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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Mittwoch, ii. Januar 1961, 19.30 Uhr SONDERKONZERT zugunsten des Nationalen Aufbauwerkes DIRIGENT Siegfried Geißler SOLIST Siegfried Stoekigt, Berlin Ludwig van Beethoven 1770—1827 Ouvertüre „Leonore“ Nr. 3, op. 72 a Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur, op. 73 Allegro Adagio un poco mosso (attacca) Rondo — Allegro PAUSE Sinfonie Nr. 3 F-Dur, op. 90 Allegro con brio Andante Poco Allegretto Allegro Johannes Brahms 1833—1897 EINFÜHRUNG Die Leonor en-Ouvertüre Nr. 3, op. 72, hat Beethoven im Jahre 1806 verfaßt, sie war für die zweite Bearbeitung der Oper „Fidelio“ (die bekanntlich bei ihrer Urauf führung durchfiel!) gedacht. Sie unterscheidet sich wenig von der so oft gespielten Nr. 2, sie benutzt dasselbe thematische Material, sie spricht denselben Ideengehalt aus wie ihre große Schwester Nr. 2 und ist ebenso wie diese ein Musikdrama im kleinen. Sie steht etwas im Schatten ihrer berühmteren Schwester g aber es gibt keinen Grund, sie geringer zu achten als die andere Ouvertüre. Romain Rolland weist in einer Analyse nach, worin die Unterschiede zwischen den beiden Leonoren- Ouvertüren Nr. 2 und Nr. 3 bestehen. Es sind nur Unterschiede formaler Art, die er nennt. Lassen wir ihn selbst sprechen: „In der Ouvertüre Nr. 3 ist der Grundriß reinlicher gezogen, das Gleichgewicht der Massen streng gewahrt, die Reprise wieder aufgenommen und das Ganze von der Vorherrschaft des poetischen Gedankens befreit, der in der zweiten die Zügel der Musik geführt hatte. Damit war die klassische Sonatenform wiederhergestellt, aber in einer Straffheit und königlichen Fülle, wie nur Beethoven sie wiederherstellen konnte. Wer dächte nicht an das große Crescendo zum Schluß, das wie ein Bergstrom, vom Gewitterregen geschwellt, zu Tal stürzt und das ganze Gefilde überschwemmt! Und nun mag unter den beiden Meister werken aus wählen wer will!“ Das fünfte Klavierkonzert in Es-Dur, op. 73, aus dem Jahre 1809, kann mit Fug und Recht eine Sinfonie mit Soloklavier genannt werden. Das Orchester begleitet nicht mehr nur das Soloinstrument, wie es bisher Brauch war, sondern beteiligt sich am Aufbau des gesamten Werkes und an der Verarbeitung des thematischen Mate rials. In diesem Konzert ist das besonders deutlich. Nach der gleichsam improvi sierenden und präludierenden Einleitung setzt ein sinfonischer Satz ein, der scheinbar zunächst ohne solistische Mitwirkung auszukommen versucht und auch auskommt. Hundert Takte lang hört man absolutes sinfonisches Geschehen, erlebt man reine sinfonische Formgesetzlichkeit mit den beiden Themen in ihrer Durchführung. Das ganze Werk hindurch spürt man Beethovens großen Atem, das titanische Ele ment seines Wesens, das schwer um die Ausgewogenheit von Geist und Gefühl ringt, um das Gleichgewicht von Form und Inhalt, die ihm seiner Veranlagung nach gar nicht liegt. Nach dem Einsetzen des Soloklaviers beginnt in dem wahrhaft großen ersten Satz eine schwerwiegende, tiefschürfende Auseinandersetzung, die einer Dis kussion um weltanschauliche Fragen unter bedeutenden Geistern ähnelt. Es ist kein Wunder, daß man dieses Konzert als den Gipfel der gesamten Konzertliteratur ansieht, weil sich jedem, der es hört, die geistige Größe aufzwingt. Der zweite Satz ist in seiner zarten Tönung und Färbung ein starker Gegensatz zu dem vorhergehenden Aufeinanderprall von Thesen und Antithesen, aber auch er hält die geistige Flöhe. Nicht einmal im Schlußrondo läßt Beethovens Spannkraft nach. Er hat den Kehrauscharakter früherer Rondos überwunden und stellt — sein Streben nach klassischem Gleichgewicht führt ihn dahin — dem gedanklich schwer ringenden ersten Satz einen geistvollen, sprühenden, in gelöstere Regionen vor stoß enden Schlußsatz gegenüber, der aber durch die Beethovenschen Errungen schaften in der Kunst der motivischen Behandlung sein Gewicht hat. Beethoven hat dieses Werk selbst nicht mehr gespielt. Es ist eines jener Werke von ihm, die ein damaliger französischer Redakteur (Paris 1810) folgendermaßen beschreibt: „Der