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Dresdner Journal : 14.11.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189611147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-11
- Tag 1896-11-14
-
Monat
1896-11
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 14.11.1896
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- Erste Beilage zu ^266 des Sonnabend, den 14. November l8W, abends. Deutscher Reichstag. ISS. Sitzung vom lS. November, 1 Uhr. Am Tische de« Lunde-cat«. SchOnstedt. Die »weile vrcatung der Novelle zum Justizgesetze wird sortgesedt, und »war bei 8 7» de« Berichtsversassung«- gefcpeS, betreffend die Zuständigkeit der Strafkammern Die Vorlage will dir Verbrechen ter Urtundrnsäischung (88 288, 2, 272 und 273 de« St -G Ba, die Verbrechen im Amte (88 »49—3SI) und die nach tz8 209 und 2l2 derKonkur«. ordnung strasbaren Verbrechen den Schwurgerichten adnehmcn und den Strafkammern überweisen. Abg. Munckel (fr. Bp.) beantragt, diese Vorschrift »u streichen. Die Delikte, um die e« sich hier handelt, sind nicht so schwierig, daß sie den Schwurgerichten entzogen und den Straskammern übertragen werden müßten. Außerdem kommen hierbei häufig kaufmännische Geschäfte zur Besprechung, die einem großen Teile der Juristen sehr dunkel sind. Geh. Lber-Justizrai Luka«: Ich möchte Sie dringend bitten, e« beim Beschluß Ihrer Kommission zu b.lassen. E« handelt sich hierbei um sehr schwierige, von den G.schworrnen nicht leicht zu entscheidende juristische Begriffe; es wird ihnen sehr schwer sein, sestzustellen, ob die Fälschung einer öffentlichen Urkunde vorliegt, ob sich jemand dadurch Brrmögensvorteile verschafft hat, wer die Fälschung gemacht und wer davon Gebrauch gemacht hat. Auch der Begiiff der schweren Urkunden- sälschung ist nicht leicht sestzustellen und macht selbst Juristen Schwierigkeiten. In vielen Fällen sind zivilrechtliche Fragen hinsichtlich der KcnkurSordnung zu beurteilen und zu entscheiden. Sie thun der Rechtspflege einen Dienst, wenn Sie diese Delikte den Geschworenen nehmen und den Straskammern übertragen. Die politischen Gründe, welche gegen jede Schwächung der schwurgcrichtlichen Zuständigkeit von vielen Mitgliedern deS Hauses geltend gemacht woroen sind, treffen hier nicht zu. ES ist statistisch nachgcwiesen, daß diese Delikte nur 10 bis II vom Hundert der schmurgerichtlichen Beschäftigung autmachen; anbei - seits würde es gar nicht schaden, wenn das Arbeitspensum mancher langen Schwurgerichtsperiode dadurch vermindert würde. Die Vorlage wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten unverändert angenommen. Zu § 8t» beantragen die Abgg. Beckh und Munckel (fr. Bp)» die Vergehen, welche durch den Inhalt einer im Jnlande erschienenen Druckschrift begangen sind, den Schwurgerichten zu überweisen. Berichterstatter Abg. Lenzmonn macht daraus ausmerksam, daß der Antrag in der Kommission mit 13 gegen 5 Stimmen abgelehnt worden ist, weil dir Regicrungsvertreier ihn als un annehmbar bezeichnet hatten. Unter den 13 Gegnern befanden sich mehrere, die dem Gedanken deS Antrages durchaus freund lich gegenüber stehen. Abg. Beckh (fr. Vp.): ES ist bedauerlich, daß gestern die Schwurgerichte abfällig beurteilt worden sind, daß man sie als eine Bastardorganisation bezeichnet hat, während sie doch ein Palladium der Freiheit sind Redner verweist aus die Verhand lungen des Juristeniages von 187S, wo ein Assessor sich abfällig über die Thätigkeit der Presse ausgesprochen und sie als Skandalprodu-ent bezeichnet habe. Wenn solche Anschauungen über die Presse in den Kreisen der angehenden Richter ver breitet sind, dann müssen Vorsichtsmaßregeln zum Schutze der Presse getroffen werden Redner führt einzelne Falle von An klagen und Verurteilungen wegen Preßvergehen an, die vor Geschworenen nicht zur Verurteilung geführt hätten; eS seien Äußerungen der Presse als Beleidigungen, namentlich als Be- rufsbeleldigungen der Beamten bestrast worden, die man früher niemals als Injurie, sondern als Ironie und Spott betrachtet hätte Preußischer geh. Oberjustizrat v Lenthe: In dem Augen blick, wo durch die Einführung der Berufung ein vermehrter Rechtsschutz gewährt wird, liegt keine Veranlassung vor, die alte Streitfrage der Überweisung ver Preßvergehen an die Schwur gerichte, die schon 1876 entschieden worden ist, wieder auj- zuvehmen. Bekanntlich kam damals ein Kompromiß zu stände, wonach für die süddeutschen Staaten, in denen die Schwurgerichte über Preßvergehen aburteilten, der bisherige Zustand ausrecht- erhalten wurde Die verbündeten Regierungen stehen auch noch heute aus demselben Standpunkte, daß für politische ebensowenig wie für Preßvergehen eine Ausnahme zulässig ist. ES liegt kein Grund vor, von dem Grundsätze des Gerichtsversassungs- gesetzes, daß die Zuständigkeit der Gerichte durch die Schwere der angedrohten Strafe bestimmt wird, bei den Preßvergehen abzuwcichen. Irrtümliche Urteile über Preß- vergchen sind bei den Schwurgerichten ebensowenig aus geschlossen wie bei den Straskammern. Bis zum Beweise des Gegenteils muß ich bestreiten, daß Zeitungen ver folgt worden sind, weil sie das Vorgehen von Behörden getadelt haben, welche Strafantrag gestellt haben gegen Personen, die in einer antisemitischen Versammlung bei einem Hoch aus Sc. Majestät den Kaiser und König und den Oberpräsidenten sitzen gcblieoen sind Auch ist ein Beweis dafür, daß in den Staaten, in welchen die Schwurgerichte über Preßvergehen nicht ab urteilen, Preßfreiheit nicht denkbar sei, nicht erbracht worden. Ferner stelle ich in Abrede, daß die Geschworenen der Ent scheidung von Preßvergehen unbefangener gegenübersteven; im Gegenteil ist zu befürchten, daß bei diesen Entscheidungen die politischen oder religiösen Überzeugungen der Geschworenen, wenn auch unbewußt, einen Einfluß ausübcn. Ich kann mich dem Eindruck nicht entziehen, daß dem Verlangen, die Prcß- prozesie der Zuständigkeit der Swwurgcrichte zu unterstellen, doch etwas die Idee zu Grunde liegt, daß die Geschworenen sich leichter mit der Anwendung der Gesetze abfinden und ge neigt seien, ihr Ermessen über das, was billigcrweise Recht sein sollte, an die Stelle des Gesetzes zu setzen. Das schien mir auch durch die Rede des Abg Beckh hindurchzugehcn. Damit trägt man aber einen Gedanken in die Schwurgerichte, der in der That nicht darin enthalten sein sollte. Ich bitte Sie, im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes, dringend um Ab lehnung des Antrages Den deutschen Staaten, welche bis jetzt von der Zweckmäßigkeit der Schwurgerichte sür Preßvergehen überzeugt sind, wollen die verbündeten Regierungen dieses In stitut weiter lassen, meinen aber entschieden, daß diese Zu ständigkeit der Schwurgcuchte aus prinzipiellen Gründen nicht gerechtfertigt sei. Abg. Frohme (Soz.): Wenn ich auch die Schwurgerichte nicht al« da« Palladium der Freiheit betrachte, so bin ich doch bereit, mit meinen Freunden für ihre Erhaltung einzutrelen; ja, wir gehen noch weiter, wir wollen alle politischen Vergehen den Schwui gerichtet, überweisen. Redner verweist aus die ver schiedenen seltsamen Prcßproreffe, die Verantwortlichmachung der Setzer und Druck.r, die Anwendung de« groben Unfugs- Paragraphen aus die Preßerzrugniffe re. Dadurch ist die Preß freiheit vollständig beseitigt worden. Die Prox» hat dahin g>- sühit, daß die Gerichte und die Staatsanwaltschaft sich al« Zenjurbehörde etabliert haben Abg. Günther (nl ): Namen« aller, deutfchen Richter muß ich Widerspruch erheben gegen dir Äußerungen de« Vorredner«, der den Richtern vorgeworftn hat, daß sie nicht nach Recht und Gesetz urteilen, sondern abhängig sind. Die Richter werden ihre Unabhängigkeit stets wahren (Zustimmung) und werden nicht durch die öffentliche Meinung sich beeinflusfen laffen. (Leb hafter Beifall) Abg. Lonrad (d Bp) spricht sich für den Antrag Beckh- Munckcl in allen Punkten auS. Abg. Träger (fr. Vp): Tie Aburteilung der politischen und Preßvergehen ist stet- al» die Hauptuusgabe der Schwur gerichte bezeichnet worden. Nur durch den Kompromiß un seligen Angedenkens, der unsere Geietzgebung um Jahrzehnte zurückgebracht Hai, ist eine dahingehende Bestimmung aus den Justizgejetzen wieder herausgebracht woiden Ich wüßte nicht, daß die Schwurgerichte zu berechtigten Ausstellungen Anlaß ge geben hätten, aber trotzdem hat man sie nach und nach abge tragen und sie bei denen, die als Geschworene fungieren, zu diskreditieren gesucht. Da» Schwurgericht soll die Vcrsödnung des starren Gesetzbuchstaben» mit den Anschauungen des Volkes bedeuten. Die Presse soll das Sprachrohr der öffentlichen Meinung sein, und sie sündigt, wenn sie gegen die Strömung der Mehrheit des Volkes sich wendet Deshalb muß die Presse den Schwurgerichten unterstellt werden, weil der gelehrte Richler zu abhängig i l von dem Buchstaben des Gesetzes. Geh. Oberregierungsrat v. Lenthe: ES ist allerdings richtig, daß einzelne Strassachen den Schwurgerichten ab- genonimen werden sollen, aber nur wegen ter Eigenart ter be treffenden Veibrechcn. Selbst diesen Grund hat der Reichstag nicht überall anerkannt; er hat also keinen Grund, für die Preßvergehen eine Abweichung von den allgemeinen Grund sätzen zu schaffen. Die verbündeten Regierungen wollen aber gleiches Recht für alle schaffen. Wie weit die einzelnen Richter einen unabhängigen Charakter haben, kann nicht sestgcsteUt werden; es kommt daraus an, daß die Garantien der Unab hängigkeit vorhanden sind, daß unsere Richter sich unabhängig fühlen; daran wird, von der Sozialdemokratie abgefehen, nie mand in Deutschland zweifeln. Daran wird nichts geändert durch die Aufforderung der „Hamburger Nachrichten" an die Richter, ohne Rücksicht auf das Gesetz zu urteilen. Solche Auf forderung hat doch nicht unbedingt eine Wirkung; es liegt al o kein Grund vor, eine Ausnahme zu machen. Wenn der Wunfch nach einer rafchcn Repression eines Vergehens irgendwo am Platze ist, so ist das bei den Preßvergehen der Fall, die von den periodisch zufammentreienden Schwurgerichten nicht schnell erledigt werden können. Abg. Stadthagen (Soz): Durch die abhängigen Gerichte ist die Presse vogelfrei geworden. Wenn die Richter wie alle Beamten angewiesen werden, daß sie keiner den Anschauungen der Regierungen widersprechenden Meinung Ausdruck geben, so werden sie zu Staatsbürgern zweiter Klasse gemacht, jo werden sie abhäl-gig Diete Degradierung der Richter, gegen welche die unabhängigen Personen sich energisch verwahren, hindert uns, das Märchen von der Unabhängigkeit dec Richter zu glauben Abg. Günther (nl.): Ter Abg. Stadthagen hat gesagt, e» sei ein Erlaß des Gejamtministermms ergangen, worin den Beamten untersagt worden sei, ihre politische Meinung zu äußern. Ich habe den Erlaß nicht zur Hand, erinnere mich aber genau, daß darin steht: die königliche StaatSregierung er warte, die Beamten würden oder sollen gegen die Maßnahmen der Regierung nicht agitieren (Zurufe bei den Sozial demokraten: „Ist dasselbe!") Das ist etwas ganz anderes. Wäre Hr. Stadthagen der Inhaber eines Geschäftes und hätte er einen Untergebenen, der gegen ihn agitiert, so würde er der allerletzte sein, der sich dies gefallen ließe. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Abg Bebel (Soz): Daß die Regierung ebenso das Recht habe, wie ein Arbeitgeber, seinen Arbeitern etwas zu verbieten, kann nicht anerkannt werden. Es passiert allerdings, daß ein Arbeitgeber solche Besuche macht, daß ein Richter aber so etwas billigt, ist ein bißchen stark. Die Prrßverbrecheu gehören vor die Schwurgerichte, die Preßbelikte in Bayern und Olden burg auch, und die Meinung daß das richtig sei, galt früher auch bei den Freunden des Hrn. Günther. Man hat liefe eigene Überzeugung nur unterdrückt Wenn die Schwurgerichle in Prcßprozessen urteilen, so wird das aus die übrigen politischen Prozesse sanierend wirken. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozial demokralen, der Freisinnigen, der Deutschen Volkspartei und einiger Zentrumsmitglicdcr (Hug, Rudolphi, Hartmann-Glatz) abgelehnt V Bei 8 123 (Zuständigkeit der Oberlandesgerichte) kommt Abg. Schröder (frs. Vgg) auf die Frage der Berufung im allgemeinen zurück und suhit aus, daß sie in alten Zeiten über haupt nicht existiert hat und erst eing,führt ist, als die Gerichls- organisation eine solche geworden war, daß nicht mehr die Garantie sür einen richtigen Spruch in erster Instanz unter allen Umständen gegeben war. 8 123 wird angenommen 8 121 beschäftigt sich mit d,r Bildung detachierter Straf senate sür die vom Sitze der LberlandcSgcrichte entfernteren Landgerichte; den Vorsitzenden und den Stellvertreter desselben soll die Landesjustizverwaltung ernennen; die Beisitzer sollen aus den Mitgliedern der OberlandcSgerichte, teilweije aus Mit gliedern der betreffenden Landgerichte berufen werden. Abg. v. Cuny (nl.) will das Wort „teilweise" streichen, sodaß die Bildung des Senats auch lediglich auS Mitgliedern der Landgerichte ersolgen kann. Tie B-fürchtung, daß durch die Bildung des BerusungSsenatS aus Mitgliedern des Land gerichtes eine Störung der kollegialen Verhältnisse eintreten könne, hat sich nickt erfüllt. Ge^. Oberrcgierungsrat v. Lenthe hat gegen den Antrag d s Vorredners nichts einzuwenden, wenn ec auch nicht in PubliuS.*) Novelle von Hans Hofsmann. Heute morgens 7 Uhr 26 Minuten 30 Sekunden wurde mir ein Sohn geboren. Hiioä äii dous vertont. Ltolpenkurßil Xul. a. u. 2605 (01. 655,^) s. Odr. 1850. vr. Martin Löwe, Gymnasial - Oberlehrer. Diese überraschende Kunde brachte das Wochen- blättchen am 2. Mai 1850 den Bürgern der tüchtigen Stadt Stolpenburg in Hinterpommern. Es war wirklich eine Überraschung; Niemand hätte dem stillen Philologen die menschliche Schwachheit zu getraut, Vater zu werden. Und doch war er nun Vater, und zwar, wie es fast den Anschein hatte, in mehr als gewöhnlichem Sinne. Wenigstens er schien in der nächsten Nummer desselben Blattes ein lateinisches Gedicht aus seiner Feder, dessen streng gemessene Distichen den Vorgang unter völli gem Verschweigen der dazugehörigen Mutter in umständlicher und plastischer Schilderung so dar stellten, daß jeder Unbefangene annehmen mußte, das Kind sei fertig aus dem Haupte deS Vaters ent- Nachdruck verboten. sprungen wie einst Pallas Athene. Den Schluß des Poems, das von den Schülern bis zur Tertia hinab natürlich wahrhaft verschlungen wurde und ihnen in metrischer wie stilistischer Hinsicht zu dauerndem Nutzen gereichte, bildete eine schwungvolle Verkündigung von dem künftigen philologischen Ruhme des Neu geborenen. Es war kein Zweifel, dieses Kind hatten die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon geliebt, ihm Phöbns die Augen, die Lippen Hermes gelöset. ES erhielt in der heiligen Taufe den Namen Titus, zur Erinnerung an eine ruhmreiche Fehde seines Vaters, in welcher dieser dem großen Komödiendichter Plautus seinen echten Namen Titus MacciuS vor den hämischen Angriffen eines entarteten Jüngers der Wissenschaft gerettet hatte, der ihn thörichter Weise MarcuS Accius hatte nennen wollen. Or. Löwe war ein Philologe nicht gewöhnlichen Schlages. Er hing mit ganzer Seele an seiner Wissenschaft, und an ihr allein; die übrigen Dinge der Welt kümmerten ihn wenig. In seiner Jugend war er einst infolge einer glücklich gelösten Preisaufgabe zum Zwecke von Hand schriftenvergleichung auf einige Monate nach Rom ge sandt worden und hatte daselbst das Kunststück fertig gebracht, nicht nur den Papst, sondern auch die ewige Stadt selbst nicht zu sehen — mit einziger Ausnahme der vatikanischen Bibliothek oder noch genauer der Aussicht stellen kann, daß dir Mitglieder de« Senats nur aus Mitgliedern des Landgerichts genommen werden würden Abg Beckh (fr. Bp ) will mindesten- drei Mitglieder ein schließlich de« Borsitzenden aus den Mitgliedern des Odrrlande-- gcricht- entnehmen. Beide Anträge werden abgelehnt und 8 124 unveiändert angenommen, elnnso der Rest der »um GerichiSversassungS- gesetz vvrgeschlagenen Änderungen. Daraus wird gegen ü Uhr die weitere Beratung bi« Sonn abend I Uhr vertagt * Dem Reichstage ist der Entwurs eines Gesetze», betreffend die Ausnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen deS Reich-Heere«, der Marine undderReich-eifenbahnen (öS 763 747 M), zugegangen; ferner der Gesetzentwurf, betreffend die Kontrolle deS Reichehaushalts, de« LandeShauShalts von Elsaß-Lothrmgen und des Haushalt- der Schutzgebiete sür 1896/97; die Rechnung für da- EiatSjahr 1894/9» zur Prüsung und Entlastung durch den Reichstag; endlich die Mitteilung darüber, daß nach Be stimmung de» Bundesrats die Abläuse bei der Zucker fabrikation der ermäßigten Steuer von 14 M sür 100 lrjx unterliegen sollen. Vermischtes. * Raubinordversuch in einem Eisenbahnzuge. Durch zahlreiche Rcvolverschüsse wurden vorgestern nach mittag die Reisenden des Hamburg-Berliner Per sonenzuges in Angst und Schrecken versetzt. Um 1 Uhr 30 Minuten hatte der Zug Hamburg verlassen; in ihm befand sich der Kaufmann Joseph Auster nebst Ehefrau, der von einer Familienfestlichkeit aus Manchester zurück kehrte, um über Berlin nach seinem Wohnorte in der Nähe von Buda-Pest heimzukehren Vorgestern vormittags kam er mit dem Personendampfer von London in Ham burg an und setzte die Weiterreise mit dem Mittagszuge fort. Infolge der Seereise war er etwas unpäßlich, und das Unwohlsein steigerte sich durch die Fahrt in dem dicht besetzten Wagen vierter Klasse. Er bat daher den Schaffner, auf die äußere Plattform des Wagens treten zu dürfen, um in der frischen Luft zu bleiben. Kaum stand Auster auf der Plattform, als auch ein zweiter Reisender sich neben ihn stellte. Plötzlich zog dieser einen Revolver hervor und knallte mehrmals nach der linken Seite deü Bahndammes zu. Nachdem die Patronen verschossen waren, füllte er die Trommel des Revolvers noch einmal, ergriff den Kaufmann Auster am Arm, setzte ihm den Lauf direkt aus den Über zieher an der Stelle an, wo er glaubte, das Herz treffen zu können, und drückte ab. Infolge des gellenden Aufschreies des ungarischen Kaufmanns eilten sogleich Paffagiere aus die Plattform, und eine höchst lebensgefährliche Situation trat nun ein. Ein Ring- kampf entspann sich zwischen vier Reisenden und dem Verbrecher, der von der Plattform des dahinsausenden Zuges zu springen versuchte. Unter größter Lebensgefahr gelang es, ihn in das Innere des Waggons zu schaffen, doch hatte er die Schußwaffe schon weggeworfcn. Der Geschossene hat glücklicherweise keine Verletzung davon- getragen Die Kugel hatte den dicken Lodcnstoff des Havelocks und darunter die Joppe durchlöchert An der linken Brustseite trug Auster ferner ein starkes Notizbuch sowie mehrere Briefschaften, die ebenfalls durchlöchert wurden, doch so viel Widerstand leisteten, daß das Geschoß nicht in den Körper dringen konnte. Von den Bahn- deamten ivurde der Verbrecher sogleich in ein Einzelcoupö gebracht und die Bahnpolizei auf dem Berliner Lehrter Bahnhofe von der Schießaffaire telegraphisch benachrichtigt. Gegen ^9 Uhr abends traf der Zug in Berlin ein, der Inhaftierte wurde von Schutzleuten sogleich in Empfang genommen und nach dem 4 Polizeirevier in der Flcmmingstraße geschafft. Hier nahm der Polizei lieutenant und der Wachtmeister bis gegen Mitternacht ein eingehendes Protokoll über den Sachverhalt, der von vier Augen zeugen übereinstimmend bekundet wurde, auf. Der Angreifer wurde al« der Kohlenhändler Johannes Bohlen aus Altona festgestellt. Er hatte auf den Kaufmann Auster geschoßen, um ihn nachher seiner Barschast zu berauben. Bohlen gab den Thatbestand zu und gestand auch ein, auf Bahnarbeiter, die er am Bahndamme erblickt hatte, geschossen zu haben. Er entschuldigte sich mit starker Trunkenheit Während seiner Vernehmung machte Bohlen nicht den Eindruck eines unzurechnungsfähigen Menschen, sondern drückte sich klar und deutlich aus. Er machte den Versuch, von seiner 67 M. betragenden Barschaft einem Beamten 50 M. in die Hand zu stecken In der Nacht wurde Bohlen noch bei der Kriminalabteilung am Alexander- platz eingeliesert und im Laufe des gestrigen Tages nach dem Untersuchungsgefängnis geschafft. Seine Ehefrau in Altona ist davon benachrichtigt worden, daß gegen Bohlen wegen versuchten Mordes ein Strafverfahren ein geleitet ist. * In dem Wiener Bezirk Fünfhaus und in den nächstgclegenen Bezirken lenkte, wie schon kurz gemeldet wurde, in den letzten Tagen ein junger Mann die Auf merksamkeit in öffentlichen Lokalen aus sich, da er Geld mit vollen Händen hinauswarf, sehr flott lebte und oft ausländische Goldstücke wechselte. Es bildete sich ein förmlicher Sagenkreis um den Mann, der so viel Gold sein Eigen nannte Man wußte nichts über ihn, als daß er seit einiger Zeit in Wien lebt und in einem Hotel in FünshauS wohne. Auch dort hatte er oft Gold umwechseln lassen. Polizeiagcnten überwachten den Mann, und da er verdächtig erschien, wurde er am l l. dsü. vormittag» im Hotel von Polizeiagenten angehalten und dem Agenten- institute übermittelt. Dort gab der Verhaftete an, Edwin Schmeißer zu heißen und 1867 in Unter-Preiling in Thüringen geboren zu sein. Der angebliche Schmeißer wurde einer Leibesuntersuchung unterzogen, die ein über raschende« Ergebnis lieferte Rian fand nämlich bei ihm ein Säckchen voll Goldmünzen im Werte von etwa» über 4300 G., zumeist japanischer Prägung, doch auch amerikanische, französische und österreichische Münzen Der Verhaftete be hauptete später, nicht Schmeißer, sondern Karl Höllen zu heißen, zu Haßlinghausen in Preußen geboren und Matrose zu sein. Als SchiffSmann habe er auf dem Dampfer „Hohenzollern" des Norddeutschen Lloyd gedient, der die Strecke Hongkong-Yokohama-Kobe-Nagasaki befahre AI« der Dampfer zu Anfang dieses Jahres aus hoher See ge wesen sei, habe er in einer Januarnacht Wache aus dem Schiffe gehabt und sei auf seiner Runde eben dazu ge kommen, wie zwei Matrosen, deren Namen er nannte, eine riesenhafte Summe Golde« zählten. Die Ueberraschten hätten sich in höchster Bestürzung erhoben, ihn bestürmt, sie ja nicht zu verraten, und ihm von dem unermeßlichen Schatze sofort Goldmünzen in Höhe von ungefähr 6000 G gegeben, um sein Schweigen zu erkaufen Dann hätten sie ihn in« Vertrauen gezogen und ihm gestanden, daß diese Riesensumme von einem großen Postdiebstahle herrühre, den die Matrosen an Bord de« Schiffes verübt hatten Höllen hätte Schweigen gelobt und da« Schiff seine Fahrt fortgesetzt, ohne daß vorerst der Diebstahl bemerkt worden wäre Doch die drei Uebelthäter hätten sich an Bord nicht sicher gefühlt und beschlossen, bei guter Gelegenheit die ^Hohenzollern" zu verlaffen. Unter den; Vorwande, sie fühlten sich krank, Hütten sich die beiden Diebe noch vor Entdeckung de« Diebstahls in zwei verschiedenen Häfen, wo die „Hohenzollern" anlief, auSgeschifft, und auch Höllen habe unter derselben Ausflucht Gelegenheit gefunden, das Schiff zu verlassen Die aus den Namen Schmeißer lautenden Legitimationspapiere, die man bei ihm vorfand, behauptet er, an Bord deü Dampfers gestohlen zu haben Nach An gabe Hüllens muß der Postdiebstahl sehr bedeutend ge wesen sein. Tas eine Säckchen wurde, wie erwähnt, noch im Besitze des Mannes gesunden, aus dem zweiten hatte er bereits die japanischen Goldmünzen entnommen, um gewechselt und verbraucht Seiner Angabe nach hat sich Höllen in Genua auSgeschifft, ist dann nach Venedig und Triest gereist, hat überall flott gelebt und traf am 2l. Ok tober in Wien ein. Hier wechselte er oft das Hotel und setzte gleichfalls das Leben auf großem Fuße fort, bis die Behörde auf ihn ausmerksam wurde. Hölken wurde dem Landgerichte eingeliesert. Die Polizeibehörde in Bremen haven wurde telegraphisch behufs Prüsung der Angaben Hüllens verständigt. Am l 2. d Nits, erhielt die Wiener Polizeibehörde vom Norddeutschen Lloyd in Bremen die Mitteilung, daß thatsächlich ein großer Postdiebstahl an Bord der „Hohenzollern" verübt worden sei und daß während der Heimreise in einem Hafen drei Matrosen, die wahrscheinlich die Thäter sein dürften, flüchtig geworden seien. Der verhaftete Hölken wird nunmehr nach Durch führung deü AuSlieserungsverfahrenS den deutschen Ge richten ausgeliefert werden * In Bezug auf den gegenwärtig stattfindenden S chach- wettkampf zwischen Lasker und Steinitz wird aus Moskau telegraphisch mitgeteilt, daß Lasker auch die zweite Partie gewann. * Eine neue Bergstraße Wie die „WienerZeitung" mitteilt, ist der St oder Zinken, der häufig mit dem Rigi verglichen wird, seit 23. v. Nits mit ein- oder zwei- spännigen Wagen bis aus den Alpenbodcn zu befahren. Der neuangelegte Weg zweigt 25 Niinuten vom Orte Gröbming von der sogenannten Winlclstraße gegen Nordwest ab und erreicht nach etwa 600 m den Tirnbach- Graben, um entlang dem Bache gleichen Namens am Fuße des mächtig aufsteigenden Zinkens emvorzustrcben In der Höhe von l600 m begannen beim sogenannten Brettstcin-Osen die Felssprengungen Der Weg erreicht nach einigen hundert Metern den „Roth-Ofen", in dessen Nähe die Kamm beginnt An deren Eingänge, von einer mächtigen Buche überschattet, steht eine kleine Hütte, welche bei Unwetter dem Wanderer Schutz bieten soll. Ter Weg durch die Klamm ist 80 m lang In der Höhe von 4200 ni öffnet sich der Blick auf den Koppcnkarstein, die Scheuchenspitze, die Radstätter Tauern und die Salzburger Berge Mit einer Wendung nach Ost führt der Weg an einen anderen schönen Punkt Alan sieht das Gröbming- Thal, umrahmt vom Kamp, Mitterberg und Kulm, im Hintergrund das Ennsthal, einen Teil der Tauern-Kette, zur Linken den Zinken Nach fünf Niinuten ist die Halte stelle „Baracke" erreicht. Ter 'Weg führt oberhalb der Baracke gegen Osten bis dicht an die Wände des Zinkens, wendet sich dann unterhalb der Kaiserwand gegen Westen. Die Köhr, der höchste Punkt des Weges, etwa >900 m über dem Meeresspiegel gelegen, ist mit einer Wegelänge von 6400 in erreicht Von hier aus erblickt man das „tote Gebirge" mit dem Carstein, Loser rc. Von der Köhr ist in einer halben Stunde der Zinken zu erreichen * Ueber geheime Zeichen auf den deutschen Reichspostkarten erzählt ein Fachblatt des graphischen Gewerbes folgendes: Aus vielen Postkarten findet man in der rechten unteren Ecke eine Reihe kleiner Zahlen und Buchstaben, deren Bedeutung nur den Wenigsten bekannt sein dürfte. Liest man z. B. 39 l 8, so heißt das Buchstaben ihrer Manuskripte und Palimpseste. Ein mal freilich war er auch zur Sixtinischen Kapelle ge kommen, jedoch nur bis vor die Thür; er hatte ein paar aus seiner Heimat stammende Damen dorthin begleitet und verabschiedete sich von ihnen mit der Be merkung: da drinnen seien berühmte Bilder von Michel angelo Buonarotti, geb. 147^, gest. 1564, das sei etwas für Frauen. Mit eiserner Gewissenhaftigkeit wies er auch sonst jede Versuchung zum Rasten und Schauen ab. „Ich bin hier, um zu arbeiten, nicht um spazieren zu gehen", pflegte er zu sagen, wenn seine Kollegen ihn zu einem Äusfluge in die Cam pagna oder ins Albanergebirge zu verlocken suchten. Von den Wundern antiker Plastik, den Geistesofsen- barungen der großen italienischen Maler, dem Reize römischer Landschaft oder gar römischer Frauenschön heit blieb seine Seele unberührt; dahingegen geriet er in eine Helle und andauernde Begeisterung, als er eines Tages in einem alten Glossar eine noch seiner Aussage bis dahin unbekannt lateinische Vokabel ent deckt hatte; sie hieß murr», die Mausefalle. Seit diesem Ereignis erhielt er von seinen Freunden den Spitz namen MuS, die Maus, auch Publius Decius Mus oder kurzweg Publius, ein Name, der später von seinen Schülern mit Begeisterung angenommen und pietätvoll erhaltcn wurde, nachdem die Geschichte sogar bis in seine Heimat gedrungen war. So war Publius oder vr. Martin Löwe, ein Mann aus einem Guß, wie leicht es auch der stets slugbereite Witz seiner Kollegen und Schüler hatte, aus seinen Thaten sich unerschöpfliche Nahrung zu saugen. Nach seiner Rückkehr ins Vaterland übernahm er ein Lehramt, nicht so sehr aus innerem Drange, als weil er doch neben der Wissenschaft auch für seines Leibes Nahrung sorgen mußte, und verwaltete dasselbe ohne Leidenschaft und ohne Murren, ruhig, ordentlich, gewissenhaft. Zu dieser Zeit nahm er auch ein Weib. Die Ereignisse der Außenwelt berührten ihn nicht; die Kunde von Krieg und Frieden, Revolution und Reak tion drang kaum wie ein fernes Wehen in den wind stillen Fiieden seiner wissenschaftlichen Klause. Als einst die Schüler seiner Klasse ihm die Alarmnachricht entgegenschrieen: „In Bcrlin ist die Revolution auS- gebrvchen'. Das Volk hat das Zeughaus gestürmt!" da entgegnete er gelassen: „Hat es? . . . Also die Kriegführung der Spartaner war, wie wir in der vorigen Stunde sahen, auch jetzt eine methodische und zögernde . .." und er konnte nicht begreifen, warum die Knaben heute seinem ruhigen Vortrage so wenig Aufmerksamkeit schenkten, da eS doch sonst für sie nichts Fesselndere« gab als daS leidenschaftliche Ringen im Peloponnesischen Kriege. (Fortfrtzung folgt )
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