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Zschßpttkl SgyytsMM Beilage zm Mo-aiier lageblatt «>>!> Azeiger Nr. 36 Sonnabend, den 4. September 1937 NMsnMD Duftende Ebene. Weiter und weiter Dehnst du dich meerhin, schmucklos und schlicht. Ueber dein gläsernes Wiesengesicht Traben des salzigen Windes Reiter. Nun, da aus Gottes Wolkengehäuse Monöene Glocke schwingt, seltsam und blaß, Neigt sich gen Schlummer das reifende Gras, Flattern die samtenen Fledermäuse, Engel des Dunkels, und läuten die Wellen. Rufen Ertrunkene ans tief tiefem Grund? Regt sich des nächtlichen Himmels Mund, Während, fast hörlos, die Sterne schellen? Meerweite Ebene, groß und gesegnet, Gott, mond'ne Glocke, so seltsam Getter, Winde, ihr Reiter im weiten Revier, O meine Bruder, spürt, wie es Sternengold regnet! Clara Schünemann-Kruyskamp. C ^Nachdruck Verbote«.) 13. Fortsetzung. Schweigend saßen sie sich noch eine Weile gegenüber, dann erinnerte sich Eva, daß Holldorf sich zu fünf Uhr bei ihr angesagt hatte. „Um diese Tageszeit, wie eben, bin ich leicht auf ein paar Stunden abkömmlich; wenn du mich zu sprechen wünschst, ruf mich telephonisch an", bat sie. „Natürlich werde ich dich benachrichtigen, Evi." Er wollte damit sagen: Du sollst erfahren, was der Brief für eine Wirkung auf mich ausgeübt hat. Sic ver stand ihn sogleich. Er begleitete sie bis zur Lützowstraße. Beim Abschied drückte er ihr warm die Hand und ver sprach noch einmal, bald von sich hören zu lassen. Bei dem Betreten ihrer Wohnung kam ihr die Auf wartefrau entgegen. „Gnädiges Fräulein, Ihre Frau Mutter ist von einem Herrn abgeholt worden, ich soll Ihnen sagen, daß sie bald zurücttommen wird." Eva war sehr erstaunt. „Wissen Sie, wer der Herr war?" Rein, sie wußte es nicht. Kurz vor fünf Uhr läutete das Telephon. Doktor Holldorf war am Apparat. Er entschuldigte sich, daß er nicht zu ihr kommen könne. „Dn mußt dich gedulden, Evi, heute geht anderes vor." Sie sagte ihm, daß sie ganz allein sei. ,Hch weiß, deine Mutter ist mit Biester auf dem Polizeipräsidium." „Herrgott, was tut sie da? Sie ist so krank I Die Aufregung, die sie da haben wird, wird sie töten." „I wo, Evi, keine Sorge, ganz das Gegenteil ist richtig. Diese Aufregung wird sie erlösen. Ich sprach sie eben. Daß sie ihrem Sohne helfen kann, hat sie ihre Krank heit vergessen lassen." „Was, wieso kann sie Hans helfen?" „Das kaus ich dir letzt Ächt jag eg, später.^ Deine Mutter wird bald zu Hause sein, von ihr wirst du alles erfahren." Eva bat. Sie wolle es doch zu gerne gleich wissen. „Es geht nicht, Evi — später; wenn ich es irgend einrichten kann, komm ich doch noch heute abend zu dir." j „Nun gut, so will ich mich gedulden." Sie rief ihm ' noch ein Abschiedswort zu, aber es war ungewiß, ob er es gehört hatte. In der Eile, in der er sich befand, hatte er Wohl früher angehängt als sie. Sie ging ins Wohn zimmer und trat ans Fenster. Bon der Straße her dran gen allerlei Töne zu ihr herauf, das ließ sie die Stille des Hauses und das Alleinsein leichter ertragen. Ihre Blicke umfaßten die Menschen, die in der Straße hin und her gingen. Sie hatte das Gefühl, als ströme ihr von diesen Menschen Leben und Hoffnung zu. Bald würde sie mit Hans auch wieder durch die Straßen Berlins gehen kön nen. Wie mag er sich sehnen nach dem Augenblick, der ihm die Freiheit wiedergeben soll. Gottlob, dachte sie, daß doch alles gut werden wird. Und dann erschrak sie. Sie nahm das mit solcher Gewißheit an, wie leicht konnte da die Enttäuschung noch kommen. Sie war schon so verzweifelt, daß sie gar nicht mehr zu hoffen wagte. Sich vom Fenster abwendend, ging sie im Zimmer hin und her. Die Uhr holte zum Schlage aus. Eva blieb lauschend mitten im Zimmer stehen. Fünf! Ob die Mutter nicht bald kam? Sie nahm ihre Wanderung wieder auf. Eine unerträgliche Ruhelosigkeit war in ihr. Ein wunderlicher Tag war das heute. Wenn er nur nicht so schliche! Er schien hundert Stunden zu haben... Oskar Grothe war, nachdem er sich von Eva getrennt hatte, nicht auf geradem Wege nach Hause gegangen. Das Bedürfnis, mit sich allein zu sein, hatte ihn einen längeren Spaziergang durch den Tiergarten machen lassen. Es war ein herrlicher Frühlingstag. In den Nasenbeeten blüh ten schon bunte Krokusse. Ein starker Erdgeruch hing in der reinen Luft. Kinderlachen und Jubel mischten sich mit ihm. Leise und verweht kamen die Laute zu ihm, und es war, als ginge neues Hoffen von ihnen aus. Grothe empfand es, aber er wehrte sich dagegen. Für ihn gab es kein Hoffen mehr. Sein Leben war vernichtet, es gab nicht einmal mehr etwas für ihn, an das er sich zu er innern wagte. Es mußte tot sein. Alles, was sein Leben einmal schön gemacht, war hin für ewig. Er faßte un willkürlich nach seiner Brusttasche. Da stak der Brief. Ob er ihn jetzt las? Er bog in einen Seitenweg, der still da lag. Von dichtem Gebüsch umgeben, stand eine leere Bank. Er setzte sich kurz entschlossen hin und nahm den Brief vor. Die Muskeln seines hageren Gesichtes zuckten, wäh rend er las, seine Hand, die den Brief hielt, zitterte. Ein mal lies er die Hand sinken, um sein Taschentuch zu neh men, mit dem er sich die Augen, die feucht geworden waren, trocknete. Herrgott, wenn das alles wahr wäre, was in dem Briefe stand, dann konnte es auch in seinem Leben wieder lichter werden! Freude konnte es wieder darin geben, wenn die Hoffnung sich erfüllte, daß Lilli genas. Wenn statt der Bitterkeit, die ihm jetzt die Seele zerquälte, der Glaube wiederkäme. Der Glaube an die Reinheit seiner Frau. „Eine Heilige" nannte Loth sie in seinem Brief. Er las die Stelle wieder und wieder. End lich faltete er den Brief wieder zusammen, um ihn in seine Brieftasche zurückzulogen. Die Photographie Lillis, die er stets bei sich trug, die er aber lange nicht angesehen hatte, fiel ihm in die Hand. Er sah darauf nieder. Lillis Augen schienen ihn groß und verwundert anzusehen. So als wollten sie fragen: Wie konnten dir Zweifel kommen, weißt du denn nicht, wie sehr ich dich geliebt habe? .Es