be treuen konnten. Am Abschiedsabend tauschten wir unsere Adressen, denn wir waren nun wirkliche Freunde geworden. Eckhard Reccius, Physikstudent, 3. Studienjahr Am 26. April 1966 wurde Taschkent von einem Erdbeben heimgesucht Vor einem Jahr wurde zwischen der DSF-Grundorganisation der Zahnklinik der KMU Leipzig und dem Medizinischen Institut der so wjetischen Stadt Lwow ein Freund schaftsvertrag unterzeichnet. Ihm vorausgegangen waren ein herzlicher Briefwechsel und im vergangenen Jahr ein gegenseitiger Austausch von Studenten zu Studentenkonfe renzen. Auch im Mai dieses Jahres weilten zwei Studentinnen des IV. Studienjahres auf Einladung der wissenschaftlichen Studentenorgani sation in der Partneruniversität Lwow. Die Studentinnen Sylka Tho mas und Doris Stephan berichten: '„Auf dem Flugplatz in Lwow wur den wir von einer Delegation so wjetischer Studenten herzlich be grüßt. Sie brachten uns zu unserem Quartier im neuerbauten Wohn heim des Medizinischen Instituts. Am ersten Tag unseres Aufenthaltes machten wir uns mit der ukraini schen Bezirksstadt Lwow bekannt. Der historische Stadtkern mit seinen architektonisch wertvollen Gebäu den sowie der ländliche Bauern markt zogen unsere besondere Auf merksamkeit auf sich. Gemeinsam mit unseren sowjetischen Freunden und einigen DDR-Studenten, die hier ihr Zahnmedizinstudium absolvie ren, besuchten wir die bekanntesten Museen dieser Stadt und machten uns so mit ihrer Geschichte be kannt. Besonders fiel uns die vielen so wjetischen Städten eigene großzü gige Anlage von Parks, Blumenbee ten und schattigen Alleen auf, die die saubere und reine Luft der Städte bedingen. Am nächsten Tag besichtigten wir die Ausbildungs stätten und klinischen Einrichtun gen des Medizinischen Instituts. Da bei beeindruckte uns die Anwen dung der modernen Technik zur' Überprüfung der Kenntnisse der Studenten. Vor jedem Praktikum, so berichtete uns der Leiter der Sek tion Physikalische Chemie, erhalten die Studenten 10 Testfragen im Ant wort-Wahl-System, deren Ergebnisse sie durch Knopfdruck in ein Schalt pult an ihrem Arbeitsplatz eingeben. Ein kleiner Computer wertet die Lö sungen aus und gibt jedem Studen ten seine Zensur bekannt. Dieser er lebnisreiche Tag klang mit einem Abend am traditionellen Samowar und mit angeregten Gesprächen über das Studium und unsere Heimat aus. Der eigentliche Anlaß unserer Reise, die wissenschaftliche Studen tenkonferenz, fand am folgenden Tag statt. Nach einer zentralen Er öffnung durch den Rektor des Insti tuts begannen in den Hörsälen der einzelnen Sektionen die Fachvor träge. Auf dem Gebiet der Zahnme dizin berichteten 11 Studenten über ihre Arbeit an Forschungsobjekten des Medizinischen Instituts. Die Vor träge waren sehr interessant und aufschlußreich und gaben uns einen Einblick in den Umfang der wissen schaftlichen Arbeit an diesem Insti tut. Im Anschluß an die Vorträge fand eine offene, kritische Aus sprache über das Gehörte statt. Die Vortragenden nahmen selbstkritisch zu Problemen ihrer Arbeit Stellung. Auch unser Vortrag zum Thema Kapillarforschung, dem Thema un serer Diplomarbeit, fand bei den so wjetischen Freunden großes Inter esse und wurde mit einem Diplom erster Klasse ausgezeichnet. Darauf sind wir natürlich sehr stolz. Besonders bemerkenswert fanden wir einen Vortrag zur Behandlung der Parodontopathien mittels Laser bestrahlung. Diese Methode ist in Zusammenarbeit von drei sowjeti schen Instituten entstanden, und es sind bereits vielversprechende Er folge erzielt worden. Ein Abend der Freundschaft mit Gesang und Tanz schloß die für uns ereignisreiche und leider viel zu schnell vergangene Zeit ab. Wir kehrten mit vielen neueh Erkennt nissen und Erfahrungen nach Leip zig zurück. Sylka Thomas, Studentin der Stomatologie, 4. Studienjahr Morgen fällt vom Himmel wie ein Fels in aller Schlaf. Des jungen Paares Honigmond ist Beben. Wo das Epizentrum Wände traf, blaut auf im Schutt einer Kachel unversehrtes Leben. Mittag räumt schon Hausrats letzte Krume als weiße Taube, deren Flügel brach. Schmerzensreiche Stadt! Du sollst dem Hammer trauen, der Sichel Blitzstrahl, der dir Ähren fällt. Auf tausend Lippen. staubverklebten, rauhen, hat sich zum Weinen schon der Trost gesellt. Moskauer Eis, Charkower Hilfsbrigaden, das Brot der Liebe, wo der Herd noch fehlt. • Auf Bruders Schultern wird die Last geladen, in Riesenhand, wo jeder Finger zählt, dem Land zum Ruhme. Beate Stanislaus, HA Kultur Und nicht vergessen: 2. UZ-Disko mit Zwischenauswertung der Le seraktion am 25. Oktober, 19.00 Uhr, im Klub der jungen Arbeiter und Angestellten in der Ritterstraße 14. Karten sind in der UZ- Redaktion und an der Abendkasse erhältlich*