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Mozart-Bruckner-Zyklus, 9. Abend Etwa von der Mitte des 18. Jahrhunderts an nehmen in Wien die Freimaurerorden, die einen Kampf gegen das Mönchtum, Aberglauben und Vorurteile aller Art be gannen, gefördert durch die Toleranzbestrebungen Josephs II., einen großen Auf schwung. Über die Gründe, die Mozart im Jahre 1785 veranlaßten, in die Loge „zur gekrönten Hoffnung im Orient in Wien“ einzutreten, lesen wir bei Hermann Abert: „Wir kennen Mozarts Bedürfnis nach Freundschaft und sein Humanitätsideal als die Grundlagen seiner Sittlichkeit. Ergriffen von dem allgemeinen Drange jener Zeit, den Glauben vom äußerlichen Gottesdienst zu lösen, das Verhältnis zum Nächsten, zum Menschenbruder aus den Fesseln des Herkömmlichen zu befreien, fand Mozart in den Reihen der Logenbrüder die Mehrzahl der gebildeten Männer wieder, denen er auch in der Gesellschaft auf Schritt und Tritt begegnete; mit ihnen sich zur Lösung der höchsten Fragen zu vereinen, seine Hilfsbereitschaft zu betätigen und seinem Freundschaftsbedürfnis zu genügen, schien ihm besonders erstrebenswert.“ Da die Musik bei den Versammlungen der Freimaurer eine große Rolle spielte, schrieb Mozart eine Anzahl von Kompositionen für bestimmte Veranstaltungen, hauptsächlich für Männerstimmen, aber auch Chorkantaten, eine davon nach einem Texte von Schikaneder, dem Verfasser des Librettos zur „Zauberflöte“.— Obgleich Mozart bis zu seinem Tode den Ideen der Freimaurer anhing und ihnen in seiner „Zauberflöte“ die höchste künstlerische Aussage verlieh, hat doch keiner der zahl reichen, durchaus begüterten Logenbrüder, wie z. B. der Baron van Swieten, 1791 das unwürdige Armenbegräbnis des Meisters verhindert. Auch die in der Loge nach Mozarts Hinscheiden gehaltene Trauerrede bezeugt zwar das Ansehen, das er in diesem Kreise genoß, die schönen Worte vermögen jedoch nicht darüber hinweg zutäuschen, daß die Verwirklichung der von den Freimaurern verkündeten hohen Ziele in der Praxis nur selten geschah. Die am 10. November 1785 entstandene „Maurerische Trauermusik“ (KV 477) ist das bedeutendste der freimaurerischen Werke Mozarts. Er schrieb sie zur Todesfeier für zwei hochstehende Brüder, den Herzog Friedrich von Mecklenburg-Schwerin und den Grafen Esterhazy. In dem ausdrucksstarken Adagio, dem Bußpsalmen zugrunde liegen, tritt zu den Streichern mit Cellobaß ein reicher Bläserchor von Oboen, Klarinetten, Hörnern, 3 Bassetthörnern (tiefe Klarinetten) und Kontrafagott hinzu. Im Herbst des Jahres 1884, kurz nach seinem in aller Stille verlebten 60. Geburts tage, begann Anton Bruckner mit den Entwürfen zu seiner VIII. Sinfonie, deren Niederschrift am 10. August 1887 abgeschlossen wurde. In drei Jahren schuf Anton Bruckner mit diesen abendfüllenden vier Sätzen die letzte Sinfonie, die er vollenden sollte. Er gibt in ihr „eine apokalyptische Schau über dunkle und taghelle Lebens kräfte. Eine unerschöpfliche Fülle todes- und lebensnaher Bilder wird gesichtet. Klangpracht und satztechnische Freiheit greifen wie bei Beethovens Altersstil ins Ungemessene. Eine schier faustische Gesinnung vermag alle Einzelheiteh des weit gespannten Weltbildes zu bezwingen.“ (Robert Haas.) Schattenhaft, von Pausen durchbrochen, steigen die Anläufe des 1.Themas, das erst am Ende seines 21 Takte langen Atems die Haupttonart c-Moll findet, herauf. Ihm antworten zunächst nur matte Seufzer der Oboen und Klarinetten. In voller Gestalt, von Bässen, Kontrabaßtuba, Hörnern und schneidenden Trompetentönen getragen, kündet es unerbittlich von der Unentrinnbarkeit des Todes. Breit und ausdrucksvoll schreitet in ruhigen Vierteltriolen das tröstende Gesangs thema dahin. Zusammen mit dem aus Elementen beider Themen gebildeten, von Oboen und Hörnern umspielten 3.Thema steigert es sich zu Klängen immer stär-