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Tage-geschichte. - G u - a. Kunde non blutigen Greueln hat wieder einmal die Blicke der Welt auf «Cuba gelenkt. Wie spanische Kriege eS zu thun pflegen, zieht sich auch der Bürgerkrieg, welcher die schöne Antilleninsel seit einem halben Jahrzehnt nicht zum Frieden kommen läßt, so sehr in die Länge und wird mit so einförmiger Schlaffheit geführt, daß «an es i« Auslande aufgegtben hat, seinem Gange mit Aufmerksamkeit zu folgen; zumal sich bald die Ueberzeugung eingestellt hatte, daß die großen Schlachten, welche der Telegraph von Zeit zu Zeit meldete, näher besehen, zu unbedeutenden Scharmützeln zusammenschwandrn, die nach keiner Seite hin eine Entscheidung zu geben vermochten. Nur durch Ein- zeichneten di« militärischen Operationen sich aus: durch die beispiellose Wildheit, mit welcher der Sieger den entwaffneten Gegner behandelte. Die spanischen Freiwilligen und Pflanzer sel tenen ihre fast feige zu nennende Kriegführung dadurch heben zu wollen, daß sie wehrlose Gefangene in Scharen »tedermctzclten. Doch auch diese Blutthaten wurde man gewohnt, und der Abscheu der civilistrte» Welt gab sich nur noch bet solchen Anlässe« kund, wie eS z. B. die standrechtliche Erschießung jener acht Studenten in der Havannah war, deren ganze Schuld in der muthwilligen Entweihung eines dem spanischen Patrioten Eastanon gesetzten Denkmals bestand. Damals waren eS auch die Freiwilligen, welche das Blut der unglückliche« Jünglinge verlangten und deren lärmenden Drohungen die Be hörden nicht zu widerstehen wagten. An dies'« Mord reiht sich würdig die neueste That, welche die allgemeine Entrüstung der zuschauenden Nationen erregen muß; die Erschießung von 165 Aufständischen, welche an Bord des Schiff-S BirgintuS in die Gewalt der Spanier gefalle« siw. Der Dampfer VirgmiuS war von dem cubantschen Rc- volutionScomite in New-Uork ausgerüstet worden, um Mannschaften und Waffe» zur Förderung deS Aufstandes nach Euba zu entsenden. Er machte einen ver- geblichen Versuch, die Blokade zu durchbrechen, wurde von dem spanische« Ka- »on-nboot Tornado verfolgt und in der Nähe von Jamaica aufgebracht. Das Kanonenboot schleppte seine Prise n ich Santiago, und dort wurde unverzüglich Kriegsgericht gehalten. Der erste Tag sah schon die Hinrichtung von acht der hervorragendsten unter den gefangenen Rebellen. So wie die Nachricht in Wa shington cintraf, ließ die Unionsregierung durch de» General Sickles in Madrid die sofortige Aufschiebung weiterer Unh-tlSvollstreckungen verlangen, und Castelar telegraphtrte in diese« Sinne ohne Verzug a« de» Gcneral-Capitän in der Ha vannah. Trotzdcssen wurde mit de« Hinrichtungen in Sanriago fortgefahren. Wie eS heißt, soll der Einstellungsbefehl durch eine Störung der telegraphischen Verbindung von der Havannah aus nicht rechtzeitig nach Santiago gelangt sein; doch ist dies ei« Punct, der noch sehr der Aufklärung bedarf. SS fällt nicht schwer, anzunehmen, daß die blutdürstige« Freiwilligen auch diesmal wieder die Behörden und das Kriegsgericht gezwungen haben, ihr schreckliches Werk zu vollenden. Und wen« die neueste« Nachrichten sich bestätige», waS durchaus glaublich, so find von den 1--5 Menschen, welche auf dem Rebell.nschiffe gefangen genommen, in den Tagen von 4. bis zum 13. November 147 in Santiago erschossen worden! Unter den Opfern befanden sich Pedro CeSpedcS, der Sohn des „Präsidenten der cubantschen Republik", General Bernabe Varona, ein jur-ger Cubaner von angesehener Familie, Juan Aguero und der Oberst Jose Jesus del Sol, zwei bekannte Rebellenführer, und der Oberstlieutenant Enrique Castellano. Was der Greuelthat aber einen gefährlichen politischen Charakter gibt, ist die Thatsache, daß auch sechs Bürger der Vereinigten Staate« mit hin- gerichter worden find: der irisch-americanische „General" Ryan, ei» ziemlich be rüchtigtes Subject, der geborene Americaner Cavitän Gratz Brown, der seit Beginn deö cubanischen Aufstandes Spionendienste verrichtet hat: der geborene Cubaner, aber naturalifirte Unionöbürgec Santa Rosr und endlich drei junge Ukb>.kannte Abenteurer aus den Vereinigten Staaten. Schon lange hat die große Republik verlangende Blick- auf die Perle der Antillen geworfen. Es waren zumal die Eclavenstaaten, welche in dem Anschlusse der gleichfalls sclavenhaltende« Colonie eine neue Stütze zur Auf rechthaltung ihrer von de» Abolitionisten deö Norden- bedrohten „häuslichen Institution" sahen; und Buchanan befürwortete die Annexion sogar in einer Botschaft an den Congnß. Aber dieselben Gründe, die den für die Interessen des Südens eintretenden Präsidenten bestimmten, den Vorschlag zu machen, be wogen die leitende« Politiker deS Nordens, ihn mit aller Energie zu bekämpfen, uns sie thaten dies erfolgreich. Jetzt, nachdem die Sklaverei in dem ganze« Gebiete der Union auögerottet ist, fallen diese Rücksichten für den Norde« fort; und so ist denn von den Amerikaner« gleich im Anfänge deö cubanischen Auf standes daö Losungswort auögegeben worden, daß eö für die Insel kein Mittel gebe zu geordneten Verhältnissen zu gelangen, als die Vereinigung mit der Union. Dieses Wort hat viel für sich, nämlich den Umstand, daß eö wahr zu sei» scheint. Daö Schauspiel der Ohnmacht, welches die spanischen Be hörden trotz fortwährend eintreffender militärische« Vcrstärkunge» dem Aufstande gegenüber darbieten, das Schauspiel der Barbarei, welches die eine blutige Schreckensherrschaft ausübenden Freiwillige« in ihrer Behandlung der Feinde »der auch nur der politischen Gegner gebe», ist nur dazu geeignet gewesen, in den Amerikanern das Gelüste nach Cuba anzustachcln und in den direkt nicht betheiligte« Nationen den Widerspruch gegen die amerikanische Annexionspolitik akzustumvfen. Jetzt, wo die Nachricht etntrifft, daß gar amerikanische Bürger kriegsgerichtlich ermordet worden find — anders ist die That wohl nicht zu be zeichne« —, wäre es der washt«gtoner Regierung wohl unmöglich, fich dem entrüsteten Rufe nach Intervention zu widersetzen, auchwenn der Präsident Grant nicht selbst seine auf Gebietserweiterung gerichteten Wünsche bei mehreren Ge- leg.nhette« an den Taz gelegt hätte. Auch ist e- derselben Regierung keines wegs zu verdenke», daß fie fich an madrider Versprechungen nicht genügen läßt. Was hilft eS, daß Castelar'S guter Wille über allen Zweifel erhaben steht, wenn die Macht, ihn auszuführen nicht vorhanden ist? Bet diplomatischen Schritten hat eS die Washingtoner Regierung daher nicht bewenden lassen. Sie ist eifrig mit der Ausrüstung eines starke« Panzergeschwaders beschäftigt, wel ches die bereits «ach Cuba abgegangenen Kriegsschiffe verstärke« soll; fie hat die Möglichkeit ei«er nothwendig werdenden Landung von Truppen auf der In sel schon ins Auge gefaßt; fie läßt die befestigten Hafenplätzr im Süden der Bereinigten Staaten in BertheidigungSzustand. setze», kurz, in wenige» Tage» wird sie ihre Vorbereitungen so weit vollendet habe», daß nichts mehr der Kriegserklärung und dem Beginne der militärischen Operationen im Wege steht. Spanten dagegen wird von diesen unseligen Ereignissen in einer Lage getroffen, wie fie kau« schlimmer zu denken ist. Zwei Bürgerkriege im Mutterland», «in «och immer nicht gedämpfter, mit fremder Hülfe aber nothwendig zu nie vorher erreichter Stärke emporwachsender Aufstand in der Lolonie, die Flotte vor dem rebellischen Cartagena zurückg-halten — da» sind, die Auspicie», unter welchen Spanien den Kampf mit einem so furchtbaren Gegner wie den Vereinigten Staaten aufzunehm:n hätte. Der AuSgang wäre nicht schwer zu prophezeie». Ebe« deshalb aber wird die spanische Regierung auf alle aus Washington an fie gestellte« Forderungen eingehe», jede veria»gte Genugthoung leisten müsse,/, und diese Ohnmacht Spaniens eröffnet »och die Hoffnung, daß der Friede er halte» bleiben kann. Deutschland. Berlin, 17. November. Die „Nordd. Allg. Ztg." theilt mit, daß bezüg lich eines Hirtenbriefs deö Bischofs von Ranry, der am 3. August von den Kanzel» der Diözesen Nanky, Toul und auch von den Kanzel» der t» diese Diözesen eingepfarrten, zu Deutschland gehörigen Kirchen von Elsaß-Lothrinzcn verkündigt wurde und welcher zu Gebeten für Wiedervereüttgung von Metz und Straßburg mit Frankreich aufforderte, die kaiserlich deutsche» Berichte gegen die betreffenden Geistliche« m Elsaß Lothringe« eingeschritten find. Ferner that die Reichsregierung Schritte bei der franzöfischen Regierung betreff» deö unter deren Jurisdiktion stehenden Bischofs von Nancy. Kassel, im Nov. Die hiestgen Frauen, die, wie schon mitgetheilt, eine Vereinigung zur Erzwingung billiger Marktpreise gebildet habe», erlassen einen Aufruf an Deutschlands Frauen, in dem eS heiß«:. „In Zeit von wenigen Jahren haben die Preise der meisten Lebensbedürfnisse eine solche Höhe erreicht, daß die nothwendigsten Nahrungsmittel kaum mehr für das große Publicum zu beschaff.» find. Mag auch die Ursache dieses Uebels zum Theil in den socialen Verhält nisse», z. B. in d:r gesteigerten Eniwerihung deS Geldes liege», so ist fie roch auch andererseits nicht minder darin zu suchen, daß viele Verkäufer, von dem allgemeinen Schwindel unserer Zeit ergriffen, auf Kosten Anderer in Kurzem v ich zu werden, das Publicum übervorthellen. Da nun nicht anzunehmen ist, daß die Verkäufer gutwillig ihre Preise geringer stellen werden, so muß schließlich den unb.mtttelten Classen die Wahl bleiben: entweder ehrlich zu darben oder fich unehrlich zu ernähren. Nun haben die Frauen von Kassel den Versuch ge macht, dieftm Uebelstande vorzubeuzen und der immer mehr wachsenden Noth zu steuern. ES hat fich deshalb dort ein Verein von Frauen aller Stände gebildet, welche für die nothwendigsten NahrungSbcdürsnisse, als Milch, Eier, Dutter'rc., mäßige, aber den Verhältnissen angemessene Preise (als solche find dies nigen angenommen, welche fich unter den von auswärtigen Handlungöhäusern gefordett n Pressen mit Aufrechnung der TranSporlkoste« alö die niedrigsten ergeben) festgesetzt und fich gelobt habe«, nicht einen Pfennig über den bestimmten Satz zu z hl n, um durch konsequentes, einträchtiges Vorschreite» die Verkäufer zuin Zmückgehen zu zwingen. Obgleich der V rein erst wenige Wochen best-ht, hat er doch schon erfreuliche Resultate erzielt. Um aber wahrhaft allgemein nützlich zu werden, müssen gleiche Bestrebungen in andem größeren Städten mit de» unsrigen Hand in Hand gehen. Dazu rufen wir die Frauen jener Städte auf und bitten sie, ein-n Ueb. Ifland, der Alle gleich nahe angeht und den häuslichen Frieden zu zer stören droht, mit unö muthig zu bekämpfen." Aus Kurhessen, 14. Nov. Es sind wiederum ei»ige Suspensionen renitenter Geistlichen zu melden, so gegen den Pastor Thamer in Nor oha asm, gegen die außerordentlichen Pfarrer Abböe und Lohr, so wie gegen den Rector und past. extr. Grentzcbach in Rodenberg (im Schaumburgischm). Gegen die Erstgenannte« wurde zugleich strafgerichtlich.S Verfahren aus Am1Se«tstgMg rin- geleitet und Thamer durch einen Gendarme« verhindert, die Kirche zu betreten. — Unter den Spender» für de» „Unterstützungöfondö" befindet sich dieses Mal General v. Schenck zu Schweinsberg mit 50 Thlr., „Ungenannt" mit 1000 Thlr. rc. Frankreich. Paris, 17. November. Ja de» gestrige» Ersatzwahlen zur Nationalver sammlung wurden die republikanischen Candidaten General Letellier-V.lliaje im Departement der Seine inferbure mll 83000 Stimmen und General Saussier im Aubedepartement mit 42000 Stimme» gewählt. In der Stadt Rouen eihielt General Leitcllier-Valaze 10,600 Stimmen, sein Gegenkandidat 3800. Havre ist das Resultat der Wahle» ähnlich. — Uebcr die Frage der Verlängerung der Amtsgewalten deS Marschall Mac Mahon erwartet man eine dreitägige Debatte in der Nationalversammlung. Versailles, 15. November. Nationalversammlung. Laboulay: verliest den Bericht der Fünfzehner-Eowmission. In demselben heißt es, daö Land ver lange nicht blcs einen Präsidenten, sondern eine stabile Negierung; ferner fordert der Bericht die Conservativen auf, den monarchischen Illusionen zu entsagen und der Republik ihre organische Einrichtung zu gebe» und schließt mit dem Vor schläge, dem bekannten Anträge Casimir Perier'S, die Abstimmung über die Ver längerung der Gewalteu deö Präsidenten Mac Mahon und über die co-sstilutio- ncllen Gesetze gleichzeitig und zusammen vorzunehme«, zuzuflimmen. Die Dis kussion ist auf nächsten Montag festgesetzt. Versailles 17. November. I» der heutigen Sitzung der Nationalver sammlung verliest Brogsse den Sitzungsbeginn der Botschaft Mac Mahonö. Mac Mahon äußert darin die Wünsche über Verlängerung und Ausdauer und spricht fich für die Trennung der Abstimmung über die Prorogation der Ge walten und für die DiScussion der konstitutionellen Vorlagen aus und ist mit deren schleuniger Berathung im Prinzip einverstanden; er erklärt sich mit der Verlängerung auf 7 Jahre zufrieden und verheißt, im Dienste der Gewalten fich nur konservative« Ideen zu widme«. Die Versammlung beschließt hierauf eine kurze Vertagung. Abcndfitzung 5 Uhr. Versailles, 17. November. I« der heutigen Abcndfitzung der Natio nalversammlung erklärte Laboulaye, die Commission verlange vor der Liöcus- fion der heutigen Prästdentenbotschaft erst die Meinung der Minister zu höre», um über einzelne zu mißverständlicher Auffassung geeignete Stellen der Botschaft Mac Mahons Aufklärung geben zu können. Die Versammlung vertagte sich hierauf bis morgen. Königreich Sachfen. Dresden, 15. November. Ee. Maj. der König hat heute von Mittags 12 Uhr an in der 2. Etage deS MittelpalatS folgende Deputationen empfangen: der oberlaufiherProvtnzialstände; der vier erbländischen Kreis stände; deö Landes« culturratheS für das Königreich Sachsen und der fünf landwmhschafilichen KreiSverrine deö Landes; der sächsischen Genossenschaft d.S Johanniterordenö; der Städte Borna, Sebnitz, Eibenstock, Döbel», Rochlitz, Mittweida und Dippol diswalde; der Brüdergemeinden zu Berthelsdorf, Herrnhut nnd Kleinwelka. DreSde», 17. November Nach«. Das soeben erschienene „Dresdner Journal" meldet amtlich, daß Se. Majestät der deutsche Kaiser de» Prinzen Georg von Sachse» zum co«mandire»den General de- XU. Armeekorps er-