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das ist eigentlich ihre eigene große Strafe. Nur die Kinder ipielen immer wieder miteinander, aus Unwissenheit, und wenn sie dabei gesehen werden, bekommen sic Hiebe. Tamil ist die Geschichte schon um vieles klarer geworden, und ich bin froh, daß ich aus den Vorarbeiten um ein gutes Stück her aus bin... Die, die da wohnen, wo diese Gegend ist, das sind die, die von denen, die da nur Sonntags vorbeikommen, sehr be neidet werden, denn sie haben ihr Eigenheim. Tie, die ein Eigenheim haben, sind so, daß sie leicht beleidigt werde,: können, wenn ihre Würde nicht voll geachtet wird. Ta sie aber, wenn sie mehrere sind, die dort wohnen, ieder für sich etwas Besonderes sind und dennoch alle das gleiche sind, nämlich etwas Besonderes, so tun sie sich lcichtlich aus gegen seitiger Herabneigung zusammen, manche besuchen sich sogar, fast alle aber lehnen sich gern an den Zaun zwischen ihren Gärten und plaudern. Sie entwickeln dabei das, was man nachbarliche Beziehungen nennt. Tamit sind wir mit den Vorbedingungen zum Verständnis dieser Geschichte scheu wieder viel weiter vorangekommcn ... Zum noch besseren Verständnis der Geschichte — ganz und gar läßt sich diese Geschichte eigentlich nie verstehen —, zum noch besseren Verständnis brauchen wir uns noch zu mer'-n, daß der eine Eigenhcimlcr etwa Bamm, der andere Damm, der dritte Kamm heißen möge, und der Rechtsanwalt — de: komm! nachher — hieß Oc Stramm. In dem einen Garten aber wuchs ein Kürbis. Tas ist sehr wichtig, nicht wegen der Vitamine oder der Leckerei, sondern wegen der Geschichte... Herr Bamm führte in nachbarlicher Plaudcrstunde beim Anblick des Tammschen Kürbisses die Rede darauf, daß einst er als früher Knabe mit Kürbissen mal eine schnurrige Sache gehabt habe. Man nehme einen Kürbis, höhle ihn vorsichtig aus, der Inhalt sei gern der Hausfrau überlassen, aber die große, dicke Kürbisschale läßt sich zu kindlichen Bübereien hervorragend gut verwerten. Man schneide mit einem scharfen Messer ein schrecklich fletschendes Gebiß in den Kürbis, zwei Glotzaugen dazu, innen hinein stelle man ein brennendes Licht, und dieses wahnsinnige Monstrum hängt man zu später Abendstunde ins Dunkel. Noch besser sei es, kein Licht zu nehmen, sondern eine Glühlamt^ mit Schnur, weil dann die Fratze um so jäher aus dem Dunkel hervorspringcn könne Zweckmäßigerweise macht man „Bu—hu—hu" dazu. Anzu- wendcn vorzugsweise gegen alleingchende Damen, gegen Nervenkranke und gegen magcnschwache Personen. „Heute natürlich täte ich das nicht", sagte Herr Bamm. mit mildem, verzeihlichem Hinlächeln auf diese Erinnerung an goldene Jugendtage, „aber damals habe ich es gemacht. Ja", sagte er sehnend, „so waren wir mal." Worauf seine Frau ihm zurief, er möge ans Telephon kommen. Und dann ging er, den Spaten ließ er in der Erde stecken, er ging ans Telephon und braucht hier in diejer Geschichte für längere Zeit nicht wiederzukommcn, und das ist sehr gut so, denn wenn einer antelephonicn wird, findet er meistens kein Ende mehr. Aber auch ein guter Gedanke findet so leicht kein Ende, er stirbt nicht, er fliegt als Bakterium in fremde Gehirne, und irgendwo in einem Gehirn findet er seinen Passenden Nährboden und wächst sich dann groß aus zur Tal... Hier unterbrechen wir den Fluß der Erzählung, die sich bis dahin nur aus Herrn Bamm und Herrn Tamm bezogen Hal, und fangen eine neue Erzählung an, die sich aus Herrn Kamm bezieht. Aber das wußte damals keiner, kein Mensch konnte es wissen, und dadurch entstand erst das Ganze. Ich meine, das muß jetzt klar sein. Ich habe mir Mühe genug gegeben, cs auscinandcrzufetzen. Aber ich gebe mir noch viel mehr Mühe. Wie Herr Bamm mit Herrn Damm stand, freundschaftlich und sogar soweit vertraulich, daß er Tamm ohne Bedenken Schandtaten aus seiner, der Bammschen, Jugend erzählte — genau so vertraulich, oder gar mehr noch, wer weiß, stand Herr Tamm zu Herrn Kamm. Er erzählte Herrn Kamm, was Herr Bamm kürzlich ihm erzählt hatte, nämlich die Sache mit dem Kürbis. Auf diese Weise empfing Kerr Kamm durch i llebertragung den Bazillus zu einer Idee, oic nacyyer zur i wurdc, die als Untat gedeutet wurde und durch Herrn Rechts- j anwal: Or Stramm zu ciner Versteifung, Vcrsröstigung und ! Verstrammung aller, jeder und nahezu sämtlicher nachbar- i lichen Beziehungen in der ganzen Siedlung führte. Doch das ist nun Wohl klar. Genau so war es. Und dies alles konnte nur darum kommen, weil Herr ! Kamm, dieser um zwei Häuser abseits wohnende Tritte, j erstens ebenfalls Kürbisse, zweitens Humor hatte und drittens ! für Ideen empfänglich war. Ein Mensch mit Humor traut anderen Leuten eben gern ebenfalls Humor zu. Herr Bamm kam eines Abends nach Hause, es war ! dunkel, Herr Bamm war sowieso magenleidend, und inmitten i dieser Umstände und Zusammenhänge glotzte ihm aus finsterer ! Ecke plötzlich riesenhaft und fratzenhaft ein Schaucrgebilde > entgegen mit roten Glotzglühaugen und tierischem Götzeugcbiß, ! und eine hohle Stimme sprach: „Böööäh!" Als Herr Bamm wieder Herr Bamm war, tasteten seine , zitternden Hände dem Unding entgegen, ergriffen es, zogen cs heran, lösten es von der Schnur, und unterhalb des Kürbis hauptes fand sich ein Zettel. Auf dem Zettel stand geschrieben: j „Grnß ans der Unterwelt!" Und ein Totcnkopf war auf- ! gemalt mit gekreuzten Beinknochen. Und es stand noch ge schrieben: „Sie oller Bandite! Gruß, ein Nachbar!" Frau Bamm sagte es später vor Gericht immer wieder: „Mein Mann hätte den Tod davon haben können!" ' Und dann natürlich verkehrt man mit solchen Leuten nicht mehr. Es war vollkommen klar, daß der Grenznachbar Damm der Täter gewesen mar, denn ihm wvr die Geschichte erzählt worden, bei ihm wuchs Kürbis, und wer hätte es sonst sein sollen? Und wenn schließlich der Kürbis noch hiugluge, denn Kürbis ist Dummheit, und wenn meinetwegen auch Unterwelt noch hinginge, denn das ist Albernheit, so kann man sich doch daran klammern, daß er geschrieben bai: „Sie oller Bandite!" Und das braucht man sich nicht gefallen zu lassen. Tas heißt, man hätte es eingeschluckt, schließlich, aber daß die Leute die Sache feige abstreiten und sagen wollen, sie seien es nicht gewesen, das ist die Höhe! Mündlich verkehrt man mit solchen Leuten nicht mehr, das ist klar, aber schriftlich gibt man cs ihnen... Möge nun niemand sagen, ich erzählte meine Geschichte ' viel zu langatmig, viel zu wortreich. Ich werde cs im Gcgcu- i tcil ganz kurz machen. Das, was nachher so lang daran wurde, Hal erst vr. Stramm lang werden lassen. Drei Ter mine! Der Kürbis lag auf dem Tisch vor dem Amtsrichter, aber er sah bei Tage ganz harmlos aus, und der Amtsrichter ! redete allen Parteien zu — es waren sechs Parteien durch die Kinder, die gemeinsamen Zäune und die endliche Loslassung von gar zu lange nicdergehalten gewesenen nachbarlichen Empfindungen —, also der Amtsrichter redete allen Parteien so ernsthaft zu, wie cs das Kürbisgesicht gestattete: „Bitte, j vergleichen Sie sich doch!" i Aber eben dies, das war es ja gerade, denn sie verglichen sich immerzu schon. Sie verglichen sich mit der Unterwelt und mit den Banditen, und dem Herrn Bamm hielten sie sogar sein Vorleben vor, sein Vorleben in der frühesten Jugend. Fortgesetzt verglichen sie sich. Ich Ihnen, Sie mir, und Sie uns schon lange. Ich sage Ihnen, diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Bloß ich mache Schluß. Wel-M Ein Wort für unsere Zeit! i Deutschtum, Landkarte, Mußteil, Einspruch, Harlekin, Widder, Landvolk, Lichtwer, Dresden. Entnehme jedem Worte eine Silbe, um mit diesen einen Satz zu bilden, der Wegweiser für jeden Deutschen sein sollte. Auflösung des Scherzrätsels aus voriger Nummer des Zschopauer Sonntagsblattes: Die Kuh biß in Bubis Arm, da er sie nie in Ruh ließ. Druck und Verlag: Wochenblatt für Zschopau und Umgegend: Richard Voigtländer in Zschopau Schriftleitung: Margarete Voigtländer in Zschopau.