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z... ' letzten Monaten darum gezeichnet hatten. L.e ^.-...„e zwischen den Vichständcn entlang wandelte prüfend Anna Allmer mit ihrem alten Knecht Lüerke. Als sie den Knecht vom Osmerhos mit den schöne» Tieren gewahrte, dlied sie stehen und fragte nach dem Preise. Kort, der jede Gemeinschaft zwischen Christoph Atl^ mers Tochter und seinem Herrn verabscheute, forderte, nm sie ahznschreclen, die Halste mehr, als Ian ihm anfgetragen halte. Aber Anna öffnete ihr Ledertäschchcn, zahlte ohne Feilschen den geforderten Preis ihm in die Hand, wie heftig auch ihr Knecht ahnet. „Tas verstehst »ich, Lüerke. Vaddcr hat immer sein Vieh von sein Aachdars gelaust. Un gut Hal er sich dr bei gestanden." Ohne Freude strich Kort das Geld ein. Jürgen Obm halte recht: die Tinge kamen, wie sie sollten. Lein Geschäft War beendet, aber die Sorge nm seinen Herrn trieb ibn, weiter aus dem Markte zu verweilen, zwischen Käufern und Verkäufern Umschau zu halten. Am Ende der Pndenrcihe entdeckte er eine Auslage von Hcidebesen und Holzgeschirr. Zwei uranne Gesellen ans dem Moor verkauften da stumpf-gleichgültig, wie sie ihre Waren an den Türen seilznbielen pflegten. Toch Kort bemerkte, das; die Angen des einen über Waren nud Käufer wegsnchend die Menge durchstöberten, böse, rachsüchtige Augen. Vorsichtig umkreiste der Kncchl iu weitem Pogen den Stand, spähend, ob etwa eine Tirue die zwei Burschen begleitete. Zwischen den Puden fand er sie nicht. Aber da er am Ende des Marktplatzes in die offene Tür einer kleinen Wirtschaft spähte, sah er, die er suchte, im dunkeln Winkel sitzend, von weilen Umhängen umhüllt, das Gesicht dem Lichle angewandt. An den schwarzen Haarsträhnen, die ihr unter der Kapuze hervorguollen, erkannte er sie doch. Pehulsgm zog er sich zurück, suchte Ian Osmer, den. er später mil einigen Kameraden in einer Wirtschaft am Mühlenberg sand. Er nabm ibn beiseite. „Tas Vieb is verköpl. Uu liier iS das Geld, das Anna Allmer dr für bezahlt bat. Un nu flink nach Haus — wenn dn nich drei Zoll Eisen zwischen dein Nippens spüren willst. Die Zigeuner sind anf'n Markt." „Nec", sagle Ian Osmer, der das Geld zählte, „Anna Allmer hat meine Kübe zn lener bezahlt. Tas kann ich nich ans mir sitzen lassen." Er Hörle nicht ans Korts Einwände. Als die Laternen brannten, trat er in Twansens Wirtschaft an der Ecke des Marktplatzes. Alle aus Weherdamin, viele aus Gras dorf und Seebergen aßen dort ihr Abendbrot. Vom Tische der Willgrebe, an dem cs laut hcrging, lief ihm Alheid entgegen, froh, ibn endlich wieder zu haben. Aber Ian ging an ihr vorüber ans Anna Allmer zn, die bei Hilmer und den Poppes sah. „Schön Tank, sag ich dir, AnnaAllmer, das; du mir mein Vieh abgekausl hast", grüstle er. „Vian bloß zu teuer hast's bezahlt. Mein Knecht hat mich d'r nicht richtig verstanden mit dem Preis." Er zog seinen Lederbeutcl. „Mußt vergönnen, das; ich dir das Zuviele znrückzahle." Ohne Pieren strich Anna das Geld ein, das Jan vor ihr ans den Tisch zählte. „Wenn es in Wahrheit über den Preis is, denn so nehm ich's zurück. Un dir sollst bedankt sein, Ian Osmer." Zwei Menschen schauten mit großen Augen unruhig ans die beiden und ihren Handel. Ans der einen Seite Alheid Willgrebe, auf der anderen Hilmer Poppe. Jan bot Hilmer die Hand. „Is recht, Jung, daß du dir mal ein frohen Tag machst. Nu svll's fidel werden." Er rückte sich einen Stuhl neben Hilmer, auf dessen anderer Seite Anna saß. „Kommst nicht an unseren Tisch?" fragte Al-Heid vor wurfsvoll. „Wir rücken zusammen, versteht sich, alle Wchcr- dammer zusammen. Bier aufgesahren, Herr Wirt. Ich zahl 'ne Nunde. Das soll fidel werden, Hilmer, was?" Gesche Poppe sah mit ihren fiebrigen, mißgünstigen Augen schräg ans Jan. „Das is wahr, so wie du kann's nich jeder/ Lächelnd hob Jan sein Seidel, trank ihr zu. „Ich versteh dein Meinung Woll, Poppcn-Mnddcr. Hast auch recht. Kann sein, dr is hier in'n Saal kein so arm an Geld wie Ja» Osmer. Aber sich freuen können an guten Tag n» dem zuwidrcn in die Zähne lachen, sind auch Dingens von Wert »in oft mit Taler nicht zu kaufen. Was meinst, Anna Allmer?" „Ja", sagte Anna, „ja!" und ein Leuchten trat dabei in ihre Angen. „Necht hast; wir Menschens sollten uns mehr wissen als Glück un Unglück. Dr über sollten wir stehen." In Hilmer war ein Stachel, der ihn trieb zn wider sprechen. „Uber sein Schicksal stehen kann «Ich jederein, und braucht's auch nich. Aber dr gegen angehen soll er, bis er das Böse zu ein Guten macht. Au'u letzten Ende hat jeder Mensch das Schicksal, das ihm gehört." Jan nickte. „Erfolg is Gottesurteil, sagte der brave Hans. Da hatte er das große Los gewonnen." über Hilmer weg, der, die geballte Faust auf dem Tisch, vcrsonneu seinem Ausspruch nachbrütete, blickte er dabei spitzbübisch zu Anna hinüber. Sie wurde rot. Sie schämte sich, daß sie in diesem Augenblick geringschätzig von Hilmer dachte, und daß Jan ihr ihre Gedanken vom Gesicht ablas. In der großen Stube nebenan spielten zwei Musi kanten dem jungen Volke zum Tanze auf. Alheid hatte längst in sehnsüchtiger Ungeduld hinübcrgelanscht. „Willst dich denn gar nich mal mit mir swenken, Jan?" bettelte sie. Jan sah Anna an. „Kommst auch mit?" Anna schüttelte den Kopf. „Ich tanz vandage noch nich." Jan kam gleich zurück. „Es ist dr unerträglich heiß in." Alheid weinte beinahe. „Ausnehmend fein is's in'n Saal un alle Derns ans Seebergen und Kallenbeck sind dr — nud ich halt mich gefreut auf die Tanzcrei bei Swansen, so arg gefreut." Jan achtete nicht auf sie. Er erzählte Schwänke ans seiner Militärzeit, sprach von Possenreißern und Gesangs komikern, die er in den Kneipen und kleinen Theatern ge sehen hatte. Er ahmte sie nach. Er begann Stücke, die ihm besonders gefallen hatten, und die er auswendig konnte, vorzutragen. Auf einem Stuhl stehend, den Hut schief auf einem Ohr, sang er Couplets, das; die Zuhörer nicht aus dem Lachen herauskamcn. Aus dem Tanzsaal, ans den kleineren Stnben drängten sic herein. Der Wirt spendete dem Meycrdammer Tisch eine Gratisrnnde aus Dankbarkeit dafür, daß Jan Osmer ihm seine Gäste so gut unterbielt. Und Annas Lachen mischte sich mit dem Lachen der anderen. Schier ausgelassene Lustigkeit brannte in ihren Augen, die wie gebannt an Osmer hingen. Ihre Fröhlichkeit tat Hilmer Weh. Nie war es ihm gelungen, solchen Strahl selbstvergessener Freude in ihren Augen zu entzünden, niemals, auch nicht in den Tagen des Glückes. Und heule, so meinte er, hätte er nicht drin brennen dürfen, sechs Monate nach Christoph Allmers Ermordung noch nicht wieder. Ungesund erschien er ihm, wie die Blüten, die sich zu früh im Jahre erschließe». Ungesund und unrecht — eine Kränkung für die, die mit der Dirn treulich Trauer lind Zorn getragen hatten. Sie achtete nicht auf ihn, sie vergaß auf Minuten, das; cs einen Hilmer Poppe gab. Traf ihn unabsichtlich ihr Blick, der ihn nicht suchte, ging es ihr immer wie ein feiner Stich durchs Herz. Sie fühlte Flügel an den Schultern, und er war das Bleigewicht, das sie hinab zur dunkeln Erde zog. Sie aber sehnte sich, weuec geh zu wiegen in den sonnigen Höhen, zu denen hinauf Kummer und Sorge nicht reichten. Kort war still hinausgegangen in die kleine Stube, in der die Knechte Vier tranken und Karten spielten. Sie lag am Eingang, und die Tür stand offen. Einsam saß er hinter den Scheiben, gespannt hinausspähend auf die Straße, die Menschen beobachtend, die vom Damm aus in die niedrigen Fenster schauten. Ihm war bang. Einmal, als Jan wieder eine Nunde mit Alheid getanzt hatte, trat er zu Anna. „Sie spielen jetzt einen Figurentanz drinnen, nix von Hüpfen und -Drehen. Es is wie ein Spazierengehen. Tanz den Tanz mit mir, Anna." Und da sie zögerte fügte er hinzu: „Die Stunde is froh, warum willst ihr mit Gewalt trübselig machen?" Da ging sie mit, schritt von Jan geführt im Neigen, immer noch mit dem Gefühl des Schwebens in ihren Gliedern, der goldenen befreienden Heiterkeit, die ihr aus ihrem ungewohnten Lachen geblieben war. Ja, Wohl war es gut, das; die Welt Menschen trug wie Jan Osmer. Unter den vielen, mühselig unter ihren Lasten Keuchenden den Seltenen, der seine Last tanzend trug. Frohsinn um sich breitete, wie die Sonne Wärme. Aus dieser Empfin dung heraus sprach sic: „Du hast recht; die Stunde is froh. Ich hab ein frohere in mein Leben nich gekannt. Un du bist's der sie froh gemacht hat. Darum wär es mir von Herzen lieb, wenn ich niemals dich müßt betrübt sehen. Jan, wenn du in Bedrängnis bist — du hast mal eine Äußerung ge« macht, die darauf hinwies, ich weiß auch, du hast dein Hof mit schwere Lasten drauf annehmen müssen — wenn dn in Bedrängnis bist, geh nich znm Juden. Frag bet mir an. Ich bin mündig, ich kann schalten mit mein Eigen." „Daß du mir das aubietesi, Anna", antwortete Jan lebhaft,, „will ich dir mein Lebtag nich vergessen. Ein Freund in der Not is was Nares. Der bist du mir. Aber ungern würd ich dir Ungelegenhciten machen. Doch ver mein ich Woll, ich Helf mir mit eigener Kraft ans meiner Verlegenheit." Ja, das is Jan Osmer, dachte Anna, während der scharfe Rhythmus des Marsches ihr in den Ohren schmetterte, ihre Bewegung lenkte. Der läßt nicht die Flunken hängen un bettelt um kein Beistand. Er geht selbst an gegen sein Schicksal mit all sein Kraft. Hilmer weis; klug zu snackcn wie der Pastor auf der Kanzel, aber er steht nich hoch gegen die Dingens. Er trägt, was über ihn kommt, Slimmcs un Gutes, Gesche Poppes Bosheit, die Verkürzung von sein Erbteil — und um meine Liebe, die träat er auch, weil sie auf ihn aefallen is. . lFortsctznng folgt). MU-M Besuchskarte n-RAs el. Lies P. Frisch Ilmenau Wer den Beruf wissen will, den die Inhaberin obiger Besuchskarte ausübt, hat die Aufgabe, sämtliche Buch staben der Karte umzustellen. Bei richtiger Lösung er gibt sich eine mit „F" beginnende Berufsbezeichnung. M -er Erzählung von L. S ch w e n g e r - C o r d s. Ian, dcr holläudischc Schiffer, fuhr schon seit Jahren die große Handelsstraße von Friesland nach Westfalen und Rheinland, den strombreilen Kanal entlang, dessen Wasser fläche srischgrün von den Heide- und Waldslüssen schimmerte ans denen er gespeist wird. Jan, dcr Schisser, haue seinen festen, tüchtigen Schlepp kahn „De Haring" getauft. Als er ihn übernahm, hieß er „Thetis". Jan haue keine Ahnung von dcr Bedeutung dieses Namens. Als er einen Kameraden danach fragte, meinte dieser, cs sei der Name einer großen Handelsgesellschaft, —> es könne aber auch sein, daß einmal eine holländische Prin zessin so geheißen habe, — jedenfalls sei cs ein sehr vornehmer Name. Jan konnte sich bei dieser Vornehmheit wenig denken, lind da er, als er noch ganz junger Echisfcrknecht war, einmal einen prächtigen, blanken Kahn gesehen hatte, der „De Haring" hieß, nahm er diesen Namen auf. „De Haring" schiffte von der ostfriesischcn Grenze bis in die westfälische» und rheinischen Großhäfen. Jan fuhr als letzter hinter zwei anderen Kähnen im Schleppzng. Der Schlepper war der „Herzog Enno" ans Emden, nach dem stolzen Friescnhänptling genannt, dcr in der Großen Kirche zu Emden in marmorner TodcSruhe liegt. „Herzog Enno", vom Baas selbst geführt, zog die „Alte Liebe" und den „Goden Wind", und hinter diesem schwamm blank und reisefröhlich „De Haring". Jan fuhr gern als letzte», — dann halte er den Blick frei über die Wasserader und den Schiffsverkehr, — über das grüne Land und in die blaue oder diesige Luft. Außer dem Schiffsjungen fuhr nur noch „Tomato uofe" mit an Bord, dcr ein sonderbares, vielseitiges, zerzaustes Dasein hinter sich Halle. Er begann als Felmschiffcr, kam daun als Maat auf.einen englischen Haudclskahn, brachte es aber niemals weit nud lat endlich Handlangerdienste im Hafen, wo Jan ihn ciiidecktc und heuerte. „Tomato nosc" hatte seinen Namen von seiner mächtigen, wulstigen Nase, auf dcr rötliche Auswüchse wucherten, so daß sie einer Tomate ähnlich sah. Er sprach ein Gemisch von Friesisch, Holländisch nud Englisch. Englisch kauderwelschte er am liebsten. Er steckte den britischen Eeehandcl in die Tasche, und sein Gedankcnscgcl umschiffte die Küsten des Weltreichs. An Städten und Städtchen glitten sic vorüber. Sie hatten glatte Fahrt, denn alle drei, die der „Herzog Enno" zog, luden Erze für das westfälische Industriegebiet. DaS Land wuchs fruchtbar unh stark. Weite .Kornschläge füllten die Ebene, fernhin stieg sic an zu blauen Maldbcrgcn. Streckenweise wallten dunkle Wälder bis dicht an den Kanal. Ach, man kannte sie ja so gut, — man kannte da fast jeden Menschen und grüßte ihn, wie man in dcr Heimat grüßt. „Tomato nose" machte sich am Tauwerk zu schassen. Und au« der Konrbüse zog der Geruch deS Nachmittagskaffees. Diesmal wurde Jan die Fahrt zu lang. Seine Gedanken drängten nach der Schleuse und dein abendlichen Frieden des stillen Landes. Unterhalb des Deiches vor dem dnnklen Waldstreifen lag ein kleines, hell schimmerndes Gut. Ain Abend wölkte blauer Nauch darüber. „Waldfrieden" stand auf dcr Giebel wand unlerm Dach. Ucberwölkt vom blauen Nauch, so hatte Ian das Haus zum ersten Mal gesehen, als er von seinem Kahn-auf den Deich stieg. Am Zaun stand ein blondes Mäd chen und nahm Wäsche von dcr Leine. Wie er dieses Bild, das Haus und das Mädchen, so plötzlich in sich anfnahm, war im wilden Frieden der Dämmerung ein sonderbarer Traum über Jan gekommen: als ob er dieses blonde Mädchen schon lange gekannt hätte, als ob eine schöne Trauinlandschaft sich ösfncie und auf ihn znkäme. Er sprach das Mädchen an in seinem holländisch-deutschen Schisfervlatt. Sie verstand ihn sehr gut und antwortete ihm mit frischer, klingender Stimme. Sie sprachen vom Wetter und von dcr Schiffahrt, vom Verkehr in der Schleuse und von dem Gut „Waldfricdcn", das im blauen, abendlichen Schatten lag. Sie sprachen eine ganze Weile zusammen, bis eine Stimme vom Hans her schallend das Mädchen rief. Am anderen Mor gen, — sic lagen noch einen halben Tag in dcr Schleuse —. traf er sie wieder, wie sic im blitzenden Strahl der Morgcn- sonnc an den Gemüsebeeten grub. Er lehnte, seine Pfeife rauchend, am Zaun. Ja, heute mittag würde er durchgcschleust mit dem „Herzog Enno", und dann führe er bis Dortmund, wohin seine Ladung gehe. Ob sie nicht einmal sein schönes Schiff „De Haring" ansehcn wolle? — Sie stieß den Spaten in die Erde. Natürlich, das Schiff wollte sic schcn! — Tom, dcr Bordspitz, begrüßte sie mit freudigem Gekläff. Dcr Schiffer Ian zcigie dem blonden Mädchen alles, vom untersten Lade raum bis zum Scgelwcrk und Steuer. „Tomato nosc" rollte die blöden, blauen'Augen vor Erstaunen, und schüchtern, wie er war, verkroch er sich hinter die Kombüsentür. Das Mädchen hieß Elisabeth, und Jan sah sie nun jedes mal, wenn er an der Schleuse lag. Er trug ihr Bild in seinem Herzen, in dem bisher nnr „De Haring" gelebt hatte, und er nannte sie im stillen zärtlich kosend Betsey. „Tom!" Er rief den Spitz heran, „Tom, heute fährt dcr .Herzog' zu langsam!" Dicsesmal kehrte nicht nur der Schiffer Ian an die Schleuse zurück, sondern ein wohlbestallter HauS- und Grundbesitzer. Er hatte in dem holländischen Grcnz- ort, seinem Heimatdorf, einen kleinen Hans- und Gartenbesitz erworben, und nun wollte er das Traumbild Betsy dahin ver setzen, wohin es gehörte. Daß cS irgendwie anders kommen könne, daran dachte er nicht. Ian warf die Plankcnbrücke ans Ufer. Ein sxmr Sprünge, — da lag der „Waldfricdcn"! Blauer Rauch wölkte über dem Schieferdach. Er dachte, den blonde» Schimmer ihres Haars zu schcn, — aber sie war nicht da. Wartete sie nicht auf ihn? — Die Schiffer von der „Alten Liebe" — und dem „Goden Wind" riefen ihn, ob er nicht in die „SchiffcrS- ruh" mitkomme zur Stange Bier? An IanS Herzen zerrte eine unerträgliche Unrast, aber da sich Elisabeth' nirgends sehen ließ, gab er sich einen rauhen Ruck und ging mit den Männern. Später würde er sie treffen oder am Morgen. — Auf der Landstraße aber stand er plötzlich wie vom Schlage getroffen. Er mußte sich an Willem, den Baas der „Alten Liebe" halten, der neben ihm ging. Da kam Betsy, feine Betsy, am Arm eines wohlbestallt aussehenden, Zungen, blon den Mannes. Neben dem Paar gingen die Eltern. Jan drückte sich hinter Willem und strebte nach der WirtS- baustür hinüber. Sein Herz drohte, den Schlag auszusetzen. Das war ja Wohl nur ein unwahres Jrrbild! Aber dann ging am Wirtstisch die laute Rede von dcr hübschcn Elisabeth Kötter vom „Waldfrieden", die sich mit dem reichen Hofbauern, dem Großpetcr, vom Erbhof Hinterm Wald, verlobt habe. „Der Großpetcr hat Glück, und das Mädchen hat Glück", sagte dcr Schlenscnwart; „sie passen zueinander und bringen beide ein gut Stück Geld mil." Er setzte sein Glas hart ans, als wolle er sich selbst weh tun, dcr Schlenscnwart. Ja, ja, die blonde Elisabeth! Jan blieb stnmm. „Betsy", sagte und pochte cs in schein Herzen. Nein, gefragt hatte er sie noch nie, aber er dachst", es sei ganz selbstverständlich, daß sie ihm gehöre, sö w« ihm sein Schiff gehörte und seine Fahrt. Jan starrte auf das Gitter des Schleuscnwerks. Ja, morgen würden sie durchgeschleust mit dem „Herzog Enno", dann kam wieder die Arbeit, das Um- ladcn im Hafen. „Prost, Willem!" Jan trank ein Glas nach dem anderen. „Tomato nosc", mußte den Baas stützen, als sie sich endlich an Bord fanden. Am anderen Morgen sah Jan, dcr Schiffer, den strahlen den Sommcrtag nicht. Gegen Mittag kamen sie in die Schleuse. Da war wieder die Regel der Fahrt. „Tomato nose" und der Schiffsjunge leinten die Taue, — er, der Baas des „Haring", stand am Steuer, alles überwachend. Die Taue schleiften und knirschten. Jetzt waren sie in der Schleuse. Jan hörte den Rhythmus des Hebewerks, er sah die gewaltige Kraft der Träger und Spindeln. Ja, so war der Schiffer wieder un Schleuscnwcrk der Arbeitskraft. Jetzt gelangten sie auf die untere Stufe. Da fuhr der „Herzog Enno" schon ihnen voraus in die große Strecke ein. Er richtete den Schornstein auf und schwamm dahin wie ein stolzer, erwachsene^ Schwan ins Licht. Jan, dcr Schiffer, fuhr seine Fahrten landauf, landab. Sein Haus und seinen Garten verpachtete er an eine Witwe. Er schiffte noch oft durch die Schleuse, und das Schönste war immer das strenge Geräusch des Schleuscnwerks, die kraftvolle Regel dcr Maschinen. Schiffahrt und Handel gingen ununter brochen landauf, landab. Jan blieb ein wortkarger Schiffersmann, und langsam tauchte wieder das frühlingsblanke Vorbild seines Kahnes aus feiner JungmannSzeit auf, und cS war endlich wieder nur jein Schiff „De' Haring", das sich in sein Herz schrieb. ' Druck und Verlag: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend: Richard Voigtländer tn Zschopau. Schriftleiiung: Margarete Voigtländer in Zschopau.