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ÄMopKWer Gonntassvratt Vertage »um ZsGopauer Tageblatt und Anzeiger Freitag, den 24. Dezember 1937 Nr. 51 :r* 8 Lopvriökt 1937 ^Vutvärte-Vorlaa, Lerlio 68 le te in Und hier n n Heilanstalt nach Hede ei er rt n großen Städte — und so ein junges Ding, waren wieder die Studenten. Die Sache ließ ihm keine Ruhe. Von der rief er die Westensche Klinik an und fragte rt it. »e ch re -tz s. r- !N ", e- le a! fest Hielten, wie damals die Ertrinkende im Meer von Sylt. Die Oberin, eine alte Nonne mit seinen Fältchen um die eingesunkenen Augen, hatte ihm stumm zugehört, in ihrem schmalen, weiß umrahmten Gesicht zuckte keine Muskel. Sie wußte nun Bescheid. Ein etwas eigenartiger Fall. Diese junge Dame war eine arme Patientin von ihm. Hochgradige Depressionen. Natürlich konnte sie bleiben. Der auswärtige Blinddarm hatte eben ab telegraphiert, er war nicht mehr transportfähig. Westen war nun selbst hingefahren. Die Nachtschwester würde nach der Kranken sehen. Krank konnte man das Mädchen ja eigentlich nicht nennen, diese Hede Pflug — sie war nur erschöpft, hatte wohl schwere Wochen hinter sich. Sie würden auf sie achtgeben, versprach sie ihm. „Verzeihung Herr Professor — und an wen darf man sich wegen der Rechnung halten?" fragte sie an der Tür. „An mich, ich erledige das alles morgen." Bothmer griff nach seinem Hut. Sie schaute ihm nach. Eine merkwürdige Geschichte. Diese Phantasien gestern — und heute kam er selbst, am Sonntag nachmittag! — Nun, es ging ja niemand etwas an. Aus diesen Klostermauern würde jedenfalls nichts davon herausdringen in die Stadt... Am Montag morgen rief Bothmer von der Klinik aus seine Bank an. Der Chef war noch nicht da. Der Prokurist kam heran. „Ich möchte tausend Mark von meinem Konto abheben, aber mein Scheckbuch ist verbraucht. Ich muß das Geld sofort haben. Könnten Sie es mir in mein« Klinik — nicht in meine Wohnung — schicken? Geht das?" „Selbstverständlich, Herr Professor! Ich kann einen Boten schicken; ich möchte nur bitten, ihm eine Quittung mitzugeben." „Danke sehr!" „Bitte, sonst noch etwas?" „Nein!" Bothmer hing an. DaS wäre also in Ord nung, dachte er erleichtert. Wie rasch war doch etwas aus der Welt geschafft mit Geld. Er haßte das Geld. Geld menschen waren ihm zuwider, Menschen mit harten Geld gesichtern. Um Geschäftliches hatte er sich nie gekümmert. Wenn ich mein Leben als Kaufmann hätte fristen müssen, Wäre ich sicher heute ruiniert. Eine halbe Stunde später brachte ein älterer Kassen bote das Geld in di« Klinik. Es war Bothmer, als habe man ihm in diesem versiegelten Brief sein reines Gewissen wiedergegeben. Er wollte gleich hinausfahren, aber es kam fortwährend etwas dazwischen. Als die Mitlagglocken läuteten, fuhr er an dem Westenschen Klostergebäude vor und fragte die BUroschwcster nach dem Befinden von Nummer einund dreißig. Es kam ihm vor, als lächle die dicke kleine Nonne, die in ihrem sauberen weißen Anzug wie eine dicke Taube in dem kleinen Büro saß und Rechnungen ordnete. „Fräu lein Hede Pflug? Ach so, die ist schon wieder auf und munter. Sie ist draußen im Garten." Er gab ihr den versiegelten Brief, ließ ihr einen Gruß bestellen uns ging. Feig von mir, dachte er. Ich hätte ihr den Brief s-lbst geben sollen. Aber irgend etwas in dem Gcflchl der Büroschwester hielt ihn davon ab. Ich habe ihr ja geschrieben, dachte er. Er kam verspätet in die Universität zu seiner Vor lesung. Die Studenten scharrten heftig, als er erschien. Aber er beschwichtigte sie rasch. Er gab ihnen die Viertel stunde nach. Als er zu Tisch nach Hause kam, war es halb drei. Stroh machte sein „Gesicht". „Stroh hätte Tragöde werden sollen", sagte Bothmer, atS er seiner Frau gegenüber saß. Sie sagte nichts und man atz schweigend die Suppe. Wenn wir das Bewußtsein haben, ein auteS Werk getan zu haben, sind wir glücklich. SS geschieht fo selten, daß wir ein gutes Werk tun. Bothmer erging es so. Aber er behielt trotzdem das Gefühl zurück, etwas getan zu haben, dah er vielleicht nicht hätte tun sollen, gegen seinen Willen in etwas htneingezogen zu sein, das ihm unbequem it e- a- in lt, in !N ch ig >l, le es ch ls rn in te ch m ck- ist ie h" ig hr ls a- rg hr r« m en >r1 ;r h, t! !? Z ri werden konnte. Ich habe etwas vertuschen Helsen. Habe, ich wirklich damit jemand geholfen? Vielleicht nicht. WaS würde sie nun tun, dies« arme Hede? Er konnte sich nicht vorstellen, was in diesem Kopfe vorging. Seine Frau fragte ihn etwas. „Verzeihung — hast du etwas gesagt?" fuhr er auf. Sie sah ihn an. „Nichts Besonderes." Was hat er! nur?, dachte sie. „Hat es etwas Besonderes gegeben, heute?" fragte sie. „Rein! Unangenehme Geschichten in der Klinik. Aber> davon magst du ja nicht hören..." ! „Wenigstens nicht bei Tisch", sagte sie. Nach einer Weilen fragte sie: „Was ist denn aus diesem Mädchen geworden?" ' .Die wird morgen entlassen." „Und der Brief an dich?" „Ein Mißverständnis der Westenschen Klinik", sagte er kurz. „Es gehört in die Kategorie des Unangenehmen." Sie fand diese Spitze überflüssig und ungerecht und ging darüber weg. „Wir haben heute abend Theaterplätze"^ erinnert« sie, als Stroh mit dem Salat und dem kalten Fleisch erschien. „Es gibt .Undine'." „Heul' abend? Lieber Gott — hört denn das Theater hier nie auf? Bei zwanzig Grad im Schatten..." „DaS hat doch mit dem Theater nichts zu tun." „Rein, nein! Im Sommer will ich kine alten Opern hören. Und neue gibt's ja nicht. .Undine!' Glücklich- Menschen, die einen Abend opfern, wegen eines Märchens.", Er nahm ein paar Radieschen von d«r Platt«. „Vielleicht sind sie nur jung", meinte sie. Er sah von seinem Teller auf und bemerkte einen nach-, denklichen, ernsten Ausdruck in ihren sonst so Hellen Augen, „Aber, geh du nur hin, nimm irgend jemand kann nicht, ich hab' Aerzteverein, um acht. ES a mal zu meinem Handwerk, liebes Kind, daß Abends beschäftigt bin. Wenn eS nicht so wäre, l auch nicht recht." Sie schwieg und sah mit einem abwesenden Blick in den dunklen Garten nach dem Baum, in dem die Vögel, ein Pärchen, leise miteinander zwitscherten. SS klang so fröhlich und unbeschwert. In diesem Augenblick kam Stroh herein und brachte ein Stadttelegramm. Bothmer öffnete es und las: „Alles in Ordnung, Geld abgesandt, heißen Dank! Hede." Er schob das Telegramm in die Jackentasche, erhob sich und verabschiedete sich rascher als sonst. Sie wollte fragen: Und das Telegramm? Aber er liebte es nicht, gefragt zu werden. Es konnte ja auch etwas Dienstliches sein... In der Diele kam ihm Stroh mit einem Hellen Jackett nach. „Der dunkelblaue Anzug, den Sie unterwegs an gehabt haben, muß zur Reinigung." Und er half Bothmers in die andere Jacke. Bothmer zündete sich eine Zigarre an und bestieg sein Auto, um nach der Provinzialanstalt zu fahren, wohin er wegen eines eiligen Falls gerufen worden war. Die Sache war also in Ordnung, überlegte er. Das Mädchen würde sich ihr Leben allein wieder aufbauen. Aber eine Stellung fand man im Sommer schwer in eineri! fremden Stadt, ohne Zeugnisse und ohne Empfehlungen., Man sollte ihr raten, nach Berlin zu gehen. Aber die i Pflug. „Die ist entlassen", war die etwas kurze, trocken« Antwort der Oberschwester. „Wo ist sie denn hingegangen? Hat sie ihren Aufenk haltsort nicht angegeben?" Eine Weile schwieg die Stimme, e» war, als bespräche sie im Büro etwas. Dann sagte dieselbe Stimme: „«t« wollte sich eine Stelle suchen. Wo sie wohnt, hat st, nicht hinterlassen." Also war st, in der Stadt geblieben, vorläufi», muß ihr Wetterhelsen, übirlegte er, ich hab, «S «inmal ß^ana«n, st« ans d,n richtig«, Weg gebracht. Wen« «in, »telluna hat. bin ich st« l«S. Aber was AK « 3. Forlsetzung. Ach kann nichts ganz, nicht einmal sterben. Weshalb sehen Sie mich so an? Glauben Sie, daß ich das nicht noch einmal tue? Hier nicht. Ich werde Ihnen keine Ungelegenheiten mehr machen, ich verspreche Ihnen das. Aber hier bleibe ich nicht mehr. Sie sollen mich herauslassen aus diesem Kloster, aber die Nonn-en wollen nicht. Ich bitte Sie, wie komm' ich hier heraus? Wie komm' ich fort von hier?" „Wohin wollen Sie denn eigentlich?" fragte er ruhig. „Irgendwohin. Mich verstecken vor den Menschen." „Und dann?" Sie schwieg und sah ihn an. Ihr Atem ging rasch, unter v m rauhen Anstaltshemd bebte ihre junge Brust. Ein Gemisch von Angst, Haß und Nachsucht funkelte in ihren Hellen, blitzenden Augen. Ein Zug von Entschlossen heit lag um den roten Mund, der in dem blassen Gesicht leuchtete. „Ich weiß, was Sie tun wollen", sagte Bothmer. „Und ich werde dafür sorgen, daß Sie das Haus nicht verlassen, bis wir wissen, wohin Sie gehen." Sie wandte sich ab und betrachtete die kahle, mit weißer, kalter Glanztapete bezogene Wand, an der nur ein Heiligenbild hing mit einem vertrockneten Palmenzweig. „Ich weiß schon, was ich tue", sagte sie trotzig. „Rein, das wissen Sie nicht!" sagte er. „Sie werden doch nicht die Dummheit noch einmal begehen?" „Wer weiß", murmelte sie, ohne ihn anzusehen. „Wo soll ich denn hin, wenn mir keiner hilft — niemand helfen kann?" Es wurde still in dem engen, klosterartigen Zimmer. Im Nebenzimmer hörte man eine Kuckucksuhr ticken. Bothmer griff nach ihrer Hand. Sie war heiß, der Puls ging unruhig. Sie ließ ihm ihre Hand und schaut« ihn unter den halb geschlossenen Lidern an. Und unter diesem Blick wandelte sich etwas in ihm. „Versprechen Die mir vernünftig zu se.n und nichts mehr dergleichen zu tun, wenn ich Ihnen helfe?" Sie sah ihn groß an, fast entsetzt: „Sie wollten es mir geben — das Geld?" Er nickte. „Morgen ist die Bank offen, ich verspreche «S Ihnen! Aber so lange müssen Sie hier ausharren und tun, was man Ihnen sagt, auch wenn Sie sich wie im Gefängnis fühlen..." „Sie wollten mir das Geld wirklich geben. Das ganze Geld — für das Gericht?" stammelte sie und richtete sich jäh auf in der weißen, weiten Jacke. Die Arme nach rück wärts gestemmt, sah sie ihn an. Ein erlöstes Lächeln strahlte über das feine Gesicht, ihre Augen bekamen wieder Farbe und Glanz. „Ah!" Sie atmete tief auf, und mit einer rasche» Bewegung ergriff sie seine Hand und küßte sie. Er fühlte ihren Herzschlag gegen seine Hand klopfen. „Wie schön, daß man sich nicht getäuscht hat", verstand er. „Das ganze Geld wollen Sie mir leihen?" „Ja!" sagte er kurz, indem er sich erhob. „Ich will es Ihnen schenken." „Richt schenken!" rief sie. „Ich werde arbeiten, ich kann arbeiten, und werde cs Ihnen zurückgeben. Alles! Wie glücklich ich bin! Oh, Sie sind gut, ich hab' es ja gewußt" Sie fiel in die Kissen zurück. Tränen funkelten in den Hellen Augen. Er strich ihr über das Haar. Es fvHtte sich weich an, wie Seide. „Beruhigen Sie sich nun", sagte er. „Ihr Puls geht noch viel zu rasch. Morgen um zehn haben Str das Geld. Dann schicken Sie es sofort dem Gericht, und den Nest be halten Sie. Aber machen Sie keine Torheiten mehr. Ver sprechen Sie mir das?" Sie reichte ihm die Hand und schaute ihn fragend an. „Und dann?" sagte sie leise. „Dann?" Er schwieg. „Dann suchen Sie sich eine Stellung. Wie Sie sich Ihr Leben einrichten, kann ich Ihnen natürlich Vicht vorschreiben. Vielleicht kann ich Jh-ien aber dabei helfen, etwas zu finden. Ich werde mal sehen. Darüber bekommen Tie Bescheid." Die Nonne in der großen, weißen Flügelhaube stand In der Tür. „H«rr Professor, Frau Oberin wartet im , OperationSsaal!" Bothmer macht« sanft ihre weißen Hände l-L bi« ihn