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Proceß Bazatne. Versailles, 10. October. Di« heutige Sitzung begann bereit» um 12^ Uhr. Der Präsident will nämlich die Verlesung der Anklageakte bi- mor gen beendet wissen. Geht dir- nicht an, so wird wahrscheinlich da« Kriegs- «nicht auch am Sonntag Sitzung halten. — Lie es heißt, will der Advocat Lachaud verlangen, daß ihm der Oberst Billette, »er Adjutant des Marschalls, bttgegebe» werde, um ihm bet dn DiSmssto» über die militärischen Fragen zu unterstützen. Oberst Billette, welcher die lange Gefangenschaft des MarschallS sretwilltg theilte, kennt dessen VertheidigunaSmittel alle gan» genau. — Der Gerichtssaal ist heute ziemlich stark besetzt. E» sind aber meistens nur versail- ler und Bersaillninnen zugegen. Pariser bemerkt man nur wenig. Doch sind einige bekannte Persönlichkeiten anwesend, darunter der Fürst von Serbien. Was «inen tieferen Eindruck auf das Publikum macht, ist die Fahnen-Angelegenheit. Man wußte zwar davon, aber theilwetse hatte man sie vergessen, theilweise kannte man die Einzelheiten nicht genau. Auch die Angelegenheit des Obersten Stoffel, der bekanntlich zwei Depeschen unterschlagen habe» soll, erregt Aufsehen, einzeln und partienweise gegen sofortige baare Bezahlung und unter den vor Beginn der Auktion bekannt zu machenden Bedingungen versteigert werden. Wer die zu versteigernden Hölzer vorher besehen will, hat sich an den mitunterzeichneten Oberförster in AntonSthal zu wenden. König!. Forstrentamt Schwarzenberg u. König! Nevierverwaltung Bermsgrün zu AntonSthal, am 10. Oktober 1873. I. Brückner. Tagesgeschichte. Eins neue Philippika desPapsteS. Seitdem in de« Befinden Pius' IX. insoweit eine Besserung eingetreten ist, daß er sich, ohne unwittelbare Gefahr zu taufen, diejenigen Störungen ge fallen lassen kann, welche Audieyzen für ihn j-wetlig mit sich bringen, nimmt im Vatikan der gewöhnliche Empfang frommer Deputationen wieder ungestört seinen Fortgang. Se. Heiligkeit unterläßt e« kaum einmal, diese Gelegenheit zu eine« kleinen halbpolitische» DiScourS zu benützen, bevor er die Erschienenen, mit eine« kräftigen Segen gestärkt, wieder entläßt. Auch im Laufe der letzten Woche «achte PiuS IX. solchergestalt zu wiekerholt«n«alen keinem gepreßten Herzen Luft. Die interessanteste der »on ihm gehaltenen Reden ist dre, welche er auf eine ihm im Ramen der „Gesellschaft zur Beförderung guter Werke" von Eioitavechia verlesene Adresse hin hielt. Dieselbe lautete in ihren Hauptzügen folgendermaßen: „Einer der größten Ungläubigen des vorigen Jahrhunderts sagte, daß man mit den Gedärmen des letzten Geistlichen den letzten König er würgen müsse. Die Ungläubigen der Gegenwart bedienen sich nicht dieses Ausdruckes, aber ste verfolgen dasselbe Ziel, und die sogenannten ungläubigen Gemäßigten werden an der Hand geleitet, um den gottlosen Zweck zu erreichen, wenn Gott eS gestattete. Indessen wandelt man unerschrocken auf dem Pfade der Ungerechtigkeit, und der EleruS wird zum Gegenstände deS Hasses gemacht in Italien und in gewissen Ländern deS RordenS, wo sich die Regier ung die Attribute der Bischöfe anmaßt und die Gute» bestraft und die Bösen belohnt, welche auf ve» Gehoisam und auf das süße Joch der Kirche Verzicht geleistet haben, und sich freiw.llig der ihnen von Jemandem, der commandirt und der mit eiserner Hand auf ihnen lastet, auferlegten K tte gefügt haben. Während dieser Man» den bösen Leidenschaften freien Spielraum gewährt und das väterliche Regiment der Bischöfe nicht zuläßt, erwächst hieraus das höllische Motiv, wegen dessen gewisse Diener Gottes, durch die Leidenschaften verblendet, durch verderbtt Lüste verleitet, daS Herrscherthu« der übermüthigen HamanS und der perfide» Sejanuse dem väterlichen Regime der einen Kirche Jesu Christi vorziehen. Doch kehre» wir zu den moderne» Herre» Italiens zurück, welche i» den Fußtapfen derjenige» dahinschretten, von denen wir jetzt gesprochen haben, unv in der That, um mich auf die Wallfahrten zu beschränken, frage ich, warum dieselben so verpönt find? Man sagt, um BolkSansammlungen in eine« Augen blicke zu verhindern, in welchem sich eine pestilenztalische Krankheit zeigte. Keine Wallfahrte», keine großen Versammlungen in den Kirchen, und darum versuchte «an eS sogar, das Fest eines Apostels und Evangelisten in einer Kathedrale zu verhindern, woselbst man seinen Leib verehrt. Und wen» das schöne und an dachtsvolle Fest dennoch stattfand, so iS dies allein der Festigkeit jener Leute zuzuschreiben, welche priesterliche Standhaftigkeit und Festigkeit den menschlichen Rücksichten vorziehen. Während dessen werd n die große» BolkSansammlungen dort, wo eS sich um die Aufführung anttchristlicher Schauspiele handelt, gestartet und gefördert, wie dies dieser Tage beim h.llen Sonnenlichte in einem großen EircuS stattfand, wo unter tausend Profanationen und Verwünschungen die famose Einnahme Roms vom 20. September aufgeführt wurde. Alle» gegen Gott und seine Kirche I Und Alles auch, um den Teufel zu begünstigen! Hier manifefttrt sich jeglicher Eifer, und die andächtige« und heiligen Versammlungen find aus Furcht vorder astatischen Krankheit verdammt, «ährend gewisse Versammlungen, welche die garstigste Ansteckung moralischer Pestilenz mit sich bringe», nicht bloS gestattet, sondern begünstigt werden. Erbärmliche Verhältnisse l» unseren Tagen! Ich schließe, indem ich Allen Festigkeit, Much und Standhaftigkeit einschärfe, euch immer allem dem zu widersetzen, was dem Gewissen widerstrebt. Erhebet di« Augen zum Himmel und von hier erflehet mit Glauben den Beistand und die nöthige Hilft; össtret die Ohren und ihr werdet auch jene Worte großer Ermuthigung wiederholt hören: „Polite «imere eoo, ezui oeeiüunt corpa«, »aimam »otem non poosant oevickere; oeä potiuo tiwele eum, yui poteot et »nimmn et corpus perüere." Ich empfehle euch jene theuren Kinder, welche Gott euch gegeben Hatz be sorget mit großem Eifer die christliche Erziehung, weil ste großen Gefahren aus gesetzt find; leitet sie an, sich häufig mit dcm Brote der Engel zu speisen, damit sie sich stärken. Entfernet sie Tausende von Meilen von gewissen Schulen die von gottlosen Lehrer» und Gotteslästerer» geleitet werden. Leget ihnen jene Bücher vor Atmen, welche das Laster zu fliehin lehren. Mit Einem Worte: vermehret die Sorgfallt, welche euch die Liebe deS BaterS und der Mutter ein- geben werden, und «endet euch zu Gott und zu Maria, der Heiligsten, damit Diese vermittle und Jener die Gnaden gewähre, deren ihr für ein so heilige- Werk nöthig habt. Und nun gehet, erfüll: von dem Segen deS Herrn, welchen ich in seinem Namen ertheile, euch, euren Familien, dem EleruS, dem Hirten und der ganzen Stadt. Dieser Segen gebe euch die Kraft zu kämpfen, und die Gnade, zu siegen, um bis an den letzte« Tag eures Lebens in der Ausübung der christlichen Tugenden zu leben. BeoeüieUo vei rk." Göhler. zumal nicht ftstg-stell: wurde, in Ulchem Auftrag er handelte. In Trtano» war das Gerücht verbreitet, er sei verhaftet worden, was aber wohl unbegrün det ist. In der Sitzung cireulirte übrigens die Abschrift des Schreibens, wel ches er an da- Bien Public gerichte, und in welche«- er die ih« zur Last ge legte Beschuldigung bespricht. — Nachdem sich bei Eröffnung der Sitzung »och zwei neUe Zeuge» gemeldet, gibt der Präsident dem Gerichtsschreiber da« Wort, um mi: dem Bortrag der Anncren deS Berichts fortzufahre» Dieselbe» con- stattren zuerst, daß Bazaine die Regierung in Tour» und Paris vollständig ohne Nachricht ließ, obgleich eS damals nicht sehr schwer «ar, nach Metz zu ge lange», da die Ueberwachung Seitens der „Preuße»" keine vollständige war. Die geheime» AuSgänge feie» erst vom 25. September ab »on den Preußen bewacht worden. Der Bericht citirt zu« Beweis deS Gesagten eine Masse von Fällen, wo eS Boten und Privatleuten gelang, die Reise von und nach Metz zu mache», ohne im mindesten belästigt zu werden. Der Bericht sucht darin de» Beweis, daß der Marschall sich nicht den Anstrengungen der Regierung der nationalen B-rtheidigung anschließen und eine ihm ganz persönliche Politik auS- bruten wollte. Der Bericht kommt dann auf die Depesche«, welche Gambetta, Tachard, fra«zöfischer Gesandte in Brüssel, und. Keratry an denselben gesandt hatten. Gambetta hatte demselben ein Schreibt» zugeschickl, wort» er dem Mar schall über die Lage Aufschluß gab, und ihm alle Decrete sandte, welche die Regierung seit dem 4. September erlasse». Außerdem wird durch die Zeugen aussagen dargethan, daß er gewußt, daß gr-ße Vorräthe fiir ihn i» Lille bereu gehalten worden waren, ohne daß er nur den geringsten Versuch gemacht, fich t» den Besitz derselben zu setze». Die Anneren behandeln nun die Zusammen setzung der Armee und der MumtionSvorräthe, welche der Marschall zu seiner Verfügung hatte. Dieses Kapitel ist äußerst lang, zumal constatirt wird, waS an jedem Tage verbraucht wurde. Durch di-se Ziffern soll dargethan werde», daß die Arme Bazaine'S aufs beste mit Mnnttion und allem Röthigen versehe» war. Im Augenblick —eS ist 2; Uhr —, wo der GerichtSschretber eine lange Tabelle mit Ziffern vorträgt, unterbricht ihn der Präsident und beruft ihn an den GerichtSüsch, um die Ziffern derselben mit den setnige» zu vergleichen. — Lachaud (lächelnd): ES find nur Tabelle«, es ist unnöthig, dieselben vorzu- tragen. — Der RegierungS-Eommiffar stimmte zu u«d der Präsident gibt de» Befehl, die Tabellen nicht weiter zu lesen, sonder» zu dem nächste» Kapitel überzugehen, waS der GerichtSschretber auch thut. — Lachaud (zum Greffier): Die Ziffer lautet anders. — Präsident (der fortwährend den Bortrag nach seinem Eremplar verfolgt, zu Lachaud): Ich werde schon selbst die Ziffrn be richtigen. — Um 3 Uhr wird die Sitzung ausgesetzt. DaS Gedränge im Saal ist ziemlich groß. Die Zuhörer scheinen aber äußerst gelangweilt, die Richter auch, und ewige lieferten während des ersten Theils der Sitzung dafür den Be weis, daß sie von Zeit zu Zeit in Schlaf fiele«. Um 3z Uhr ward die Sitzung wieder eröffnet und die Verlesung der An klageacte fortgesetzt. Gegen Soleille und Magnan werde» herbe Borwürfe er hoben: ersterer sei „den ehrgeizigen Plane» seines Vorgesetzten (Bazaine) allzu gefällig gewesen und letzterer habe eine ih« anvertraute Depesche nicht weiter befördeit, bloS weil daS Gerücht verbreitet gewesen sei, daß in der Nähe der Eisenbahn sich feindliche Ulanen gezeigt hätten." — Bei Besprechung der Pro- viantvorräthe sagt die Anklage, Metz habe bei Ausbruch deS Kriege- gar nichts gehabt; da seien denn in aller Eile Eontracte abgeschlossen worden, hätte» aber zu nichts g-dient, da man nicht direct, sondern mit den Lieferanten abgeschlossen habe. Dank der große« Thätigkelt der Ostbahn sei eS aber doch gelungen, große Vorräthe nach Metz zu schaffen; man habe aber dann die Naivetät be gangen, sie nach Forbach und Saargcmünd zu senden und dort dem Feinde Preis ,u geben. Der Beginn der Feindseligkeiten habe bewiese«, wie schlecht die Wahl vi-ser Orte gewese« sei. Nach dem Rückzüge habe ma« sie dem Feind- hinterlasse» müssen, der außerdem eine große Masse von KriegSgeräth er beutet habe. Die Vorräche, die ma« später für Metz angekaust habe, feie« aber auch nicht in die Festung gebracht worden, sonder« man habe sie in den be nachbarten Ortschaften gelassen, wo sie dem Feinde in die Hände gefallen seien. Schluß der Sitzung um 5z Uhr. Deutschland Straßburg, 8. Oktober. Da- diesjährige D-partemmtSersatzgefchäft vollzieht sich, wie man den „Hamb. Nachr." schreibt, mit einer solchen Ruhe und Sicherheit, daß man in der That nicht glauben sollte, man habe in unsere« ReichSla«den die erste Wiederholung der Aushebung von junge« Ma«nschafte« für daö deutsche Heer vor sich. Selbst in denjenigen Bezirken, in welche« i« verflossenen Herbste noch «ine gewisse Opposition nicht zu verkennen war, hat fich das bedeutend geändert und der Ortschaften, welche ihr Eontingent als ju belnde fröhliche Bursche« vor die Eommissio« senden, giebt eS eine große Zahl. Ebenso läßt dieses Jahr keine« Vergleich «tt dem verflossenen hinsichtlich der Aushebung insofern zu, al- die Zahl derjenigen, welche de« Gestellungsbefehle nicht Folge leistet««, «ine ganze erheblich geringere ist, und weil sich diese Fälle nur auf einzelne Ortschaften, bez. Städte zurückführen lasse». Mühlhausen, da- tn dieser Beziehung im letzten Jahre t«»erhi« RennenSwertheS leistete, hat nach amilichen Berichte« von 283 eingeschriebe«e« ju«ge« Mä«ner» 246 gestellt, von denen beiläufig 125 für brauchbar erklärt wurde». Oesterreich. Wie», 11. Oktober. „WaS man wünscht, daS glaubt man" — dieser Satz bestätigt sich wieder einmal bet dm Orleanisten. Der eifrigste Wunsch der Anhänger der Prinzen von Orleans ist, daß der Graf von Chambord sowol be züglich der weißen Fahne, als auch bezüglich anderer Punkte nachgebt» und sich somit vor „seinen liebe» Vtttern von Orleans" demütyigen möge. Da- König« hum wäre dann so gut wie hergestellt und bereits der erste Keim zu einer In« trigue vorhanden, mittelst welcher die Söbne und Enkel LouiS Philippe'- nach dessen Beispiel dm „Box" vom Throne hinwegeScamotiren und Einen der Ihri gen an dessen Stelle sehen könnten. Frankreich dürfte e- nämlich nicht duldm, daß ei» Wortblüchiger e- beherrscht; wenn dieser Wortbrüchige aber Loui- Phi lippe d'Orlean- hieße, ja da-, Bauer, wäre etwa- Anderes. Eie könne« «S eben nicht erwarteu, di« Prinzen von Orleans, daß der FrohSdorfer seine Ehre ihrem Ehrgeize zu« Opfer bringt, und dämm haben sie bereits gestern verkün-