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Dresdner Journal : 11.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189703113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970311
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970311
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-11
-
Monat
1897-03
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 11.03.1897
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vez»s«»re« GH, Drr«deu vierteljlhrlich: S Mart SV Pf, bei den Kat»» lich deutschen Pofianstalte» aierttljähklich s Mark; außer- dpld de« Deutschen Reiche« Paß. und Etempeljuschlag Einzelne Nummern: »0 Pf Erscheine»: H-lrch mit Ausnahme der Sena- und Feiertage abend«. Feruspr.-Inschluß: Nr 1-AS Dresdner M Journal. A»kt»hts»»s««e»»tre»: Für den Nam» nner gespal tenen Zeile kleiner Schrift SO Pf. Unter „Eingesandt" dir Zeile dv M. Bei Tabellen- und Ziffer,natz entsprechender Aufschlag Her»»««e»er: »Saigltch« Expedition de« Dresdner Jvilrnal« Dresden, Zunngerstr »0 »ernspr-Anschluß: «r lr»S. 1897 >? S8. Donnerstag den II. März, abends. Amtlicher Teil. Bekanntmachung. Zu Schwurgerichtsvorsitzenden für die im zweiten Kalendervierteljahre 1897 beginnende Sitzungsperiode sind nach 8 83 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 ernannt worden: bei dem Landgerichte Dresden der Landgerichtsdirektor Göhler, - - - Leipzig - Landgerichtsdirektor Bartsch, - - - Chemnitz - Landgerichtsdireltor Schräg, - - - Bautzen - Landgerichtspräsident Dr. Eberhardt, - - - Freiberg - Landgerichtsdirektor vr. Stohwasser, - - - Zwickau - Landgerichtsdirektor Or. Klöppel, - Plauen - Landgerichtsdireltor Oeser. Dresden, den 9. März 1897. Der Präsident des K. S. Oberlandcsgerichts. Werner. Dietel. Ernennungen, Versetzungen rc. tm öffentlichen Dienste. I« tzteschäftSberciche des MiuisteriumS der Justiz. Tas vom RechtSanwall HanS Eberhard Reinhard, zeityer in Hohenstein-Ernstthal, bekleidete Amt eines Notars ist durch Niederlegung und Feststellung nach § NS der Notariatsordnung vom L September 1892 erloschen Im Geschäftsbereiche des Ministeriums der Finanzen. Angcstellt: der Bezirksfeldwebel Stoll genannt Leonhardt als Expedient bei der Hauptbergkasse zu Freiberg. — Beför dert: der Untersteiger Rülke zum Obersteiger bei den Königl. Erzbergwerken, bis auf Weiteres bei der Mittelgrube, Abtheilung Beschert Glück. Bei der Post - Verwaltung sind ernannt worden: Geier, Seyfarth, Wieland, Apitzsch, Breitenborn, Bülz, Kindermann, Hartung und Birenheide, zeither Postpraktikanten, Jasniewicz, zeither Ober-Postajsistent, als PostsekretSre im Bezirke der Kaiser!. Oberpvstdirektion zu Leipzig; Sachse, Gasthossbesitzer, als Postagent in Heidenau; Strauch, zeither ständiger PosthiUfsbote, als Postagent in Bischdorf. Nichtamtlicher Seil. Zu der Äretafrage ist auch heute nichts wesentlich neues zu verzeichnen; man kann daher nur wiederum kurz zusammenfassen, wie die augenblickliche Situation sich ausnimmt. Alle Meld ungen stimmen darin überein, daß die griechische Antwort von keiner Großmacht als befriedigend an gesehen wird, daß aber zuvörderst bloS die drei Kaiserinächte für die schleunige Durchführung der angekündigten Zwangsmaßregeln eintreteu, während das englische Kabinett noch zaudert, das französische auf die Stellungnahme der Deputierlenkammer und das italienische getreu seinem bisherigen Verhalten auf die Einigung aller anderen wartet. Ver handlungen, die auf eine Verständigung betreffs der Verwirklichung des Ultimatums abzielen, sind von den Mächten sofort nach Eingang der griechischen Note eingeleitct worden. Da man sich hierüber nicht schon vor Abgabe des Ultimatums geeinigt hat, was das natürliche und zweckmäßige gewesen wäre, so wird es mit diesen Erörterungen wie mit vielen nachträglichen Arbeiten wohl nicht sehr rasch gehen Nach einer Er klärung Lord Balfours dürfte» die Beratungen jeden falls bis heute noch nicht abgeschlossen worden, in folgedessen auch Hr. Hauotaux heute noch nicht in der Lage Limst und Wissenschaft. Aus siebzig Jahren. Die Zahl der Selbstbiographien und Erinnerungen ist im steten Anwachsen. Würde es sicher seine Bedenken haben, wenn, wie Venvento Eellini gefordert hat, jeder Mensch, dem das Schicksal gönnte etwas Rechtes zu er leben, sein eigner Geschichtsschreiber würde, so sind wir von dieser Gefahr noch weit genug entfernt, um einst weilen noch an der Fülle autobiographischer Darbietungen Anteil nehmen zu können, die aus den verschiedensten Lebenskreisen zu Tage treten. Mit dem Verfasser des Buches „Aus siebzig Jahren", Lebenserinnerungen von Joses v Wasielewski (Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt 1897) müssen wir in der Voraussetzung übereinstimmen, daß es gut und löblich ist, Tugendsames und Tugendähnliches vollbracht zu haben, aber kein hin reichender Grund seinen Lebensgang auszuzeichnen „Es wird vielmehr darauf ankommen, ob der Selbstbiograph Mitteilungen von irgend einer Bedeutsamkeit zu machen hat In diesem Falle glaubte ich mich zu befinden, und so ging ich daran meine Lebenserinnerungen nieder zuschreiben." Die Jugend- und Bildungsgeschichte eines bekannten Musikers und Musikschriftsteller« wie Wasielewski kann eine Allgemeinbedeutung nur dadurch erhalten, daß sie den Hintergrund der Zeit und der Zustände so treu wiedergiebt, wie die eignen persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen des Verfasser«, daß es ihm an zahl reichen Beziehungen und Begegnungen nicht gefehlt hat, daß er tief mit dem zeitgenössischen Leben in seiner Kunst verwachsen war, daß er endlich seine Kraft in bleibenden Bestrebungen und Leistungen bethätigt hat Für Dre«den würde ja die bloße Thatsache, daß der Biograph R Schu mann« eine Reih« von Jahren hier gelebt hat, eine ge wisse Teilnahme an seinen Aufzeichnungen erwecken Für gewesen sein, der französischen Kammer klare Auskunft zu erteilen nnd einen Beschluß dieser philhellenischen Stimmungen scheinbar immer mehr nachgebcnden Körperschaft Hervorzurusen, welcher der Regierung der Republik Vollmacht nach der einen oder andern Seite hin gewährt. Indessen hofft man, besonders in deut schen politischen Kreisen, daß England zuguterletzt sich der in der Kollektivnote übernommenen Mitverpflicht ung nicht entziehen und daß das Pariser Kabinett sich von der Volksvertretung nicht zwingen lassen werde, seine Politik in der Kretafrage von derjenigen der andern Mächte und namentlich Rußlands zu trennen. Nebenher laufen Meldungen, daß man von London und Paris aus in ve> traulicher Form auf die griechische Regierung einwnke, um sie zu einer weiteren, ihre Nachgiebigkeit bekundenden Erklärung zu bestimmen. In der That hat man gerade in eng lischen und französischen Kreisen die Antwort Griechen lands als zu weiteren Verhandlungen einladend auf gefaßt, und an diesen beiden Stellen ist die Neigung, den Friedensstörer mit möglichster Schonung zu be handeln, ja von vornherein am stärksten gewisen. Dennoch ist die Richtigkeit dieser Meldungen ebenso zu be zweifeln wie der Erfolg etwaiger Bemühungen dieser Art. Es mag sein, daß die stattlichen Truppen ansammlungen der Türkei und die Schlappheit und Unzulänglichkeit der eigenen Mobilisierung die Groß mannssucht der Hellenen schon etwas gedämpft haben, aber von da aus bis zur wirklichen Nachgiebigkeit ist noch e>n sehr weiter Schritt, der nur durch eine rasche Aktion der Großmächte abgekürzt werden kann. Sollte letztere wider Erwarten ganz unterbleiben, so crgiebt sich die fernere Haltung Deutschlands von selbst. Unser Reich hat, als in erster Reihe mit be rufen zur Wahrung des Weltfriedens, mit den übrigen Mächten gemeinsame Sache gemacht und den festen Weg angedeutet, dem griechischen Abenteuer eiu schnelles Ende zu bereiten und ein warnendes Beispiel für andere Ruhestörer aufzustellen. Lösen sich die Aus sichten auf ein tatsächliches Ergebnis in dieser Richt ung auf. so dürfte Deutschland in die Reserve zurück treten, die es dann länger behaupten kann als irgend eine andere Macht So einfach und klar diese Stellungnahme ist, so fehlt es doch nach wie vor nicht an entstellenden Ausstreuungen im griechi schen Interesse. So sollte einer telegraphischen Meld ung zufolge in Paris offiziös verlautet haben, der deutsche Botschafter Graf Münster habe Hrn. Hanotaux versichert, Deutschland wolle die andern Mächte nicht hindern, Zwangsmaßregeln gegen Griechen land erst vom Resultat einer allerletzten Note an die Athener Regierung abhängig zu machen. Nach zu verlässigen Mitteilungen ist diese Nachricht ebenso un begründet wie die bereits znrückgewiesenen Angriffe gegen den deutschen Botschafter in London. Die „Nat -Ztg ", die das heute ebenfalls betont, schreibt in Anknüpfung daran: „Kommt ein <Zuo8 exo! Europas gegen die Griechen nicht zu stände, so ist Deutschlands Interesse zur Sache erschöpft. Solange aber als, wie gegenwärtig, die Aussichten für ein energisches Handeln der Mächte günstig stehen, wird von deutscher Seite an der bisherigen Stellung festgehalten. Aus wohlverstandener Friedensliebe und Humanität, nicht aus Feindschaft gegen Griechenland — dazu ist es zu unbedeutend — hat Deutschland bei len Mächten ein Verfahren befürwortet, das den Störenfried durch kräftiges Zurufen oder durch wirksamere Mittel in seine Schranken verweisen soll Wird dieser Weg nicht beschritten, so steht aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht für Deutschland, aber für die im Orient inter essierten Mächte eine ungleich schwierigere Aufgabe im Hintergründe, die Aufgabe, zwei in offenen Krieg geratene Völker auseinanderzureißen und ihre Re gierungen zum Rückzug auf den früheren Stand zu zwingen." weitere Lebenskreise fällt ins Gewicht, wie weit die Er innerungen Wasielewskis den oben angedeuteten Forder ungcn entsprechen Josef Wilhelm v. Wasilewski war als der Sohn eines früheren Gutsbesitzers 1822 zu Groß-Lecscn bei Danzig geboren, verlebte jedoch seine Knabenjahre in der alten Hansestadt, die sich durch drei Jahrhunderte als eine Perle in der Krone Polens fühlte, dabei aber doch immer deutsch und eine halbe Republik blieb. Sein Vater hatte in den zwanziger Jahren als Lehrer der St. Brigittenschule und der Danziger Handelsakademie Anstellung gesunden, der Knabe wuchs unter den neuen Verhältnissen auf, die skit der 1814 erfolgten Rückgabe Danzigs an Preußen eine neue Blüte der unter französischer Schutzherrschaft (1807—1813) und während der Belager ung hart mitgenommenen Stadt allmählich vorbereiteten. Was die „Siebzig Jahre" aus den Erinnerungen der Eltern Wasielewskis erzählen, ist nicht überall genau Unmöglich konnten die Ruffen im Frühling 1813 herbci- kommen, „um an der Entsetzung Danzigs teilzunehmen." Im Gegenteil kamen sie zur Belagerung der von Rapp für Frankreich tapfer und zäh verteidigten Festung Ebenso wenig kam eS „infolge eine« heftigen Kampfes bei Danzig" zwischen den Alliierten und dem Feinde zu einem acht wöchentlichen Waffenstillstände, sondern der Waffenstillstand von Poischwitz wurde, wie auf alle von den Franzosen noch besetzte Festungen, auch auf das hartbelagerte Danzig ausgedehnt. Lebendiger und unmittelbarer stand Wasielewtki die bauliche Pracht und Eigentümlichkeit seiner Vaterstadt vor Augen, und mit seinem Schulleben in den dreißiger Jahren beginnen die ausführlicheren Mitteilungen Von früh auf musikalisch, der Geige als seinem Lieb lingsinstrument zugewandt, erwarb er lange vor der Zeit, in der er sich für die Musik al« Lebensberuf entschied, eine tüchtige musikalische Bildung E« scheint, daß er die ersten Anregungen wesentlich dem musikalischen Sinn und Gefühl seiner Mutier verdankte Dem Die Wahle« i« Wie«. Aus Wien wird uns unter dem 10. d. Mts. ge schrieben : DaS Ergebnis der gestrigen Wiener Wahlen aus der fünften Kurie hat in weiten Kreisen der Be völkerung den Eindruck einer Überraschung hervor- gerusen. Man hat bei der Reform unseres Wahl rechtes die fünfte Kurie geschaffen, um den Forder ungen der Arbeiterklasse teilweise zu genügen Der Wunsch nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechte blieb unerfüllt; man durfte aber hoffen, daß die gemäßigten Elemente der Arbeiterkreise durch die gewährte Konzession davon abgehalten würden, diese-, von der sozialdemokratischen Parteileitung be harrlich gestellte Verlangen künftighin als alleinige Parole zu betrachten. Die Neuerung, welche der Mehrzahl der Arbeiter eine direkte parlamentarische Vertretung einräumt, sollte den maßvollen und be gründeten Forderungen entsprechen und so eine Mil derung der sozialen Gegensätze bewirken. Am Tage der Abstimmung bemächtigten sich aber die „Christlich- Sozialen" aller Mandate, die in Wien zur Vergebung kamen, so zwar, daß der Mandatsgcwinn nicht der sozialdemokratischen Gruppe, sondern jener Partei zu fällt, die bereits über eine beträchtliche Macht im polnischen Lebe» Österreichs v rfügt. Tie Wahlen in de» Provinzen werden wohl nicht ganz das gleiche Resultat erbringen. Die Bedeutung der in Wien gc fallenen Entscheidung kann aber durch die weitere Entwickelung des Kampfes keine Schmälerung er fahren Es ist bereits unzweifelhaft, daß die Sozial demokraten im künftigen Abgcordnetenhause nur eine etwa zehn Köpfe starke Fraktion bilden dürften und daß die Cdristlich Sozialen als eine der einflußreichsten Parteien des neuen Parlaments auf dem Plane er scheinen werden. Durch die Pforte, welche den bisher Ausgeschlossenen den Weg in das Volkshaus eröffnen sollte, sind die jenigen eingezogen, welche nicht nur den Liberalismus, sondern auch den Gedanken einer Erweiterung des Wahlrechtes bekämpfen. Die Stimmung der Unter legenen ist heute gereizter als jemals früher; das sozialdemokratische Hauptorgan erhebt die schwersten Anklagen gegen diejenigen, deren Haltung angeblich zu der Schlappe beigetragcn haben soll und es schüttet die volle Schale seines Zornes über das Wiener Bürgertum, die Geistlichkeit und die Negierung aus. Es droht mit einer neuerlichen Verschärfung des Kumpfes und es verkündet das „Gelöbnis" der Partei, nicht zu rasten, bevor der Sieg erstritten ist. Für diesmal ist die Siegespalme aber in den Händen der Antisemiten verblieben, die selbst nicht auf einen solchen Erfolg gehofft haben. Es ist wahr, daß auf dieser Partei das hauptsächliche Verschulden an einer traurigen Verrohung des politischen Kampfes lastet und daß sie auch bei den jüngsten Wahlen aufs rücksich'sloseste vorgegangen ist. Es ist auch zweifel Haft, ob der Ausfall der gestrigen Wahlen die Partei dazu bestimmen wird, ihre Macht nun in einer für das Gemeinwohl mehr ersprießlichen Form zur Geltung zu bringen als bisher, und man wird demnach, wie man auch über einzelne Punkte des antisemitischen Pro gramms denken mag, das Wahlergebnis vom sachlichen Gesichtspunkte unmöglich als ein erfreuliches bezeichnen können. Aber die Eindrücke, die man aus den Begleit erscheinungen der gestrigen Entscheidung empfängt, sind nach anderer Seite hin ebenfalls sehr ungünstig. In einem engbegrenzten Rahmen waren da so manche jener Momente wahrzunehmen, welche der jetzigen Entwickelung in Österreich ein eigenartiges und bedenkliches Gepräge verleihen. Nicht nur daß die antisemitische Partei, die bis zur Stunde ohne jede Selbstbeschränkung mit den Gewaltmitteln einer radikalen Taktik arbeitet und sich „bis auf weiteres" zu völlig extremer Richtung bekennt, im Wahlkampfe die Unterstützung bochkonservativer Wunsche des Sohnes, der Kunst ganz anzugeyören, wutzle „der Vater stets vorsichtig auszuweichen. Er hegte die wohlbegründete Meinung, daß die Mittelmäßigkeit in der Kunst nicht begehrenswert sei und eine Gewähr dafür, daß es mir beschieden sein sollte, darüber hinauszukommen, gab es nicht." So nahm der Gymnasiast inzwischen leb haften Anteil an allen dilettantischen Quartett- und OrchestervereinSsreuden, die damals den größeren Teil des Konzertlebens von Danzig darstellten Selten kam es zu einer größeren Oratoriumaufführung, aber eine solche hinter ließ dem Werdenden unauslöschliche Eindrücke. „Sie galt der Johanncspassion von Bach. Was ich bis dahin von diesem Meister kennen gelernt, war in mein Inneres ge drungen, denn mein Naturell zog mich instinktiv zu feiner Musik hin. — Ich fühlte mich von dieser Tonsprachc sympathisch berührt Nun sollte ich eines der größten Werke nicht nur Bachs sondern der ganzen Musiklitteratur kennen lernen. Schon aus den Proben fühlte ich mich von der Gewalt der Chöre, zumal des unbeschreiblich mächtigen Einleitungschores tief ergriffen Er wirkte gerade zu visionär auf mich, denn ich glaubte im Geiste Scharen von Andächtigen zu sehen, die herbeizogen, um an dem Leiden und Sterben Christi inbrünstig betrachtend teilzu nehmen. Auch die Sologesänge mit ihrer ausdrucksvollen Lyrik gingen mir zu Herzen. Der weite Horizont einer neuen Tonwelt eröffnete sich mir." Daß die ersten Eindrücke unter Umständen die mäch tigsten sind, erfuhr auch unser Verfasser; der geheime Drang dr« Jünglings zur Musik war durch die Johanncs passion mächtig gesteigert worden Der Vater versuchte umsonst ihn dem Lehrerberuf zuzuführen Aber drei ältere Brüder hatten es im Militärdienst schon zum Offizier gebracht, Wasielewski wurde schwankend und war bereit« al« Avantageur bei einem der in Danzig garni- sonierenden Regimenter angemeldet und angenommen. Da gab die zu Anfang de« Jahre« 1843 erfolgende Eröffnung de« Leipziger Konservatorium« der Musik unter Gönner fand, sondern eS war auch der früher von liberaler Seite häufig genug als gemeingefährlich ge- brandmarkten Sozialdemokratie die seltsame Genug thuung beschieden, daß sie sich im Kampfe um die Mandate einer sehr umfassenden Förderung durch die Liberalen erfreuen durfte. Die arg zusammen geschmolzene Schar der liberalen Streiter wußte, daß sie in diesem Kampfe am allerwenigsten eine Gelegen heit haben würde, eine rühmliche Rolle zu spielen nnd so wurde denn gleich die am wenigsten rühmliche gewählt und den früher bestgehaßten und kräftigst geschmähten „Roten" SuccurS geleistet, um den Anti- liberalen wenn möglich den Weg zum Siege zu ver sperren. Tie neuesten Eindrücke können keinen unbefangenen Politiker zu frohen Erwartungen bezüglich der nächsten Zukunft und besonders hinsichtlich der Wirksamkeit der künftigen Volksvertretung anregen. Allem An scheine nach dürfte man auch im Regierungslager und zwar insbesondere in der letzteren Richtung keine solchen Erwartungen hegen. Die von Einseitigkeit und Gereiztheit diktierte Behauptung, daß der Sieg der Christlich Sozialen ein Sieg der Regierung sei, dürfte gerade in den leitenden Kreisen Befremden Hervorrufen. Graf Badeni selbst wird sich am allerwenigsten darüber täuschen, daß eine „führende" Regierung mit einer Partei, welche selbst nur „führen" will, keinen Pakt eingehen kann. Jeder neue Erfolg steigert aber bei den Führern dieser Partei die Abneigung gegen Zu geständnisse an die Gebote der Mäßigung Tie „Christlich Sozialen" werden vielleicht noch geraume Zeit hindurch ihren Siegeslauf fortsetzen; ihre Siege werden aber nur in zweiter Linie ihnen selbst, in erster Linie den Polen und den Feudal Konservativen zu statten kommen. Tagcsgcschichte. Dresden, ll. März. Ihre Königl. Hoheit tie Frau Prinzessin Johann Georg kehrt nicht morgen, Freitag, sondern erst am Montag von Wien wieder zurück. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser nahmen gestern vormittag den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts ent gegen und erteilten darauf Audienz. Abends gedachten Se. Majestät einer Einladung des kommandierenden Generals des Gardecorps, v. Wrnterfeldt, zum Diner zu entsprechen — Se. Majestät der Kaiser haben Sich bereit erklärt, den Festzug der Berliner Bürgerschaft am 23. März, vormittags 11 Uhr, abzunehmen — An die Bürgerschaft Berlins richtet der Magistrat durch Säulenanschlag die Aufforderung, zur Gedenkfeier des 100. Geburtstages Kaiser Wilhelms I. allen Häusern festlichen Schmuck zu geben und am Abend des 22. März eine allgemeine Illumination stattfinden zu lassen Der Aufruf schließt mit den Worten: „Keiner bleibe zurück, denn dieser Tag gilt dem Vater de« Vater landes, dieses Fest feiert das Alter, welches die großen Tage durchlebt hat, feiert die Jugend, die von ihnen hört, mit stolz erhobener Brich " — Zur gestrigen Sitzung der Budgetkommission des Reichstags, in welcher die Spezialberatung des Ertra- ordinariums des Marineetats beginnen sollte, waren die Staatssekretäre Hollmann und Graf Posadowsky in Begleitung von zehn Negierungstommisiaren erschienen Von den 28 Mitgliedern der Kommission waren 27 zur Stelle. Abg vr. Lieber, welcher das Referat über den Marineetat hatte, war jedoch plötzlich erkrankt. Infolge dessen wurde aus Vorschlag des Vorsitzenden v. Kardorff die weitere Beratung einstweilen vertagt und die Sitzung aufgehoben — Im Anschluß hieran bemerkt heute die „Post": „Die Erkrankung des Hrn vr. Lieber und der Ausfall der gestrigen Sitzung der Budgetkommission darf insofern als ein für die befriedigende Lösung der Flotten frage günstiger Umstand angesehen werden, als dadurch denjenigen Parteien, welche sich bisher weder im positiven noch im negativen Sinne schlüssig gemacht haben, die Möglichkeit gegeben wird, noch einmal die Stellungnahme »u den Forderunaen von Schiffsneubauten und die Konse- Menvetsohns Leitung vcn Ausschlag. Der junge Geiger gehörte zu den ersten Schülern, die in der neuen Kunst schule Ausnahme sanden Man kann nicht ohne Wehmut und beinahe nicht ohne Neid an eine Zeit zurückdenken, in der die Talentfrage so ernst genommen wurde wie an diesem ersten Konservatorium! Wasielewski wurde der Schüler Mendelssohns, Hauptmanns und vor allem natürlich Ferdinand Davids Die Schilderung der Leipziger Musikzustände zwischen 1843 und 1850, und weiterhin der rheinischen Kunst verhältnisse, in die Wasielewski zuerst als Konzertmeister der von R. Schumann dirigierten Abonnementskonzertc in Düsseldorf eintrat und wo er von 1852 bis 1855 in Bonn wirkte, schließt eine bunte Mannigfaltigkeit von künstlerischen Erinnerungen ein und bildet den Höhepunkt des autobiographischen Buches. So lange Wasielewski als Geiger und Dirigent unmittelbar thätig blieb, war naturgemäß seine Berührung mit der Außenwelt und den verschiedensten Persönlichkeiten eine regere und lebendigere als in späterer Zeit. Es sind durchaus andere wenn auch nicht verschollene Kunstzustände, die uns aus seiner Er zählung entqegentreten Es mag s^in, daß der Selbst biograph die Tage seiner Jugend in goldnerem Lichte sieht als spätere, und die eigene damalige Frische ohne weiteres in die allgemeinen Verhältnisse legt Daß er eS gelegentlich an scharfen und herben Charakteristiken nicht ehlen läßt — wir verweisen nur auf die de« seiner Zeit o einflußreichen und vielgcfürchteten Rechtsanwalts vr. konrad Schleinitz in Leipzig — schließt doch im ganzen die rohe Rückerinnerung an viele bedeutende Künstler, viele gute Gesellen, an arbeitsvolle, aber glückliche Tage nicht aus Die Leipziger Erlebnisse zwischen 1843 und 1850 knüpfen überall an Bekanntes an, bringen jedoch natürlich noch eine Reihe neuer Züge zu der musikalischen Glanzperiode, die nicht auf dem Besitz Mendel«sohns oder Schumann« oder anderer hervorragender Musiker, sondern einfach auf der Thatsache beruhte, daß in jener Zeit keine
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