Menschliches Ringen, Ringen um die letzte sinfonische Formung: Im Haupt thema — nach einer feierlichen, mit einem Orgelpunkt beginnenden Einleitung gewaltig von acht Hörnern zitiert — spüren wir das Unerbittliche, Schicksal hafte, das sich dem Menschen entgegentürmt. Kontrastierend dazu folgt das innige Gosangsthema, dem sich — typisch für die Brucknersche Sinfonie form — noch ein dritter Themenkomplex (man spricht auch von einem Themenfächer!) anschließt, im Einklang die Grundtonart d-Moll bestätigend. Riesenhaft in ihren Ausmaßen erscheint die Durchführung. Bewundernswert Jie meisterhaft kontrapunktische Verflechtung aller Motive und Themen, i, ich einmal eine Rückerinnerung an die Einleitung, und der Bogen des Anfangssatzes ist geschlossen. Wie in der „Achten“ steht auch hier das Scherzo an zweiter Stelle, ein not wendiger Gegensatz zur geballten Düsternis des ersten Satzes. Ein pochendes Grundmotiv durchzieht das Scherzo, aus dem verminderten Septakkord löst sich das eigentliche Thema. Bruckner hat kaum jemals eine kühnere Musik geschrieben als in diesem Satz. Man hat einmal vom „grausamsten und unheimlichsten Scherzo“ gesprochen, das die sinfonische Literatur aufzu weisen hat. „Abschied“ müßte über dem letzten Satz stehen, der langsam und feierlich anhebt: Seltsam sehnsüchtig mit dem Sprung zur kleinen None, fragend, bittend, sich aufschwingend in ein helles, trompetenglänzendes D-Dur, — Worte können nur schwer diese Musik erklären. Hier gilt es nur zu hören, mitzufühlen, nachzuempfinden. Hörner und Tuben stimmen eine choralartige Weise an. Wieder greift der Meister auf die vorangegangenen Sätze zurück, und auch aus früheren Sinfonien sind Anklänge vorhanden. Das Adagio der „Neunten“ ist ein Finalsatz in jeder Beziehung. Wenn es so etwas wie eine unsinnliche, nicht zu begreifende und überirdische Schönheit geben sollte, als ihre reinste Verkörperung müßten wir dieses Brucknersche Abschiods-Adagio bezeichnen.