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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1982
- Erscheinungsdatum
- 1982
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-198200009
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19820000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
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- SLUB Dresden
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 1982
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Band 1982
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0“ Astronom im Bruch von Konvention 575-Jahr Feier der Universität entgegen Vorabdruck aus einer 1 9 84 im Urcnia-Verlag anläßlich des Universitätsjubiläums erscheinenden Publikation über ehemalige leipziger Studenten \ Ein junger dänischer Edelmann harnens Tycho Brahe traf, begleitet von seinem Tutor, am 24. März 1562 in Leipzig ein, um seine Studien an der Universität fortzusetzen. Die Fa- milie Brahe, eine der ältesten und Vornehmsten in Dänemark, hatte dem am 14. Dezember 1546 gebore nen Tycho eine sorgfältige Erziehung ängedeihen lassen. Von 1559 bis Fe bruar 1562 absolvierte er an der lu therischen Universität von Kopen hagen das Trivium und war darüber hinaus in die Anfangsgründe des Quadriviums eingedrungen. Er sprach Latein und Griechisch, hatte die Dia lektik von Aristoteles studiert und kannte die Anfangsgründe damaliger Mathematik und Naturwissenschaft, u. a. Werke von Sacrobosco, P. Apia- hus und Regiomontanus. Nun also befand er sich in Leipzig, hm gemäß einer Weisung seines die Erziehung leitenden Onkels standes gemäß juristische Studien zu betrei ben. Die Leipziger Universität war bewußt ausgewählt worden, besaß sie doch einen guten Ruf als Heim statt der Jurisprudenz und in Joa chim Camerarius einen Vertreter des Humanismus von herausragen dem Format; und natürlich war die Universität reformiert. Die Familie hatte Tycho als Tutor, Der wißbegierige Däne In Leipzig hoffte Tycho auf klare Auskünfte, jedoch starb aer hochan gesehene Magister Johann Hommel (Homilius) schon am 5. Juli 1562. Aber er hatte tüchtige Schüler hin terlassen, und so fand der wißbe gierige junge Däne insbesondere bei Bartholomäus Schultz (Scultetus) Auskunft und Hilfe, erhielt Anlei tung und Fücher zum Selbststudium. Tycho stellte sich einen Himmels globus in Apfelsinengröße her und trug die mit elementaren Hilfsmit teln — Krc-’zstab, Zirkel - ermittel ten Fixsternpositionen ein. Mit. Be stürzung erkannte er die sich auf Monde belaufenden Abweichungen Zwischen Beobachtung und den aus dem 13. Jahrhundert stammenden Sogenannten Alfensinischen Tafeln und die Ungenauigkeiten im „Alma- als „Hovmester" nach damaligem Sprachgebrauch, den nur vier Jahre älteren Anders Sörensen Vedel bei gegeben; Vedel wurde später ein hochangesehener Historiograph der dänischen Geschichte. Vedel sollte dafür sorgen, daß Tycho gewissen haft seine ihm auferlegten juristi schen Studien absolviert. Und tat sächlich: Tycho besuchte brav alle Kollegs — und doch war dies nur die halbe Wahrheit. Heimlich nachts wenn Vedel schlief, frönte Tycho ins geheim seinen astronomischen Nei gungen. Dank einer sehr guten phy sischen Konstitution und einige) Kniffe — so täuschte er Vedel, indem er die Kerzen an beiden Enden an brannte — vermochte Tycho sein „Doppelleben“ lange Zeit zu verber gen, bis zum Mai 1564. Die Leidenschaft' für Astronom]' hatte Tycho schon in Kopenhagen gepackt. Sogar der Tag ist bekannt Tycho hatte erlebt, wie seine Profes soren über die Sonnenfinsternis vom 21. 8. 1560 diskutierten, und war fas ziniert von einer Wissenschaft, die die Voraussage eines in einer aber gläubischen Zeit so spektakulären Ereignisses ermöglicht hatte. Doch blieben die Erklärungen seiner Ko penhagener Lehrer vage; Astrono mie war nicht ihre Stärke. fand Auskunft und Hilfe gest“ des Ptolemaios. Und selbst die jüngst, 1551, von Raeticus auf der Grundlage des Copernicanischen Sy stems berechneten sogenannten Pru- tenischen Tafeln differierten im merhin noch um Tage zu den wirk lichen Planetenpositionen. Die Verwirrung stieg noch we gen der engen Verflechtung von Astronomie und Astrologie. In die Leipziger Zeit fällt der Beginn ei ner Loslösung Brahes aus einer gar zu engen Bindung an die Astro logie; gegen Ende seines Lebens hat es Brahe — hierin eine Aus nahme unter seinen Zeitgenossen — weitgehend vermeiden können, Horoskope stellen zu müssen. Selbst Kepler hat eich - weitaus später — dieser Verpflichtung nicht ent ziehen können. Messen, nochmals messen, genau messen Von Homilius bzw. Scultetus übernahm Brahe den Kunstgriff, durch geschickte Markierungen (mittels der Methode der Transver salen) auf den Instrumenten deren Meßgenauigkeit zu verbessern. Der Ausweg aus der Krise der Astro- lomie war für Brahe vorgezeich- het: Messen, nochmals messen, ge- Dau messen — das war seine Auf- Fabe. Die erste von Brahe proto- ^ollierte Beobachtung stammt vom 17, August 1563. Um diese Zeit fand eine Kon- Funktion von Saturn und Jupiter Statt, ein damals mit allerlei Vor- Reichen auf die Zukunft belastetes AStronomisch-astrologisches Ereignis. Arn 24. August, im frühen Morgen, kotierte Brahe, hatten die beiden Planeten so. nahe gestanden, daß ihr Abstand praktisch unmeßbar &eWorden war. Brahe hat später, rückblickend, die in Leipzig beobachtete Kon- Friktion von Saturn und Jupiter Als das eigentliche.' sein Leben Tragende Ereignis bezeichnet, als den letzten Anstoß, eich endgültig - gegen die Tradition seines Stan ¬ des — den Wissenschaften und ins besondere der Astronomie zu wid men. So darf sich die Alma mater Lipsiensis rühmen, einem jungen Mann in einer entscheidenden Le bensphase geistigen Halt und wis senschaftliches Betätigungsfeld ge boten zu haben, so daß er zu ei nem Astronomen von Weltbedeu tung heranwachsen konnte. Die Zeitläufe waren unruhig. Dänemark und Schweden befanden sich in einem erbittert geführten Krieg. Tychos Onkel und Vormund, Jörgen Brahe, dänischer Vizeadmi ral, rief seinen Neffen zurück in die Heimat zum Waffendienst ge gen die ■ Schweden. Nur ein tra gikomischer Zufall gab unserem Brahe die Freiheit zur Wissenschaft wieder: Sein Onkel eilte dem ins Wasser gestürzten dänischen König zu Hilfe und zog sich — während sich der König aus eigener Kraft retten konnte — eine tödlich ver laufende Lungenentzündung zu. Tycho Brahe gelangte mit einem Schlag in den Besitz eines erheb- lichel Vermögens — und war sein eigener Herr. Astronomie war seine innere Bestimmung Am 17. Mai 1565. nach dreijähri- Sem Aufenthalt. verließ Brahe Leipzig, um über Wittenberg und Rostock die Heimreise in sein Va- lerland anzutreten. Astronomie war eine innere Bestimmung, die Ent- Scheidung war gefallen; die Fa- milie vermochte ihn. nicht umzu- stimmen. In den folgenden Jahren Eehen wir Brahe zu Studien und Del Beobachtungen an den mittel- Suropäischen Zentren der Astrono- Pie der Spätrenaissance: in Wit- Senberg bei Philipp Melanchthons 8chwiegersohn Caspar Peucer. in Rostock. Basel. Augsburg, in Kas- 881 beim hessischen Landgrafen Wilhelm IV.. der selbst ein leiden- Shaftlicher Liebhaberastronom war, kid anderswo. Er lernte das helio- kentrische System des Copernicus kennen, studierte die Ungenauig- eiten und Fehlerquellen der ge- präuchlichen astronomischen Tafel- perke und des „Almagest" von tolemaios und kam folgerichtig u der Überzeugung, daß der wei- ® r e. Fortschritt der Astronomie ntscheidend von der Erhöhung der Beobachtungsgenauiskeit und damit von der Vervollkommnung der astronomischen Instrumente — Kreuzstab, Armillarsphäre, Qua drant, Astrolab — abhänge. So wurde in Augsburg, einem Zentrum von Handel und Handwerk, nach Brahes Entwürfen ein hölzerner Riesenquadrant mit einem Radius von ungefähr 5,8 m angefertigt; allerdings zerstörte ein Winter sturm 1574 das Instrument. Eine erste Probe auf verfeinerte Meßtechnik hatte Brahe im Win ter 1572/73 ablegen können, als er, vorübergehend in seiner dänischen Heimat sich aufhaltend, einen plötz lich auftauchenden neuen Stern ent deckte — eine Supernova, wie wir heute wissen. Brahe hielt das plötz liche Aufflammen, die Farbände rungen und das allmähliche Un sichtbarwerden protokollarisch fest und bestimmte mit einem aus Wal nußholz gefertigten Sextanten sehr genau die Position Jes Sternes. Er blieb in seiner Stellung zu anderen Fixsternen unverändert. Wappen aus der Matrikel 1562. Bruch mit überkommenen Auffassungen Hier nun vollzog Brahe einen ersten großen gedanklichen Bruch mit der überkommenen Astronomie und erwies sich als wehrhafter Na turforscher, dem die Wahrheit hö her stand als Einordnung in Kon vention und Tradition. Nach alter, aristotelischer Auffassung hatte der Fixsternhimmel unveränderlich zu sein: Veränderungen am Himmel gehörten ausschließlich in die Sphä ren der Planeten oder zur Erde. Brahe aber folgerte aus den Beobach tungen am neuen Stern, daß doch Ver änderungen am Fixsternhimmel auf treten, ein entscheidender Schritt. Später wird sich Brahe zu einem weiteren Bruch mit überkommenen Auffassungen entschließen, als er aus den Beobachtungen der Bahn des Kometen von 1577 schloß, daß keinesfalls massive kristalline Sphä ren existieren können, an denen die Planeten befestigt sein sollten; der Komet hatte die Örter der Sphären durchlaufen ohne die geringsten Widerstände; dasselbe zeigten spä tere, genaueste Beobachtungen an Kometen. Inzwischen war Brahe als Astro nom hoch gestiegen. Der Landgraf sprach Empfehlungen aus, mit dem späteren deutschen Kaiser Ru dolph II. bestanden briefliche Ver bindungen, und Brahes Landesherr, König Friedrich II. von Dänemark, wurde auf seinen berühmten Un tertanen aufmerksam. Brahe erhielt 1575 die kleine Sundinsei Hren als eine Art Lehen des Dänenkönigs sowie finanzielle Hilfe. Zusammen mit eigenen beträcht lichen Mitteln wurde nach Brahes Vorstellungen auf Hren eine groß artige Sternwarte „Uraniborg“ (Himmelsburg) errichtet, die außer einer Reihe hervorragender Instru mente mehrere Beobachtungsräume, Assistentenzimmer, ein chemisches Laboratorium, Wasserleitung, eine Druckerei, eine Bibliothek und eine gewaltige Küche enthielt. Der Bau zog sich noch bis 1580 hin; vier Jahre später wurde in unmittelba rer Nähe noch ein weiteres Gebäude beigefügt, „Stjerneborg" (Sternenburg). Zuverlässiges Beobachtungsmaterial wurde zusammengetragen Im südwestlichen Raum des Erd geschosses von Uraniborg befand sich das berühmteste Instrument Brahes, ein Mauerquadrant mit einem Radius von ungefähr 1,8 m, dessen wissenschaftlicher Wert vor allem auf der sehr genauen Unter teilung des Umfanges beruhte. Durch einen metronomischen Kunst griff konnte Brahe die Beobach tungsgenauigkeit auf fünf Bogen sekunden steigern, eine unerhörte, noch nie dagewesene Leistung, die erst viel später, nach der Erfindung des Fernrohres, übertroffen werden konnte. Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß ein Kollektiv die Be obachtungen vornahm: Ein Assi stent beobachtete — auf Anweisung Brahes — über den Quadranten durch ein Loch in der gegenüber liegenden Wand den Himmelskör per. Ein weiterer Assistent hielt die Zeit fest, und ein Schreiber notierte die Beobachtungsergebnisse. Einige der Assistenten von Brahe wurden später berühmte Astrono men. Von Hren aus gingen Briefe an die Astronomen und Astrologen Europas; man reiste nach Hren zu Studienaufenthalten und gemeinsa men Beobachtungen. In zäher, aufopferungsvoller Ar beit wurde auf Hren ein ungeheu res, außerordentlich zuverlässiges Beobachtungsmaterial zusammenge tragen. Brahe stellte zweifellos das Sammeln von Meßdaten über das Theoretisieren. , Er verwarf mit Entschiedenheit jegliche Theorienbildung aus Denk prinzipien heraus; das zu entwerfen de Modell des Himmels hat sich nach den Beobachtungen zu richten und nicht umgekehrt. Brahe kannte sehr genau das he ¬ liozentrische System des Nicolaus Copernicus. Aber er konnte beim besten Willen nicht die Fixsternpa rallaxe nachweisen, d. h. die Verän derung des scheinbaren Standortes der Fixsterne am Himmel durch die Eigenbewegung der Erde bei ihrem Lauf um die Sonne. (Copernicus selbst hatte diesen Einwand voraus gesehen, aber, ganz richtig, den Ef fekt wegen der riesigen Entfernung zu den Fixsternen als so klein ver anschlagt, daß er mit den damaligen Mitteln nicht nachzuweisen wäre. In der Tat konnte die Fixstern parallaxe erst im 19. Jahrhundert durch F. G. W. Struve in Pulkowo bei St. Petersburg (Leningrad) und F. W. Bessel in Königsberg (Kalinin grad) nachgewiesen werden.) Langsam formte sich ein Himmelsmodell Brahe also meinte daher, an der Unbeweglichkeit und der zentralen Stellung der Erde festhalten zu müs sen und zu können, zumal er damit, wie er wohl auch erkannte, mögli che Dispute mit kirchlichen Dogma tikern vermied. Andererseits war das alte geozentrische Weltbild des Pto lemaios unvereinbar mit den Be obachtungen geworden. Langsam formte sich bei Brahe, forciert durch die Kometenbeobachtungen von 1577, 1582. 1585 und 1590, ein Him melsmodell, das wir heute allerdings nur als merkwürdiges Phänomen, fast als einen Rückschritt gegenüber Copernicus, möglicherweise als Ab surdität empfinden, das aber doch bis zur endgültigen Anerkennung des heliozentrischen Systems im 17. Jahrhundert, eine erhebliche histo rische Rolle gespielt hat: Nach Brahe ruht die Erde im Mittelpunkt der Welt. Sie wird umkreist vom Mond und von der Sonne, um die ihrer ¬ seits alle Planeten — Merkur, Venus,' Mars, Jupiter und Saturn — kreisen. Das alles ist umgeben von der Fix sternsphäre. So also sieht das tycho- nische oder geo-heliozentrische Weltbild aus. Im Jahre 1588 war Friedrich II.’ von Dänemark gestorben. Unter sei nem Nachfolger Christian IV. ver- schlechterten sich Brahes Beziehun gen zum dänischen Hofe rasch, wozu wohl auch Brahes Charakterzüge, insbesondere seine Arroganz, ein gut Teil beigetragen haben mögen. Christian IV. war nicht gewillt, Geld für scheinbar nutzlose astronomische Beobachtungen auszugeben; private Streitigkeiten kamen hinzu — Brahe suchte jedenfalls nach anderen Ar beitsmöglichkeiten, notwendigerwei: ,se wiederum unter dem Schirm ei nes weltlichen oder geistlichen Herrn, möglichst nahe an den geistigen Zentren der Renaissance. Sternstunde der Wissenschaftsgeschichte Am 15. März 1597 fand Brahes letzte astronomische Beobachtung auf Hren statt. Druckerei und beweg liche Instrumente gingen in sein Haus nach Kopenhagen. Er selbst machte sich auf die Suche nach ei nem neuen Schirmherrn. Es wurde schwieriger, als er es sich gedacht haben mochte. Einige Zeit hielt er sich in Rostock auf, eine zeitlang ar beitete er in Wandsbek bei Ham burg, wo er die Sonnenfinsternis vom 25. Februar 1598, beobachtete, und erwog auch einen Umzug in die Niederlande. Endlich hatte eine Wid mung an Kaiser Rudolph II. in sei ner „Astronomiae instauratae mecha- nica“ (Mechanik der erneuerten Astronomie) — die übrigens Brahes Autobiographie enthält — die erhoff te Wirkung: im September 1598 er hielt er eine Einladung an den Hof des Kaisers nach Prag; im Juni 1599 traf er dort ein. Es sollte seine letzte Lebensstation werden. Rudolph II.. ein schwacher Herr scher und dem Wahnsinn nahe, ein begeisterter Alchimist, der Astrolo gie und den schönen Künsten zuge neigt, empfing Brahe mit den höch sten Ehren, gewährte finanzielle Un terstützung und Arbeitsmöglichkei- ten, erst auf Schloß Benätky, später im Schloß Belvedere in Prag. Brahe bemühte sich um die Fort setzung seiner Beobachtungstätig keit, aber seine wesentlichen Instru mente trafen nicht ein. So ging Brahe, zusammen mit sei ¬ nen Assistenten, an die Sichtung und die Auswertung des in Hren angesammelten Beobachtungsmate rials, darunter über den Lauf der Planeten. Hier nun in Prag kam es zu einer Sternstunde der Wissen schaftsgeschichte: Der aus dem ka tholischen Linz vertriebene Johan nes Kepler, schon berühmt und von Brahe trotz persönlicher Spannungen hochgeachtet als Fachmann, wurde im Jahre 1600 einer der Assistenten von Brahe, und dieser übergab Kep- ler zur Auswertung die Daten des Mars, während sich andere Assi stenten anderen Planeten widmeten. Im Nachhinein haben wir dies den Zufällen von welthistorischer Be deutung zuzurechnen, denn ausge rechnet der Mars ist der Planet mit der größten Exzentrizität. Am Mars wird der alle anderen Assistenten turmhoch überragende Kepler, ge stützt auf Brahes Beobachtungsma- terial, aus einer Abweichung von lediglich acht Bogensekunden nach jahrelangen, nahezu verzweifelten Anstrengungen bei numerischer Auswertung schließlich, schließen müssen — wiederum gegen altherge brachte, scheinbar unumstößliche Denkvorstellungen —, daß der Pla net Mars keineswegs eine kreisför mige Bahn um die Sonne durch läuft: Alle Planete.. laufen, auf Ellipsen, zu deren einem Brennpunkt die Sonne steht. Das ist der Inhalt des 1609 veröffentlichten ersten Kep- lerschen Gesetzes. Genauer Protokollant der Bewegungen der • Himmelsmechanerie Brahe hat aen Triumph seiner aufopferungsvollen Beobachtungstä tigkeit, seines Lebenswerkes, nicht mehr erlebt. Vermutlich an einer Prostata-Erkrankung leidend, starb Brahe ziemlich überraschend schon am 24. Oktober 1601. Am 4. Novem ber wurde er mit festlichem Ge pränge innerhalb der Teynkirche am Altstädter Ring in Prag beigesetzt; sein Grabmal ist erhalten geblieben. Die Grabplatte hält auch eine Kurio sität der äußeren Erscheinung von Brahe fest: Brahe war, als er als junger Mann, 1566, ein Duell ge führt hatte, ein Teil der Nase abge- schlagen worden. Zum Ersatz ließ er sich eine goldene glänzende Na senspitze anfertigen, die er bis zu seinem Tode ständig trug. Noch auf dem Totenbett hat, so will es die Legende, Brahe seinen Assistenten- Konkurrenten Kepler beschworen, er soll sein, Brahes, Weltbild bewei sen. Dieser begreifliche Wunsch muß te vergeblich bleiben. Auf andere, indirekte Weise ging Brahe in die Un sterblichkeit ein, als überaus ge nauer Protokollant der Bewegungen der Himmelsmechanerie, deren Kon struktionsprinzipien aber späterb Astronomen fanden. Die Leipziger Universität, histori sches Kind der Prager Karlsuniver sität, formte einen jungen Menschen und hieß ihn den Weg zu einem Astronomen von Weltruhm einschla gen, einen Weg, der ihn in Prag sei ne letzte Ruhestätte finden ließ. Hans Wußing Literatur: J. L E. Dreyer: Tycho Brahe. A pic- ture of Scientific Life and Work in the Sixteenth Century (1890). Reprint New York 1963 J. A. Gade: The Lif and Times of Tycho Brahe. Princeton University Press 1947 G. Harig: Die Tat des Kopernikus. Leipzig, Jena, Berlin 1962 C. D. Hellmann: Tycho Brahe. In: Dic tionary of Scientific Biography Vol. II, p. 401-416. New York 1973
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