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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE -MUSEU M Sonnabend, 25. März 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 26. März 1961, i9.jöUhr 12. Außerordentliches Konzert G A S T D I R I G E N T Odissej Dimitriadi, Tbilissi Hector Berlioz 1803 — 1869 Phantastische Sinfonie, op. 14 Largo-allegro agitato e appassionata assai (Träumereien, Leidenschaften) Valse-allegro non troppo (Ein Ball) ‘ Adagio (Auf dem Lande) Allegretto non troppo (Gang zum Hochgericht) Larghctto-allegro (Hexensabbat) PAUSE Nikolai Rimski-Korsakow 1844 — 1908 Scheherazade (Sinfonische Suite nach Tausendundeine Nacht), op. 35 Largo e macstoso-allegro non troppo Andantino-vivace scherzando Andantino quasi allegretto Allegro molto Z U R EIN FÜH RUNG Odissej Dimitriadi „Die Haupteigenschaften meiner Musik sind leidenschaftlicher Ausdruck, innere Glut, rhythmischer Schwung und überraschende Wendungen“, schrieb Hector Berlioz, der große französische Komponist, glänzende Instrumentator, eigentliche Begründer der Programmusik und Schöpfer der sinfonischen Dichtung, in seinen Lcbcnscrinnerungen. Berlioz’ Musik, die Frucht eines genialen Musikers, aber auch eines von außergewöhn licher Überanstrengung gekennzeichneten schweren Lebens, spiegelt die gesellschaftliche und geistige Widersprüchlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider, ins besondere die typischen Wesenszüge der Menschen jener Epoche. Ausgehend von Beethovens Pastoral-Sinfonie, in welcher der Wiener Klassiker bekanntlich „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“ verlangt hatte, machte der französische Meister die Musik zum Ausdrucksträger seiner dichterisch-programmatischen Vorstellungen. Dabei erschloß er dieser Kunst einen völlig neuen Gcfühlsgehalt, eine faszinierende Bildhaftigkeit, die ihn zum „realistischen Romantiker“ werden ließ. Obwohl der Komponist die auf brechende Leidenschaftlichkeit des französischen Menschen des romantischen Zeitalters in seiner Musik gestaltete, dem typisch romantischen Ichkult in der Kunst, den schrof fen Stimmungsgegensätzen, die jene Zeit liebte, huldigte, wurde Berlioz’ Schaffen von seinen Zeitgenossen zwiespältig aufgenommen. Während der große Geiger Joseph Joachim sich von seiner Musik „in zunehmendem Maße abgestoßen“ fühlte, behauptete der Opernkomponist Adolphe Adam „Er ist alles, was man will . . ., aber ein Musiker ist er nie und nimmer“. Heinrich Heine empfand Berlioz’ Musik als „urweltlich, vor sintflutlich“, als einen Koloß „aufgetürmter Unmöglichkeiten“. Andererseits erkannten Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy die vorwärtsweisende Kraft seiner Kunst, und Franz Liszts eigenes Schaffen verdankte dem Franzosen größte Anregungen. Felix Weingartner, der sich später intensiv für Berlioz’ Werke cinsetzte, erklärte den Komponisten ohne Umschweife zum „originellsten Musiker, der je gelebt hat“. Berlioz besaß einen einmaligen Klangsinn. Durch Steigerung der Ausdrucksmittel und des Umfanges des Orchesterapparates erzielte er phantastisch-ungewöhnliche, neuartige Klangwirkungen. Das Orchester wurde bei ihm zu einem Instrument, mit dem er virtuose und Klangfarbcn-„Sensationen“ hcrvorbrachtc. Manchmal entsteht sogar der Eindruck, daß die musikalische Erfindung bei Berlioz durch eine „instrumentatorische“ ersetzt wurde. Neben der großen Anregerrolle, die Hector Berlioz namentlich für Musi ker wie Liszt, Wagner und Richard Strauß, als Schöpfer des modernen Orchesters und glänzender Klangzauberer, spielte, darf man jedoch in dem Meister getrost einen der ganz großen französischen Komponisten sehen. Sein populärstes Werk ist fraglos die „Phantastische Sinfonie“, op. 14, die am 5. Dezem ber 1830 in Paris von dem Dirigenten Francois Habeneck ungemein erfolgreich urauf geführt wurde. Selten hat eine Komposition die musikalische Entwicklung derart beeindruckt wie dieses Werk, das für die französische Sinfonik ebenso wie für die musikalische Romantik in anderen europäischen Ländern richtungweisend wirkte. Berlioz hat in der „Phantastischen Sinfonie“ subjektive, seelisch-intime Empfindungen und Träume dargcstellt, deren autobiographischen Charakter schon der Untertitel „Episoden aus dem Leben eines Künstlers“ andeutet. Die fünfsätzige Sinfonie, die nicht mehr dem klassischen Formprinzip folgt, wird - wie es in der sinfonischen Dichtung und bei Wagner später die Regel ist - von einem in verschiedenen Abwandlungen erklingenden Leitthema beherrscht, das der Komponist „l’idee fixe“ nannte. Dieses kühne, bahn brechende Werk, das ein imposantes Aufgebot an instrumentalen Mitteln fordert, ver dankt seine Entstehung der unglücklichen Liebe des Komponisten zu der irischen Schau spielerin Harriet Smithson, die den leidenschaftlichen jungen Künstler zu heiraten versprach, ihn aber bitter enttäuschte und sich „seiner unwert“ zeigte. Das Hauptthema der „Phantastischen Sinfonie“, die leitmotivische „idee fixe“, charakterisiert die Geliebte und erscheint daher in allen fünf Sätzen dieses „Drame instrumental“, dieses musika lischen Romans mit allen Hoffnungen, Träumen und Verzweiflungen eines unglücklichen Liebhabers. Berlioz gab dem Werk ein ausführliches Programm mit und wünschte, daß der Hörer dieses mit der Musik zusammen auf sich wirken lasse: 1. Satz: (Träumereien,