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Dresdner Journal : 07.01.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189701075
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970107
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-01
- Tag 1897-01-07
-
Monat
1897-01
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 07.01.1897
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1897 Donnerstag, den 7. Januar, abends. AesttUungen ouf das „Dresdner Journal" für das erste Vierteljahr werden zum Preise von 2 M. 50 Pf. angenommen für Dresden: bei der unterzeich neten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für aus wärts: bei den Postanstalten des betreffenden Orts zum Preise von 3 M. Lönigl. Expedition des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. Le. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kirchen- und Stiftungskassirer Haupt in Zittau das Albrechtskreuz zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Schirrmeister bei der Staatseisenbahnverwaltung Hende in Warnsdorf das Albrechtskreuz zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Die wiedererstandeut „Eilli-Arage" im Wiener Reichsrate. Tas österreichische Abgeordnetenhaus hat in seiner vorgestrigen Sitzuna mit 109 gegen 98 Stimmen den vom Finanzausschüsse beantragten Voranschlag für die Mittelschulen abgelehnt und sogleich darauf mit derselben knappen Mehrheit diesen um die Erhaltungs- kosten des slowenischen Gymnasiums in Cilli (12550 Gulden > geminderten Budgetposten genehmigt. Das Ergebnis dieser beiden Abstimmungen hat in Öfter reich allgemein überrascht und zugleich alle politischen Kreise in nicht geringe Aufregung versetzt. Denn der Vorgang bedeutet zwar keine niederschmetternde Niederlage der Regierung, wohl aber einen bemerkens werten Sieg der österreichischen Deutschen, einen Sieg, der zwar kaum die Lage des deutschen Volksstammes in Österreich ersichtlich bessern wird, aber doch den in letzter Zeit tief gesunkenen Kampfesmut der parla mentarischen Verfechter des Deutschtums etwas zu beben geeignet sein dürfte. Was das Ministerium Badeni anlangt, dem durch diese Abstimmung der Kostenbetrag für das vom Koalitionsministerium Windischgrätz-Plener errichtete slowenische Gymnasium verweigert worden ist, so wird es offenbar die ganze Angelegenheit nicht allzu tragisch nehmen, sondern sich damit trösten, daß es sich nur um eine gelungene Überrumpelung handelt, die bald wieder gut zu machen sein wird. Graf Badeni wird zweifellos im Herrenhause die vom Abgeord netenhause zu Fall gebrachte Budgetzisfer für das Gymnasium in Cilli genehmigen lassen nnd hierauf wird der Reichsrat nach nochmaliger Beratung und Beschlußfassung voraussichtlich mit großer Mehrheit ffch dem Votum des Herrenhauses anschließen. Tenn daß das Ministerium Badeni, ungeachtet der ihm in beiden Häusern dcs Re chörates zur Verfügung stehenden Mchrheiien, sich dazu entschließen sollte, das im vorigen Jahre mit Einwilligung des Reichsrates errichtete slowenische Gymnasium schon nach Beendigung des ersten Semesters wieder aufzuheben, daran ist natürlich nicht zu denken. Alle diejenigen Parteien des ReichS- rateS, die an der Errichtung dieser Schule seiner Zeit mitgewirkt haben und gegenwärtig die Rolle der „Re gierungsmehrheit von Fall zu Fall" spielen, müßten sich ja solchenfalls schwer beleidigt fühlen. So wenig es danach zweifelhaft erscheint, daß Graf Badeni und seine Kollegen durch die jüngste parlamentarische Schlappe sich in ihren Minister stellungen nicht erschüttert fühlen, ebenso sicher ist eS indessen auch, daß dieser unvorgesehene Zwischenfall eine nicht unerhebliche Störung in dem bereits in allen Teilen festgelegten nächsten Aktionsprogramm der Regierung bedeutet und auf alle Fälle dem Grafen Badeni höchst unangenehm kommen muß. Denn die Regierung wird nunmehr aller Voraussicht nach genötigt sein, das Abgeordnetenhaus über die ihm zugedachte Frist hinaus beisammen zu behalten, um die „Reparatur" des teilweise abgelehnten Budget postens durch das Haus zu erwirken. Und das wird voraussichtlich zur weiteren Folge haben, daß die schon für Anfang Februar anberaumten Fristen zur Wieder eröffnung der Landtage und ebenso die Auflösung des Reichsrates nunmehr um einige Wochen hinaus geschoben werden müssen. Mit diesem den Gang der Regierungsgeschüfte zeitweilig durchquerenden Resul tate ist aber auch die praktische Bedeutung dieses — „glänzenden", aber leider nur moralischen Sieges der deutschen Reichsratsparteien erschöpft. Die Führer dieser Parteien täuschen sich gewiß auch selbst nicht über die wirlichc Tragweite und den thatsächlichen Wert ihres parlamentarischen Erfolges. Das slowenische Gymnasium zu Cilli, das bei der Entstehung und dem Sturze des Koalitionsministenums eine so verhängnisvolle Rolle gespielt hat, wird fort bestehen —daran ist nicht zu zweifeln und nach der ander- weiten Abstimmung im Abgeordnetenhause, die den Sieg der Deutschen zu einer Niederlage umgestalten muß, werden die deutschen Parteien wieder genau auf dem selben Flecke der erfolglosen Negierungsgegnerschaft sich erblicken, auf dem sie vor der vorgestrigen Ab stimmung des Abgeordnetenhauses gestanden haben. Denn die 26 polnischen, 14 tschechischen und 12 slo wenisch-kroatischen und rumänischen Abgeordneten, die vorgestern bei der Abstimmung fehlten, werden sich bei der Wiederaufnahme der Beratung vollzählig ein finden und auf Hilfe von den deutschkonservativen (klerikalen) und italienischen Parteimitgliedern, die sich bei der vorgestrigen Abstimmung aus parteitaktischen Gründen mit geringen Ausnahmen aus dem Saale „gedrückt" hatten, können die Deutschen natürlich nicht rechnen. Gewiß haben die Abgeordneten der deutschen Parteien der Regierung bewiesen, daß sie unter günstigen Umständen im Abgeordnetenhause auch noch die Mehrheit erlangen können, und daß sie somit auch in der Lage sind, wenn auch nicht den Sturz der Regierung herbeizusühren, so ihr doch mit recht unangenehmen Abstimmungsergebnissen aufzuwarten Ob aber alles dies die deutschen Abgeordneten in die Lage bringen wird, künftig mit größerem Erfolge als bisher ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, muß billig bezweifelt werden. Dazu „hapert" es doch noch zu sehr in mehr als einer Beziehung. Tagesgeschichte. Dresden, 7. Januar. Se. Majestät der König empfingen gestern, Mittwoch, nach dem Besuche des Gottesdienstes vormittags 'L12 Uhr im Ncsidenzschlosse Se. Hoheit den Herzog Ernst Günther zu Schles wig-Holstein. Abends wohnten Se. Majestät der Vorstellung der Genrebildes „Der Kurmärker und die Picarde" und der erstmaligen Aufführung der Ballet Pantomime „Der Struwwelpeter" im Altstädter Hof theater bei. — An der heutigen Tafel bei Ihren Königl. Majestäten in Villa Strehlen werden Ihre Königl. Hoheiten die Prinzen und Prinzessinnen des Königl. Hauses, sowie die diensthabenden Damen und Herren der Königl. und Prinzlichen Hofstaaten tecknehmen. Dresden, 7. Januar. Se. Königl. Hoheit der Prinz Albert hat sich gestern vormittag mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge 10 Uhr 50 Min. in Begleitung des persönlichen Adjutanten Premierlieute nants v. Schönberg zur Fortsetzung der Studien an der Landesuniversität nach Leipzig begeben. Deutsches Reich. Berlin. Se. Majestät der Kaiser empfingen gestern vormittag die Staatsminister Ur. Bosse, vr. Miquel und Thielen, sowie den Geh. Hofbaurat Ihne und den General direktor der Museen Prof. Ur. Schöne zum Vortrage — Die Kabinettsordre gegen das Duellieren der Offi ziere im preußischen Heere ist unter Gegenzeichnung des Kriegsministers v. Goßler nunmehr auch im „Reichs- anzeiger" veröffentlicht worden Die Verordnung ist mittels folgenden Erlasses dem Kriegsministerium zuge gangen: „Ich lasse dem Kriegsministerium beifolgend die heute von Mir vollzogenen Bestimmungen zur Ergänzung der Einführungsordre zu der Verordnung über die Ehren gerichte der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874 mit dem Auftrage zugehen, solche der Armee mit dem Hinzusügen bekannt zu machen, daß auch diese Be stimmungen den Offizieren durch die Kommandeure öfters in Erinnerung zu bringen sind Neues Palais, den l. Januar 1897. Wilhelm." — Auf einen Allerhöchstihm zugestellten Glückwunsch des Berliner Magistrats aus Anlaß des Jahreswechsels haben Se. Majestät der Kaiser ein Antwortschreiben er- lasscn, in dem es u. a. heißt: „Wie ich an der fort schreitenden Entwickelung und Verschönerung der Reichs- Hauptstadt allzeit den lebhaftesten Anteil nehme, so freue ich mich mit dem Magistrat besonders über die herrliche und hohe Zierde, welche in diesem Jahre der Stadt Berlin durch das Standbild meines hochseligen Herrn Großvaters, des Kaisers Wilhelm des Großen Majestät zu teil werden wird. Möge dies Denkmal, welches das mit Gottes Hilfe durch ihn neugeeinte deutsche Volk in pietätvoller Dankbarkeit und treuer Liebe errichtet, die Berliner Bürgerschaft stet» gemahnen, sich würdig der großen Segnungen zu erweisen, welche Gott der Herr durch den Verewigten unserem Vaterlande hat angedeihen lassen." — Die beiden ältesten Kaiserlichen Söhne sind am Dienstag nach Plön zurückgereist. Sie ließen in Berlin einen Kranz aus das Grab ihres Lehrers l). Frommel niederlegen — Der Großherzog von Luxemburg hat sich nach der „Voss. Zeitung" an Se. Majestät den Kaiser mit der Bitte gewendet, ihm die noch im Königl. Staats archiv zu Wiesbaden befindlichen Urkunden und Akten über die verschiedenen Linien des Hauses Nassau, die wertvolles geschichtliches Material enthalten, für das nassauische Hausarchiv zu Weilburg zu überlassen Im Abdankungsvertrage des Herzogs Adolf mit derKronePreußen wurde ihm das Hausarchiv zugesprochen, doch ist ein großer Teil im Wiesbadener Staatsarchiv verblieben, woraus er jetzt verabfolgt werden dürfte. — Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Frhr v Marschall, der sich noch immer nicht von seiner jüngsten Erkrankung vollständig erholen kann, soll in den nächsten Tagen, sobald er reisefähig ist, auf dringenden Wunsch des Geheimrats Prof. vr. Gerhardt Berlin ver lassen, um sich in der südlichen Schweiz ganz der Ruhe zu widmen. Er hofft jedenfalls vor Ende des Monats völlig genesen zurückkehren zu können — Allenthalben wird man der „Kölnischen Zeitung" zustimmen können, wenn sie folgendes aussührt: Eine kleine Anzahl Berliner Professoren hat, vorzugsweise auf An regung der VolkswirtsckastSlehrer Schmöller, Sering und Wagner, an den akademischen Senat der Berliner Hoch schule eine Eingabe mit dem Ersuchen gerichtet, zur Ein richtung und Leitung volkstümlicher Hochschulkurse in verschiedenen Stadtteilen Berlins einen ständigen Aus schuß unter dem Ehrenvorsitz de« jeweiligen Rektors ein zusetzen und beim Kultusminister um eine Jahresunter stützung von 15000 M zum Zwecke der Ausführung der vorgeschlagenen Veranstaltung cinzukommen Als Gegen stand dieser volkstümlichen Hochschulkurse sind alle Wissens gebiete ins Aussicht genommen, die sich zur volks tümlichen Darstellung eignen, jedoch unter Ausschluß von Vorträgen über solche Fragen, auf die sich die politischen, religiösen und sozialen Kämpfe der Gegenwart beziehen oder deren Behandlung zu Agitationen Anlaß geben könnte Wir zweifeln keinen Augenblick, daß diese eingehender be gründete Eingabe im akademischen Senat selbst auf ent schiedene Ablehnung stoßen wird Denn wir erkennen in ihr nur einen abermaligen Auswuchs jener unklaren VolksbeqlückungStheorie, die in den Köpfen Halbgebildeter schon so viel Unheil gestiftet hat Uns will scheinen, daß schon der Ausdruck „volkstümliche Hochschulkurse" ein logischer Widerspruch nach Art des schwarzen Schimmels ist. Die Lehrer unserer Hochschule sind doch in erster Linie berufen, die von ihnen rertratcne Wissenschaft zu vertiefen und ihre Wahrheiten denen zu lehren, die dazu die entsprechende geistige Vorbildung bereits genossen haben Sie sollen keine Volksschul- lehrcr sein, und die Erfahrung hat zudem erwiesen, daß nur die allerwenigsten deutschen Gelehrten die Gabe besitzen, die von ihnen entdeckten und festgestellten wissenschaftlichen Wahrheiten volkstümlich darzustellen Tie Unterzeichner der Eingabe werden zweifellos zu den Aus nahmen gehören, sie werden überzeugt sein, daß sie mit der Macht ihrer Beredsamkeit zweifellos den Arbeiter massen jene „neue Verknüpfungen und Bindungen schaffen iverden, die der höhern Bildung und Tüchtigkeit den ihr gebührenden Einfluß sichern " Aber dann, meinen wir, wäre es richtiger, nicht zuerst den großen Geldbeutel des Staates anzugehen, sondern zunächst einmal in einem Winterkursus zu beweisen, daß ihre Absichten nicht bloß ausführbar, sondern auch erfolgreich sind. Zu einer Ver mehrung des rein oberslächlichen Bildungsfirnisses, worauf in der Regel der sogenannte volkstümliche Unterricht, vom neuen volkstümlichen Hochschulunterricht ganz abgesehen, herauskommt, scheinen uns vorläufig staatliche Mittel denn doch zu schade zu sein In derselben Richtung äußern sich auch die „Hamb Nachr ": „Die Bedürfnisse unserer Zeit liegen auf ganz anderen Gebieten als aus dem der Vermehrung der Halbbildung in den unteren Bevölkerungs schichten; wir besitzen davon schon mehr als zu viel, sie ist praktisch nutzlos und kommt nur den Sozialdemokraten zu statten. Auch wenn die Herren H. Delbrück, A Wagner, G. Schmöller rc. nicht mit unter den Unterzeichnern der Petition figurierten, würde kein Zweifel darüber sein können, daß sie ein Ausfluß des sogenannten ProfesiorensozialiSmus ist, den wir, wie den Pastorensozialismus, für ebenso gefährlich halten, wie die Sozialdemokratie selber In der Petition wird zwar gesagt, daß bei den beabsichtigten Vorträgen alle Fragen ausgeschlossen sein sollten, auf die sich die politi schen, religiösen und sozialen Kämpfe der Gegenwart bezögen, oder deren Behandlung zu Agitationen Anlaß geben könne; aber darin wird niemand eine Garantie dagegen erblicken, daß die Hochschulkurse nicht dennoch in der Richtung der Ziele des Professorensozialismus wirksam gemacht werden Wenn sie einmal eingerichtet sind, ist es leicht, die an fänglichen Stipulationen zu umgehen, und es liegt in der Natur der Dinge, daß die Tendenzen, welche die Urheber der Idee, die sozialisierenden Professoren der National ökonomie, leiten, auch gegen etwaigen Widerspruch der übrigen Professoren zur Herrschaft gelangen würden Wenn es den Herren Delbrück und Genossen ein Bedürfnis ist, die Arbeiter mit akademischen Kenntnissen zu versehen, so mögen sie es privatim und auf ihre Kosten thun, daß staatliche Institute und staatliche Mittel dazu hcrgegeben iverden, dagegen ist durchaus Widerspruch zu erheben." — Die offiziöse „Berliner Eorrespondenz" ent hält heute Mitteilungen über den Gesetzentwurf, be treffend die Regelung der Richtergehälter Danach sind für die Richter, deren Gehälter nach Dicnstalters- stusen geregelt werden, zwei Gehaltsllassen beabsichtigt. Die erste Klasse umfaßt die Senatspräsidenten bei den Luust und Wissenschaft. Am 6 Januar: Altstadt komische Oper in einem Akt nach Jünger frei bearbeitet, Musik von Albert Lortzing. lNeu einstudicrt) Der Kurmärker und die bester Sonntagtlaune befindliche Publikum K. Hoftheater. Tie Opernprobe *) Wir entmhmen der „Modernen Kunst" Verlag von Rick Bong, Berlin IV.) die Fortsetzung der Memoiren Friedrich Haas S, welche dieser auf Anregung der Redaktion der „Mo dernen Kunst" geschrieben und in den Svalten diese« Blatte« veröffentlicht hat. Bgl Nr. 29V de« „DreSdn. Journ.' vom 21. Dezember 1890) Was ich erlebte. 1846 bis 1896.*) Bon Friedrich Haase. In die Zeit (da Haase in Berlin mit Emil Bürde und anderen seine ersten Bühnenversuche machte) fiel die Erst ausführung des Sommernachtstraums auf dem Theater des „Neuen Palais in Potsdam" vor dem König Friedrich Wilhelm IV. und der ganzen Hofgesell schaft. Tieck studierte das Werk ein, Mendelssohn- Bartholdy dirigierte persönlich seine Tonschöpfung Im duftigen Elfenreigen wiegten sich blumenhafte Wesen der Märchenwelt, ein leises Kosen und Jubeln und Necken in Tönen, — und leise kam cs von des Königs Lippen: „Entzückend, entzückend!" Mendelssohn, bleich vor innerer Erregung, verbeugte sich dankend tief vor diesem könig lichen Lobe Sein Werk trat den Siegeszug an über die Erde, überall des Königs Ausruf bestätigend Die mit Recht berühmten Vorlesungen Ludwig Tiecks fanden stets nur vor zehn bis höchstens zwölf Personen statt Tiecks Organ war nicht groß, aber ungemein melodisch und wohlklingend Liebesszenen las er höchst überzeugend, wenngleich der Verstand ein wenig prävalierte und ich nicht selten jetzt eines sehr berechtigten Ausspruchs von Laube gedenken mußte: „Der gute Liebhaberspieler muß stets eine starke Dosis von Unwissenheit in sich tragen, denn es ist doch ein Schicksal, Abend für Abend sagen zu müssen: „Teure Luise", oder „Klär chen", oder „Henriette, ich liebe Dich!" „Nachdem der Diener den Geheimrat benachrichtigt hatte, daß die Gesellschaft vollzählig, erschien die Gräfin Finckenstein, Tieck« Freundin, und er selbst, geführt von seinem Diener in ein friedliches Dorf entsendet, und dort beginnt denn auch ihre Wirkung auf den Struwwelpeter, den bösen Friedrich, den Suppenkaspar, den Zappelphilipp, den Daumenlutscher, die zuletzt, nachdem sie ihre kindlichen Übelthaten vollbracht haben, alle miteinander vom Teufel geholt, doch, wie billig, durch Eingreifen guter Engel be freit und gebessert den Ihrigen wieder zugesührt werden. Die Steigerung der kindlichen Unarten zu schweren höllen würdigen Vergehen, die Verbindung der vergnüglichen Karikatur und de« lehrhaften Spaßes des Bilderbuchs, des ganzen offenbar erwachten Bedürfnisses nach Naivität, mit dem vollen Glanz und Luxus des modernen Ballets, nicht zuletzt die Anspannung und notwendige Überspann ung der Kräfte so zahlreicher Kinder, wie in dieser Pantomime beteiligt erscheinen, können ernste Bedenken erregen. Läßt man diese beiseite, so ist das Ganze voll Reiz, voll Abwechslung und von lebendigster Wirkung Die Pracht und Mannigfaltigkeit der Ausstattung, der Beleuchtung, die äußerst geschickte Belebung der Bilder buchszenen würden der Pantomime an und für sich eine Reihe von Wiederholungen sichern Dazu gesellt sich nun der Eindruck der sehr talentvollen, melodisch nicht über reichen, aber doch vielfach anmutigen, pikanten, namentlich rhythmisch außerordentlich frischen und schlagenden Musik, der eS auch an charakteristischen Feinheiten und einigen neuen Klangwirkungen nicht fehlt. So wurden die An strengungen des Balletmeisters Thieme und de« ganzen Personals durch einen vollen Erfolg gekrönt. Die kleine nachgelassene Lortzingsche Oper und vor allem die musterhafte Wiedergabe de« Schneiderschen Genrebildes „Kurmärker und Picarde" durch Hrn Scheidemantel und Frl. Grimaldi, entzückten noch vor dem Ballet da« zahlreich versammelte und in Picarde", Genrebild in einem Akt von L. Schneider. — „Der Struwwelpeter", Balletpantomime in drei Abteilungen, nach dem bekannten Bilderbuche von Viktor L«-on. Musik von Richard Heuberger Choreographischer Teil von Otto Thieme (zum ersten Male). So wenig als seinen Weltruhm hätte sich der brave Doktor Heinrich Hoffmann zu Frankfurt am Main träumen lassen, daß sein allverbreitetes Bilderbuch „Der Struwwel peter" nach seineni Tode Anlaß und Unterlage zu einer großen Balletpantomime geben würde! Lebende Bilder nach den vielgepriesenen Figuren des Struwwelpeters sind wohl schon vor Jahrzehnten in Familienkreisen gestellt worden, aber die Ausnutzung der drastischen, die Kinder phantasie mit einer wunderlichen Mischung von Grauen und Entzücken erfüllenden Szenen war der Gegenwart vorbehalten Natürlich hätte die einfache Darstellung der Struwwelpeterbilder weder die Mühe noch den Aufwand sämtlicher Ausstattungsmittel eine« großen Theaters, noch vollends die Herstellung einer eigenen, mit allem Reiz und Raffinement moderner Orchestermittel auügeführten Balletmusik gelohnt, der Struwwelpeter hat sich daher ge fallen lasten müssen, in Verbindung mit der wohlbekannten altepischen Maschinerie von Hölle und Himmel gebracht zu werden Nachdem der Satan und seine Großmutter große Desiliercour über Teufel und Hexen, Bacchantinnen und allegorische Laster abgehalten und sich an deren Tänzen weidlich ergötzt haben, werden Faulheit, Eigensinn, Lügenhaftigkeit und ähnlich« Teufelskinder auf Erden und Welch' ein Anblick! Rührend und tief schmerzlich! Man denke sich eine scheinbar zwcrghafte Gestalt, welche jedoch nur durch die Gicht dazu verdammt war. Ter Oberkörper so arg gekrümmt, daß oer Kopf beinahe die Knie berührte und man absolut nichts von dem Gesicht zu erblicken ver mochte. Die Gesellschaft begrüßte ihn stehend, nachdem der Diener den Herrn auf einen eigens für Tieck kon struierten Armsessel niedergelassen hatte, in welchem nun der Rücken tief nach der Vehne zurückglitt und plötzlich Tiecks Kopf sichtbar ward! — Überwältigend!! Ein Ju- piterkopf! Mit Augen, welche wie Schwcrtspitzen wirkten „Sieh die Augen!" mußte ich fast jeden Abend meinem Mitschüler Bürde zuslüsiern — Sieh die Augen — welch' eine Machtsülle!" Tieck schien sich der Wirkung seiner Augen bewußt zu sein — ich sage „schien" — kann mich aber gar wohl täuschen Er musterte erst lange, ohne ein Wort an die bereits lautlos gewordene Gesellschaft zu richten, jeden einzelnen, nahm alsdann die Brille zu Hilfe,neigte sich gegen die Herrschaften und nannte mit leiser Stimme den öis dahin unbekannten Titel und die Personrnangabe des von ihm zum Vortrag gewählten Stücke«, um nach kurzer Pause zu be ginnen Nach der erwähnten Musterung des Meister« hatte die Gesellschaft Platz genommen; die Gräfin etwas abseit», — allzeit häkelnd oder stickend In dem Vortrage von Lustspielen war Tieck geradezu hinreißend Goldoni, Hol berg und andere mehr dürsten niemals einen glücklicheren Interpreten gefunden haben, als ihn „Der Diener zweier Herren" kann unmöglich aus einer Bühne so lebensfrisch und so überwältigend komisch verkörpert werden, al« die» durch Meister Tiecks Vortrag geschah. Ich erinnere mich einer Vorlesung diese» Lustspiels, wo neben Tiecks Bruder, dem Bildhauer Friedrich Tieck, der Familie v. Raumer, der Charlotte v Haan, der Crelinger, Döring u a. m, Döring von Tiecks Vortrag derartig hingerissen wurde, Hoß er bei einem Aktschluß in seiner exaltierten Art sehr geräuschvoll rief: „Wundervoll!" Tieck sah über seine Brille nach Döring hinüber, mit einem so unaussprechlich Nns-ner vez»»«»r-t«: Für Dresden vierteljährlich: 2 Mark dv Pf, bei den Kaiser lich deutschen Postanstalten vierteljährlich »Mark; außer halb de« Deutschen Reiche- Post- und Stempelzuschlag Einzelne Nummern: 10 Pf Erscheine»: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend« Fernspr -Anschluß: Nr ISS » Journal Herausgeber: Königlich« Expedition de« Dresdner Journal» Dresden, Zwmgerstr. 20. Fernspr.-Anschluß: Nr tL-L «»küubigun»»Stbützr«»: Für de» Raum einer gespal tenen geile kleiner Schrift 20 Pf Unter „Eingesandt" die Zeile SO M. Bei Tabellen- und giffernsatz
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