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Ich kann — und ich bitte, mir diese Ver sicherung ohne streng quellenkundlichen Nachweis zu glauben — versichern, daß es die Intensität und die Angewiesenheit des einen Kollektivmitgliedes auf die For schungsergebnisse des anderen, die ja meß bar sind, und die sich also, wenn sie nichts taugen, sofort entschleiern, unmöglich machen, daß eine solche sozialistische Ge meinschaftsarbeit zur Abschwächung der persönlichen, der individuellen Verantwor tung des einzelnen führt. Im Gegenteil, sie schafft sie erst recht. Sie schärft sie in einem Maße, wie wir es bei einzelnen von unseren Mitarbeitern feststellen konnten, die nicht die stärksten des Kollektivs waren, und die bis dahin — das ist ja, möchte ich sagen, menschlich — versuchten, zwischen den Großleistungen, die da und dort auffielen, mehr oder weniger unauf fällig durchzusegeln. Das ging in dem Augenblick, wo die Ar- • beit wirklich aufgeteilt, wo sie wirklich geplant wurde, wo der eine auf die Ergeb nisse des anderen in • seinem Sektor war tete, nicht mehr. Das fiel einfach unweiger lich auf, mußte hart kritisiert werden und wurde ein Ansporn nicht etwa dafür, daß jetzt das Kollektiv sozusagen die mangeln den Funktionen des einzelnen ersetzte, sondern es hielt ihn dazu an, nachzuholen und aufzuholen und damit eine Annähe rung an den Spiegel, an das allgemeine Niveau zu erreichen. Denn es ist ja klar — wenn ich ein Exempel geben darf —, wenn sich das Kol lektiv bemüht, weniger eine Definition als eine angemessene Beschreibung etwa des Phänomens Neokolonialismus zu bringen, dann kann das nicht abstrakt und auch nicht gestützt auf auffindbare oder nicht auffindbare Zitate bei Klassikern allein geschehen, sondern dann muß darüber be richtet werden, wie sich die Erscheinung konkret unter den mannigfach einwirken den Faktoren der neuen gesellschaftlichen Entwicklung wie der von außen einwir kenden Einflüsse bei unterschiedlichem Verhältnis der nationalen und internatio nalen Klassenkräfte zueinander in Asien, Afrika und Lateinamerika darstellt; welche Gemeinsamkeiten der nationalen Situation in mehreren Dutzend Ländern bei welchen Besonderheiten im einzelnen zugründe liegen. Stimmen die Auskünfte des .regio nalen Spezialisten' nicht, so wird man auch die Gesamterscheinung falsch be schreiben, und die synthetische Gleichung geht dann nicht auf. Das deckt die Fehler quelle auf, zwingt also den Betroffenen, auf dem von ihm persönlich erarbeiteten und persönlich zu verantwortenden Sektor seihe Leistung zu steigern, seine Arbeit zu vertiefen — oder im allerschlimmsten Fall nach einem Ersatz durch einen fähi geren Bearbeiter zu suchen. Ich weiß nicht, ob Sie dieses praktische Beispiel aus einem eng beschränkten Sek tor überzeugt. Es ließen sich dergleichen Beispiele unendlich viele anführen. Aber die Frage, oder besser die erste; die eine Seite der Frage, ob die Kollektivarbeit zu einer Minderung der persönlichen Verant wortung oder zu einem Untertauchen des Wissenschaftlers als Persönlichkeit, als Profil gewissermaßen im Relief der For schung führt, die, glaube ich, können wir aus unseren Erfahrungen heraus eindeutig mit nein beantworten und im Gegenteil feststellen, daß sie zur Herausarbeitung der besonderen Neigungen und Fähigkei ten, die ja nicht irgendwie mathematisch gleich sind, führen, und damit bessere Mög lichkeit vermitteln, jeden im Kollektiv, im Rahmen der Gemeinschaft an die Stelle zu setzen, wo er sowohl sich als seinem spezifischen Forschungsauftrag wie auch der Gemeinschaft, die einen größeren Komplex bearbeitet, sozusagen den Maxi malkoeffizient zu geben vermag. Die zweite Seite: Ist nun Kollektiv arbeit, ist das Resultat solcher sozialisti scher Gemeinschaftsarbeit nun einfach die Summe derjenigen, die da sitzen, wonach sich im Grunde genommen nicht viel ge ändert hätte, oder tritt in der Tat eine Potenzierung ein? Ich möchte sagen, daß auch in diesem zweiten Fall das Kollektiv schon nach den anderthalb Jahren, von denen wir vorerst praktisch sprechen kön nen, eins unwiderleglich demonstriert hat. Solange es sich nur um Summierung handelt, führt das im Rahmen der Historie (anderswo mag es nicht viel anders sein) praktisch gesprochen bis zur Möglichkeit des Sammelbandes, wenn es hoch kommt, eines guten Sammelbandes. Aber Sammel band, das ist tatsächlich nur eine Summe, das ist noch nicht die Erarbeitung einer neuen Qualität durch gemeinschaftliche Anstrengungen. Es will mir scheinen, daß wir aber doch gerade auch hier bereits einen Schritt weitergekommen sind, daß also, bildlich gesprochen, nicht mehr der Sammelband am Schluß der Erfahrungs reihe steht, sondern ein gewachsenes und geschlossenes Ergebnis, wieder plastisch gesprochen, die Monographie, die den Komplex, der zu bewältigen ist, gemeistert hat, wo aus der Diskussion, aus der fort gesetzten gegenseitigen Prüfung und Über prüfung schließlich etwas erwächst, an dem alle Anteil haben; nicht mehr in dem Sinne, daß nun jeder sein Kapitel ge-