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Mrmer SonmzsMt Nr. 2 Peilagc W Nlhspamr lagtblalt unS Anzeiger Sonnabend, den 9, Januar 1937 DWieWs Hier liegen sie alle im hölzernen Schrein, Gebettet in enge Truhen. Ein Kreuz, ein behauener Quaderstein Steht dort, wo sie ewig ruhen. Nun schlafen sie alle: Bauer und Knecht, Die über die Aecker gegangen. Am bröckelnde Steine rankt das Geflecht Des Efeus in wuchernden Schlangen. Am Eingang steht «in verwittertes Mal, Kein Aame ist dort gewesen. Nur eine verblaßte Jahreszahl Ist schwach noch am Stein zu lesen... Das ist der Ort, wo im Iahre der Pest Der fremde Landsknecht begraben. Im Dorfe hielt ihn das Fieber fest And die Kathrein mit seinem Knaben. Ganz dicht an den Aeckern, von Gräsern umhegt, Wo Sommers die Dolden sich wiegen, Da sind meine Ahnen zur Ruhe gelegt. Dort werde auch ich einmal liegen. Ferdinand Oppenberg. Mit der Tat und der Wahrheit „Wenn aber iemand aus dieser Well Güter hat, und s.ehct seinen Bruder darben, und schließet sein Herz vor ihrn zu, wo bleibt die Liebe Gottes bei ihm?" (Joh. S.l7> Es ist wieder ein Eintopfsonntag gekommen. Wir haben cs im Winterhilfswerk erfahren, wie ans kleinen Opfern sich ein gewaltiges Werk der Liebe errichten läßt, eine soziale Tat, wie sie in noch keinem Volke vollbracht wurde, seitdem man Sozialismus auf Erden predigt. Wir meinen freilich nicht den Sozialismus, der bei uns einst auch den Marxisten als Deckmantel für ihre Lehre des Klassenhasses diente, wir meinen jenen Sozialismus, wie ihn Ehrisn zuerst gelehrt hat, den Sozialismus der aus- sqhnendcn Liebe. Auch dieser Sozialismus ist kämpferisch gewesen und scheute sich nicht, denen den Spiegel der Wahrheit vorzuhallen, die sich um ihre sozialen Pflichten drücken wollten. In dem Bibelwort, das wir unserer Be trachtung vorangestellt hgben, wird dies mit aller Deut lichkeit ausgedrückt. Das Winterhilfswerk ist ganz von diesem christlichen Geiste erfüllt, und wenn die Sammler von Haus zu Haus gehen, um die Spenden für den Eintopf abzuholen, und es bleiben ihnen die Türen irgendwo verschlossen, wissen sie, daß sich auch die Herzen vor ihnen zugeschlossen haben. Wo bleibt die Liebe Gottes bei diesen Menschen? Diese Frage dürfen wir an alle richten, dkö da die Güter der Welt besitzen, und ihre Brüder darben lassen. Wir wissen, es sind deren nnr wenige, aber wir wissen auch, daß sie sich mit solchem Tnn ausschließlich ans der Gemeinschaft wahrer Christen, denn es heißt in der Schrift: „Meine Kindlein, lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern nur mit der Tal und mit der Wahrheit!" Er erhob sich. „Ich habe mich dafür noch vorzubereitcn und möchte erst noch ein Weilchen ruhen. Es wäre mir lieb, wenn du mich für heute entschuldigst und mir das Abendessen in mein Zimmer bringen ließest!" Marlene verstand: Er wollte allein sein für den Nest des Tages. Auch sie stand auf und trug die kleine Katze ins Haus. 3. Wolter hatte sich in seinem Zimmer niedergelegt. Die dichtlaubigen Bäume des Gartcus gaben dem Raum das grünliche Dämmerlicht, das er liebte. Die große Standuhr tickte und von draußen klang Vogelgezwitscher herein. Er fühlte sich ermüdet, war aber voll Unruhe, erhob sich bald wieder und ging im Zimmer auf und ab. Nach einer Weile warf er sich in einen der braunen Ledersessel und starrte, die Stirn in die Hand gedrückt, vor sich nieder. Er konnte stundenlang so sitzen, ohne sich zu rühren; stumpf, willenlos, mit leerem Gehirn. Solche Zustände der Abspannung, der völligen Apathie stellten sich häufig ein, wenn er viel und angestrengt gearbeitet, oder sich irgendwie körperlich und seelisch verausgabt hätte. Er war von Kindheit an von zarter Gesundheit ge wesen, obgleich ein organisches Leiden nicht Vorgelegen hatte. Seine Eltern waren von der außerordentlichen Begabung ihres einzigen Sohnes überzeugt gewesen, und ihre Wünsche und Erwartungen hatten ihn an- zespannt. Aber sie waren ihm auch oft zur Geißel ge worden, die ihn hetzte und ermüdete. Seine besondere Neigung zum Technischen hatte nicht Beachtung und Lntgegenkommen gefunden. Er sollte Jurist werden, das war Familientradition. Als Student war er von einer Welle aufschäumender Lebenslust erfaßt worden, hatte sich von ihr tragen und treiben lassen — länger als bei manchem andern Hali« bei ihm die Sturm- und Drangzeit angehalten. Selten waren in jenen Jahren die merkwürdigen Hemmungen, unter denen er in der Kindheit und noch mehr in den Entwickinugsjahrcn gelitten hatte. Und wenn Stunden der Unlust, der Niedergedrücktheit, des Ueberdrusscs ge kommen waren, hatte er sie hingenommcn als etwas in seiner Natur Liegendes, das vielleicht im Körperlichen, im Blut, durch eine gewisse Dekadenz bedingt war — Verstimmungen, die rasch wieder schwanden, in dem be- fchwingtcn Tempo jener glücklichen Jahre. Auch an den Frauen war er nicht vorübergegaugen. Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit war immer in ihm gewesen. Sie konnte einschlafen, von anderm verdrängt und verschüttet werden, konnte aber jäh erwachen und heißer Sinnendurst werden. Meist jedoch war er rasch er-