Antonin Dvorak (1841-1904) Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 95 »Aus der Neuen Welt« Mit der 5. Sinfonie -die bei richtiger Zählung eigentlich seine neunte ist- ist dem großen tschechischen Meister ein wahrhaft volkstümlicher Wurf gelungen. Als Hul digung an Amerika, wo er einige Jahre lebte, nimmt dieses Werk melodische Ele mente aus dem Indianischen auf, verarbeitet rhythmische Impulse aus Negerweisen und spiegelt das amerikanische Leben vor der Jahrhundertwende wider. Aber es ist noch mehr in dieser Sinfonie enthalten. Niemals in diesen Jahren, da er Direktor eines amerikanischen Konservatoriums war, hat Dvoräk seine tschechische Heimat vergessen, niemals hat er sein Heimweh ganz besänftigen können. Und gerade in dieses Werk ist seine Sehnsucht hineingeflossen. Vielleicht liegt in diesen beiden Eigenschaften, in der Darstellung der Kraftfülle eines jungen Kontinents und im Ausdruck wehmütigen Heimwehs nach der alten Heimat, das Geheimnis der großen Wirkung dieser Sinfonie begründet. Der Bereich des menschlichen Gehaltes dieses Werkes ist dadurch so groß und umfangreich geworden. Die Alte und die Neue Welt konnte an diesem Werke außerdem noch eine unerhörte formale Könnerschaft Dvoräks bewundern. Man vermutet gerade bei ihm, dem Vollblutmusikanten, daß ihm formale Belange nicht so wichtig waren. Und doch ist alles da: die zwei The men des ersten Satjes und ihre Durchführung, die dreiteilige Liedform des zweiten Saßes mit der wundersamen Melodie des Englischhorns, das kapriziöse Scherzo und das gewichtige Finale, das in der Form des Rondos mit sehr melodischen Zwischen spielen niedergeschrieben ist. Gekrönt wird dieses Werk, das so glüddich Inhalt und Form in einem Ausgleich bringt, von der Tatsache, daß alles klingt. Es klingt alles so schön, so hinreißend, so sinnlich, daß man diese Seite der Könnerschaft Dvoräks nicht mehr überhören kann, ja. daß man sie als vorbildlich und nachah menswert hinstellen muß. Daß die Sinfonie »Aus der Neuen Welt« ein Meister werk ist, empfanden die Neue und die Alte Welt und dankten es Dvorak dadurch, daß sie dieses Werk zu ihrem Liebling erklärten. Das gilt auch heute nodi und ehrt beide: den Komponisten wie den Hörer.