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Dresdner Journal : 23.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189612234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961223
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-23
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 23.12.1896
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Örtliches. TrtSdeu, 23. Dezember. * In der Dezembersitzung des Deutschen Sprach vereins wurden zunächst elf neue Mitglieder ausgenommen Alsdann wurde beraten über eine Anfrage, ob man Sym phonie nach griechischer oder Sinfonie nach italienischer Schreibweise zu schreiben habe Letztere Schreibweise ent springt dem Bestreben, die Fremdwörter einzudeutschen, wie man Fantasie statt Phantasie, Neuyork statt Newyork, Neuorlins statt New Orleans, Tschechen und Tschernowltz statt Czechen und Czernowitz, Dscheipur statt Jeypore rc. schreibt. In diesem Sinne entschieden sich fast sämtliche Herren, die an der Besprechung der Frage teilnahmen' für die griechische Schreibweise Symphonie sprach sich überhaupt niemand aus; nur für Simsonie erhob sich eine Stimme, weil man gemeinhin meist statt nf: mf ausspreche: Fümf statt Fünf, Sems statt Senf, Hämfling statt Hänfling (m vor s ist bequemer auszusprechen als n, weil m mit geschlossenen Lippen ausgesprochen wird und man zum Übergange nach f nur die Unterlippe ein wenig rückwärts unter die obere Zahnreihe zu ziehen braucht; dagegen erfordert der Übergang von dem Nasenlaut n, bei dem der Verschluß zwischen Zunge und oberer Zahn- eihe hergestellt ist, zu dein Reibelaut f sowohl Lippen- alS Zungenbeweaungen, also mehr Anstrengung; daher die Vorliebe für mf). — Weiter wurde beraten über die Ziele und die Thätigkeit des Deutschen Sprachvereins. Direktor Klemich sprach sich, wie schon früher, für eine volkstümliche Gestaltung der Vereinsthätigkeit auS, welche jetzt einen zunftgelehrten Anstrich habe; man solle weitere Kreise heranzuziehen und auf weitere Kreise einzuwirken suchen; namentlich biete dann auch der Ankündigungsteil der Zeitungen ein weites Feld zu bessernder Thätigkeit dar Für volkstümliche Thätigkeit sprachen sich auch die übrigen Redner aus; doch wurden folgende Bedenken geltend ge macht. Zur Beschäftigung mit sprachlichen Dingen gehört eme gewisse sprachliche Bildung; der gewöhnliche Mann weiß nichts von Fremdwörtern („Warum schreiben Sie denn immer „ü Stück 1 M " und sagen nicht gut deutsch „das Stück 1 M.?" — „Nun, ä ist doch em ganz gutes deutsches Wort"). Die Beseitigung unnützer Fremdwörter ist aber das Hauptziel deS Deutschen Sprachvereins. Wissen schaftliche und volkstümliche Thätigkeit müssen im Sprach verein nebeneinander hergehen, einander anregen und be fruchten. Das Zunftgelehrtentum ist dabei gar nicht zu entbehren, denn zur Entscheidung von sprachlichen Fragen gehört unbedingt auch sprachgeschichtliches Wissen, und die unentbehrlichen Vorträge werden der großen Mehrzahl nach nur von diesen gehalten Will man auf breitere Massen einwirkcn, so stehen vor allen Dingen drei Wege offen: die Schule, die Gesetzgebung und die Presse. In Bezug auf die Schule verlangte zunächst ein Redner, daß nur deutsche grammatische Ausdrücke angewendet würden. Leider sind viele Philologen für diese Forderung ganz unzugänglich. Ein schwerer Fehler bei den Verdeutschungen ist, daß man stets verlangt, das deutsche Wort solle den Begriff vollständig decken, während die Fremdwörter oft ganz nichtssagend, völlig abgegriffene Münzen ohne erkenn bare Prägung sind, ohne daß man sich daran stößt. Sodann wurde mit den Waffen aus Mommsens „Rüstkammer" der Schönredner und Phrasenheld Cicero angegriffen, der ganz ungenügend sei, Charaktere zu bilden, Vaterlandsliebe zu er wecken und den Sinn für guten deutschen Stil zu wecken, dessen hohle, phrasenhafte Reden und Schriften aber doch einen großen Teil der kostbaren Zeit der deutschen Jugend ausfüllen müssen. Anstatt Cicero müßten Teile aus den Schriften von Bismarck, Treitschke, Droysen u a. deutschen Männern gelesen werden. "Namentlich Treitschke gehöre zu den besten Deutschschreibern und habe nicht seinesgleichen an Schön heit und Vornehmheit. Cicero aber müsse auS den deut schen Schulen verbannt werden. — Demgegenüber wurde zunächst aus das Verdeutschung-Wörterbuch veS Deutschen Sprachvereins für die Schule hingewiesen, dessen deutsche Ausdrücke für grammatische Begriffe freilich von dritter Seite als ungenügend bezeichnet wurden Cicero wurde wenigstens in der Richtung in Schutz genommen, daß er nicht den deutschen Stil der Gymnasiasten veroerbc; die Zeiten seien vorüber, wo man bemüht gewesen sei, Ciceros Perioden wortgetreu in gleich langen und allerdings ganz undeutschen Sätzen wiederzugeben. Weiter wurde die Gesetz gebung besprochen. Zunächst wurde das neue deutsche bürgerliche Gesetzbuch als ein Muster von Schönheit und Reinheit der Sprache bezeichnet Etwas ähnlich Gutes haben wir von dem neuen Handelsgesetzbuch zu erwarten. Bekannt sind die trefflichen Uebersetzungen auf dem Gebiete des Post- und Eisenbahnwesens Dem wurde entgegen gehalten, daß auch da» neue Bürgerliche Gesetzbuch noch Mängel habe; ganz besonders die Sprache der sog Motive sei „grauenhaft", und gemeinverständlich sei es nicht allenthalben. Dieser Ansicht hat auch im Deutschen Reichstage am 16. Dezember der Abgeordnete vr v Buchka Ausdruck gegeben, indem er u. a. sagte: „M H-, es ist schade, daß die Höhe, auf welcher die neuere deutsche Gesetzgebung einsetzte inbezug auf die Gemein verständlichkeit und Klarheit der Sprache, wie wir sie im Handelsgesetzbuch und vorher schon in der Wechselord nung haben, nachher in keinem der neueren Reich-gesetze wieder erreicht ist, selbst nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch; vielmehr sind in den siebziger und achtziger Jahren Reichs gesetze erlassen worden, die außerordentlich schwer geschrieben und zu verstehen sind." Weiter tadelt v. Buchka den so schwer zu verstehenden Text des Gesetzentwurfs, betr. die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung. Trotzdem ist es immerhin ersreulich, daß es jetzt wenigstens auch im Reichstage Männer mit regem Gewiffen für Reinheit und Klarheit der deutschen Sprache giebt — Wa» endlich die Presse angeht, so wurde betont, daß e« empfehlenswert Lukanow standen, muß noch aufgeklärt werden; e« scheint, daß auch hier eine gewisse Abhängigkeit vorhanden war. Stambulow« Verdacht bewegte sich auf derselben Linie, wie seiner Zeit der Anklageakt ne« Staatsanwalt« Stambu- low sügt noch hinzu, daß Natschewitsch, der früher« Minister und jetzige Bürgermeister von Sofia, mit Tüfektschiew gemeinsam gearbeitet, daß Petrow, der jüngst entlassene KriegSminister, um den Anschlag gewußt habe re. Zeugenaussagen giebt der Brief nur in Bezug auf Natschewitsch; das andere war freilich StambulowS feste Überzeugung, die sich auf sehr naheliegende Kom binationen stützte; Andeutungen, wo ein Beweis zu suchen wäre, giebt der Brief nicht. Stambulow und Natschewitsch waren die erbittertsten persönlichen Feinde; sie hielten sich gegenseitig zu allem fähig und verbreiteten diese Auf fassung voneinander sehr eifrig über das Entstehen der vielfach laut gewordenen Behauptung, Fürst Ferdinand habe von den gegen Stambulow geplanten Anschlägen Kenntnis gehabt, was Stambulow sich nicht scheute aus zusprechen, wird die Gerichtsverhandlung wohl kein Licht verbreiten. Im ganzen ist die Aufzeichnung StambulowS ein höchst bemerkenswerter Beleg für die Seelenstimmung dieses merkwürdigen Manne«, für die Abgründe von Haß, die zwischen den bulgarischen Politikern klaffen. Mag StambulowS Schuldbuch auch recht dunkle Seiten gehabt haben, seinem Lande hat er große Dienste erwiesen, und den an ihm verübten schnöden Mord nahm die öffentliche Meinung als einen Faustschlag in das Gesicht Europa« aus sei, gegenüber den mannigfachen fehlerhaften Ankündigungen Musteranzeigen zu veröffentlichen Beschlossen wurde, wieder einen Ausschuß einzusetzen, der auf Fehler in den Ankündigungen brieflich aufmerksam machen soll Eine Einwirkung durch die Geschäftsstellen der Zeitungen ist nicht angängig, da die meisten Leute darauf bestehen, daß die Ankündigungen mit den von ihnen beliebten Fehlern abgedruckt werden und bei Änderungen unentgeltlichen Neudruck verlangen (erzählt wurde z B rin Fall, wobei ein Ankündigender sich auf Zureden verstanden hatte, da» fehlerhafte Versandt in Versand zu ändern, später aber zu Versandt zurückgekehrt ist). Von Einzelheiten der Er örterung sei noch erwähnt, daß das Rundschreiben einer hiesigen Firma, betr ein Werk über den deutsch-österreichischen Distanzritt Berlin-Wien, wegen der zahlreichen Fremdwörter starken Tadel fand. Die getadelte Ausdrucksweise „die Firma Müller lautet fortan Schulze" wurde für richtig erklärt, denn Firma bedeute „Name des Geschäft»". Ein Wechsel des Versammlungsraumes wurde abgelehnt. Es soll versucht werden, Wanderredner zu Vorträgen in anderen Vereinen zu beschaffen. Vermischtes. * Der letzte Brief. Wie schwer da« Wetter zur Zeit der Katastrophe des Dampfers „Salier" war und wie das Schiff schon bis Corunna gegen Stürme anzukämpfen hatte, geht auS einem Briefe hervor, den ein Mann der Besatzung am 6. Dezember um 5 Ühr nach mittags, vor der Ankunft in Corunna, in der Bai von Biscaya geschrieben hat Es heißt in diesem: ,Lur Stunde, da ich dieses schreibe, befinden wir uns mitten in der Bai von Biscaya, einem der furchtbarsten Gewässer für den Seemann. Unter guten Verhältnissen hätten wir gestern abend schon in Corunna sein müssen, aber die Rechnung ist mal wieder ohne den Wirt gemacht. — Wir gingen am Mittwoch nachmittags (4. Dezember) um '4-1 Uhr von Antwerpen die Schelde hinunter und hatten schönes Wetter bis Dover. Von dort an erhob sich der Wind aus Südwest, sodaß wir den Kanal ganz gegen den Wind durchfahren mußten. Am Ausgange des Kanals nahm die Windstärke immer mehr zu und artete schließlich zu orkanartiger Heftigkeit aus, begleitet von Regen und Hagelschauern Nachdem uns die Tage vorher schon mehreres auf Deck entzweigeschlagen war, haben wir heute eine besondere Bescherung erhalten, welche darin bestand, daß vormittag gegen 9 Ühr eine gewaltige Sturzsee seitlich sich auf das Schiff wälzte und ein Boot auf Deck warf und entzweischlug, während ein anderes an der gegenüberliegenden Seite aus gehoben und fortgeschwemmt wurde." — Der Schreiber des Briefes, der wohl kaum ahnte, daß dieser sein letzter sei, bemerkt dann, er teile dieses seinen Angehörigen mit, damit sie sich nicht ängstigten, wenn sie etwa in den Zeitungen lesen sollten, daß diese Gegenstände angetrieben seien. — „Im übrigen befinden wir uns alle wohl," heißt es weiter. „Schiff und Maschine sind vollständig dicht bez. im Gange, wenn auch die fortwährend sich noch über das Schiff brechenden Seen uns etwas mehr Wasser zuführen, als uns lieb ist. — Der Wind ist jetzt im Ab nehmen, und wir hoffen, morgen Land und unseren Hafen zu erreichen. Ob wir hier noch erst reparieren werden, oder ob wir den Schaden unterwegs ausbessern, weiß ich noch nicht." — DaS deutsche Konsulat in Corunna hat sogleich nach der Katastrophe einen Beamten nach der Küste beordert, der gegenwärtig noch an Ort und Stelle weilt, um gemeinsam mit dem Beamten des Lloyd für die Identifizierung und Bestattung der Leichen sowie für die Aufbewahrung der an Land treibenden Gegenstände Sorge zu tragen. * Die Seelen frühverstorbener Kinder kamen — so plaudert ein Mitarbeiter der „Tgl. Rdsch." — nach altgermanischem Volksglauben in da« Reich der Holda oder Hölle. Als das Christentum die heidnischen Götter ver drängte, brachte man den Namen der alten Erdgöttin mit Höhlen in Verbindung, die sich nach und nach vollkommen zur Hölle ausbildeten, und es verbreitete sich der Glaube, daß ungctauft Verstorbene in die Hölle kämen. Um erstere vor diesem traurigen Los zu bewahren, hat man bei ihrer Beerdigung merkwürdige Gebräuche eingesührt. In Mittel franken bettet man die kleinen Leichen an Wall fahrtsorten ein In andern Gegenden legt man sie unter die Dachtraufe der Kirche, weil der während eines Tauf segens herunterfallende Regen der Taufe selber gleichkommt. In der Rheinpfalz müssen die Paten da« „Totenlädlein" kaufen, und die „Dode" gräbt dem Kinde das „Gräbchen". In der bayerischen Oberpfalz heißt die Ecke, wo man die Ünqetauften begräbt, der „unschuldige Kindersriedhof". Im Böhmerwald nennt man ihn den „Engelgarten". Auch in anderen Ländern kennt man die Sitte, die Ungetauften außerhalb des Gottesackers zu begraben. In Belgien verscharrt man sie an der Mauer, in Frankreich wurden sie bis vor kurzem in der Kirche eingemauert. In Eng land erzählen die alten Volkslieder noch viel von dem Grabe des Ungetauften, das draußen auf wüster Heide liegt. Ganz anders verfahren die Naturvölker Die mexikanischen Indianer feiern den Tod des jungen KindeS als ein Fest, weil nach ihrer Meinung seine Seele ohne weiteres in den Himmel geht. Die Neuseeländer lieben ihre Kinder so leidenschaftlich, daß sie sich auch im Tode nicht von ihnen trennen. Die Mutter trägt die kleine ausgestopfte Leiche mit sich herum. Bei den Patagonicrn wird alles, was das Kind im Leben benutzte, selbst sein Pferd mit ihm zusammen verbrannt. Die Grönländer glauben, die Seelen der Frühverstorbenen hingen sich in den Jagdrevieren den Jagdtieren an den Kopf. Wird ein Kind, dessen ältere Geschwister starben, groß, so gilt es als Glückskind, erhält eine besondere Tracht und darf thun, was es will Bei den alten Hamburger Juden mußten die Eltern, denen mehrere Kinder starben, das nächstgeborene verkaufen, damit es leben blieb. Noch 1800 wurde ein Vetter Heines, Hermann Schiff, für Schilling an eine Jüdin in Kiel verkauft. * Paris hat einen Wunderheiler mehr. Dieser, Jourdain mit Namen, wohnt jenseits des Montmartre, in der Rue Dondeauville. Seine Wohnung braucht man nicht näher zu erfragen, die Masse der Gichtbrüchigen, Lahmen, Buckligen, Abgemagerten und sonstigen Leiden den, die sich vor seinem Hause drängen, läßt einen nicht fehlgehen. Jeder dieser Kranken ist an dem Pfund Zucker noch besonders kenntlich, da« er bei sich trägt Jourdain hat wirklich etwa« Neue« auf dem Ge biete der Wunderheilungen erfunden, indem er diese mit Zucker vollbringt Über der Thür ist nur der Name Jourdain zu lesen; in dem ziemlich großen Zimmer sind rundum Holzbänke, auf denen dichtgedrängt etliche fünfzig Heilsuchende jeden Alter« und Geschlechte« sitzen Meist sehen sie arm oder doch wenig wohlhabend au« In der Mitte steht ein Ofen, daneben sind zwei andere Bänke. Auf der einen liegt der Zucker in offenen Düten, auf der anderen sitzt der greisenhafte Jourdain rittlings, breitet die Zuckerstücke auf der Bank aus, läßt sie durch seine Finger gleiten, indem er Wundersprüche dazu murmelt. Die ganze Versammlung hört lautlos zu. Eine arme alte Mutter erzählt mit leisester Stimme ihren Nachbarn, Jourdain teile ihrem Zucker sein „Fluidum" mit; sie werde da» Mittel ihrem Sohne nach Madagaskar schicken, um ihn von schwerem Fieber zu heilen Denn die neue Heilkraft hat den Vorteil, mit dem Zucker nach alle» Enden der Welt versandt werden zu können Jourdain ist ein ganz un- a.lilo.icr Bauer auS der Gegend von Oy lons-sur-Marne, dem allerlei Formeln und Worte, die er gelesen oder irgend wie aufgeschnappt hat, geläufig geworden sind. Während er mit dem Zucker hantiert, ruft er den Glauben durch den Geist Lamermai«, die Hoffnung durch den Geist der heiligen Viktorina, die Liebe durch den Geist de» heiligen Ludwig an An den Mauern hängen Heiligenbilder, Zeug nisse, Zuschriften, besonder« aber Sprüche jeder Herkunft; da ist die Rede von dem „Geist der Wahrheit", von dem Zweifel, der alle guten Gesinnungen verjagt" Ein Zeug nis unter Gla« bestätigt, Jourdain habe ein Mädchen binnen sechs Monaten von einer Verkalkung am Knöchel de« rechten Fuße« geheilt, nachdem die elften Pariser Chirurgen sich vergeblich an ihr abgemüht hätten. Endlich ist Jourdain mit seiner Fluideinflößung in den Zucker zu Ende Er nimmt eine Zuckerdüte in die Hand, der Eigen tümer tritt hervor Jourdain fragt ihn aus, befühlt ihn, spricht ihm Mut zu und giebt ihm die Düte Jedermann zahlt nach eigenem Ermeffen, die meisten ein oder zwei, einige auch fünf Franken. Jourdain hat auch einen Neffen, der nach seinem Beispiel ebenfalls eine Heilkraft in sich entdeckt hat und ihn öfter vertritt E« giebt jetzt in Paris der „Voss Ztg." zufolge mindestens zweihundert solcher Wunderheiler (die durch Fluidum und Ähnliche« alle Leiden und Gebrechen verschwinden machen), darunter auch den Zuaven Jakob, der seit Anfang der sechsziger Jahre dort weilt, eine Zeitschrift herauSgiebt und eine Zeit lang in Aller Munde war. Jetzt wird eine Frau angekündiqt, die alle« mit Glycerin heilen will. Sie wurde sich ihrer Heilkraft bewußt, als das Wasser, in dem sie ihre Hände wusch, sich in Glycerin verwandelte! Und dazu leben nahezu dreitausend Ärzte und tausend Apotheker in Paris, von denen manche wenig zu thun haben, während sich die Heilbedürftigen bei den Wunder männern drängen! * Wie aus kleinen Anfängen sich in Deutschland die Industrie entwickelt und in der Neuzeit sich aurgewachsen hat, dafür liefert u. a. die Schmuckwaren-Jndustrie einen glänzenden Beweis Dor Jahresfrist hat die fran zösische Regierung zwei Kommissare nach Pforzheim und Hanau gesendet, um sie dort deutsches Kunstyewerbe, Kunst gewerbeschulen und -Sammlungen und die Gründe der Ueberflügelung Frankreichs durch Deutschland studieren zu lassen Pforzheim, diese größte badische Fabrikstadt, ist der Hauptort der Welt für Schmuckwaren geworden. ES giebt dort über 500 Bijouteriefabriken: mit den Hilss geschäften sind es 918 Betriebe und Werkstätten, in welchen rund 15000 Arbeiter beschäftigt werden Nach sachkun diger Schätzung wird angenommen, daß die VerkausSwerte der Schmuckwaren einschließlich der verwendeten Edelsteine und Perlen jährlich etwa 80 Mill M betragen. Im Postamte Pforzheim sind 1895 eingelaufen: Wertbriefe und Wertpakete 82321 Stück mit erklärtem Werte von 61273 886 M. Aufgegeben, also versandt wurden: Wert briefe und Wertpakete 150151 Stück mit angegebenem Werte von 58599172 M. Wenn man berücksichtigt, daß der größte Teil der Wertsendungen nur mit einem Teil beträge angegeben ist, da der Inhalt selbst durch Ver sicherungsanstalten versichert ist, und daß hohe Wertgegen stände als Einschreibebriefe, also ohne Wertbezeichnung, versendet werden, so kann man sich einen Begriff von der Werthöhe machen, die alljährlich in Pforzheim um gesetzt wird. * Aus Metz wird dem „Elsässer Journal" vom 18. ds. MtS. berichtet: Vor einigen Tagen betrat ein schon bejahrter Herr eine Wirtschaft in Borny, dem 5 km süd östlich von Metz gelegenen Dorfe. Er erkundigte sich nach Einzelheiten der Schlacht bei Colombey und ließ sich sodann das Denkmal zeigen. Dort erzählte er dem ihn begleitenden Wirte, daß er aus Macon gebürtig sei, 1870 seinen Sohn veranlaßt habe, sich zum Militär zu stellen, und daß dieser als Soldat im 51. Infanterieregiment in der Schlacht bei Borny-Colombey den Tod gesunden habe. Er fügte hinzu, daß der Gedanke, der unfreiwillige Urheber dieses Todes gewesen zu sein, ihn seitdem unaufhörlich verfolgt habe. Nachdem er dem Wirte dies alles in un säglich traurigem Tone erzählt hatte, verließ der Fremde das Dorf wieder. Vorgestern fanden Soldaten bei dem obengenannten Denkmal die Leiche eines unbekannten Mannes, der sich erschossen hatte. Neben ihm lag der Revolver. Man stellte fest, daß der Erschossene eben der Fremde war, welcher den Wirt befragt hatte; der unglück liche Vater hatte auf dem Grabe seines Sohnes sterben wollen In einer Tasche des Verstorbenen wurde ein Brieskouvert mit folgenden Worten gefunden: „Ich gehe zu meinem Sohne, der 1870 gefallen ist; ich ersuche in ständigst, daß man mich hier begrabe." Keine Unterschrift, keine Wohnungsangabe Der Unglückliche trug einen neuen Anzug und neue Stiefel. * Über die folgenschwere Ätherexplosion in der Charitö in Berlin, die gestern früh um A8 Uhr statt fand, teilt das „Berl Tgbl." folgende nähere Einzelheiten mit: Im Medizinalkeller der Anstalt, einem gewölbten Raum von etwa 12 qm Fläche, wurde gestern morgen der asphaltierte Fußboden mit warmem Wasser gescheuert. Plötzlich explodierte unter einem sehr heftigen Knall eine etwa 4 I Äther haltende Flasche, die auf einem ziemlich dicht über dem Fußboden liegenden Holzregal stand. Im Keller, in der neben ihm liegenden Anstalt zur Herstellung von kohlensauren Wassern und in den auf der andern Seite angrenzenden Räumen bis zur Küche flogen die Scheiben aus den Fenstern, ebenso in der Apotheke, die über dem Medizinalkeller im Erdgeschoß liegt Aus mehreren Fenstern und einer inS Freie sührenden einge drückten Kellerthür schlugen Flammen heraus Durch den Knall alarmiert, eilten sofort Aerzte der Anstalt an die Unfallstelle und fanden sechs Personen verletzt vor: den 28 jährigen ersten Äpothekendiener Johann Kaeding, den 27 jährigen Arbeiter Wilhelm Schulz, die 18 und 24 Jahre alten Hausdiener Paul Korb und Äranz Podznin und die Hausdiener Karl Korb und August Rohloff. Diese waren zum Teil im Medizinalkeller, zum Teil in der Selter«- waffcrfabrik beschäftigt gewesen und alle sechs beiseite ge schleudert worden Mit brennenden Kleidern waren sie dann, nachdem sie eine eiserneFlurthür von innen aufgeriegelt hatten, inS Freie geflüchtet, wo ihnen Hilfe zu teil wurde. Alle sechs sind am Kopfe, namentlich am Gesicht, und an den Händen verletzt, keiner jedoch lebensgefährlich. Nachdem sie in der Hausapotheke von Anstaltsärzten verbunden worden waren, konnten Karl Korb und Rohloff ihre Arbeit wieder aufnehmen, Schulz und Kaeding wurden zu weiterer ärztlicher Behandlung in ihre Wohnungen und Paul Korb und Podznin auf die äußere Station der Charitö ge bracht WaS die Ursache der Explosion betrifft, so steht fest, daß niemand das Verbot, Ga« oder sonstige« Licht in den Räumen anzuzünden, übertreten hat Wahrscheinlich ist das warme Scheuerwasser an die Flasche gekommen und hat den Äther zum Explodieren gebracht Die Äther- gase drangen dann in die Selterswasserfabnk ein und ent zündeten sich an dem Feuer eines Kachelofens, besten Thür nicht geschlossen war. So kam es, daß die obengenannten Personen ebenfalls vom Feuer ergriffen wurden Von den zahlreichen Flaschen mit Apothekertinkturen, die im Keller lagen, ist keine einzige gesprungen Tas starke Gewölbe hat ebenfalls keinen Schaden genommen. Den gering fügigen Brand könnt« die Hautfeuerwehr allein mit einigen Eimern Vaster löschen. * Der ,Föln Ztg " meldet man au« Rabat (Marokko), 6. Dezember: Gestern nacht während eine« starten Regens wurde hier ein ungefähr zwölf Sekunden dauernde« Erdbeben verspürt, da« sich heute kurz vor 12 Uh, mittag« etwa« stärker wiederholte. Dre gleichmäßig zitternden Erdstöße kamen rechtwinklig zur Küste au« West- Nord-West, und man konnte während der Erschütterung am Tage die schwankenden Bewegungen der Gebäude und Mauern deutlich verfolgen. In den Läden und Häusern schlugen die Gegenstände mit leisem Klirren aneinander, schwankten oder wurden umgeworfen. Ernste Beschädig ungen an Baulichkeiten sind nicht vorgekommen, und ge ringere Wirkungen lasten sich bei der großen Weichheit de« Materials in der regnerischen Winterzeit nicht genauer bestimmen Ohne merkliche Luftströmung und ohne Dünung ist da« Meer heute, zwei bis drei Seemeilen vom Lande entfernt, unbewegt, während sich innerhalb dieses Streifens am Ufer Riesenwellen dicht hintereinander mit bedeutender Geschwindigkeit folgen und über das steile Felsenufer bis zu früher nie erreichten Punkten hinauf schlagen. Da in der obengenannten Entfernung vom User die größere MeereStiefe beginnt, so ist e« zweifellos, daß diese Wellenerscheinungen am Ufer mit Eruptionen auf dem Meeresgründe zusammenhängen, die sich durch Er schütterungen bemerkbar machten und bei welchen der am Ufer hinlaufenden Wasterstteifen von kreisförmigem Quer schnitt durch die großen Wafsermasten der See gegen da» Ufer gedrängt wird. * In der Drogerie von Frischtatzki in Pleß entstand durch Ünvorsichtigkeit des Gehilfen eine Pulverexplosion, die fürchterliche Verheerungen angerichtet hat. Der Ge hilfe, der Haushälter und ein Dienstmädchen trugen sehr schwere Brandwunden davon. Die benachbarte Mohrenapotheke war stark gefährdet. Feuerwehr und Militär trafen zur Hilfeleistung am Brandorte ein Der Umfang des Unglücks ist noch unübersehbar. * Der „Kölnischen Volkszeitung" zufolge ist die Haupt ziehung der Weseler Willibrordi-Lotterie bean standet worden, da sich ein Hauptgewinn mehr, al« planmäßig vorgcschrieben war, im Ziehungsrade befand. Nüch ministerieller Entscheidung wird eine neue Ziehung erfolgen. * Amtlich wird aus Ilmenau unter dem 22. De zember gemeldet: Die am 26. v. Mts. auf Bahnstrecke Plaue-Ilmenau bei Roda eingetretene Betriebs störung ist beseitigt und der normale Betrieb heute wieder eingeführt worden. * Als der Panzer „Charles Martel" gestern zu Probefahrten die Reede von Brest verließ, rannte er gegen ein Hindernis, wahrscheinlich ein Wrak, und erlitt eine Havarie an der Schraube. * Die König!. Eisenbahnbetriebsinspektion in Altona giebt unter dem 22. d. Mts. bekannt: Wegen Schnee verwehung ist der Betrieb auf folgenden Eisenbahn strecken der dänischen Bahnen eingestellt: Randers- Aalborg, Langaa - Struer, Ringkjöbing - Esbjerg, Vemb- Lemoig, Viborg-Lögstör, Randers-Grenaa, Struer-Thiestedt. Statistik und Volkswirtschaft. * Wie uns die Handels- und Bewerbekammer Dresden mitteilt, ist die schon des öfteren in der Tagespreise erörterte Entsendung einer Kommission von industriellen und kaufmännischen Sachverständigen nach Ostasien (China und Japan) in einer kürzlich in Berlin abgehaltenen Versamm lung von Interessenten cndgiltig beschlossen und ihre Abreise auf den Beginn des kommenden Jahres festgesetzt worden. Die Kosten sind gedeckt, und die Wahl der Mehrzahl der Sachver ständigen ist bereits erfolgt Auf Veranlassung der Handels und Gewerbekammer in Tu erden, welche selbst einen erheblichen Beitrag für das Unternehmen bewilligt hat, wird der als Ver treter der fächsischcn Industrie erwählte Sachverständige, Hr. Moritz Schanz in Chemnitz, nach Dresden kommen, um Inter essenten für das Unternehmen in einer mündlichen Besprechung Gelegenheit zur Äußerung von Wünschen zu geben Diese Be sprechung zu welcher die Handels-und Gewerbekammer Dresden alle am Geschäfte mit Ostasieu Beteiligten ihres Bezirks ein ludet, wird am Montag, den 28. Dezember l I nach mittags 4 Uhr im Saale der Kaufmannschaft in Dresden, Ostra-Allee S, stattfinden. * Die Generalversammlung der Aktienbierbrauerei zum Plauenschen Lagerkeller genehmigte einstimmig den Rechnungsabschluß, sowie die vorgeschlagene Verteilung des Reingewinnes und erteilte Entlastung Die 7Pioz. betragende Dividende gelangt von heute ab bei dem Dresdner Bank verein zur Auszahlung. In die Verwaltung wurden die auS- schcidcndcn Mitglieder wiedergewähli. Ebenw vollzog sich die Wiedeiwahl der Aussichtsratemitglieder. Die Versammlung drückte den Verwaltungsorganen durch Erheben von den Sitzen ihren Dank aus. * Die Generalversammlung der Dresdner Malzfabrik vormals Paul König in Dresden-Pieschen genehmigte den Ab schluß die vorgcschlagene Verwendung des Reingewinnes und die Entlastung dee Verwaltung. Tie Dividente gelangt mit Proz von heute ab bei der Dresdner Bank zur Ein lösung. * Mit Genehmigung des König!. Finanzministerium» wird die mit t2 M. pro Aktie garantierte Dividende der Zittau-Reichenberger Eisenbahn auf das Jahr 1886 vor dem statutengemäß auf den 1. Juli 1897 festgesetzten Termin und zwar vom 3. Januar 1897 ab ausgezahlt * Wie von der Verwaltung der Leipziger Bank mit- getcilt wird, wird die Dividende des genannten Institut« sür das Jahr 1896 bei hohen Rücklagen in die Reserve fonds aus 9 gesLätzt. Bekanntlich belief sich die für da» Jahr 1895 zur Verleitung gelangte Dividende aus 7^ * Diejenigen Besitz r von Schuldscheinen der per 31. De zember d. Is. gekündigten 4'^ Anleihe der Chemnitzer Aktienspinnerei vom Jahre 1887, welche von den Rechten des Umtausche» gegen Stücke der neuen 4 Anleihe keinen Gebrauch gemacht haben, können den Rückzahlungsbetiag gegen Einlieferung der gekündigten Stücke (nebst den dazu ge hörigen Talons und Kupons vom »0. Juni 1897 und f lg.) von jetzt ab in Empfang nehmen. Für die bis »I Dez-mber d. IS. zur Zurückzahlung nicht vorgelegten Schuldfcheine wird der Betrag auf Kosten der Schcininhaber zu der Verfügung beim Königl Amtsgerichte in Chemnitz nüdergelegt. * Eine Deutsche Lifenbahn-Speifewagengcsellschast mit dem Sitze in Berlin und einem Grundkapital von I Million Mark ist in das Berliner Firmenregister eingetragen worden. Zu den Gründern gehören unter anderen die Ditkontogrsellschast- Berlin, das Bankhaus Oppenheim in Köln. Direktor ist der Oberst lieutenant z. D v. Reinbrecht zu Charlottenburg * Die BitriebSeinnahmen ter Anatolischen Eisen bahn aus der Stammlinir Haidar Pascha-Angora betrugen für die Zeit vom 1. Januar bis 31 . Oktober 1896 3 085117 Frc-, für den selben Zeitraum 1895 2942185 Fres. Die Betriebsausgaben be trugen vom I Januar bis 31 Oktober 1896 1334913 FrcS . im gleichen Zeitraum 1895 1543181 Frc». Ter nach obigem bi» Ende Oktober sich ergebende Einnahme-Überschuß von 93232 Frc». hat sich nach den bi» zum 9. Dezember vorliegenden Ausweisen der Brutto-Wocheneinnahmen aus 442226 Frcs. erhöht. Der Betrüb aus dem Ergänzungsneh Eslichehir Koni« erfolgt noch zu Lasten de» Bausand» * Dem Vernehmen nach hat der Vorstand der Ham burger Maklerbank den mit ihr arbeitenden Maklern die Anforderung zugehcn lassen, sich zum 1. Januar in da» Börsenregistcr eintragen zu lasten. * Tie Polizei in Zürich verhaftete den flüchtigen Kassierer des SparverernS sür Görlitz und Umgegend, Schneider Ein größerer Betrog de- von Schneiker unterschlagenen Gelse» wurke bei ihm vorgesnndrn. * Der Untersuchung-lichter in Konstanz hat an di« Polizeibehörde in St Gallen da» Ersuchen gerichtet, den
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