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Dresdner Journal : 08.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189612087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-08
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 08.12.1896
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Erste Beilage zu Z7 285 des Dienstag, den 8. Dezember 1896, abends. Lagesgeschichte. (Fortsetzung an» de» Hauptblatte.) Itulten. Rom Im Senat hat am Freitag da» Kabinett Rubini eine kleine Schlappe erlitten, indem der Senat unbekümmert um den Widerspruch de» Ministerpräsidenten die Zurückstellung de» Gesetzentwurf» über die Arbeiter- Unfallversicherung beschloß. Politische Bedeutung kommt diesem Beschlusse nur in sehr beschränktem Umfang zu; er wird wohl nur al« ein Wink de« Senat» an den Marchese Di Rudini zu deuten sein, sich von der ver dächtigen Bundeogenossenschast mit den Radikalen los zumachen und sich mehr nach recht« zu halten Die öffent liche Meinung in Italien hat für diesen Zwischenfall wenig Aufmerksamkeit übrig, da sich gerade in diesem Augenblick ein neuer Aufsehen erregender Skandal entwickelt, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Giolitti-Skandal hat und seine Spitze gegen Hrn Crispi richtet. Schon seit einiger Zeit behaupteten Cavallotti und die radikalen Blätter, bei der Verteilung der Gelder, die für die durch da« Erd beben in Kalabrien Geschädigten und beim Heroldsamt hinterlegt waren, seien Unregelmäßigkeiten vorae- kommen, sie seien teils unterschlagen, teil» zu Wahl zwecken verwendet worden Am Freitag brachte der frühere Unterstaatssekretär Crispis, Hr. Galli, in der Kammer eine Ansrage über diese Angelegenheit an den Ministerpräsidenten ein, die Rudini sofort beant wortete Er habe eine Untersuchung eingeleitet, deren Ergebnis er aber noch nicht bekannt geben könne, da noch einige wichtige Aktenstücke fehlten Am Sonnabend früh brachten einige Blätter „Enthüllungen" aus den Unter- suchungSakten, aus denen hervorzugehen scheint, daß viel fach wohlhabende Leute, die auf Seite der früheren Re gierung standen, Unterstützungen aus dem ErdbedcnfondS erhielten, während arme Familien sich mit ein paar Eentesimi bescheiden mußten, auch scheint die Verwendung von Unterstützungsgeldern zu Wahlzwecken nachweisbar zu sein. Am Sonnabend nachmittag legte Rudini der Kammer die Untersuchungsalten vor, deren Veröffentlichung durch den Druck einstimmig beschlossen wurde. Gleich Crispi stimmte auch dessen Neffe Palamenghi dasür, der vorher erklärt hatte, von dem Erdbebcnfonds seien 15000 Lire, etwa die Hälfte, schon unter dem Ministerium Giolitti verausgabt worden 1900 Lire, die er selbst er halten haben sollte, seien thatsächlich zu „Gratifikationen" für das dem Ministerpräsidenten attachierte Personal ver wendet worden Cavallotti benutzte selbstverständlich diese Gelegenheit, gegen das frühere „Ministerium der Un ehrlichkeit" zu wettern und dessen „Niedertracht" sest- zustellen Da die Untersuchungsaktcn demnächst gedruckt vorliegen werden, wird man sich bald ein unbefan genes Urteil über die Angelegenheit bilden können. Wichtiger ist vorerst die Finanzdarlegung des Schatz- minister« Luzzatti, die dieser gestern in der Kammer vor- getrageu hat. Der Schatzminifier Luzzatti warf zunächst einen Rückblick auf das Betriebsjahr 1895/96 und führte aus, daß in dem Voranschlag, unter Einschluß der Aus gaben sür den Krieg in Afrika, ein Defizit von 4 593172 Lire angenommen worden war, während nach dem Rechnungsabschlusse das thatsächliche Defizit nur 1 633000 Lire beträgt; der Minister wie« sodann ziffernmäßig nach, daß ohne die Ausgaben sür Afrika das Betriebsjahr 1895/96 ohne Fehlbetrag abgeschlossen haben würde. Für 1896/97 sei ein Überschuß der Ausgaben über die Ein nahmen von 5 682 461 Lire und ein Passivum von 27 198 282 für die Eisenbahnbauten, im ganzen also ein Passivum von 32 880 743, angesetzt, welches mit dem Ueberschuß der Kategorie „Kapitalbewegungen" von 41 195 720 Lire (unter Einrechnung der für den Krieg mit Afrika bewilligten 39'4 Mill) zu decken wäre, sodaß ein Aktivrest von 8 314 977 Lire verbleibe; diesen Überschuß würde das Betriebsjahr, auch wenn die Bewilligung der 39'4 Mill, sür Afrika nicht erfolgt wäre, ergeben haben. Auf alle Fälle werde, da die Ersparnisse in den Ausgaben sür Afrika gewiß seien, ein Überschuß von etwa 7 000000 Lire, entsprechend dem Kammerbeschlusse vom 8. Juni, dem Marineminister zur Verstärkung der Kriegsflotte überwiesen werden; so solle auch in künftigen Jahren mit Überschüssen und Ersparnissen verfahren werden. Sodann führte der Minister mit Bezug auf das Budget für 1897/98 an, daß infolge der Erhöhung unvermeidlicher Staats ausgaben das Kriegsbudget um 12 Mill, vermehrt worden sei; es habe auf 246 Mill. Lire gebracht werden müssen, in welchen die 7 Mill, ordentliche militärische Ausgaben für die Kolonie Eritrea mit inbegriffen seien. Im ganzen werde das Budget für 1897,98 einen Uber schuß der Einnahmen über die Ausgaben von 26015 234 Lire aufweisen, was nach Bestreitung der Ausgaben für die Eisenbahnbauten mit 23190059 Lire einen Aktivrest von 2 825 175 Lire ergebe. Da jedoch dcr Titel „Kapital bewegungen" mit einem Passivum von 3 811306 Lire abfchließe, ergebe sich im ganzen ein Fehlbetrag von 986 131 Lire, dcr jedoch bei der Durchführung des Bud get« verschwinden werde. Alle Staatsnusgabcn, einschließ lich derjenigenfürdicEisenbahnbauten, würden ohne Aufnahme einer neuen Anleihe gedeckt werden Zur Erleichterung der Finanzgebarung, zur Schaffung eines Reservefonds, sowie zwecks Herabsetzung der mit der Bankreform verbundenen Umsatzsteuer werde die Einführung einer Wehrsteuer vorgeschlagen, welche jährlich 3 Mill abwerfen soll Da» Jahr 1899/1900 durfte nach Deckung der „Kapttal- bewegungen" einen Überfchuß von 384 493 Lire ergeben, sodaß danach nur noch der übrigbleibende Fehlbetrag der Kapttalbewegungen zu decken wäre, welcher für die Jahre 1898 99, 1900/01 und 1901/02 unbedeutend wäre und nur im Jahre 1902 03 sich aus über 11 Mill Lire belaufen würde. Nachdem der Minister schließlich die von ihm ausgestellten Anschläge mit denjenigen de« Minister« Eonnino vom Jahre 1895 verglichen hatte, betonte er al« leitenden Grundsatz, daß die Ausgaben in mäßigen Grenzen zu halten und allen neuen Ausgaben neue Ein nahmen oder Ersparungen gegenüberzustellen seien „So werden wir", schloß der Minister, „bei sparsamer Ver wendung der öffentlichen Gelder, unter Schaffung emer Pensionskaffe für die neuen Beamten, welche un» kein« so schweren Schulden wie die ältere Kaffe bereiten wirp, mit teiliveiser Verwendung der Ergedmsie der freien Kon version der Eisenbahnobligationen, die Aera der Schulden mit dem Ende der afrikanischen Abenteuer beschließen und so wird bei einer auswärtigen Politik, welche Würde mit Vorsicht vereint, der öffentliche Kredit immer mehr ausblühen und wir dürfen hoffen, daß, nach soviel Stürmen ein Strahl des Gedeihen» auch unser Vaterland erleuchte." Der Minister kündigte sodann Vorlagen an, betreffend die Revision der Steuer auf das bewegliche Vermögen, die Schaffung einer nationalen Arbeiterpensionskasse, einer Kreditkasse für Sizilien, ferner neue Bestimmungen betreffend die Bank von Neapel und die Bank in Sizilien, ein Abkommen mit der Banca d'Jtalia, welche eine erhöhte Garantie der Banknoten durch Metall, Staat«- rente oder vom Staate garantierte Rente unter Herab setzung de« Banknotenstempels bezwecken. Zur Sanierung de« „Banco di Napoli" sollen demselben 45 Mill. Lire Staatsnoten, die durch bei der „Kasse der Depot« und Anleihen" hinterlegtes Gold gedeckt sind, gegeben werden. Mit den Zinsen hierfür anzuschaffender Staatsrente oder garantierter Werte soll allmählich das Gold ausgelöst werden. Die 5proz Pfandbriefe sollen in 3'4prozentige vom Staate garantierte umgewandelt werden Diese Be stimmungen sollen bereits heute durch Dekret veröffentlicht und von der Kammer die Zustimmung zu dessen Inkraft treten zum 1 Januar verlangt werden Nach seinem Vor träge wurde der Schatzminister von vielen Deputierten aller Parteien beglückwünscht Auf Vorschlag de« Schatz Ministers verwies das Haus eine Reihe der in dem Exposö angekündigten Vorlagen an eine Kommission von 15 Mit gliedern, die morgen ernannt werden wird, während andere Vorlagen an die Budgetkommission verwiesen wurden. Im weiteren Verlaufe der Sitzung der Deputirtenkammer erklärte gestern der Minister des Auswärtigen auf drei Anfragen über die Zwischenfälle in Brasilien, nachdem er dieselben geschildert hatte, die erzielte Einigung befriedige vollständig die Forderungen Italien« Die seitens der Regierung eingeleiteten Untersuchungen hätten ergeben, daß die in Casori (Sao Paulo) verhöhnte italie nische Flagge keine offizielle, auf einem öffentlichen Ge bäude gehißte Flagge, sondern eine private gewesen sei. Die brasilianische Regierung habe nach der Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Schuldigen in einer offi ziellen Note ihr lebhaftes Bedauern über den Zwischenfall ausgesprochen. Bezüglich der alten und neuen Reklama tionen würde Italien ein Schiedsgericht angenommen haben, welches Garantien geboten hätte; die Schwierigkeit, Uber Einzelheiten ein Abkommen zu treffen, habe jedoch die so fortige Lösung angemessener erscheinen lassen, nämlich die Bezahlung von 4 Mill. Lire, welche durch die italienische Regierung zur Verteilung gelangen würden Die bra silianische Negierung habe die sofortige Abberufung des italienischen Konsuls in Sao Paulo gewünscht, Italien habe aber dieses Ansinnen abgelehnt, da die Untersuchung die Haltung des Konsuls als durch die außerordentlichen Umstände erklärlich habe erscheinen lassen Nachdem aber ein zufriedenstellendes Abkommen erzielt worden sei, fei dcr brasilianischen Negierung mitgetcilt worden, daß in Sao Paulo ein Konsulat mit höherem Range errichtet werden solle Das getroffene Abkommen habe die Genehmigung des brasilianischen Kongresses erhalten; es könne daher die lange Reihe der zwischen beiden Regierungen schwebenden Differenzen als beigelegt betrachtet werden. Die Inter pellanten sprachen sich in ihrer Erwiderung lobend über die Haltung des Konsuls in Sao Paulo aus. Griechenland. Athen Tie Botschaft des Königs an den Premierminister, in welcher er fordert, daß ein ständiges Militärlager gebildet und zu diesem Zwecke zwei Klassen der Reserven bis zur Stärke vozp. zwölftausend Mann unter die Fahnen gerufen werden, ruft bei allen große Genugthuung hervor. Nur beruht diese Genuglhuung je nach dem Parteistandpunkte auf sehr verschiedenartigen Gründen. Die radikalen Chauvinisten meinen, daß die Negierung nunmehr aus ihrer Reserve der Türkei gegen über hervortrcten werde und zu diesem Zwecke da« Heer stärken wolle Besonnenere Elemente folgern aber viel richtiger aus der Botschaft, daß diese der Disziplinlosigkeit im Heere zu steuern beabsichtige. In diesem Sinne ruft die „Akropolis" aus: Das Volk hat seinen König wicvergesundcn, und jeder, der dieses Volk liebt, de» den guten Kern, der trotz aller unerzogenen Fehler in ihm steckt, erkannt hat, mochte mit in diesen Ruf einstimmen Wenn jetzt nicht da« Partei wesen wieder zerstörend dazwischentritt, so ist zu hoffen, daß von heute ad da» Heer seiner wahren Bestimmung zurückgegeben wird, daß von heute ab ein neuer hoffnungssroher Geist in demselben die Oberhand gewinnen und daß dieser Geist auch auf das Volksleben rückwirken wird " Es verlautet, daß die Mittel zur Durchführung der Forderungen de« König» durch eine inländische Anleihe aufgebracht werden sollen Türkei. Konstantinopel. In der jüngsten Zeit ist e« mehr fach Personen, die sich wegen jungtürkischer Umtriebe in Hast befanden, gelungen, zu entweichen So ist aus der Flucht de« gewesenen Obersten und Adjutanten de« Kriegsminister« Schesik Bey, au« Ct Jean d'Acre, bald diejenige de« gewesenen Major« Ahmed Ben und des Arzte« Jühak Effendi Sukinti au« der Festung von Rhoduü erfolgt und sind zuletzt zwei weitere wegen solcher Umtriebe verurteilte Individuen, Safet Effendi und Salih Effendi, au« dem Gefängnis entwichen Alle Ent flohenen fallen sich gegenwärtig in Paris befinden Diese Entweichungen haben an der maßgebenden Stelle sehr un angenehm berührt, da erwiesenermaßen die Flucht mit Hilfe de« jungtürkischen Komitee« erfolgte Die schuld- tragenden AnfsichtSorgane weiden einer strengen Strafe zugeführt Gegenwärtig ist in den türkischen Kreisen in großer Anzahl eine in Gens gedruckte jungtürkische Bro schüre in Umlauf, deren Verfasser ein gewisser Tunali Hilmi Effendi ist. A meri la. Washington Kestern ist der Kongreß mit einer Botschaft des Präsidenten Cleveland eröffnet worden Die Botschaft beginnt mit einem Hinweis auf Armenien und bemerkt, cS sei nicht« unterlassen, um eine prompte Erledigung der amerikanischen Forderungen an die Türkei herbeizusühren Präsident Cleveland glaubt, eü dürste der gegenwärtigen traurigen Verfassung der Türkei, welche einen Gegensatz zu der erleuchteten Zivilisation am Ende de« 19 Jahrhundert« bilde, nicht mehr lange gestattet werden, da« Auge der Christenheit zu beleidigen C« sei unter den gegenwärtigen Umstünden nicht möglich, die kubanischen Aufständischen al« kriegsührende Macht anzuerkennen Die Botschaft bespricht sodann in teilnehmender Weise die Schwierigkeiten, mit denen die Spanier zu kämpfen haben, und zwar gegenüber dem Feindt, dcr einer offenen Feldschlacht au« dem Wege gehe und gegenüber den Personen, die in den Vereinigten Staaten ihren Wohnsitz hätten und denen die amerikanischen Gesetze nichts anhaben könnten Die Botschaft weist die Idee, daß die Vereinigten Staaten Cuba kaufen würden, zurück, bis Spanien selber irgendwelche Wünsche, die Insel zu verkaufen, geäußert habe, und fährt dann fort, Spanien dürste Cuba Autonomie anbieten, es bestehe somit kein rechter Grund, weshalb sich die Beruhigung nicht auf dieser Grundlage bewirken lassen sollte Ein solche« Ab kommen würde dem verheerenden Kriege ein Ende machen und den Besitz Spanien« unangetastet lassen, ohne seine Ehre zu verletzen Vor einigen Monaten hätten die Ver einigten Staaten Spanien in vertraulicher Weise mit geteilt, wen» der Insel unter Garantie dir Durchführung ein genügende« Maß von Autonomie angeboten und von den Aufständischen angenommen werde, so würden die Vereinigten Staaten sich ernstlich bemühen, Mittel zu finden, um eine solche Garantie zu beschaffen Er glaube, dieser Vorschlag sei freundlich ausgenommen worden, ob wohl noch keine endgiltige Antwort eingcgangen sei. Die guten Dienste der Vereinigten Staaten ständen jeder von beiden Parteien stets zur Verfügung Die Botschaft spricht dann kurz von der Möglichkeit, es könnte sich eine Sach lage herausbilden, das; die Verpslichtungen der Vereinigten Staaten gegenüber der Souveränität Spanien« durch höhere Verpflichtungen aufgehoben werden könnten, welche man unmöglich ignorieren könne Er, Cleveland, habe die Zuversicht, daß der Streit mit Venezuela werde beigelegt werden Er wünsche, daß der Kongreß früh zeitig Schritte thue zum Schutze des Interesses der Regierung an den P a e i f i c b a h n e n, besonders der Union-Pacisiebahn; wenn der Kongreß dcr Erc- kutive nicht eine andere Direktive gebe, werde die Ne gierung am 1. Januar 1897 cingreisen, um den Staat vor drohendem Verlust zu bewahren Bezüglich der Tariffrage beschränkt sich die Botschaft darauf, das be stehende Gesetz zu verteidigen. Cleveland betont schließlich, die Negierung möge das Bankiergeschäst aufgeben und ihre Geldoperationcn daraus beschränken, da« Geld zu er heben, welches vom Volle beigesteuert werde sür die Staatsausgaben E« wird hierbei aus den Bericht des Schatzsekretärs verwiesen, wonach während des mit drin 30. Juni 1896 zu Ende gegangenen Finanzjahres die Staatseinnahmen insgesamt 409 475 408, die Aus gaben 431 67X651 Dollars betragen haben 'Von den genannten Einnahmen sind 16OO2I 751 Dollars Zoll- rinnahmen, 14 6 830 615 inländische Slcuereingänge. Dcr Wert der während desselben Finanzjahres zur Verzollung gekommenen Waren belief sich auf 369 757 470 Dollars, der Wert dcr zollfrei eingcsührten Kütcr aus 409 967 170 Dollars; der Wert der Ausfuhr betrug 802 606 938 Dollars — Der Staatssekretär Olney empfing gestern von der deutschen Regierung einen förmlichen Einspruch wegen Clevelands jüngster Beifügung über die Tonnen- ad gaben deutscher Schiffe. — Da« „N-P Journ" veröffentlicht den endgiltigen Wortlaut de« englisch amerikanischen Vertrage« wegen der Grenzen von Venezuela und Britisch Guiana Artikel 1 verfügt die sofortige Niedersetzung eines Schieds gericht« zur Feststellung der Grenzen Nach Artikel 2 soll da« Tribunal bestehen au« je zwei von den Richtern der obersten BundeSgrrichte dez de« britischen obersten Gerichtshöfe« Von den so ernannten Mitgliedern soll ein sünste« Mitglied gewählt werden, oder, falls sie sich darüber dmrnn drei Monaten nicht zu einigen vermögen, von dem König von Schweden ernannt werden Da« so gewählte Mitglied soll Präsident des Tribunals sein Die übrigen zwei Artikel stellen die Besugmsse dc« Tribunal« fest Nach der nach Eingang sämtlicher Wahlergeb nisse sestgrstellten Mitgliederliste des nunmehr zusammen- getretenen Repräsentantenhauses setzt sich dasselbe au« 205 Republikanern, 137 Demokraten und 15 Populisten zusammen Hiervon sind 202 Anhänger de« „gesunden Geldes", 155 der freien Silberprägung, sodaß sür „gesundes Geld" eine Mehrheit von 47 Stimmen vor handen ist Vennischtrs. * Bei Beginn der gestrigen Verhandlung im Prozesse Leckert-Lützow erklärte zunächst der Oberstaatsanwalt Drescher, daß Oberst licutenant Gaede den Wunsch habe, eine Erklärung abzugeben Diese lautete: ,,l) Der Verdacht gegen das litterarische Bureau hat sich daraus beschränkt, daß einer der betreffenden Herren wissen könne, von wem die Notiz in den „Münchner Neueste» Nach richten" henühre; jeder Verdacht der eigenen Thüterschast und Beihilfe erschien von vornherein ausgeschlossen; 2) die Ouittung mit der Unterschrift „Kulutsch" ist >m Kriegs- ministenum von vornherein nicht sür echt gehalten worden, sodaß der Verdacht, amtliche Schriftstücke preiszugeben, aus Hrn Kulutsch bei seiner Vernehmung nicht mehr bestand " — Oberstaatsanwalt Drescher teilte mit, daß der Bot schafter Gras Eulenburg den dringenden Wunsch habe, hier vor Gericht Auskunft zu erteilen über einige in der Verhandlung zur Sprache gekommene Thatsachen Außer dem habe er auch den Chefredakteur des „Berliner Tage blattes", I>i Levysohn, als Zeugen geladen, bezüglich einer Stelle in einem Artikel vom Oktober, Inhalts deren Leckert im Auswärtigen Amte empsangen worden sei» solle; er mochte Auskunsl darüber haben, wie Oe Levysohn zu dieser Notiz gekommen und ob sie nicht aus Hrn v Tausch Mückzufühn n sei Es könnten nur noch 'Beweise dasür erbracht werden, daß die Hetz- und Skandalartilel aus da« Auswärtige Amt zurückzuführen seien Bisher habe die Verhandlung nach dieser Richtung nichts ergeben Rechtsanwalt Glatzel suchte nachzuweisen, daß in der Darstellung de« Frhrn v Marschall wirklich einige thatsächliche Irrtümer seien bezüglich der Zeit, in welcher Minister v Köller von den Nachforschungen nach dem Urheber de« Artikels in den „'Münchner Neuesten Nachr" Kenntnis erhalten halte Zeuge Staatssekretär v Marschall: Kriegsminister v Bronsart hätte seine Hilse zur Ermittelung de« Urheber« de« Artikels angerusen und den Verdacht aus den Hrn Minister v Köller geworfen Er lMarschall) habe nie tun Verdacht gegen Hr» v Köller gehabt Rechtsanwalt Glatzel blieb dabei, daß Hr v Köller Aufklärung über den 'Namen des Verfassers des Artikels seiner Zeit verlangt, aber nicht erhalten habe, und be antragte, den Staalsminisler v Köller und den Minister v Bronsart als Zeugen zu laden Der Gerichtshof er sucht de« Verteidiger, seine Anträge schriftlich einzu- reichen, und behielt sich den Beschluß darüber vor Es folgte die Vernehmung des Botschafter« Grasen Philipp zu Eulenburg, während welcher der Zeuge v Tausch den Saal verlassen mußte Gras zu Eulenburg ließ sich etwa dahin auS: „Ich kenne den Kommissar v Tausch von Abbazia her, ivo er in dienst licher Funltion war. Ich ivar dort als Vertreter des Auswärligen Amtes Ich bin dem Hrn v Tausch daselbst öfter begegnet; er war von sehr freundlichem Wesen und ich habe ihm dies mit gleicher Münze erwidert E« war dies im Frühjahr 1894 Seitdem habe ich ihn wenig wieder- gesehen, ich glaube, es war erst bei der Anwesenheit des Kaisers Franz Joseph in Stettin und bei einer anderen ähnlichen Gelegenheit Der Kriminallommissarius v Tausch spielt in meinem Leben eine so wenig hervorragende Rolle, daß ich mich nicht eininal besinnen kann, wo ich ihn zum letzte» Mal gesehe» habe Das letzte Lebenszeichen von ihm war ein Bries, den ich mi Oktober nach Liebenberg erhielt Dieser Bries enthielt einen Zeitungsartikel, der sich mit der Fälschung des Zarentoastea beschäftigte In dem Briese bat mich ferner v Tausch, ob es ihm möglich sein würde, mich zu sprechen; cr habe mir Interessantes mit zuteilen, oder er habe mir in Bezug aus diesen Artikel interessante Mitteilungen zu wachen Ich habe darauf, weil ich Hrn v Tausch als fleißigen und tüchtigen 'Be amten kannte, ihm in freundlicher Weise geantwortet, daß er mich vielleicht in Berlin würde sprechen können Ich erinnere mich des Inhalts meines Antwortschreibens sonst Lenore. Erzählung von Theodor Storm. 14 (Fortsetzung) Plötzlich krachte etwas; die in den Stühlen sitzenden Mädchen kreischten, und da» Karussell stand. „Bleiben Sie sitzen, meine Herrschaften!" ries der Eigentümer, indem er mit seinem Gehilfen über die Querbalken stirg, um den Schaden zu untersuchen. Eine Laterne wurde heruntcrgenommcn, es wurde geklopft und gehämmert; aber es schien sich sobald nicht wieder fügen zu wollen. Mir wurde die Zeit lang; meine Augen suchten vergebens nach der kleinen Reiterin. Ich drängte mich aus dcr Menschenmasse heraus, in die ich eingekeilt war, und ging von außen nach der gegenüberliegenden»Seite des Platzes. Als ich mich hier mit Bitten und Gewalt bis an die Barriere durchgrarbcitet hatte, stand ich dicht neben ihr. Sie war von dem Holzgaul heralgestiegen und blickte wie suchend um sich her. Nach einer Weile steckte sie das Florett, das sie spielend in der Hand gehalten, wieder in dcn Sattel knopf und machte Miene, herabzuspringen. Aber während sie ihre Kleider zusammcnnahm, war ich in den Kreis geschlüpft. „Guten Abend!" sagte ich leise. „Guten Abend!" Dann, während die Bauernburschen immer lauter ihr Eintrittsgeld zurückforderten, faßte ich ihre Hand und zog sie mit mir hinaus ms Freie. Aber hier war meine Verwegenheit zu Ende. Lore hatte mir ihre Hand entzogen, und wir gingen wortlos und befangen nebeneinander der Straße zu, an deren äußersten Ende sich das Haus ihrer Eltern befand — Als wir den zur Seite liegenden Eiiigaig des Schloßgartens erreicht hatten, kam uns von der Straße her ein Trupp von Menschen entgegen, an deren lauten Stimmen ich einzelne meiner ans- gelassensten Kommilitonen ei kannte. Unwillkürlich blieben wir stehen. „Wir wollen durch dcn Schloßgarten!" sagte ich. „Es ist so weit!" — „Oh, es ist nicht so viel weiter!" Und wir gingen durch das Portal in dcn breiten Steig hinab, welcher zwischen niedrigen Dornhccken zu einem Laubgange von dicht verwachsenen Hage buchen fühlte Da hier vorne auch hinter den Zäunen nur bebautes baumloses Gartenland lag, so verhinderte mich die einbrechende Dunkelheit nicht, die neben mir wandelnde Mädchengestalt zu betrachten. Mich schoucrte, daß sie jetzt wirklich, wie ich es so oft gewünscht, in solcher Einsamkeit mir nahe war. Kein Mensch außer uns schien in dem alten Park zu sein; es war so still, daß wir jeden unserer Tritte auf dem Sande hörten „Willst Du mich nicht anfassen?" fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Warum nicht?" „Nein, — wenn jemand käme!" Wir hatten den gewölbte» Buchengang erreicht. Es war sehr dunkel hier; denn in geringer Entfernung zu beiden Seiten waren ähnliche Laubgänge, und aus den dazwischen befindlichen Nasenslccken lagerten undurch dringliche Schatten. Ich wußte nur noch, daß Lore lieben mir ging, denn ich hörte ihren Atem und ihren leichten Schritt; zu sehe« vermochte ich sie nicht. Wie neckend schoß es mir durch den Kopf, daß ich am Nachmittag auf eim u Sommcrvogel ausgegauge» war. „Nun bist Tu doch gefangen!" sagte ich, und, durch die Dunkelheit ermutigt, ergi iff ich ihre herabhängeude Hand und hielt sie fest. Sie duldete es; aber ich fühlte, wie sie zitierte, und auch mir schlug mein Knabenherz bis iu dcn Hals hinauf. So gingen wir langsam weiter. Von der Stadt her kam der gedämpfte Ton der Drehorgeln und das noch immer sorttauerndc Getöse des Jahrmarkttreibeus, vor imS am Ende der Allee in unerreichbarer Ferne stand noch ein Stückchen goldenen Abendhimmels. Ich legte ihre Hand in meinen Arm und faßte sie dann wieder. In diesem Augenblick trollte vor uns etwas über den W g; es mag ein Igel gewesen sein, der auf die Mäusejagd ging — Sie schrak ein wenig zu sammen und drängte sich zu mir hin; und als ich, unabsichtlich fast, den Arm um sie legte, fühlte ich, wie ihr Köpfchen auf meine Schulter glitt. Als ober dann, nur eine flüchtige Sekunde lang, ein junger Mund den andern berührt hatte, da trieb es uns wie thöricht auS dem schützenden Baumschatten ins Freie. So hatten wir bald, während ich nur noch ihre Hand,gesoßt hielt, das Ende der Allee erreicht und traten durch eine Pforte aus einen Feldweg hinan«, der seitwärts auf die letzten Häuser der Stadt zu führte. Wir giugen eilig nebeneinander her, als könnten wir das Ende unseres Beisammenseins nicht rasch genug herbeisühren. „Mein Vater wird mich suchen, es ist gewiß schon spät!" sagte Lore ohne aufzusehen. „Ich glaube wohl!" erwiderte ich Und wir gingen noch eiliger als zuvor. Schon standen wir am Ausgang des Weges, den letzten Häusern der Straße gegenüber. In dem Licht schein, der unter der Linde aus dem Fenster de» Schnciderhäuschens fiel, sah ich unweit davon ein Mädchen au einem Brunnen stehen. Ich durste nicht weiter mit. Als aber Lore den Fuß aus das Straßen Pflaster hinaussetzte, war mir, als dürfte ich sie so nicht von mir gehen lassen. „Lore", sagte ich beklommen, „ich wollte Dir noch etwas sagen." Sie trat einen Schritt zurück. „WaS denn?" fragte sie. „Warte noch eine Weile!" Sie wmdte sich um und blieb ruhig vor mir stehen. Ich hörte, wie sie mit den Händen über ihr Haar strich, wie sie ihr Tüchelchen fester um den Hal» knüpfte; aber ich suchte lange vergeben» de» Gedanken» habhast zu iverdeu, der wie eiu dunklcr Nebel vor meinen Augen schwamm. „Lorc", sagte ich endlich, „bist Du noch bös' mit mir?" /Forts folgt)
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