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MWUkk AMWblatt Nr. 21 Beilage W AEa-aaer Tageblatt «ab Aazeiger Sonnabend, den 22 Mai 1937 Kleines Lied lieber Wald- und Wiesemvege Wand're ich allein, Fühle Gottes Kräfte rege Rings in jedem Baum und Stein. Und so summe ich im Gehen Leise für mich hin, Weil ich allem, was ich sehe, Ja ein Freund und Bruder bin. Gerhard Friedrich. SMagsOMe» Bewahret euch! „Wer von Gott geboren ist, der bewahrt sich, und der Arge wird ihn nicht antastcn." 1. Joh. b, 18. Wohl jeder ist in seinem Leben schon einmal einem Menschen begegnet, aus dessen Antlitz eine solche Rein heit und Klarheit strahlt, daß in seiner Gegenwart nichts Niederes und Gemeines aufkommen kann. So ein Mensch wandelt nicht etwa mit dem bedrückenden Ernst eines Asketen unter uns, nein, aus ihm kommt jene Heiterkeit der Seele, die Ausdruck eines in Gott ruhenden Gleich gewichtes ist. Das sind die von Gott geborenen Menschen, wie sie Johannes meint, der unter den GoUgeborcnen jene versteht, die fest im Glauben an Christus leben, denen dieser Glauben in allen Lebenslagen Sicherheit und Halt, Schutz und Kraft gewährt. An solche Menschen kommt der Arge nicht heran. Gegen die Heiterkeit und ruhige Sicherheit einer glau bensstarken Seele vermag der Arge nichts auszurichicn. Die Waffen der Falschheit und Hinterlist werden stumpf gegenüber der Wahrheit und furchtlosen Aufrichtigkeit eines Menschen, der sich bewahrt und das köstliche Ge schenk seiner gottverwandten Seele nicht den Verlockungen und Versuchungen durch niedere Leidenschaften preisgibt. Wir alle können dieser gleichen Gottgeborenheil teil haftig werden, wenn wir fest im Glauben leben, wenn wir immer danach streben, uns von allen niederen Dingen fernzuhallen. Das ist eine ernste Forderung an jeden Christen, daß er sich bewahre, damit der Arge keine Macht über ihn gewinnt. V. 21. Fortsetzung. Seine Augen hatten einen flackernde^ Blick und sein Gesicht sah verfallen und fiebrig aus. „Marlene! Mar lene!" Er streckte ihr wie haltsuchend die Hände entgegen. ! Sie erschrak heftig, zwang sich aber dennoch zu einem Lächeln. „Oh, wie gut, daß du schon kommst, Philipp!" Er sah sie an, fühlte ihre warmen weichen Hände. „Ist der Prozeß schon beendet, Philipp?" fragte sie. ! Er nickte. „Ja. Und Frau Schreiber ist sreige- sprochen!" „Gott sei Dank! . . . Die arme, arme Frau!" sagte Marlene aufatmend. „Und du bist mitgenommen! . . . O weh! . . . Ganz hin bist du! Komm, leg deinen Mantel ab ..." Sie half ihm aus dem Pelz. „So, und nun mutzt du erst eine Weile ganz stillsitzen, nicht wahr? Willst du l in dein Zimmer, oder kommst du gleich mit? Vielleicht ! setzt du dich im Eßzimmer in den Kaminwinkel?" ! „Ich will bei dir bleiben," murmelte er. Marlenes § zärtliche Fürsorge umgab ihn weich und wohltuend, er ! atmete befreit auf. Sie gingen zusammen in das Eß- i zimmer, Marlene rückte ihm den Sessel an den Kamin, i legte noch ein Kissen gegen die Rücklehne. Er umschlang j sie plötzlich, preßte sie an sich, sie fühlte, daß er zitterte. > „Marlene," raunte er. „Ach, daß du mir geblieben bisi!" ... Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Sie rang um > Fassung, dämpfte mit Anstrengung den Jubel, der in ihr emporquellen wollte. Sie mußte ganz ruhig bleiben. Nur den Verlauf der Krise nicht stören ... - Sic drückte ihn auf den bequemen Sitz zurück, schob ihm das Kissen zurecht. Dann streichelte sic seine Schläfe und das dünne Haar. „Du hast dir zu viel zugemutcr, Philipp! ... Liebster Mann, ich bitte dich, gib es zu, daß ich morgen nach Hirschberg telephoniere, dich krank melde. Ich lasse dich nicht fort, Philipp! Ich lasse dich nicht mehr dorthin!" Er nickte. „Ja, Marlene, ich will tun, was du willst. Du meinst es gut. Und dann Marlene, muß ich dir noch vieles sagen . . . Und du wirst mich verstehen, nicht wahr ? Du wirst mir helfen .. ." „Ich ... Ach, Philipp . . .!" Auf der Sessellebne ! kauernd, umschlang sie seine Schultern. „Du weißt, daß i ich dir ganz gehöre. Da läßt sich nichts hinzusetzen!" Wieder nickte er, einen abwesenden Ausdruck im Ge- ! sicht. „Ja, ja, du bist gut . . . Und ich... ich zertrete ! dein Herz!" Marlene fuhr zurück und sah ihn betroffen an. Vor hin hatte sie im Dunkeln gesessen. Die Stunde zwischen Tag nnd Abend der Winterzeit war ihr immer die des Sinnens und Grübelns, war ihr jetzt die Zeit, in der sie sich am hemmungslosesten ihrem Leid und ihrer Sorge überließ. Und bei ihrem Alleinsein heute hatten sic ihr dieselben klagenden Worte erpreßt. " Während des Essens, bei dem Philipp jetzt meist schweigend am Tisch saß und Marlene, um das Lahmende und Bedrückende des schweigenden Beisammenseins zu vertuschen, halblaut mit Ida über Alltägliches sprach, war es heute umgekehrt. Er sprach, und die Frauen ver hielten sich zumeist still, wenn auch Marlene sich mühte, mit ein paar Gegenäußerungen auf das einzugeheu, was er sagte; was sich sprunghaft, ohne Zusammenhang aus Gedankeufetzen zu Worten und Sätzen formte. Oft jedoch fand sie keine Erwiderung. Etwas Fahriges, Halt loses war heute in Philipps Gebaren, und die Miene der Base spiegelte deutlch ihr Erstaunen darüber. Einmal kam ihr Gesicht mit dem etwas einfältig der-