Volltext Seite (XML)
allss gut. Ach, ich hab' es doch g«- die alte Frau legte ihre dünnen Arme Tisch, bettete ihren Kopf darauf und Es war das Ende einer langen Qual, macht«. Das war das erstemal, seit sitz sich erinnerte. „Beinahe wäre es zu spät gewesen", sagte „Nein, nein", wehrte sie und führte ihn in Er setzte sich schnell an den Tisch. Es war, er Besitz von allem, was er lang entbehrte. „Latz gut sein, Mutter", sagte der Sohn, der ein Mann geworden war, und er legte ihr die Hand zärtlich ver halten auf die Schulter. ' Druck und Verlag: Wochenblatt fttr Zschopau und Umgegend: Richard Voigtländer in Zschopau Schriftleitung: Margarete Voigtländer in Zschopau. „Morgen", sagte die Mutter zögernd, „morgen muht du gleich aufs Amt." Er antwortete: „Ich bin schon dagewessn, Mutter." „Ia?" Er nickte. „Dann ist ja wuht..." Und §uer über den weinte lautlos, das sie weinen er. die Stube, als nehme We MW Skizze von Karl Bahnmüller. Es war Feierabend, aber Frau Gurre hatte noch zu fegen; die Reche war an ihr. Die andern huschten zu den Waschräumen hinüber, und ihr schlug der flockige Staub, der in kleinen Wölkchen hinter ihrem Besen aufstieg, ins feuchte Gesicht. Als sie dann ihre schwarze Tasche gepackt und.den Schlüssel im Kontor abgegeben hatte, war es draußen beinahe dunkel; sitz ging nun mit eifrigen Schrit ten der Stadt entgegen, dis von- der sinkenden Rächt schon halb verhüllt war. Bald schob sich ditz gealterte Frau nur langsam vorwärts, weil ihre Füße schmerzten vom vielen Stehen. Sitz gönnte sich aber keine Rast, wiewohl sie von niemanden erwartet wurde, daheim in der Stube.., Kein Mann, kein Kind, nichts und niemand sagt«: Wo sie nur bleibt heute? Schon vor etlichen Iah- ren war ihr der Mann gestorben, er war viel zu früh gegangen. Und die Kinder? Ach die... Als sie in ihre Straß« einbog, sah sitz es gleich: Da vor dem Haus unter der Laterne verweilten einige junge Leuttzi Sie lehnten an der Wand, hatten die Hände in den Taschen, und Frau Gurre ging ein Stich durch die Brust. Vielleicht ist mein Fritz nun doch gekommen, dachte sie ttnd schritt schneller voran. Ihr Gruß kam viel zu hastig heraus. Atemlos lauschend blieb sie stehen. „,..n Abend", hieß die Antwort, und einer nahm die Zigarette aus dem Mund, aber weiter war nichts. Die Haustür stand weit auf, Frau Gurre schlurrte über die Schwelle, übet die knarrende Stiege, wo es sin- ster wat, Und unterwegs zog sie den Schlüssel aus der Tasche. Dann, als sie die Tür hinter sich schließen wollte, glaubte sie etwas unter ihren Schuhen zu spüren. Ein Brief? Dabei wußte sie nicht einmal, wo sie die Streich hölzer hingelegt hatte. Es war viel zu dunkel, um ohne Licht etwas zu finden. Sie tastete sich in die Küche, griff über den Herd, und als dann endlich die kleine, gelbe Flamme aufzischte, da zeigte es sich, daß sie sich diesmal nicht getäuscht hatte. Das Streichholz erlosch Unterdes, und eine Weile stand sie wie gelähmt auf dem Flur. Richt lange aber, und sie zündete mit zitternden Fin gern die Lamp« an. Der Brief kam aus einem andern Land. „....und du, liebe Mutter", stand darin zu lesen, „darfst mir glauben, daß ich jetzt zu mir selber ge kommen bin. Cs war eine Dummheit, so davonzulau fen ..." Sie nickte, ein befreites Lächeln huschte über ihr Ge sicht, und in ihren Augen gingen kleine Lichter an. Eine Weile später tappte sie in ihren Pantoffeln die Treppe hinab und klopfte bei der alten Marie Kimmich, die auch allein war. „Komm' ich nicht ungelegen?" „Aber woher denn..." Es gab hier noch immer' eine Sosaecke und auch einen Schluck Kaffee oder'das, was die Rachbarist so nannte, obschon von Kaffee nicht viel die Rede sein konnte. Frau Gurre konnte nicht lang« an sich alten. „Er hat geschrieben", sagte sitz und schwenkte den Brief, „er hat endlich geschrieben. Was sagen Sie nun? Hab' ich es nicht immer gesagt?" Die andere wußte gleich, von wem di« Rede war. „So..." meinte sie, „es ist also so weit. Ia und?" „Wie ich Ihnen schon zehnmal gesagt hab', der Iung hat nichts mit Ler Sache zu tun," „Hat man denn den Täter tzesunden?" „Ich weiß nicht. Davon schreibt der Iunge nichts, aber er ist es nicht gewesen, «r schreibt..." „Das mag ja sein, aber wenn sich einer nicht stellt?" — „Jeden, Sie und mich Und wen nicht alles, di« tzhrsn- wertesten Leute, kann mal ein falscher Verdacht treffen. Daß der Iunge, als sie nach ihm suchten, gleich den Kopf verlor und davonlief, das war eine Dummheit..." „Ia, ja..." antwortete die alte Kimmich und' macht« ein zweifelndes Gesicht — trotz allem, „aber warum kommt er denn nicht?" Frau Gurre war auf einmal müde und nippte an ihrer Tasse, die fast leer war. Bitter schmeckte der Bodensatz. Bald danach erhob sie sich, kehrte in ihre Wohnung zUrück und in der Leere hallten ihre Schritte. Bis in die Mor gendämmerung hinein lag sie schlaflos. Weiterhin floß ihr Leben nach der hergebrachten Weise, sie arbeitete in der Spinnerei, und an den Abenden sah sie am Fenster, hatte die Arme auf das Brett gelegt und starrte ins Dunkel hinaus. Eine Woge von sommer bunten Gerüchen schwamm durch die schwarze Straße. Die Sterne rankten sich wie leuchtende Blüten über den Himmel, und in der Tiefe schüttete dte einsame Laterne ihr grünliches Licht auf das Pflaster. Lange ehe dis nächtlich Streifenden auftauchten, wurden sie von ihren klappernden Schritten verraten. Im Lichtkreis zeigte es sich dann, wer dakam. So oft waren es jung« Burschen doch er, den sie erwartete, der kam nicht. Manchmal wanderte sie ruhelos in ihrer Wohnung um her. Ihre Beine schmerzten unerträglich, doch sie hörte nicht a uf. Bald war sie in der Küche, bald blickte fitz in die Kammer, wo des Iungen Bett stand. Es war alles bereit für ihn. Dann, eines Abends, als der Himmel erlosch und weiß wurde, klopfte es an ihrer Tür. Angläubig und doch mit einer fliegenden Hast schleppte sie sich auf den Flur, drehte am Schlüssel, ein Lichtstrahl fiel hinaus — und er war es, wahrhaftig, er war es. Tief aus der Kehle kratzte er feisten Gruß. Langsam trat er auf sie zu. Die Lampe schwankte in ihren Händen. „Da bist du ja..." Ihrs Stimme hatte einen zitternden Klang. So all und gebrechlich stand sitz vor ihm. Sie glich den Zweigen, den kleinen, verdorrten, die der näsle Wind brechen wird und abwerfen auf die Erde. Er nahm ihr die Lampe aus der Hand, stellte sie auf den Boden und küßte seine Mutter sanft auf ditz zerfurchte Wange. ist, fährt 'meine Lochter mit nach München. Alles was hier in Paßfurt zu regeln ist, das regle ich." -O bitte ja, wenn Sie das tun wollten!" Frau von Kießling nahm daS Gesicht der schluchzenden Frau behutsam an die Brust und streichelte die nassen Wangen herab. „Wir sind so machtlos, liebe Frau Amt mann, und jeden von uns trifft einmal ein solcher Schlag. Man kann sich ihm nur beugen und Gott bitten: „Latz mir wenigstens noch eines, an das ich mich halten ' und klammern kann!" , ! „Mein Aniol" wimmerte die Frau und umschlang , Doridls Mutter, „Nun hat er nur noch, mich!" tJonlevung folg»., VH