Suche löschen...
Dresdner Journal : 24.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189612242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-24
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 24.12.1896
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vei«»»»rei«: Für Dresden vierteljährlich: » Mart KO Ps, bei den Kaiser- lich deutschen Posla:iswtleii virrtrljährlich S Mart; außer halb de» Deutschen Reiche« Post- und Etrinpelzulchlaa. Einzelne Nummern: IO Ps Grschetne«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend« Feruspr -Anschluß: Nr1S-L Drrs-ner A«»ü»ht,u«,»,ebützre»r Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift »0 Pf. Unter „Eingesandt" die geile SO Ps. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Zwmgerstr. 20. Fernspr.-Auschluß: NrIL-L I8UN. ^SSS Donnerstag, den 24. Dezember, abends. WM" Drr Weihnachtsfeiertafte wrgeu tr- scheint die nächste Nummer dieses Blattes Montag abend. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnüdigst ge ruht, den nachgenannten Beamten der Staatseisenbahn verwaltung Bauinspcktoren Katzer in Leipzig, Kunz in Altenburg und May in Riesa, ferner den Bctriebs- ivspekioren Hempel in Zwickau, Kreul in Chemnitz und Weidner in Leipzig sowie den Maschinen- inspekloren Beer in Chemnitz und Lindner in Dresden den Titel nnd Rang eines „Baurathes" in der 1V. Klasse der Hofrangordnung zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnüdigst ge ruht, den Straßen- und Wasser-Bauinspcktoren Schmidt in Zittau, Grabner in Bautzen und Grosch in Dresden den Titel und Rang als „Baurath" in der IV. Klasse der Hofrangordnung unter Nr. 14 zu verleihen. Das Ministerium des Innern hat zu Staats- kommissaren bei der (Fonds ) Börse zu Dresden und der Produktenbörse daselbst den Oberregicrungsrath Steglich in Dresden, bei der Börse zu Leipzig den RegicrungsraEStadler daselbst, bei der Produkten börse zu Chemnitz den Amtshauptmann Or. Rumpelt daselbst und bei der Börse zu Zwickau den Geheimen Regierungsrath Or. von Gehe in Zwickau ernannt. WeüMinLincrchun §. Das Ministerium des Innern hat der Kranken- und Begräbnißkasse der vereinigten Schuhmacher, ein geschriebene Hülfskasse, auf Grund ihres revidirten Statuts vom 11. August 1896 bescheinigt, daß sie, vorbehaltlich der Höhe des Krankengeldes, den An forderungen des 8 75 des Krankcnversicherungs- gcsetzes vom 15. Juni 1883 in der Fassung der Novelle vom 10. April 1892 nach wie vor genügt. Dresden, am 19. Dezember 1896. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Bodel. Lippmann. Erato«»uße», Versetzvnße« rc. im öffentliche« Dienste. Departement der Justiz. Der Rechtsanwalt Or Arwed Grimm in Crimmitschau ist zum Notar für Crimmitschau aus so lange Zeit, als er dort seine ordcnUiche GeschSstsst-lle haben wird, gemäß der NotariatSordnung vom 5. September 18S2 ernannt worden. Departement der Finanzen. Bei der Post-Verwalt ung sind ernannt worden: Rascher, zeither Postinspektor, als Postdirekior in Hohenstein-Ernstthal; Gottschling, zeither Lber-Postassistent, als Postvrrwalter rn Lengefeld (Erzgcb ); — Richter, zeither Lber-Postassistent, als Postverwalter in Reinsberg. nichtamtlicher Teil. Weihnachten. Hirten waren auf dem Felde in Bethlehem. Die Schafe schliefen in den Hürden. Die Männer saßen zusammen und sprachen von vergangenen Zeiten. Bei der Einschätzung, die der Kaiser Augustus an geordnet hatte, wonach Jedes an seinen Stammort ziehen mußte, sollte es offenbar werden, ob von dem alten Königsgeschlechte Davids, das aus Bethlehem stammte, noch Nachkommen vorhanden seien. Gab es solche noch, dann konnten sie nur in großer Armut und Dürftigkeit leben, denn man hatte nie etwas von ihnen gehört. Aber der Prophet Jesaias hatte ja geweissagt, erst solle Davids Familie wie vom Erd boden verschwunden sein, gleichwie ein abgehauener Baum und dann solle „ein Kind geboren werden, welches aufgeht wie ein kleines, kleines Zweig lein aus der Wurzel des ausgerotteten Baumes." Warum führt der Sprecher plötzlich die Hand nach der Stirn; warum legen mit ihm die Brüder die Hände schützend vor die Augen? Sie richten sich halb auf, sie beben. Denn ein Licht, hell wie Sonnenschein, blitzt um sie in der Nacht. Der Engel des Herrn ist es. Er aber ruft ihnen zu: „Euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr, in der Stadt Davids." So war die Erfüllung also gekommen, überraschend, wunderbar. Was war geschehen? Es gab noch eine Königs tochter aus dem Hause Davids, Maria. Sie war es, von der Jesaias gesagt hatte, »siehe eine Jungfrau wird einen Sohn gebären, deß Name wird sie heißen Immanuel." Sie war von Nazareth nach Bethlehem gekommen, mit Joseph, ihrem Verlobten. Weil in dem kleinen Ort alle Herbergen überfüllt waren und sie keinen Raum hatten finden können, waren sie in eine nahegelegene Felsenhöhle geflüchtet, in einen Stall. Dort, auf Heu uud Stroh, in Windeln ge wickelt, hatte Maria ihren Sohn gebettet, den ihr Gott in dieser Stunde geschenkt hatte. Wie ärmlich sah es hier aus und wie herrlich waren doch die Fügungen Gottes! Was Micha ge sagt: hatte „du Bethlehem Ephrata, wie du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir Der kommen, Der m Israel Herr-sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit hergrwesen ist" das war nun doch eingetroffen. Draußen bei den Hirten aber hatte sich die Herrlichkeit, die zu schauen war, nvch gemehrt. Alles war von himmlischem Lichte und Glanze erfüllt. Und von der herniederschwebenden Menge der himmlischen Heerscharen ertönte ein bis dahin nie gehörter Lob gesang: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, den Mensch.n ein Wohlgefallen." Dann war es wieder stille Nacht, aber es war heilige Nacht. Unter dem Glänzen der heute ganz sonderlich leuchtenden Sterne machten die Hirten sich alsbald auf, das Königskind zu suchen Sie fanden es, wie der Bote vom Himmel cs gesagt hatte, sie beugten ihre Knie vor der Krippe, sie schaute» mit Wonne auf den holden Knaben im lockigen Haar. Marias Lippen aber bebten. „Meine Seele erhebet den Herrn nnd mein Geist freuet sich Gottes meines Heilandes, denn Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen, Er, Der da mächtig ist und deß Name heilig ist". So hat Maria, so haben die frommen Hirten zuerst cs wahr gemacht, Gott in der Höhe die Ehre zu geben. Zur Erde herab waren die Gottesboten gestiegen, zu veranlassen, daß aus der Mitte der Menschen sich ein Lob erhebe, von Himmel zu Himmel steige und bis zu dem obersten Heiligtum dringe, um des willen, das Gott in der Geburt dieses Kindes gethan hatte. O, wie freudig können auch wir dieser Aufforderung folgen, wie können wir mit jubeln nnd danken aus vollem Herzen! Denn wir wissen, was wir an diesem Kinde haben, das unser Heiland geworden ist. Gott hat in ihm besuchet und erlöset sein Volk. Und wenn wir nicht alles begreifen und deuten können an der wunderbaren Geschichte der Geburt Christi — eines wissen wir, daß die allerseligsten Wirkungen für die Men chheit von dieser Stunde ausgegangcn sind, daß sie der Anfang geworden ist von einer neuen zweiten Schöpfung. Die Liebe Gvttes, das Erbarmen Gottes, die sichtbare Hilfe von oben ist in die Welt gekomnnn und hat sic umqestaltet von Grnnd aus. Wie kann einer blinden Auges vorübergehen wollen und nicht sehen, was nun anhebt? Es ist nun Friede auf Erden. Das ist die Frucht des Lebenswerkes Jesu, daß Er den Frieden gebracht hat, welcher aus der Versöhnung der Menschen mit Gott entspringt. Das ist die größte aller seiner Gaben, daß fortan der Mensch in seinem Herzen nicht mehr zwiespältig sein soll, zwischen Welt und Himmel geteilt, vom Irdischen zerrissen, vom Himm lischen ferngehalten, sondern daß er sich als ein Kind Gottes wissen und fühlen darf, von Gott geliebt, geleitet, getröstet, verherrlicht. Er darf nun sein Tage werk thun in der Erkenntnis, daß er darinnen Gott dient nnd Gott wohlgefällt. Denn den Menschen ein Wohlgefallen. Gottes Wohlgefallen ruht auf den Menschen, unter denen Christus erschienen ist, denen er seinen Geist geschenkt hat, bei denen sein Vorbild wirkt, seine Gaben nnd Kräfte walten. Gott hat seine Freude daran, wenn die Menschen so Liebe üben, wie sie des himmlischen Vaters Liebe in der Sendung seines Sohnes auf die Eide erkannt haben Die Armut hat nun ein Recht, gehört zu werden, seitdem Der, welcher reich war, arm geworden ist um unsertwillen. Was hungrig nnd elend, kümmerlich nnd schlecht ist, hat ein Recht darauf, Mitleid zu finden, Erziehung und Anleitung zum Guten zu erhalten, weil Er sich um die Geringen gemüht hat. Und Gottes Willen nur erfüllen wir, wenn wir mit den Verführten, Ver blendeten, Verhetzten, von Gott und vom Glauben Ab- gekvmmenen Erbarmen haben. Gerade sie verlangen oft am meisten danach, die Stimme d-s guten Hirten nvch zn hören, der Trostlosigkeit und Bitterkeit in Geduld und Hoffnung und herzliches Zutrauen wandeln kann. Und mag das, was wir so üben, jedes an seinem Teile, das, was uns so geling», noch so klein und un scheinbar se.n, es ist doch göttlich groß und schön, weil wir dadurch mithelfen, daß es wahr werde, was die Engel sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen." Tagesgelchichte. Dres-eu, 24. Dezember. Heute n chmittag 5 llhr findet bei Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Georg im Palais Zinzendorfstraße Familientafel statt, an welcher Se. Majestät der König, Ihre Königl Hoheiten der Prinz Friedrich Angust, der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg, der Prinz Albert und die Prinzessin Mathilde teilnehmen werden. Gestern nachmittag H4 Uhr wurde durch Se. Königl. Hoheit den Prinzen Georg im Palais Zinzendorfstraße für eine Anzahl armer Kinder eine Christbescherung veranstaltet. — Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde beehrte gestern nachmittag in Begleitung der Hofdame Freiin v Gärtner die Christbescherung des katbolischen Waisenhauses am Oueckbrunuen, Gerbergasse, mit Höchstihrem Besuche. — Heute nachmittag H4 Uhr veranstaltet Ihre Königl. Hoheit für eine Anzahl armer Kinder eine Christbescherung. Dresden, 24. Dezember. Mit dem 1. Januar 1897 tritt das Börsen gesetz vom 22. Juni 1896 in Kraft Nach 8 2 dieses Gesetzes sind als Organe der Landesregierung Staatskommissare zn bestellen. Ihnen liegt es ob, den Geschäftsverkehr an der Börse sowie die Befolgung der in Bezug auf die Börse er lassenen Gesetze und Berwaltungsbestimmungen nach näherer Anweisung der Landesregierung zu über wachen. Sie sind berechtigt, den Beratungen der Börsenorgane beimwohnen und die Börsenorgane auf hervorgetretene Mißbräuche aufmerksam zn machen. Sie haben über Mängel und über die Mittel zu ihrer Abstellung Bericht zu erstatten. Lunst und Wissenschaft. Gottfried Keller als Ltaatcschreibcr. Die letzten Wochen haben mit dem dritten Bande der großen und die Hauptsumme auch der gehaltreichen Briefe des schweizerischen Dichters einschließenden Biographie „Gottfried Kellers Leben. Seine Briefe und Tagebücher" von Jakob Baechtold (Berlin, Verlag von Wilhelin Hertz 1897) die Vollendung eines Buches gebracht, das unmittelbar nach dem Tode Gottfried Kellers in Angriff genommen und dessen erster Band schon Ende »893 veröffentlicht worden ist. Die Biographie schließt sich der neuern Art an, bei der der Darsteller nur soviel als dringend nötig und zur Ergänzung und Erläuterung das Wort nimmt, im großen und ganzen aber den Helden der Lebensgeschichte selbst reden läßt. Bei der Fülle des Materials, das Baechtold, dem Züricher Lands mann Kellers, zu Gebote stand, war es möglich, daß der Biograph bis zur Selbstverleugnung zurücktreten und doch ein Werk in drei stattlichen Bänden entstehen konnte Für da« Muster einer Dichterbiographie hielt Keller selbst das einfache Buch, das ehedem die Witwe Uhlands ihrem Manne gestiftet. Etwas Ähnliches wollte Baechtold bieten und das Bild eine« Landsmanns so malen, wie er viel leicht nicht zu allen Stunden gewesen, „wie er aber in seinen besten meinem Herzen erschien." Daß er sich dabei nicht auf einen knappen Band, wie Frau Uhland, be schränken konnte, geht aus dem Gegensatz hervor, daß Uhland ein karger Briefsteller, Gottfried Keller ein Brief schreiber ersten Ranges war „So zögernd er sprach; wenn er die Feder ansetzte, geriet er in da« kurzweiligste, munterste Plaudern hinein oder in tiefe, ernsthafte Be trachtungen." Und so ist denn da« vorliegende große Werk, bei aller sachlichen Schlichtheit, eine Fundgrube köstlicher Dinge; den ganzen Gottfried Keller wird selbst der Verehrer und treue Leser seiner unvergleichlichen Dichtungen erst aus seinen Briefen kennen lernen. Auch die Tagebuchblätter sind für Kellers Jugendzeit und das ganz eigenartige Autodidaktentum des Dichters von ent scheidender Bedeutung, das Buch als Ganzes von hohem Ernst und Wert. Über Einzelnes, namentlich über die Stellen, wo Baechtold vaterstädtischen Vorurteilen und landsmannischen Verstimmungen Ausdruck gegeben hat, ivird sich rechten lassen Unzweifelhaft aber tritt der Dichter mit seinem ganzen Wesen in eine Beleuchtung, die, zur Bewunderung für seine Gaben, den tiefsten Re spekt vor seiner Natur und der schlichten Wahrheit seines Wesens einflößt Wo inan die drei Bände auch ausschlagen mag, überall weht dem Leser ein Hauch kräftiger männlicher Gesinnung, der Lebensodem eines echten Künstlergeistes entgegen, der viel zu stolz war, um je anmaßend, ruhm redig oder eitel zu fein Eine Überfülle interessanter Episoden steckt in der schlichten Erzählung. Von ihnen allen sei heute nur an eine gemahnt, an die Episode, in der Keller, schon auf der Höhe der Mannesjahre, er war ein Vierziger, seiner poetischen Freiheit entsagend, da« Amt eines ersten Staatsschreibers seines Heimatkantons Zürich erhielt. Im zweiten Bande der Biographie er zählt Baechtold, wie groß das öffentliche Erstaunen war, als die Züricher am eidgenössischen Bettag 1861 in ihren TageSblättcrn die Nachricht lasen, der Regierungsrat habe in seiner gestrigen Sitzung (14. September) den Hrn Gottfried Keller zum ersten Staatsschreiber gewählt. „Einen solchen „Geniestreich" hatten weder die Liberalen, noch Konservativen einem Kollegium von neun ernsthaften Männern zugetraut, zumal sich tüchtige und erfahrene Männer von juristischer Bildung, darunter sogar ein Nationalrat, um das Amt beworben hatten — Der ganze Plan war von dem damaligen Finanzdirektor Franz Hagenbuch au«gegangen und selbstverständlich auf Wider stand genoßen, aber die Wahl geschah dennoch mit 5 gegen 3 Stimmen Sie gab der Presse viel zu reden, und der neue Slaatsschreiber sowie die Majorität der Regierung bekamen viel Unangenehmes zu hören." Baechtold hat uns im Anhänge zum zweiten Band seiner Biographie die Dokumente nicht erspart; eine Blumcnlese von Preß- erzcugnisscn aus dem Jahre 1861 erscheint charakteristisch genug. Der Versicherung, daß die Wahl „allgemeines, staunendes Kopsschüttcln erregt", folgt die Behauptung daß der „Geniestreich der Negierung" „einen tief ent mutigenden und schwer demoralisierenden Eindruck" hervor gerufen habe, die Phrase, daß die Wahl des berühmten Dichters „einstimmig verurteilt" werde, der Zweifel, ob der Gewühlte die Eigenschaften und Kenntnffse eines tüchtigen Beamten, und zwar eines ersten Staatsschreibers besitze. Nur der Berner „Bund", das offizielle Organ der eidgenössischen Negierung, sprach von vornherein die Erwartung aus, daß, wie Keller durch seine poetischen Schöpfungen der gesamten Schweiz Ehie gemacht und sich einen Platz in der deutschen Litteratur erobert habe, so werde er auch aus dem neuen Gebiete durch Talent und politischen Charakter sehr Tüchtiges leisten." Die Wabl Kellers zum Staatsschreibcr seines alten eidgenössischen Standes und der Sturm von Angriffen und Unheilsprophezeiungen, den sie im Gefolge hatte, er innert in ganz interessanter Weise an einen beinahe hundert Jahre zurückliegenden Vorgang ähnlicher Art: an die Be rufung des jungen Or. Goethe in das geheime Consilium der Herzogtümer Weimar und Eisenach und au die drohenden, warnenden Vorhersagungen, die sich an diesen Entschluß des jugendlichen Herzogs Karl August knüpften. Wie damals die Herbeiziehur g „eines srembden, vielleicht ganz geschickten und habilen, aber der hiesigen Rechte und der hiesigen Verfassung ganz unkundigen und daher ganz unbrauchbaren Subjecti" widerraten, auf Goethes „Un tauglichkeit zu einem dergleichen beträchtlichen Posten" hinqedcutet, wie bewiesen wurde, daß dergleichen „an und vor sich habile und gute Hoffnung gebende, keineswegs aber bei Geschäften hergekommene Personen" für jede Dir Namen der für die sächsischen Börsen er nannten StaatSkommifsare sind aus dem amtlichen Teile der heutigen Nummer ersichtlich. Deutsches Reich. * Berlin Se. Majstät der Kaiser hörten gestern morgen von 9 Uhr ab den Vortrag des Stellvertreters des Chefs des Zivilkabinetts und fuhren um 1» Uhr nach Berlin, um der Leichenfeierlichkeit für den verstorbenen General ü la suito v. Lippe beizuwohnen Darauf kehrten Se Majestät nach dem Neuen Palais zurück. — Eine Meldung der „Börsen-Zeitung", nach welcher der Hr. Finanzminister Or. Miquel aus Anlaß von Beschlüssen der Kommissionen des Abgeordnetenhauses „amtsmüde" sein sollte und daß daher noch zum Weih- nachtSfeste „Überraschungen" bevorsländen, haben wir, unserer Gepflogenheit getreu, seiner Zeit überhaupt nicht erwähnt. Nunmehr bemerkt auch die „Nordd. Allg. Ztg": „Ernsthafte politische Kreise, welche den Zusammenhang der Dinge kennen, werden kaum verstehen, wie Zeitun gen aus solcher Ouelle stammende Nachrichten dieser Art ernst zu nehmen und zu diskutieren vermochten" — Die „Berl. Pol Nachr." schreiben: Der Entwurf des preußischen Etats für 1897/98 soll zum ersten Male mit mehr als 2 Milliarden in Einnahmen und Ausgaben abschließen. Tie hohen dauernden Mehr ausgaben, welche namentlich für Beamten- und Lehrer- besoldungen einzustellen waren, sind bekannt, ebenso ist eine Vermehrung der einmaligen Ausgaben namentlich bei der Eisenbahnverwaltung vorgesehen An der Vermehrung der Einnahmen gebührt der Eisenbahnverwaltung der Löwenanteil. Der iin nächstjährigen Etat vorzusehende Betrag des Effenbahnüberschusscs übersteigt erheblich jeden bisher etatsmäßig vorgesehenen oder darüber hinaus erreichten Eisenbahnüberschuß Aber auch die anderen Betriebsverwaltungen, namentlich die Bergwerks- und Hüttenverwaltung sowie die Forstverwaltung, dürsten nicht unwesentlich zur Erhöhung der Staatseinnahmen beigetragen haben. — Die Lissaboner Blätter veröffentlichen eine halb- amrliche Mitteilung, wonach der Zwischenfall zwischen dem Deutschen Reiche und Portugal beigelegt ist. Der Gouverneur wird dem deutschen Konsul einen Besuch abstatten, den letzterer erwidern wird. Ein portu giesisches Kriegsschiff wird die deutsche Flagge salu tieren, ein deutsches Schiff wird die gleiche Ehre der portugiesischen Flagge erweisen — Nach einem Telegramm aus Paris soll sich der Oberste Kriegsrat für die Umwandlung des fran zösischen Feldartilleriematerials ausgesprochen haben Wenn diese Meldung sich bestätigt, würde Deutschland dadurch unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen werden Vor Wochenfrist wurden durch einen Vcrtrauensbruch ver trauliche Mitteilungen, die der Kriegsminister in der Budgetkommission des Reichstages über eine früher oder später zu erwartende Neubewaffnung der Artillerie des deutschen Heeres gemacht hatte, durch die Presse bekannt Zuerst wurden diese Mitteilungen in der von dem Zentrumsabgeordncten Fusangel herausgegcbenen „Wcstd. Volksztg." und nächst dieser m der ultramontanen „Köln Volksztg." veröffentlicht, von der sie dann in die übrige deutsche Presse übergingen. Die Angaben der „Westd Volksztg ", die es als sicher hinstellten, daß das Deutsche Reich eine Neubewaffnung der Artillerie plane, wurden alsbald dahin berichtigt, daß dieser Fall erst eintreten würde, wenn andere Staaten, vornehmlich Frankreich, damit vorangehen würden. Vielleicht Hal jene Indiskretion eines deutschen Neichstagsabgeordnetcn, die begangen eu haben Hr. Fusangel sich übrigens verwahrt, erst bewirk:, daß jetzt Frankreich in der Umgestaltung seines Artillerie wesens vorangchen zu müssen glaubt, um sich von Deutsch land nicht zuvorkommen zu lassen. Kiel Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich und Se Königl. Hoheit Prinz Heinrich unternahmen gestern aus dem Kaiser Wilhelm Kanal mittels Dampspinasse eine Fahrt, welche sich bis zur Lcocnsaucr Hochbrücke erstreckte. Der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen sinv gestern abend ^7 Uhr in Kiel ein- getioffen und haben sich alsbald nach dem Schloß begeben. Karlsruhe. Wie die „Frks Ztg." meldet, habe Or. Merz in Furthwangen die nationalliberale Kandidatur für den zweiten Reichstagswahlkreis nachträglich doch noch angenommen. praktische Leistung sich untauglich zeigen müßten, so geschah es im Jahre »86» wieder Daß in dem demokratischen kleinen Staate von Zürich die protestierenden Stimmen noch viel lauter schallten, als seiner Zeit im absolut regierten Weimar, war am Ende nur natürlich. Aber Unrecht, Unrecht bis zur tiefsten Beschämung, sollten diese Stimmen im neunzehnten Jahrhundert so gut wie im achtzehnten erhalten. Denn ivas hat Baechtolds dritter und letzter Band in seinem Einleitungskapitel „Der Herr Slaatsschreiber" über diese Episode aus Kellers Leben (die vom September 1861 bis Juli 1876 währte) und über die der Dichter selbst ziemlich schweigsam gewesen ist, zu berichten, nachdem er Gottfried Kellers Entschluß, die Jahre seiner guten Manncskrast dem Dienste des Staates zu widmen ge billigt, auch sur den Dichter gebilligt („von der Kunst dachte er zu hoch, als daß er sie je zur Erwerbsquelle erniedrigt hätte") und sie als eine „etwas späte, aber dafür um so strengere Selbstzucht", die sich Keller an gedeihen ließ, bezeichnet hat? „ES handelte sich nicht etwa bloß um eine würdige Sinekure, als ihm im Herbst 186» das Amt übertragen wurde. Der Umkreis der Geschäfte eines ersten Staats schreibers des KantonS Zürich — bis 1871 gab es noch einen zweiten — war ansehnlich Demselben stand die Oberleitung der Staatskanzlei zu Er war zugleich Sekretär der Direktion der politischen Angelegenheiten. Über die Verhandlungen des Regierungsrates (der obersten vollziehenden Behörde des KantonS) führte er die Sitzungs- Protokolle; er hatte den offiziellen Verkehr mit den übrigen KantonSregierungen und dem Bundesrate zu unterhalten, mußte die jährlichen Rechenschastsberichte sämtlicher Departe ments zusammenstellen; Gesetzentwürfe, Eisenbahnkon zessionen, Verordnungen aller Art cndgiltig redigieren, sowie die Unmasse von Ausfertigungen, Paffen, Heimats- scheinen rc mit seiner Unterschrift versehen. Kurz das Amt nahm seinen ganzen Mann vom Morgen bi« zum
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite