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Dresdner Journal : 08.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189612087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-12
- Tag 1896-12-08
-
Monat
1896-12
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 08.12.1896
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vei«»»-rri»: Für Dresden vierteljährlich: 2 Mark S0Pf, bei den Kaiser- lich deutschen Postanstalten vierteljährlich »Mark; außer halb de» Deutschen Reiche- Post- und Stcmpelzuschlaa. Einzelne Nummern: 1V Ps Srschrine»: Täglich mit Ausnahme der Coan- und Feiertage abend-. Fernjpr. Anschluß: Nr 12S5 DikS-nn Ankü»»igungSgtb»hren: Für den Naum einer aespal- tcnen Zeile kleiner Schrift 2» Ps. Unter „Eingesandt" die Zeile so M. Bei Tabellen- und Ziffernlatz entsprechender Ausschlag Herausgeber: Königliche Expedition de« DreSdner Journal« DreSden, Zwingerstr. 20. Fernspr-Anschluß: Nr. 12S5 I8S6. M 285 Dienstag, den 8. Dezember, abends. Amtlicher Teil. TreSden, 4. December. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät des Königs ist dem Wirth- schaftsgehülfen Richard Arthur Leuschel in Groß- sermuth für die von ihm am 5. September dieses Jahres nicht ohne eigene Lebensgefahr bewirkte Er rettung eines Knaben vom Tode des Ertrinkens in der Mulde die silberne Lebensrettungsmedaille nebst der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Dresden, 5. Dezember. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Amtsgerichtsrathe Karl Theodor Päßler in Chemnitz bei seinem Uebertritt in den Ruhestand das Ritterkreuz l. Klasse vom Albrechtsorden zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den Landgerichts Präsidenten a. D., Geheimen Justizrath Karl Louis Wehinger hier und den Ober amtsrichter a.D., Oberjustizrath Gustav August Hertel in Leipzig zu Mitgliedern der Disziplinarkammer und zwar den Ersteren unter Uebertiagung des Vorsitzes bei diesem Gerichtshöfe anderweit auf 5> Jahre zu ernennen. Nichtamtlicher Teil. Der Prozeß Leckert-Lützow hat gestern mit der Verurteilung der Angeklagten sein formelles Ende gefunden Mit der Diskussivn über den Prozeß ist es natürlich anders Sie wird die Spalten eines großen Teiles der dentschen Presse füllen bis zu dem Tage, an welchem die Berichterstatter mit unverhohlener Befriedigung in den Mienen ihre Blei stifte spitzen werden, um über den schon in der Nähe winkenden Prozeß Tausch zu berichten. Damit sott nicht etwa an sich getadelt werden, daß die Presse sich eingehend mit dem Prozesse Leckert-Lützow beschäftigt hat. Es würde ebenso un natürlich, wie beklagenswert gewesen sein, wenn unser Volk nicht in vollständiger Weise aufgeklärt wordeu wäre über Vorgänge, die, nachdem sie einmal in die Öffentlichkeit gedrungen waren, in hohem Grade ge eignet sein mußten, das Vertrauen in Personen und Verhältnisse zu erschüttern, deren ersprießliches Wirken und deren Fortbestand ohne solches Vertrauen über haupt nicht denkbar ist. Und auch das Recht kann in keiner Weise der Tagespresse abgesprochen werden, die Ergebnisse des Prozesses Leckert-Lützow ohne jede Beschönigung als so bedauerlich zu bezeichne«, wie sie es thatsächlich sind. Wenn derartige niedrige Jntriguen, wie sie dieser Prozeß enthüllt hat, jahrelang gespielt werden, wenn ein vollständiges System der Verhetzung einer Kategorie von Beamten gegen die andere jahre lang bestehen und die schönsten Früchte zeitigen konnte, dann ist es durchaus am Platze, hiueinzuleuchten in dieses Getriebe und die Schuldigen an das volle Licht des Tages zu zerren, wenn anders nicht die festesten und unentbehrlichsten Stützen unseres staatlichen Lebens ins Wanken gebracht werden sollen. Daß Sozialdemo kraten und andere Feinde des Staates und der Gesellschaft schon jetzt unter Frohlocke« diese Stützen wanken zu sehen glauben und mit wohligem Behagen die schlechten Dünste die der Prozeß erzeugt hat, einatmen, kann bei allen ehrlichen Vaterlandsfreunden nicht der mindeste Grund sein, etwa eine Politik der Verheimlichung und Vertuschung des Falles zu empfehlen. Es ist thörichtes Gerede der Umstürzler und ihrer Helfers helfer, daß das ganze Gebäuvc des heutigen Staats und der Gesellschaft morsch und faul sei. Es ist nur an der Zeit, daß hier und da ein Balken ausgesägt und durch einen andern ersetzt wird. Aber mit derselben Entschiedenheit, mit der da- Recht der öffentlichen Besprechung des Prozesses zu gestanden werden muß, mit der ist auch Protest ein zulegen, gegen die Art und We^e, in ter gerade die jenigen Organe der öffentlichen Meinung den Prozeß behandelt und geradezu ausgeschlachtet haben, die an den Zuständen, die er enthüllt hat, ihr gutes Teil Schuld haben, ohne die er überhaupt gar nicht mög lich genesen wäre. Die Leckert und Lützow konnten überhaupt nur gedeihen auf dem durch eine leicht fertige Presse vorbereiteten Boden. Blätter, die keine anderen Triebfedern kennen, als Sensationelles, Pikantes zu bieten, die Leser mit der täglichen Kost von Verdächtigungen, geheimnisvollen Andeutungen, halb erlauschten und frei erfundenen Geschichten zu füttern, denen steht es in der That schlecht an, sich zum Sittenrichier über unsere Zustände, vor allem über die Regierung und die Polizei aufzuwerfen. Es wird sich in der nächsten Zeit noch hinreichende Gelegenheit bieten, diese Verhältnisse zu berühren, die unseres Erachtens eine nicht mindere traurige Seite des Prozesses darstellen, als die thatsächlichen Enthüllungen des letzteren selbst. Wie für die Re gierung, so haben sich aus dem Prozesse zweifellos auch für die ernste Presse und vor allem auch für das zeitunglesende Publikum Pflichten ergeben, die hoffentlich nicht unerfüllt bleiben werden. Rußland und Frankreich. Im Punkte des Verhältnisses zu Frankreich ist man in St. Petersburg äußerst empfindlich, und an der Newa „berührt es höchst unangenehm", wenn irgendwer an der völligen Harmonie zwischen der Republik und dem Zarenreiche zweifelt. Solche Zweifel sind nnu zwar von ernster Seite über haupt nicht erhoben worden, aber gleichwohl hat man in St. Petersburg alle Hände voll zu thun der Auf fassung entgegenzutreten, als ob durch die, rücksicht lich der „finanziellen Sanierung" der Türkei, zwischen Rußland und Frankreich aufgetauchten Meinungs verschiedenheiten das innige Verhältnis der beiden Verbündeten irgendwie getrübt worden sei. Hierüber läßt sich heute der St Petersburger Offiziosus der „Polit. Correspondenz" wie folgt auS: Tie Kommentare, welche von auswärtigen Blät^rn an des Scheitern des französischen Vorschlages für die Sanierung der türkischen Finanzen geknüpft wurden und die in ungünstigen Folgerungen in Bezug auf die russisch-französische Entente gipfelten, haben hier allgemein, insbesondere aber in den maßgebenden Kreisen unangenehm berührt. Es sei diesen Darstellungen gegenüber sofort festgestcllt, daß in Wirk lichkeit zwischen den Kabinetten von St. Petersburg und Paris hinsichtlich der Regelung der orientalischen Angelegenheit absolut keine das Wesen der Cache berührende Meinungsverschiedenheit besteht. Ein Teil der aeswärtigen Presse ist allerdings in seiner Auffassung durch Äußerungen russischer Blätter beeinflußt worden, von tcnen jedoch zu betonen ist, daß sie keineswegs die Ansichten der Leitung des Ministeriums tes Äußern wicdcr- gcgcbcn haben. Bon sranzösischcr Seite war bekanntlich der Gedanke der Entsendung eines russischen Delegierten in die Verwaltung der ottomanischen Oetta pndli»,»,' an geregt worden. Ter Mißerfolg die cs Vorschlages ist, wie die ,,Politische Correspondenz" bircits zu konstatieren in der Lage war, nur ein Werk des Fiuanzministcrs Hrn. Witte, der die Angelegenheit als eine lediglich vom finanziellen Gcsichispunkie auszufassende behandelt hat. Daß durch die Ab.ehuung der er wähnten Prvposition, wenigstens in den Augen Fernstehender, der Schein geweckt werden konnte, als ob in die russi'ch- französischc Entente ein Mißton gekommen wäre, läßt sich aller dings nicht bestreiten Nachdem man nun in den leitenden russischen Kreisen diese unerwünschte und unberechtigte Wirkung in der össemlichen Meinung Europas wahrgenommcn hatte, erachtete man es sür notwendig, den Eindruck, als ob Frankreich in St. Petersburg einen Echcc erlitten hätte, zu zerstreuen und zu diesen» Zwecke die ttntcihandlungen mit dem Pariser Kabinett ibcr dießn Gegenstand wieder anfzunebmen. Die beiden Regierungen haben sich denn auch darüber verständigt, die Angelegenheit Kunst und Wissenschaft. Konzerte. Am Montag gaben die Herren Lange- Frohberg, R. Schreiter, A Spitzner und Arth. Stenz im Musenhaussaale ihren zweiten Ouartett- Abend. Er begann mit Mozarts Il-ckur-Ouartett, dem letzten der drei auf Veranlassung des kunstliebenden Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen (1790) entstandenen Werke Dem Geschmacks des fürstlichen Auftraggebers, der als ein vortrefflicher Violoncellspieler galt, ist durch die dankbare Behandlung des von ihm gepflegten Instrumentes und durch eine im allgemeinen mehr melodisch gefällige als polyphon durchgebildete Satzweise ersichtlich Rechnung getragen Jmmerhm ist die Musik noch Mozartisch genug ausgefallen, um Freude zu bereiten, besonders der erste Satz mit seiner fesselnden Durchführung des leichtgewogencn Themas und das ziemlich breit im Trio ausqesührte Menuett, dessen guter Laune sich kein Hörer zu entziehen vermag. Der recht sorgsam und intelligent ausgearbeiteten, wen« auch des vollsaftigen blühenden Klanges einiger maßen entbehrenden Wiedergabe folgte als 'Neuheit ein Quatuor (op. 8) von Adolf Barjansky Der Name dürfte den Musikfreunden wohl zum ersten Male auf einem hiesigen Programm begegnet sein, nach seiner Art weist das Werk auf die Einwirkung Tschai kowskys hin, dessen Landsmann und Schüler unseres Wissens der Komponist ist. An die herkömmliche Sonaten form bindet er sich so wenig wie sein Vorbild, es sind mehr temperamentvolle Stimmungsbilder als quarteltgcmäß entwickelte und durchgeführte Sätze, in denen ein zum Dramatischen drängendes und ost orchestrale Färbungen annehmende« Element vorherrscht Das erste leidenschaftlich bewegte Allegro, in einer recitativartigen Wendung der Primgeige ausgehend, zeigt am meisten dramatisches Ge präge, zu einem lyrischen Ausklingen kommt es auch im langsamen Satze nicht Tie Erfindung, ohnehin von keiner entschiedenen Eigenart, wird in den folgenden Ab schnitten immer belangloser, der Autor weiß für den Mangel an ausgiebigen Gedanken nicht einmal durch kunstvolle Führung und Durchbildung dcS Satzes zu ent schädigen Ganz schwach ist der letzte Satz geraten Aber Sinn für Wohlklang und rhythmisches Leben machen sich doch gleichmäßig in dem Werke geltend, das von der Ver einigung überaus lebendig und präzis hcrausgebracht ward Den Abschluß des Abends machte Haydns O.uartett in D-ckur, op 76, Nr 5. — Jin zweiten deutsch-französischen Orgelabende brachte Hr. Hans Fährmann neben einer Bachschen Fuge mit Präludium und Schumanns Schlußsätze aus op. 60, deren Gcgenthema sür den Romantiker recht bezeichnend ist, zwei Sonaten von Alex. Guilinant und ein Pastorale von Cösar Franck zuin Vortrag. Die Kompositionen Guilmants machen, wie der Konzcrtgebcr selbst im Programm bemerkt, inhaltlich keine großen Ansprüche, bieten aber durchweg klangvolle, frisch und flüssig gestaltete Musik. Die zweite Sonate (v-<Iur) spricht am stärksten in ihrem langsamen Satze, einem schön harmonisierten Lied ohne Worte an, die dritte Sonate (s.'-ni<)IY macht die größte Wirkung mit ihrem Preludio, das ein schwungvolles recitativisches Motiv mit prächtiger Klangwirkung verwertet. Fehlt in letzterem Satze jede sonatenmäßige Durchführung, so bestimmt diese den Wert des ersten Allegros der v-ckur - Sonate und bringt darin das sehr leicht gewichtete Hauptthema noch zu erfreulichem Eindruck. Tas Schlußstück der zweiten Sonate hat trotz mancher Klangfeinheiten wenig Charakter und das der O moll-Sonate, eine geschickt wenn auch nicht mit großer kontrapunktischer Strrnge entwickelte effektvoll ab schließende Fuge, leidet unter den» dürftig erfundenen Thema Francks Pastorale ist ein harmonisch interessantes, für einen Künstler im Registrieren sehr verjockendes Orgelstück, das sich frei variierend nur zu gemächlich ausbreitet Hr. Fährmann spielte die französischen Kompositionen virtuos, kjar und ausdrucksvoll In seinen Programm-Bemerkungen war er^auch diesmal nicht ganz so glücklich wie in seinen aus Grund des früher erörterten Projektes mit gewiifen Modifikationen zu regeln Das Arrangement in diesem Sinne soll lereits zustande gekommen sein und die Einzelheiten dieser Vereinbarung dürsten auch bald der Öffent lichkeit bekanntgegcben werden Es wird dann der öffcmlichen Meinung EuivpaS der materielle Beweis dafür geliefert sein, daß die russisch-französische Entente infolge der Verhandlungen über die Ordnung der türkischen Finavzfrage nicht die geringste Trübung rrsahrcn hat, daß vielmehr die beiden Mächte in voll ständigem Einvernehmen aus die baldige und rationelle Lösung der schwebenden türkischen Frage hinarbeiten Dabei ist zu betonen, daß keines der beiden Kabinette bei der Verso'gung dieses Zieles daran denkt, aus den jriedlichcn Bahnen und aus den Geleisen der mit den anderen europäischen Mächten ver einbarten Aktion herauSzutrcten Rußland und Frankreich werden vielmehr an dem Rahmen und den Tendenzen dieser Aktion, deren Vereinbarung ja ihren Wünschen entsprach und an deren Zustandekommen sie mitwirkten, tren scsthaltcu Nachrichten, wie z B die kürzlich verbreitete, daß das St Petersburger Kabinett bei der Regierung eines 'Nachbarstaates die Teilung der Türkei angeregt habe, sind daher als phantastische Erfindungen zu be handeln Irgend ein neuer radikaler Plan zur Lösung der türkischen Frage ist in St. Petersburg ebenso wenig aufgetaucht, als sich zwischen Rußland und Frankreich wegen einer vorüber gehenden Meinungsverschiedenheit über eine sekundäre Frage vorwiegend finanziellen Charakters, wie die etwaige Entsendung eines russischen Delegierten in die Verwaltung der ottomanischen Dette publique, eine Mißhclligkeit ergeben hat sozialdemokratische Kritik einiqer Bebelscher „Wahrheiten." (C. C.) In der „Neuen Zeit' macht der sozialdemokratische Redakteur Katzenstein eine lange Reihe kritischer Bemerkungen zu Bebels Buch .Die Frau" Bebel wird, wenn er ans diese Wene seine Unfehlbarkeit crnsthast angegriffen sieht, noch schlechter als bisher aus das Krethi und Plclhi der Akademiker zu sprechen sein. Und gerade „Tie Frau", das „wissenschaftliche Haupt werk" des Hrn. Bebel, war dcn ziclbcwußten Genossen bisher der Leitfaden, aus dem sie ihre Gedanken und Bilder ent nahmen, uni sich dcn Zukunfisstaat rccht angenehm anSznmalen. Kritiken von Nicht - Sozialdemokraten machten bei den sozial demokratischen Gläubigen leinen Eindruck; anders wird cs aber sein, wenn ein Genosse selbst den Widersinn ausdcckt, welchen Bebel in seinem Buche vielfach zum Besten giebl. So hat Bebel in feinem Buche bekanntlich kurzerhand dcn Staat „abgeschafft". Katzenstein schreibt hierzu mit Recht, Bebel beschreibe einen Staat mit allerdings sehr beschränkten Funktionen und nenne ihn „Gesellschaft". ,Was Bebel als Wirtschaftsorganisation zeichnet, ist aber — so schreibt der Kritiker der „Neuen Zeit" weiter — demokratischer Staats betrieb, mag die Selbstverwaltung der einzelnen Gemeinden und Betriebe noch so weit gehen: ES bleibt die Oberleitung mit Besehlsgewalt; es bleibt die Gehcrsamspslicht dcs einzelnen, die unter Umständen selbst die abfolute Freizügig keit und Freiheit der Berufswahl ... in größerem Umfange ausschließt". - Das ist, was die bürgerlichen Kritiker längst ichon gesagt haben: Der Zvang die Unfreiheit im 'ozialdemolratischen Staate würde so unerträglich sein, daß die Genossen gar bald des Regiments der Bebel, Singer w. überdrüssig werden würden. Bebel hat u. a. folgenden stark angefochtenen Satz in seinem Buche ausgestellt: „Man kennt künftig weder politische Verbrechen noch Vergehen, noch gemeinen . . . Mord Wes halb? Reiner kann am anderen sich bereichern, selbst der Mord aus Haß oder Rache hängt direkt oder indirekt von dem heutigen Sozialzustand der Gesellschaft ab." Mit dieser ab sonderlichen, unbeweisbaren Behauptung geht heute noch die gesamte sozialdemokratische Piesse hausieren Katzenstein sührt gerade in dieser Beziehung Hrn Bebel gründlich all ubsmckum; er schreibt bcispiclsweife: „Ist Rache nicht möglich für jede beliebige Kränkung? Und der Ehrgeiz soll ja nach mancher Auffassung in einer sozialistischen Gesellschaft eine große Rolle spielen. Und Eifersucht! die gerade das nicht sehr geregelte Verhältnis der Geschlechter, wie Bebel es schildert, stark be günstigen dürste. Nein! Es ist verkehrt, alles von der mechanischen Wirkung der Wirtschaftsordnung zu erwarten." Thatsächlich würde Mord und Totschlag im sozialdemokratischen Staate erst recht zu Hause sein „Falsche Verallgemeinerung", so schreibt Katzenstein weiter — ter Fehler dec unvollständigen Induktion, rst eben einer der beli btcsten Irrwege, den auch Beb l manchmal gewandelt ist Man höre: „ .Der Mensch ist das Produkt von Zeit und Um stünden, in denen er lebt . Wenn Goethe statt als Sohn eines reichen Patriziers als Sohn eines armen Schusters zur Welt gekommen wäre, er wäre . . . höchstwahrscheinlich ein Schuster geblieben und als ehrsamer Schuslcrmeistcr gestorben "" Also, um ein Beispiel zu wählen: Wäre Bebel als der Sohn eines armen Unteroffiziers zur Welt gekommen und Handwerker geworden, er wäre höchstwahrscheinlich ein ehrsamer Handwerker geblieben . . . Ja, wie ist mir denn? Bebel selbst ist der beste Gegenbeweis gegen diese platte Verallgemeinerung der Lehre von dein Einflüsse der äußeren Umstände Man bilde sich doch nicht ein, init dem kahlen Vernünfteln einiger Ersahrungssätze das Wesen dcs außergewöhnlichen Geistes überhaupt bas innerste Wesen des Menschengeschlechtes erklären zn wollen." Der Kritiker der „Neuen Zeit" will mit seinen Bemerk ungen die Parteigenossen „zum 'Nachdenken über einige bisher als unumstößliche Wahrheit bingcnommene Sähe rcranlasscn." Daß ihm das gelungen lei, daran zweifeln wir nicht; allein außer Bebel selbst, der sich ohnedies mit den AkademiciS nicht vertragen kann, werden die sozialdemokratischen Parteigänger die vernichtende Kritik rasch vergessen und nach wie vor die Bebelicheu Ergüsse als Wahrheiten hinnehmcn. Wollten nämlich die Anhancer der sozinldemokratiscbeil Parüi erst anfangen, an den Weisheiten und Wahrheüeu die ihnen von der Führerschaft a's Dogmen vorgefttzt werden, Kritik zu üben, so wäre cS mit dem Glauben an die , völker- besreieude" Sozialdemokratie bald vorbei. Genau so, wie Katzenstein die oben erwähnten Kannegicßcreieu Bebels ais das bezeichnet, waS sie sind, müßte er eigentlich auch, wofern er konsequent sein wollte, gegenüber den Utopien, die Bebel sonst noch in seinem Buche zum Besten giebt, verfahren. Er wird sich aber hüten, das zu thun, sonst würde er zum „Hiuaus- sliegen" verurteilt werden Vielleicht wird ihm iogar seine ver hältnismäßig ziemlich zahme Kritik an Bebels Werk dcn Bodcn der soziald-mokratischen Partei ein wenig heiß machen. Bebel versteht keinen Spaß, wenn man an siincr „Wissenschaftlichkeit" zweifelt Wenn man früher seine gedrechsclien Thürgrisse tadelie, nahm er das leichter hin, als wenn man heule an »einen gedrechselten Phrasen begründete Ausstellungen macht Tagesgeschichte. TeatscheS Reich. * Berlin Sc. Majestät der Kaiser fuhren, wie aus Bückeburg gemeldet wird, gestern vormittag mir dem Fürsten v. Schaumburg-Lippe in offenem Vierspänner zur Jagd avl Bückcbergc. Se. Majestät pirschten zuerst allein auf Hirsche. Um 12 Uhr wurde das Jagdirühstück ein genommen, zu welchem auch die übriflcn JagdgÜste aus Bückeburg cingetroffen waren Hierauf fand ein ein gestelltes Jagen statt. Se. Majestät kehrten nachmittags um 5 Uhr von der Jagd zurück und erledigten Regier ungsgeschäfte. Um 7 Ühr fand im Schlosse das Jagd- diner statt. — Heute nachmittag sollte die Rückkehr Sr. Majestät nach Potsdam erfolgen — Fürst Bismarck hat das ihm angetragene Ehren präsidium des Komitees für die Nationalseicr am 22 März 1897, dem hundertjährigen Geburtstage Kaiser Wilhelms I. angenommen — Irrtümer in Nachrichten der Presse über Berat ungen und Abstimmungen innerhalb des Bundesrates sind zwar etwas so wenig Seltenes, daß es sich kaum noch verlohnt, sie hervorzuhcben Was aber in den letzten Tagen über diejenigen Vorgänge erzählt worden ist, die zu dem angeblichen „Scheitern" der Handwerkcrvorlage »in Bundesräte geführt haben, hat uns schon mehrfach zu richtigstellcnden Bemerkungen veranlaßt. Auch jetzt geht wieder eine, wie es den Anschein hat, auf die „Münch. Allg. Ztg." zurückzuführende Meldung durch die Presse. Wie wir zu wissen glauben, ist die Nachricht, daß iir dem zur Ausarbeitung eines andcrweiten Gesetzentwurfs, be treffend die Organisation des Handwerks, gebildeten Unter ausschüsse außer Preußen noch Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vertreten seien, insofern unrichtig, als Hessen dem Ausschüsse nicht angehört, wohl aber Sachsen in ihm vertreten ist. Wie die „Post" erfährt, ist dem Bundesrat der Entwurf einer Grundbuchordnung durch den Reichs kanzler zur Beschlußfassung zugegangcn — Die Kommission des preußischen Abgeordneten hauses für die Schuldentilgungs- und Ausglcichs- fondsvorlage hat gestern mit den Stimmen der National- jiberalen und der beiden konservativen Jraltionen gegen die der Freisinnigen, des Zentrums und der Polen die gesetzliche Schuldentilgung mit einem halben Prozent angenommen. Die Asistimmung über den Aus gleichsfond ist noch nicht erfolgt. — In der „Nordd Allgem. Ztg." ist zu lesen: Wir haben unterlassen, von einem Bericht 'Notiz zu nehmen, welchen der „Hannoversche Anzeiger" über eine Ansprache brachte, die Se. Majestät der Kaiser in Hannover an die Offiziere des Militür-Reitinstituts gehalten haben sollte. Jetzt rechtfertigt der „Hannov. Courier" unsere Zweifel wegen der Zuverlässigkeit jenes Berichts, indem er Leistungen; er wiederholte eingangs sein schon neulich be anstandetes Urteil über Callaerts mit augenscheinlich tendenziösem Nachdruck und sprach u. a von Guilmants Kompositionen als von wirklichen Sonaten mit Durchführungs sätzen, was doch auf die Sonate nicht zutrifft. Manches andere hingegen, was er da unbefangen vor- gctragen hat, läßt sich völlig unterschreiben. Den Konzcrtgebcr unterstützten Frl. Anna Hartwig, die mit frisch klingender Stimme und natürlichem Aus druck ein echt französisches, pathetisch geschwungenes Weih nachtslied von Adolphe Adam sang und sich außerdem an dem schwierigen Stil eines Bachschen Stückes aus dem Magnificat versuchte; ferner Hr. Konzertsängcr Franz Seebach «Leipzig), der seinen klangvollen, aber im Ton nicht ganz reinen und festen Bariton in Gesängen von L. Spohr und Ed. Nößlcr mit musikalischer Haltung geltend machte, und zu dritt Hr. Kammcrmusikus Franz Peschek, der ein Andante (op. 86 stand merkwürdiger weise dabei auf dem Programm) für Flöte von Mozart, wohl ein in der Pariser Zeit (1778) entstandenes Konzert stück, im Ton und Ausdruck sehr lobenswert ausführte Frl. Hartivig und Hr. Seebach sangen dann noch ein schön klingendes, melodisches, wenn auch der innerlichen Kraft entbehrendes Duett aus dem Oratorium „Geburt Jesu" von C. Stein (Musikdirektor in Wittenberg), und der ver stärkte Kirchcnchor steuerte in befriedigender Wiedergabe ein würdiges Chorstück (Magnificat) von Edmund Kretsch mer bei. P. Sächsischer Kunftverein. Ein kleines Kabinett auf der linken Seite ist einen» neuen umfangreichen Gemälde von Werner Schuch ein- aerüumt, welches Friedrich den Großen von Preußen augen scheinlich in einem spannenden Momente eines Gefechtes darstellt Im Vordergrund sieht man den Monarchen, der eben den Laus seines RotschimmclS gehemmt hat, im Mittelgründe eine Gruppe von Generälen, weiter zurück einen heransprengenden Ordonnanzoffizier, außerdem die Spitzen einer Bcdeckungsmannschast Der König blickt scharf nach links aus eine Erscheinung oder Aktion, die seine höchste Aufmerksamkeit beansprucht, und auch bei den Generälen giebt sich die lebhafteste Bewegung lund Das in dcn Farben frische, leuchtkräftige Bild zeigt einige der besten Seiten von Schuchs Talent, seine Kunst wirksamer Anordnung, seine virtuose Darstellung des Pferdes, seine fein abgemessene Behandlung des Details; aber in den» Bestreben, die geistige Persönlichkeit des königlichen Feldherren im gegebenen Moment mit größtmöglicher Schärfe, monumental zur Anschauung zn bringen, hat der Maler über sein Ziel hinausgeschossen, denn die Haltung des Monarchen weist einen Anslug von Pose auf uni» der Gesichtsausdruck, der Blick in seiner Starrheit erscheinen übertrieben. Wir bemerkten neulich, daß das TarstellungSgebiet der Landschaft gegenwärtig im Kunftverein befriedigend, wenngleich zumeist ohne höheren Reiz des Individuellen vertreten ist. Den schon genannten wohlgelungencn Arbeiten haben wir hier mehrere von der gleichen Art anzusügen. So eine Landschaft von A de Jonge, ein Wmterstück von H. W. Janssen, eine FrühlingSlandkckast von Carl Ludwig (Berlin) und P. Müller-Kämpffs „Dorf im Schnee" — lauter gesunde, in Ton und Stimmung wahre und kräftige Produktionen Ferner zwei Landschaften kleineren Formats von Wilh. G. Ritter (Dresden), deren eine, und zwar die wertvollere, der Kunstverein erworben hat, und von demselben Maler eine im Ton sehr seine, poetisch wirkende Frühlings landschaft. Von Franz Hochmann (Dresden) sind in der Eintrittshalle eine Winterlandschast und ein Frühlingsbild aufgestellt, beides gediegene Arbeiten de« Malers, der aus eine gleichmäßig gute Repräsentation seines Namens hält, fast immer fertige und ansprechende Leistungen vorführt. Namentlich das Winterstück lobt seinen Meister, aber auch da« Frühlingsbild ist sehr charakteristisch für Hochmanns Malweise, die bei aller breiten Art des Vortrag« die ordentliche Durcharbeitung
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