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verführte» Jünglinge in der Lage, sich durch Flucht de» undankbaren Lande zu entziehen, daS nur Spott und Verhöhnungen für ste übrig hat. — Auch etntge jungen Leute aus der Karlsruher Gegend kamen kürzlich aus Frankreich hier an. Zehn Jahre lang hatten ste alle Unzuträglichkeit« eine- afrikanisch« Klimas in Algerien erduldet und zahlreiche Kämpfe gegen die kriegerischen Grenzbewohner diese» Lande» mitmachen müssen; auch sie war« nicht in der Lage, non franzö sischer Dankbarkeit reden zu können. Konitz. Die Bettelei ist in unserer Gegend noch tmmer im besten Schwünge. Am unverschämtesten treiben die» Metier die Bettelmönche in Jrcob-vorf. Die selbe» habe», wie von aut u»terrichteter Sette versichert wird, seit der Ernte außer Ochsen, Schaf«, Ente«, Hühnern, Unmass« vo» Eier» rc. nur die Klei nigkeit vo» circa 250 Gänsen zusam««aebracht. Ste tret« nämltch »o» k»co» in et» Hau» ein, leier» mit weinerlicher Stimme ei» Gebet ab u»d erhalt« ihr« Deren». Die Annuth, well am meist« vo» Aberglaube» und Wahn um fang«, spendet am reichlichsten. Ihr Metier bezeichnen ste nicht al- Bettelei, denn dieselbe ist ja gesetzlich verpönt; ste sammeln d« d« Dienern de» Herrn gebührenden Dece« und wa» ste erhalten, ist nur ein froame- Angebinde, vo« gehorsam« Sohne der Mutter dargevracht. Da eine derartige Bettelei, so lange «S thörichte Geber gibt, gesetzlich nicht strafbar ist, so sollte» die Ei»sa««ler, welche jährlich die bedeutend größere Hälfte der „fromm« Erpressung«" in d« umliegrnd« Städten in klingende Münze umsetzen, doch mindesten» mit ei ner verhältnißmäßigen Steuer belastet «erd«. ' Posen, 30. Sept. Die „Ostdeutsche Zeitung" ergänzt ihre gestrige Mittheilung betreffend die gegen den Erzbischof LevochowSki ei»geleitete Tempo- raliensperre dahin, daß die darauf bezügliche Verfügung de» CultuSminister» sich nur auf die Jahre»compet«z von 12,000 Thlm. beziehe. Oesterreich. Wien, 26. Scpt. Vorgestern fand hier eine Versammlung von AuS- Me« statt, die sich mit den Arbeiten der internationalen Jury «nzuftteden er klärte, weil verschiedene aug«schei»ltche Parteilichkeiten vorgekomm« sei«. So stad z. B. mehrere Firm«, die gar nicht ausgestellt hatten, mit Prämien be dacht, hingeg« andere, die bet frühere» Ausstellungen schon auf'» Glänzendste vertreten «ar«, ganz übergangen Word«; verschlossene Säcke Hopf« wurden, ohne geöffnet zu werden, „untersucht" und prämitrt; Schweizer Uhrschlüffel, die nicht da waren, wurden preisgekrönt; Händler erhielten Prämien, während die Fabrik«, au» welch« ste die Waaren bezog« hatten, leer auSgtng«; in der achtzehnten Gruppe erklärte sich die Jury für inkompetent rc. Die Versammlung beschloß, sich in einer Maff«-PeUtion an den Protector der Weltausstellung, Erzherzog Ratner, und an die General-Directio» um Abhülfe zu wmd« und, falls eine solche nicht werde« sollte, eine „Ehren-Jury" aus der Mitte der Aussteller zu wählen, welche die unberücksichtigten Ausstellungs-Gegenstände ei ner Nachprüfung unterwerfen soll. Frankreich. Parts, 26. September. Heute ist eS vorzugsweise Franz Joseph, der vo« „UntverS" abgekanzelt wird. Die Art, wie da» Jesuitenblatt dm Kaiser von Oesterreich behandelt, ist so gemein wie boshaft. Besonders gefällt fich daS „UniverS" in dem Ausspruche „einer Person, die mit ihm intim bekannt ist;" rS wiederholt densclb« heute, da«it seine Leser ihn stch fest einprägen: „Der Unglückliche macht den Eindruck eines Menschen, der zum Tode geht, der e» weiß und nicht mehr die nöthige Energie hat, stch zu weigern, voranzugehen. Parts, 29. September. Die Opinion Nationale, Orga« der republika nische» Linke», enthält folgende Rote: „Die republikanischen Hauptpersönlichkeiten bleiben nicht unthälig, sondern bereiten fich sehr ernstlich auf den parlamentarische» Kampf vor, der über die Zukunft Frankreich» als einer civilistrten Nation ent scheiden soll. Verhandlungen mit den Führern der anderen Gruppen find ange- knüpft und lassen die besten Erfolge erhoffen. Die Republikaner haben keine Pairieen, Bolfchasterposten rc. zu vergeben, wie solche an einem gewissen Orte von Paris in Masse «uSgeboten werde«. Dieser schmachvolle Handel mit Ab stimmungen und Gewissen ist nicht ihren Grundsätzen gemäß. Es gibt aber andere friedliche und ehrbare Mittel, um zur Vernunft, zur Republik alle die zurückzuführen, welche noch ein Fünkchen von Vaterlandsliebe haben, und die etnzuschüchtern, welche aus kleinlichem Ehrgeiz in unheilvoller Blindheit fich nicht scheuen, fich zum Verderben ihres Landes zu verschwör«." — Das Journal deS DebatS verstchert nach Wiener Briefen, die österreichisch-deutsch italienische Allianz sei eine unbegründete Combination, doch glaubt eS an daS Zustandekommen eines Bündnisses zwischen Italien und Deutschlaud. Am 25. Sept. Abends wurde der Marschall Bazaine nach seiner bis- Hengen Wohnung in Versailles nach Trianon gebracht. Als der Oberst Luc- cioni, der von da zurückkam, ihm gegen 7 Uhr mitthrilte, daß Alles zurUeber- fiedlung bereit sei, konnte der Marschall seine Bewegung nicht verbergen. Er ordnet« seine Papiere, ertheilte die nöihtgen Weisungen wegen seiner Effecten und bestieg hierauf mit seinem Adjutanten, Oberst Vilette, und Oberst Luccioni «in seiner am Gartrnthore harrendes Coupö. Ein zweiter Wagen mit de« Ge päck und dem Dienstpersonale des Marschalls folgte. Während der fünfzig Mann starke Wachposten, der nun seines Amtes enthoben war, nach Versailles zurückkehrte, fuhr der Marschall, durch die Dunkelheit gegen die Neugier der Vorübergehenden geschützt, seiner neu« Residenz entgegen. Der Wag« hielt vor dem Perron des einstigen LieblingSfitzeS vo» Marie Antoinette, dessen er stes Stockwerk dem Gefangene«, sein« Adjutanten und einem Gefängntß-Bri gadier angewiesen ist, während der Oberst Luccioni, der Hauptmann Mandhuy und zwei Unterofficiere das Erdgeschoß innehaben. Fünfzig Mann find zur Bewachung aller Ausgänge, deS Gartens und Parkes bestellt. Der Marschall nahm sogleich von seinen Gemächern Besitz; er schien sehr niedergeschlagen zu sein und begab fich spät zur Ruhe. Der Broglte'sche FravyaiS schreibt: „Herr v. Bismarck suchte augen scheinlich durch die Reise Victor Emanuel'S die französischen Conservativ« etn- znschüchtern. Obgleich derselbe bet dieser Gtleaenhett durch die pariser radikale Presse mit dem größte» Eifer bedient wurde, so muß der deutsche Kanzler doch rinsehm, daß er seinen Zwrck vollständig verfehlt har. Man Hal fich in Frank reich sehr wenig mit der Zusammenkunft in Berlin beschäftigt, und wir wissen, daß ste nicht den geringsten Einfluß auf unsere innere Politik auSgeübt hat. Wir hatten übrigens das Bewußtsein, daß diese Politik weder in der Gegen wart, noch in der Zukunft zu einer Beschwerde vo» Seiten irgend einer frem den Macht Anlaß geben konnte. Der Traum, welch« man in Berlin io» Auge hat, war der einer dreifachen Allianz, an der Oesterreich seinen Antheil gehabt haben würde. Dies heißt zu sehr auf die Naivetät oder die Fügsamkeit der österreichischen Minister rechne«. Diese wissen sehr wohl, daß ste nicht von Frankreich, aber wohl vo» Rußland bedroht w«rde» könn«. Herr ». Bt-marck hätte daher eine Allianz abschlteßm «üff«, der« Stach:l der Reih: nach gyen Frankreich und Rußland gerichtet gew-s« wäre. Wir glaub« nicht, daß H.-rr v. BiSmarck große Eile hat, die Hand Rußlands in die Frankreichs »u legen." Wir thetle» dieses Geschvätz de- Broglte'sch« Organ- nur der Euriofität hal ber mit, um zu zeigen, wie man jetzt in Frankreich in der au-wärtig« Politik bewandert ist. Die „N. fr. Presse" schreibt: Die Haltung MacMahon'- ist der Grund, warum plötzlich alle monarchischen Frösche Frankreichs Jubellieder quaken und die Aktien deS KöniathumS in die Höhe gehen, wie im vorigen Jahrhundert die Aktien der MisWppi-Kompagnie. Um die Freude noch zu vermehr«, ist in dm Reih« der Bonapartisten, w:nn dem Vien Public in dieser Beziehung zu trau«, eine Spaltung auSaevrochen. ES gibt zwei Sorte« von Bonapartl- sten. Die eine will da- Kaiftrthum, weil eS ste versorgt; die andere will die Versorgung pkr»»«. Die letztere Klaffe, den bieder« Auveranant« Rouher an der Spitze, hat nicht mehr Grundsätze, al- die italienische Kondottieri des fünfzehnten oder die deutschen Landsknechte des sechzehnten Jahrhunderts. Sie gehört dem, der ihr Einfluß, Macht und Stell« bietet; warum soll ste nicht zur Abwechslung die L«itimität schröpf«? ES würde ein rührmdeS Schauspiel sein, w nn Rouher den Herzog von Lorochefoucauld- Bisaccia umannte und spräche : „Arm in Arm mit dir fordere ich mein Jahrhundert i» die Schranken" — oder der lange Paul Granier de Cassagnac noch einmal genöthigt wäre, stch für die Tugend der Herzogin von Berry zu schlagen. Spanien. Der sogenannte „hundertjährige Kalender" wird den gestrig« Sonntag mit der Bemerkung versehen: „Bombardement von Alicante". I« der That, diese gewerbereiche, blühende Hafenstadt an der südspanisch« Küste ist gestern Vormittags sechs Slundm lang von spanisch« Schiffen, welche mit Lump«- gestndel und entlassenen Züchtlingen bemannt war«, mtt Petroleum-Spreng kugeln bombardirt worden. Und daS Alle- angesichts eines Geschwaders frem der Kriegsschiff-, deren Commandeure stch, dem Telegramme zufolge, nach län gerer Berathung entschlossen haben, nicht zu interveniren. Der ausgesprochene Zweck der Flibustier «ar Golderprefsung — also Piraterie. Wir wissen zur Stunde nicht, welche Nationalitäten, außer den Engländer«, die in dieser An gelegenheit eine sehr vieldeutige Rolle spiel«, an jmer CapitLnS-Eonferenz be- the'ligt gewesen find. Ein anderer „Capitän Werner" hat fich in Gesellschaft der Puffendorf'schm Prinripienreiter zur See nicht befunden. Die V:rtheivi- gung der Stadt war «ne heroische. Zu Ehren der englischen Presse sei be merkt, daß mit Ausnahme der Toryblätter kein Londoner Organ die Unterlas sung einer Intervention für möglich gehalten hat. Die Engländer hatten «st der Auslieferung der beiden in Gibraltar festgehaltene» großen spanischen Fre gatten an die Madrider Regierung so lange gezögert, bis die erfolgte Freilas sung dem bedrohten Allicant- nicht mehr nützen konnte. England. London, 28. September. Eine geworbene Friedenöarmee ist ei» Wider spruch in stch, für welchen England theuer zu bezahl« hat. Nicht weniger als 5800 Mann desertirten im vergangenen Jahr von der klein« englischen Armee, und der Major Du Cane hat als Inspektor der Militärgefängniff: eben einen Bericht veröffentlicht, aus welchem unzweifelhaft hervorgeht daß die Desertion im laufenden Jahre noch viel großartigere Verhältnisse annimmt. DaS Auffal lendste dabei ist, daß nur der kleinere Theil der Fahnenflüchtigen wieder einge fangen wird, und daß die Eingefangencn gewöhnlich von neuem descrtirt n, so bald sie aus dem Militärgefängniß herauskommen. Vo» allen Staate» bezahlt und verköstigt England seine Soldaten am besten, und gleichwohl wollen diese nicht bei der Fahne bleiben. Allerdings gibt eS unter den Fahnenflüchtigen viele, welche aus der Fahnenflucht ein einträgliches Gcwerbe zu machen wisse», indem ste von dem einen Regiment desertuen, um sich bei dem andern anwerben zu lassen, um so daS Werbegeld mehr als einmal auSgezahlt zu erhalt«. Aber im allgemeinen läßt sich diese massenhafte Deseruon nur durch einen weit ver breiteten Widerwillen gegen den Militärdienst im Fried« erklären. Der Mili tärdienst im Krieg entspricht dagegen John Bulls angebome Rauflust so sehr, daß eS gerade die Friedfertigkeit der Gladstone'sch« Regierung ist, welche der in allen Nachwahlen triumphirenden „konservativen Reactlon" ungeahnten Vor schub leister. ES ist ein Ministerium der Baumwollspinner, welches Englands KriegSchre für Budgetzahlen verräth, und durch seine national-ökonomische Feig heit das Ansehen und die Macht des StaateS vor aller Welt herabsetzt. So sagen die TorieS, und John Bull, welcher der ihm aufgedrungenen Friedfertigkeit längst überdrüssig ist, schenkt ihnen willig Glauben. Alles was wie ein Krieg auösteht, ist nicht nur bei der privilegirten Claffe, sondern auch bei der Masse der Nation populär. Selbst die gegenwärtig großartig betriebenen Rüstungen zum kleinen Krieg gegen die Aschantis erregen eine kriegerische Begeisterung, welche klar beweist, daß Hr. Gladstone und dl« volkSwirthschastlichen Fri d-nS- apostel Müh.- und Oel verloren haben. Die Natur ist stärker, als die Wissen schaft, und die Volksleidenschaft ist stärker als die ausgeklärteste Vernunft. Nicht nur die Franzosen, sondem auch die Ruff« gewähren den von unö schnöde auög wiesenen österreichischen Guldenstücken freundlichste Aufnahme. Es gehen schon seit mehreren Wochen über Eydtkuhnen täglich ka. 100 Ctr. dies« Münzen von Berlin nach Petersburg, woselbst sie in Rubel- und kleinere Sil- belstücke verwandelt werden. Amerika. New York, 1. Oktober. Der Schatzsecretär Richardson lehnte das Ansuchen der Banken ab, denselben behufs DiSrontankaufS courShabende Papiere zur Ver sagung zu stellen. Das Postdepartement stellt nächsten- Werthe von 3 Mill o- nen Dollars betragend, in Umlaus. DaS Oel- und Baumwollgeschäft kommt allmälig wieder in Fluß. Die Unionbank in Chicago suSpendirte. Königreich Sachsen. Dresden, 1. Oktober. DaS „DreSdn. Jour»." berichtet: Nach §. 1 der revidirt« Etädteordnung vom 24. April d. I. haben stch bi- zum 1. d, M. alle Städte unter 6000 Einwohner« zu erkläre«, ob ste die revidirte Städte ordnung annehme» oder stch unter die Städteorbnung sür mittlere und kleine Städte stellen wollen. Diese Erklärung ist bis heute von 64 Städte« abge geben wordcn, während 45 Städte noch im Rückstand find. Von diesen 61 Städten haben fich 35, Adorf, Au-rbach, Bernstadt, Bischofswerda, Buchholz, Dehle», Dippoldiswalde, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Groitzsch, Kamenz, König stein, Lengenfeld, Lichtenstein, Löbau, Lommatzsch, Marienberg, Markn-ukirchen, Neustadt, Reustädtel, Noss«, Oederan, OelSnttz, Ostritz, PulSnttz, Radeberg, Riesa, Seyda, Schandau, Schwarzenberg, Sebnitz, Stolp«, Thum, Treuen und Waldenburg für Annahme der revidirte» Städteordnung, dagegen 29: Alten berg, vrens, Brandi-, Burgstädt, Callnberg, Frauenstein, Frostürz, Geithain,