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„Besinne dich, Paul, es ist sehr wichtig! Weiht du ganz bestimmt, daß, als du dich umsahst, die Mutter nicht die Axt in den Händen hielt?" hatte der Unter suchungsrichter gefragt. Darauf hatte der Junge nach längerem Schweigen leise erwidert: „Ich weiß es nicht bestimmt!" Als bei dem heutigen Verhör vor dem Staatsanwalt es sich wieder um diese Kernfrage drehte, geriet die Äu get tagte in heftige Erregung — wie meist bei längeren Verhören. Der Untersuchungsrichter hielt ihr das Un wahrscheinliche ihrer Behauptung vor, daß ihr Mann, der von dem steilen Hang abgeglitten war — wie cs sich ans den Hautabschürfungen an seinen Händen und den Nissen in seiner Kleidung als tatsächlich erwiesen hatte — dann rücklings auf die Hofsteine uiedcrgestürzt sei, so gestürzt sei, daß er sich dabei die harte Hirnschale zer trümmert hatte. Er drang in sie, doch endlich cinzn- gestehen, daß sie in ihrer Angst und Verzweiflung den vernichtenden Schlag mit dem Beil nach ihm geführt habe. j Krau Schreiber begann zu zittern, eine Vlutwcüe j trieb schwache Nöte in ihr verfallenes Gesicht. „Nein! Nein!" stieß sie hervor. Und nach einer Pause wieder holte sie das Nein noch einmal lauter und wie von innerer Angst getrieben. Dann sank sic zusammen und brach in heftiges Weinen ans. Es dauerte lange, bis sie sich wieder beruhigte. Der Svnnenstreifen war längst aus dem Zimmer entwichen, s In das fahl gewordene Licht mischte sich bereits die > Dämmerung. Schattenhaft erschienen die Gestalten der Nichter und des niedergebeugten grauen Weibes. Ihr winselndes Weinen klang durch den Naum. Es war nichts mehr aus der Angeklagten herauszubringeu. Sie antwortete auf keine Krage, blickte stumpf und erschöpft vor sich nieder und war weder ourch gütlichen, noch energischen Zuspruch zum Reden zn bewegen. Sie brachte damit den das Verhör leitenden Untersuchung»- ! richter Doktor Kasparek fast um seiue Selbstbeherrschung. ! Wolter hatte sich bisher schweigend verhalten. Nun s griff er ein, indem er das Wort an die Angeklagte richtete. „War Ihre Ehe von Anfang an nicht glücklich, oder wurde das Zusammenleben mit Ihrem Mann erst nach längerer Zeit so schwer erträglich?" Die Angeredete hob langsam den Kopf, richtete sich aus ihrer gebeugten Haltung auf und sah aus ihren matten, vom Weinen verquollenen Augen auf den Staats anwalt. In ihr Gesicht kam ein Ausdruck des Lauschens und Suchens. Sie schüttelte den Kopf, bewegte die Lip pen und sah grübelnd vor sich nieder. Wolter wiederholte die Krage, langsam sprechend, er wählte die Worte dies mal etwas anders. Wieder trat ihn ein forschender, wie in der Erinnerung suchender Blick. Dann glitten Frau Schreibers Augen nach dem Fenster, und leise, wie einem sonderbaren Zwange nachgebend, sagte sie: „Nee, nee, gilt war's nie! ... 's war eemal nich 's Richtige. Nich, daß mer von Anfang 'n Heefel Sorgen hatte ... 's war was andersch!" „Sie wollten einen Vater für Ihr Kind haben?" forschte der Staatsanwalt. Die Angeklagte machte eine Bewegung mit dem Kopfe, von der man nicht wissen konnte, ob sie bejahend oder- verneinend war. „'s war nich bloß daderwegen. Se Ham alle aso geredt, besonders mer Vatter ... Un es mar ok wegen a Häusel!" Frau Schreiber war wieder zum Reden gebracht durch die bisher nicht gehörte Stimme. Sie klang gar nicht scharf und gebieterisch,- es war vielmehr ein weicher, ver- beckter Klang darin, der einen seltsam zwingenden Ein fluß auf dre verkümmerte Frau auszuüben schien. Ihre Starrheit löste sich, sie sprach freier, ungehemmter. Die ganze erschütternde Tragödie ihres Lebens enthüllte sich, deren blutiger Abschluß nun hier das gerichtliche Nach spiel fand. Um ihr Kind nicht Fremden überlassen zu müssen, war sie mit dem wenige Wochen alten Wesen von Breslau , in ihr Heimatdorf gekommen zu ihrem Vater, einem armen Flickschneider. Sie hatte gerechnet, im Sommer- oben in den Bauden und Gasthöfen mehr zu verdienen, um besser für das Kind und auch für den alten Mann sorgen zu können, der mit seinen halb erblindeten Augen fast nichts mehr arbeiten konnte, und der aus dem kleinen Hause in Seifershau, in dem er Zeit seines Lebens gewohnt hatte, nicht fort wollte. Es hätte auch alles leidlich gut werden können, wenn er in seinen alten Tagen nicht viel mehr als früher der Flasche zugesprochen hätte, und wenn der Schreiber- Friedrich nicht gewesen wäre, der wohl vor allem auch daran schuld war und dem alten Mann immer den Schnaps zutrug. Der Schreiber-Friedrich war der Sohn seines Halb bruders und ihm gehörte eigentlich das kleine Haus. Es war ein Wunder, daß der leichtsinnige Mensch sich diesen Besitz erhielt und ihn nicht vertat, wie alles, was er sonst in die Finger bekam. Zum großen Teil seinetwegen war sie in die Stadt in Stellung gegangen, weil er ihr nachstellte und sie von Jugend auf Ab neigung und Furcht vor dem leidenschaftlichen und bru talen Menschen empfunden hatte. Als sie wieder zu ihrem Vater zurückgekehrt war, hatte sie auch den früheren Bewerber dort vorgefunden, der nun erst recht nicht locker ließ. Er hatte jetzt in ihrem Vater einen Fürsprecher gefunden, der ihr nun fort während in den Ohren lag. Der Friedrich sei gar nicht so schlecht, er habe sich immer noch um ihn gekümmert, habe stets etwas für ihn übrig gehabt, sonst hatte er noch mehr Hunger leiden müssen m den letzten Jahren. Er brauche eben eine ordentliche Frau, die ihn zu lenken verstehe . . . und sie hätte doch nun den Jungen unb könue froh sein und Gott danken, wenn ein Mann eS ehrlich mit ihr meine und ihr den Frauennamen gebe... So hatte sie es täglich anyören müssen. Tie hatte keine großen Hoffnungen und Erwartungen mehr auf ein eigenes Glück gehabt, aber dennoch war in ihr ein starker Widerstand, ein leises Grauen vor dem Gedanken au eine Ehe mit diesem Menschen, der wohl mitunter eine gewisse Gutmütigkeit zeigte, dessen Charakter aber auch Tücke und Gewalttätigkeit verriet. (Forts, folgt.) Humoreske von Erik Bertelsen. Eines Morgens entdeckten einige Bewohner der schönen Südseeinsel Waihiki, daß eine kleine Lustyacht vor dem örandungsstreifen der Korallenriffe kreuzte. Der Kaufmann harling bemannte schnell ein Boot mit kräftigen Kanaken und ruderte hinaus, um seine Hilfe als Lotse anzubieten. Eine Freundlichkeit Fremden gegenüber konnte sich vielleicht lohnen. Vor fast einem Menschenalter war Harting nach Waihiki ^kommen und hatte einen kleinen Laden eröffnet. Da gab :s billige Baumwollstoffe, Konserven und Nippsachen. Das meiste verkaufte Harling im Austausch gegen Kopra, das er nach Tahiti versandte. Und nach und nach wurde er Besitzer nuiger Kokospflanzungen, und es gehörten ihm ein paar Schoner. Aber langsam schienen die guten Zeiten vorbei zu sein. Die Eingeborenen waren nicht mehr in Unkenntnis, was ihre Erzeugnisse wert waren, und eine Kopragesellschaft, die ihre Station auf der Insel Pongarutu Hatte, machte ihm schlimme Konkurrenz. Selten nur glückte noch ein Handel wie früher. Darum paßte er auf, wenn Weiße sichtbar wurden. Vielleicht ließ sich sein Geschäft verkaufen. Er war überaus freundlich, als er den kleinen Segler er reichte. Und wurde ebenso freundlich empfangen. An Bord befand sich nur ein amerikanisches Ehepaar und ein chinesi- scher Koch. Der Besitzer der Yacht, der Luck h«ß, machte einen etwas exzentrischen Eindruck. „Befinden Sie sich auf einer Weltreise?" fragte Harling. „Nein, wir kreuzen nur hier in der Südseeantwortete Luck. „Und wir haben keine Eile. Vielleicht bleiben wir auch längere Zeit auf einer der Inseln. Ich hätte eigentlich Lust, hier draußen eine« Handel M beattme«."