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Sächsisches Volkstum auf -er Leipziger Herbstmesse Zur Leipziger Herbstmesse 1937 wird daS „Helmot- Werk Sachsen* in den Vaterland-Gaststätten einen großen V o l k s t u m s a b e n d veranstalten, an dein ausgcwählte Volkstumsgruppen ans den Landschaften des Sachsen- gancs den Messebesnchcrn einen heiteren Querschnitt durch sächsisches Volks- und Brauchtum geben wollen. Drei Stadtbrände in Sachsen vor 7S Zähren Vor 75 Jahren war Sachsen durch drei verheerende Stadtbrändc heimgcsncht worden, unter deren Folgen die betroffenen Städte jahrzehntelang litten. Nachdem in der Nacht zum 26. Juli 1862 in H o h e n st e i n (heute Hoben- stcin-Ernsttbali Fencr ansgekommen war, durch das zwölf Häuser vernichtet und vierzig Familien obdachlos wurden, brannten am 5. August in O b e r w i e s e n 1 h a l 112 Haupt- und Nebengebäude nieder. 150 Familien mit über 540 Menschen verloren an diesem Tag Hab und Gut. Staat nnd Gemeinden veranstalteten für die Un glücklichen Sammlungen. Während diese Aufrufe überall z» lesen waren, durcheilte die Kunde von einem neuen entschlichen Brandunglück das Land. In der Nacht znm 10. Augnst wurden in Eibenstock mit der Kirche, dem Nathans nnd allen Gebäuden am Markt 50 Häuser, die i von 160 Familien bewohnt waren, d«rch Feuer vernichtet. Neues Abzeichen für Flakartillerie Der N e i ch s l n f t s a h r t m i n i st c r hat ein neues -Tätigkcitsabzcichcn für die Flakartillerie eingesührt. ES -zeigt ein Flakgeschührohr, zu beiden Seiten und unten ein gefaßt von einem Flngctpaar mit Eichenlaub und Schleife, umcr der Schleife ein Hakenkreuz. Das Abzeichen ist in Maschinenstickerei aus maltgrancr Baumwolle auf einer ovalen Unterlage gefertigt. Es wird auf dem linken Aermel des Tuchrockes, ebenso au der Fliegerbluse, getragen. Die Berechtt- -guug zum Trage» wird durch den Abteilungskommandeur uach Vorschlag durch die Battericchcss erteilt und ist im Wehrpaß zu vermerken. Tie Verleihung des Abzeichens findet alljährlich zum l. August statt. , Opfer unvernünftiger Kraftfahrer , Nachts stieß an einer Straßenkreuzung in Leipzig ein Personenkraslwagen mit einem Krastdrcirad zusam- 'nen. Eine Insassin des Krastdrcirads wurde schwer ver seht. Der Fahrer des Dreirads, dcr 42 Jahre alte Rudolf , Bcnkstein. wurde, da er angetrunken war, in Hast genommen. Bet einem Zusammenstoß zwischen einem Personen kraftwagen und einem Kraftrad »n Reichenbach t. V. wurden der Krasiradsahrer und seine Mitfahrerin, die I^jährige Elfriede Kanis ans Neudnth bet Greiz, auf die Siraße geschleudert. Im Krankenhaus starb das junge Mädchen. An dcr Straßenabzweigung in Kupferhammer- .G.nmhal bei Olbernhau fuhr ein Annabergcr Per- s^>e><krasiwagcn be i m E i n b i e a e n in großer Geschwin digkeit gegen eine Warnungstafel. Der Wager überschlug sich und blieb mit den Rädern noch oben aus dcr Siraße liegen. Tie beiden Insassen wurden herausge- schleudert, kamen aber mit leichteren Verletzungen davon. 'Auf einer Krenznng ml« dcr Straße bei Naihen- Lorf-Obergräsenhain bei Penig stieß dcr Baumeister Vtn'klcr aus Penig mit seinem Kraftwagen mit einem» rudern Kraftwagen zusammen. Winkler erlitt sehr schwere Verletzungen: seine Fran nnd beiden Kinder sowie ein Dlittahrer des zweiten Wagens trugen Verletzungen davon. Ovpzriqkt bv ^ukvärts-Vorlag, IZerlin 8>V 68 2l. Fortsetzung. Seufzend fuhr Muthe in die Stadt, eine neue Kraft zu suchen. Dann nahm sie sich fest in die Hand, hatte mit -den Kleinen glückliche Stunden. Sie zeigten Intelligenz und Temperament. Michel behielt spielend Lieder, Verse; Beate zierte sich, machte Geschichten. Aber auch sie konnte allerliebst sein. Die beobachtende Mutter sagte sich: „Immer da sein, sic lieben, hüten, erfreuen, sic Pflcgcn. Das ist meine Zu kunft. Ter säge ich mich und zähle Kurt zu ihnen. Was ihm das Leben draußen nicht mehr geben kann, muß ihm daheim ersetzt werden. Es ist eine Mission, das zu tun. .Ich will mich cinspinncn in meine Lieben." Drei!, dachte sie manchmal, drei Kinder! Viele blieben stehen, sahen dcr schönen Frau nach, mit dcn zierlichen Kleinen, dem edlen Hund. Ihre absolute Zurückhaltung machte tiefen Eindruck. Die Ofsiziers- srauen blickten zu ihr auf. Sie las ernste Bücher, immer mehr gab ihr die Natur, auch die einfachste. Als Naindorsf zurückkehrte, war er etwas übertrieben straff und flott. Er halte gute Farben, markierte ein neues Selbstgefühl und Zärtlichkeit. „Eigentlich müßtest jetzt du in diese Berge, aber du bist nicht abkömmlich. Wir gedcln übrigens in die Haupt stadt über. Hier haben wir nichts mehr verloren." Der Krieg ging seinen Schicksalswcg. Die Raindorsfs saßen nun in dcr Stadt, in einer ruhig gelegenen Villa, an öffentlichem Park. Die Dienerschaft war verringert. Die Pferde wurden ausgcgcbcn. Das qualvoll Mangel leidende Stadtvolk durste nicht gereizt werden. Muthe gab und gab, widmete sich Wohlsahrtsarbeiten, ging in die Viertel dcr Armut, ohne darüber zu reden. Raindorff nahm eine Mitteilung im Hcimatdienst an, erhielt sie aber nur ganz kurz. Er stellte Verwirrungen an, war unpünktlich, streitsüchtig. Man wurde ihn gern wieder los. Nun schuf er sich Verkehr, einen Kreis von nörgelnden Kannegießern, Ausrangiertcn des Pflichten- lebens. Die hockten in einem Klub beisammen. Vom Krieg« redeten sie nie. Ihr« Art behagte ihm jetzt. Wenn Muthe die Nachrichten mittcilte. die Georg Lebensretter ausgezeichnet Dcr Führer nnd Reichskanzler hat folgende Ans- zelchnnnge» verliehen: die Rettungsmedaille am Band dem Malcrgehilfen Erwin Ungermann in Dres den, die Erinnerungsmedaille für Rettung aus Gefahr: dem Hauptmann Oskar Bauer in Wurzen. Bienen auf der Wanderschaft Die in Jahmen bet Klitten in der O verlaust h an mehreren Stellen seit Jahren eingerichteten großen Wanderbienenstände wurden jetzt mit vielen hundert Bie nenvölkern besetzt, die aus der Bischofswerdaer, Neu- kircher nnd Bautzener Gegend sowie aus der übrigen Lausitz stammen. Tie Wanderimker mußten ein amtlich abgestempeltes Gesundheitszeugnis der Völker beibrin- gcn, damit nur völlig gesunde Bienenvölker auf die Wan derplätze gebracht werden. Da die Heide in diesem Jahr schon reiche Blüten ansetzt und der Wald auch noch andere Trachtgelegenheit bietet, so sind die Aussichten auf eine gute Honigernte bei entsprechender Witterung als günstig anzusprcchen. Im September werden die in der Zwischen zeit von den Imkern zeitweise betreuten und bewachten Wandervölker auf die heimatlichen Bienenstände zurück geholt werden. — Die Imker des Nödertales und aus Radeberg und Umgebung haben ihre Wandervölker in die Umgebung von Wiednitz-Bernsdorf (Oberlausitz) gebracht. Der imkerliche Vierjahresplan sieht stärkste Aus nutzung der Heidewanderung vor. Diese wird von allen Seiten mit größter Kraft gefördert, nm die ausländische Honigeinfuhr zu mindern. «io-AMMn Donnerstag, den 5. August 1937. DeutschlLndsender. 6.00 Glockenspiel, Morgenruf, Wet ter. 6.30 Frühkonzert. Dazwischen 7.00 Presse. 10.00 Volksliedsingen. 11.40 Pflanzenzucht auf neuen Wegen. 12.00 Konzert. 13.00 Glückwünsche. 13.45 Presse. 14.00 Allerlei — von Zwei bis Drei! 15.00 Wetter, Börse, Programmhinweise. 15.15 Bayrische Märsche und Tänze. 15.45 Frau und Rundfunk. 16.00 Kleines Zwischenspiel. 16.10 Von München: Racksackl voll. 18.00 Sonate für Cello und Klavier. 18.25 Enrico Caruso singt. 18.45 Vorbereitung zur Europarudermeisterschaft. 19.00 And jetzt ist Feierabend! 19.45 Deutschlandecho. 20.00 Kern spruch, Wetter, Presse. 20.10 SA-Konzert. 21.00 Beliebte Ouvertüren u. Zwischenaktmusiken. 22.00 Wetter, Presse, Sport, anschließend Deutschlandecho. 22.30 Eine kleine Nachtmusik. 23.00 Zum Tanze erklingen die Geigen. Leipzig. 5.50 Nachrichten, Wetter. 6.00 Wetter. 6.10 Funkgymnastik. 6.30 Frühkonzert. Dazwischen 7.00 Nach richten. 8.00 Funkgymnastik. 8.20 Kleine Musik. 8.30 Ohne Sorgen jeder Morgen. 9.30 Kleine Chronik des Alltags. 10.30 Wetter, Tagesprogramm. 11.50 Heute vor ... Jahren. 11.55 Zeit, Wetter. 12.00 Mittagskon zert. Dazwischen 13.00 Zeit, Wetter, Nachrichten. 14.00 Zeit, Nachrichten, Börse. 14.15 Musik nach Ti-sch. 15.00 Fröhliche Badereise aus fünf Jahrhunderten. 15.20 Aus der Spinnstube. Hörfolge. 15.50 Brasilien spricht. 16.00 Zeit, Wetter, Nachrichten. 16.10 A Rucksackl voll. 18.00 Die Stimme der Landschaft. Buchbericht. 18.20 Musika lisches Zwischenspiel. 18.30 Kurt Martens lieft: „Der Mann von der Rigaer Brücke". 18.50 Amschau am Abend. 19.00 Fröhlicher Feierabend im Erzgebirge. 20.00 SA-Konzert. Dazwischen 21.00 Abendnachrichten. 22.00 Lore Fischer singt alte Volkslieder. 22.30 Nachrich ten, Weiter, Sport. 22.50 ^Unterhaltungskonzert. Mel, Ms-ast nnd Mehr Amtliche Berliner Notierungen vom 3. August (Sämtliche Notierungen ohne Gewähr» Berliner Wertpapierbörse. Die Aktienbörse stand im Zeichen dcr anhaltend großen Nachfrage nach Bankaktien, die für die übrigen Aktienmärkte wie schon in dcn letzten Tagen eine llmsatzminderung zur Folge hatte. Aus nicht immer ganz freiwillige Mattstellungen dcr Kulisse hin setzte die Attienbörse überwiegend auf ermäßigter Basis ein. Im Verlaus lag das Kursniveau etwas über dcn Ansangsnotiernngcn. Der Renten markt war wieder gut behauptet. Tie Umschnl. dungsanleihe erhöhte sich auf 94,80. Berliner Devisenbörse. (Telegraphische Auszahlung.» Belgien 41,90 (41,98»; Dänemark 55,32 (.'>5,44>; Tanüg 47,00 (47,10); England 12,39 (12,42»; Frankreich 9,331 (9,34-.»: Holland 137,26 (137,54); Italien 13,09 (13,11); Jugoslawien 5,694 (5,706); Norwegen 62,27 (62,39); Oesterreich 48,95 (49,05,: Polen 47,00 (47,10»; Schweden 63,89 (64,01); Schweiz 57.1^ (57,26); Spanien 16,98 (17,02); Tschechoslowakei 8,651 (8,669); Vcrcinigic Staaten von Amerika 2,488 (2,492). Berliner Preiönoticrnngcn für Nanhfuttcr. 1. Erzeuger preise „ab märkischer Statiou" frei Waggon; 2. Großhandels preise waggonsrei „Berliner Stationen". Beide Notierungen gelten für 100 Kilogramm in Reichsmark. Drahtgcprcßtes Roggenstroh (Quadratballcn) 2,15—2,35 (2,85—3,00»; dralnge- vreßics Weizcustroh (Quadratballen» 1,90—2,10 (2,60-2,75». Tendcqz: fest. Handelsübliches Heu, gesund und trocken, nicht über 30 Prozent Besatz mit minderwertigen Gräsern, ncn« Ernte. 2,50—2,90 (3,00—3,50); gutes Heu, desgl. nicht über 10 Prozent Besatz, alte Ernte, 4,50—5,00 (5,20—5,70), neu« Ernte 4,10—4,70 (4,90—5,50); Luzerne, lose (Höchstpreise) 6,70 (7,00); Timothy, lose (Höchstpreise), 6,40 (7,i0); Klcchcu, lose, neue Ernte (Höchstpreise) 5,90 (6,70». Drahtgcprcßles Heu 60 Npf. über Notiz. Tcndeuz: gefragt. Berliner Magervichmarkt. (Amtlicher Marktbericht vom Magervichhof Berlin-Friedrichsfelde.) Schweine- nnd Fcrkcl- markt. Austrieb: 61 Schweine, 151 Ferkel. Verlans: etwa» lebhafter bei erhöhten Preisen für Ferkel. Es wnrdcn gezahlt im Großhandel für: Lüuserschwcine (4—5 Monate alt» Stück 39 bis 50 Mark, Pölke (3—4 Monate alt) Stück 25—39 Mark. Ferkel (8—12 Wochen alt) Stück 17—23 Mark, Ferkel (6-8 Wochen alt) Stück 14—17 Mark, Ferkel (bis 6 Wochen alt) Stück 11-14 Mark. * Achtet den Pfennig! Gerade auch in letzter Zeit hat es sich wieder eingebürgert, bei Zahlen der verschiedensten Art auf 5 oder 10 Rpf. aufzu runden. Dies wirkt sich leicht in einer.Belastung gerade für minderbemittelte Volksgenossen aus und sollte deshalb ver mieden werden. Darüber hinaus aber verrät diese Gepflogen heit eine mangelnde Achtung vor dem Pfennig. Gewiß kommt es in zahlreichen Fällen nicht darauf an. ob eine Summe um einen Pfennig erhöht oder ermäßigt wird. Wichtig ist es aber, daß sich jeder und gerade die Heranwachsende Jugend der Bedeutung der kleinsten Einheit unseres Geldsystems bewußt ist. Nur wer mit dem Pfennig umzugehen weiß, vermag die Mark richtig zu schätzen. Wer ein Sparkassenbuch sein eigen nennt, wird bei der alljährlichen Zinsgutschrift fast regelmäßig unrunde Beträge, die vielleicht nur wenige Pfennige ans machen, finden. Diese Zinsgutschrift zeigt die dem Pfennig innewohnende Kraft zur Mehrung von Sparkapital. Auch die Schulsparkassen, die heute überall bestehen, pflanzen schon den, Kinde die Achtnng vor dem Pfennig ein. Niemand soll deshalb an dem Pfennig und an der Pfennigrechnung achtlos vorüber- aeüem Schelmer treulich schickte, schnitt ihr Kurt gelangweilt die Rede ab. Der junge Oberleutnant hatte sich sehr aus gezeichnet, war zweimal verwundet worden. Sein Bruder fiel. Er wurde Erbe der Schelmey. Das schien ihn kaum zu berühren. „So etwas ist schön", sagte Muthe still. Naiudorffs Blick streifte sie ironisch. „Ja, dieser Georg. Und jetzt auch noch Gutsherr. Manche Leute habe» Glück." Er duckte sich jetzt vor der Gutschlageriu, aber die lud die Raindorsfs niemals ein, schrieb, sie hätte selbst kaum etwas zu csseu. Das glaubte ihr niemand. Der kleine Michel malte heimlich einen Brief, dcr ihm von der Kindergärtnerin suggeriert wurde: „Sick doch ein Vrcßpakei." Als kein Widerhall kam, war er sehr ent rüstet. „Garstige Tante." Er wurde photographiert, zuerst mit der Schwester; aber die sämtlichen Aufnahmen der beiden zusammen gingen fehl, weil sie sich Gesichter schnitten. Ein Einzel bildchen des Jungen wurde so schön, daß es den Urheber begeisterte. Auf Kissen hochmütig hingegossen, ruhte die gertenschlanke Gestalt mit ungesuchler Grazie. Es war kein Kinderblick, der hier aus ungewöhnlichen Augen strahlte, cs war etwas halb Versonnenes, halb Fordern des. Um dcn feinen Mund betonte sich noch mehr diese merkwürdige Heiterkeit, ohne Wärme, ohne Freude, in der etwas wie Ironie lag; Erkenntnis, mitgegeben von der Wiege an. Fertig ausgebildet war hier etwas auf die Welt gekommen, das man beunruhigt studierte; skeptische Kritik. Naindorsf war entzückt. Einer seiner, für das Kind gefährlichen Zärtlichkeits- und Bewunderungsausbrüche kam wieder, wie er schon zu der Mutier Erleichterung seit längerer Zeit ausgeblieben war. Es gab Zeiten, wo er den Sechsjährigen antvetterte, maßregelte. „Frechheiten hat er in sich, den Vater braucht er." Es war nicht leicht, dieses Ehe- und Mutterdasein. Man konnte nicht vermeiden, daß frühreife kleine Geschöpfe vieles wahrnahmen, daß die Erzieher und Erzieherinnen wechselten. Junge Mädchen, von der Lockerung des all gemeinen Volksschicksals ergriffen, konnten gar nicht ge halten, es mußte auf ältere Kräfte zurückgcgriffcn werden. Die wechselnden Lehrer Michels klagten über seine Un zuverlässigkeit in Eifer und Leistung, standen dann wieder unter dem Bann seiner Klugheit und Findigkeit. Es gab nicht einen, der ihm imponierte. Er blinzelte sie zwei deutig an, ganz objektiv, machte an ihnen gewissermaßen Studien, wußte sie ausgezeichnet zu nehmen, übergus ge schickt im Schmeicheln. Beide Kinder neigten zur Verdrehung der Wahrheit. Verkehr mit munteren, derben, natürlichen Kindern war ihnen verhaßt. In Michel besonders herrschte die Eigen brötelei. Immer wieder versuchte er die Schwester zu kommandieren. In beider Naturen lag Unversöhnlichkeit. Sie vergaßen nicht, wie so kleine Menschen zu vergesse» pflegen, trugen nach und interessierten sich für Racheakte, die sie sich ausdachtcn. Ihr Interesse wechselte beständig, der Junge, mit einem ungewöhnlichen Gedächtnis begabt, memorierte spielend. Aber er hatte faule, zänkische Tage: „Ich bin leidend, der Kops tut mir weh." Von alledem erfuhr Naindorsf nur sehr wenig. Er fing Verschiedenes an, war gesellig, daun wieder störrisch einsam, entwarf eine Wappenkunde, zeichnete Stamm- bäume, und las nichts als ein einziges stockkonscrvativcs Blatt. Pom Kriege sprach er nie. Als das Unheil dem Ende zutrieb, flackerte manchmal etwas wie Schadenfreude in seinen Augen auf. Es er lebte eine Frau, daß ihr Mann immer unbegreiflicher wurde. Kein Halt war mehr da. Dennoch hing sie ihm weiter an, pflichtcnvoll, fanatisch. Und auch er liebte sie in seiner Weise über alles. Das hinderte nicht, daß er sie anfuhr, quälte, bei Anordnungen überging. Ihre Geduld, die nichts übelnahm, ihre Art, alles gleich in ruhigster Weise zur Sprache zu bringen, glich immer wieder aus. Einblicke in die inneren Familien vorgänge hatte niemand. Das tragische Ende kam. Deutschland brach zusammen; Heer und Adel traf es entsetzlich. Ihre Berechtigung zu existieren, wankte. Bei Riibertus trat naturgemäß ein vollkommenes Ende des Geic^-'''-" -ni. Aber er blieb sehr wohlhabend, hatte Wohl als Vielwisser so vorgearbeitet, sein Vermögen so angelegt, daß die Entwertungskatastrophe ihn weniger berührte. Dennoch hatte er seinen seelischen und körper lichen Bruch weg, verkaufte die Fabrik, die ihren Betrieb umstellte, zog sich in sein Haus zurück, zu dem er viel Grundbesitz erworben hatte. Sein Sohn kam aus dem Kriege in einer erschütternden Zerbrochcnhcit zurück. Mit »cm Offiziersdasein, das sein Lebensnerv gewesen, war es vorbei. Was blieb ihm? Seine Lebensfreude brach zusammen. Er weigerte sich, im Vaterhause zu leben, bezog in einer Vorstadt ein be scheidenes Quartier, erklärte sich sür nervenleidend, brütete menschenscheu in gewollter Verlassenheit. Das beständige Jammern seiner Mutter, die Ausbrüche des Vaters konnte er nicht ertragen. Seinen Schwager Naindorsf betrachtete er jetzt eiskalt. „Nicht einmal draußen gewesen ist er..." Oft stand Muthe vergebens vor dem kleinen alt modischen Hause, in dem er zwei Stuben bewohnte. Es hatte noch einen verblaßten Reiz aus Tagen einer Kunst, die es liebevoll geschmückt. -Hans rührte sich nicht aus Klopsen, Rufen, Läuten. Wenn er ihr einmal nicht ent rinnen konnte, streichelte cr sie traurig, ging mit seinen vierunddreißig Jahren gebückt, schlapp, den Blick gesenkt. .Armer Hans." .(Fortsetzung solgtf.