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Ischimer SmlmMt BeilW zW Ms»slitr WMli «iS Anzciger Ar. 22 Sonnabend, den 29. Mai 1937 Mel der Meb DaS heilige Kreuz dein Werkmatz sei — Der Glaube: Die schaffenden Hände — Dein Wille sei Stahl und sei Bastei! So schlage lastende Fesseln entzwei, Datz die Zukunft ewig und kettenfrei! Dann rufet dein Wirken Götter herbei, Und ein Beten wird Tat ohne Ende! Zum Werke fordert dich jeder Tag! Die Zeit will vergeh'» und verbluten. So höre den ewigen Hammerschlag Und richte, was gestern am Boden lag, Datz aus Altem Neues erstehen mag! Und was du erwirkt, das hebe und trag Dich hinauf zum Unsterblichen, Guten! — Ottobert Trops. Goit ist die Liebs „Gort ist Vie Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibei in Gott und Gott in ihm." 1. Foh. 1, 16 Tie Allmacht Gottes beruht auf der Allgegenwart und Allwissenheit des Herrn. Er, der alles weiß, ist darum auch allverstehend, ein Gott.' der verzeiht, ein Gott der Liebe. Tas Wort Gottesfurcht wird oft mißverstanden. Man dürsw nur Gottesehrfurch! sagen. Zu einem Gott, den man surchien mutz stehi man noch nicht im Verhältnis des Glaubens und Vertrauens. Erst der Mensch wird der Gouseligkeii des (shristentums inne, der den Schöpfer Himmels und der Erden als den Golt der Liebe erkannl Hai. An ihm erfüll! sich das Wori des Evangelisten: „Und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Golt und Gotl in ihm." Tie Liebe ist die höchste Lebensbejahung und zu- gleich die vollkommenste Gerechtigkeit, denn die Liebe klagl nicht an Sie hilf« und richtet auf. Darum aber wird die Liebe nie zur Weichlichkeit werden Sie wird die Sünde löten, wo sie ihi begegnet, und wird nur das tun, was dem Nächsten frommt und der Allgemeinheit nützt, mag es dem einzelnen, der diese wahre Liebe nicht versteht, zu nächst auch zum Aergernis sein Wo die Liebe blind wird, wird sie zur Lüge; die Liebe Gottes aber ist die Wahrheit! I B. 22. Fortsetzung. .. .V Die Augen blickten ans entzünde ¬ ten dtandern mit einem stumpfen, abwesenden Ausdruck aus dem fahlen, verfallenen Gesicht. Er befand sich in einem Zustand von Erschöpfung, der an Besinnungs losigkeit grenzte. Sic trat zu ihm. „Komm, Philipp, leg dich zu Bett!" Er wollte antworte«, brachte jedoch kein Wort heraus. Sie faßte ihn unter den Arm, er erhob sich taumelnd. Auf dem kurzen Wege zu seinem Schlafzimmer befiel ihn heftiger Schüttelfrost. Marlene eilte ins Erdgeschoß hinunter. Vielleicht hatte das Mädchen ihren Borsatz, Frühstück für sie zu bereiten, schon in Angriff ge- nommcn, so daß sie heißen Tee für Philipp bekam. Wirklich konnte sie sich nach wenigen Minuten mit dem Servierbrett, auf dem der Morgenimbiß für sie her- gerichtet war, zu ihrem Mann begebeu. Er lag bereits im Bett, von Frostschauern geschüttelt. Seine eiskalten, zitternden Hände vermochten die Tasse nicht zum Mnude zu führen. Marlene legte den Arm stützend um ihn und brachte die Tasse mit dem heißen Getränk an seine Lippen. Er trank durstig. Sie klopfte ein Ei auf, er wollte sich weigern, es zn essen. Doch sic ließ sich nicht abwcisen, zwang es ihm teelöffelweise ans. Sic füllte ihm die Tasse noch einmal, und er trank sic leer. Dann legte er sich zurück und schloß die Augen, das heftige Zittern ließ allmählich nach. Jetzt kommt eine Krankheit zum Ausbruch! Vielleicht ist sie schon da ... Vielleicht bedroht sic sein Leben, dachte Marlene. Sie atmete tief auf. Sorgen, Pflichten . . . Ihr Leben war nun ganz erfüllt davon. Ein Bereitsein straffte ihren Körper, ihren Witten; tatberciter Ernst war in ihr. Sie beugte sich über ihren Mann, ihre Lippen küßten mit einem Hauch seine Stirn. Er flüsterte etwas, schlaftrunken, unverständlich. Sie ging mit leisen Schritten von seinem Bett. Mit dem frühen Tag kam schon viel Unruhe in das sonst so stille Haus, veranlaßt durch das tragische Ende der gestern vom Gericht freigesprocheuen Frau Schrei ber. In all den ungewohnten Anforderungen, die an Marlene hcrantraten, fand sie in Drehwke einen tüch tigen Helfer. Eines der Mädchen tm Hause wußte, daß eine Schwester der Frau Schreiber in dem nahen Kaisers waldau wohnte. Drehwke suchte sie auf, und bald er- schien eine weinende, aufgeregte Bäuerin. Marlene führte sie zu der Toten, die nun, in weißes Leinen ge hüllt, in der Veranda anfgebahrt lag. Tannengrün und Topfgewächse umgaben das Totenlager. Zwei schwere silberne Leuchter — Erbgut der Tante — standen mit dicken brennenden Kerzen zu seinen Häupten. Die Fran war trotz ihres Schmerzes voll Bewunde rung für diese Aufmachung. Sic erzählte Marlene, datz der Paul, den sie seit Monaten bei sich in Kaiserswaldau hatte, gestern allein zu der Verhandlung nachLtrschberg gefahren sei. Es sei ihr nicht möglich gewesen, ihn wieder, wie an den beiden Tagen vorher, zu begleiten. Ihr Mann hatte sich den Fuß verletzt, sie konnte nicht auf lange Stunden von der Wirtschaft fort. Der Paul war ein aufgeweckter Junge und wußte Bescheid. Er wäre nicht zurückzuhalten gewesen an diesem Tage, schon in der Nacht hatte Unruhe seinen Kinderschlaf gestört. Sie habe ihm aufgctragcn, datz er, wenn es fpät werden sollte, sich zu einer Verwandten ihres Mannes in Hirschberg begeben und dort über Nacht bleiben solle. Auf Freisprechung ihrer Schwester bave sie kaum zu hoffen gewagt, und der Gedanke war iyr nichtzgekommen.