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886 schritt. Bora» ginge» der Kaiser und König Victor Emanuel. Der galante Bezwinger des QurrmalS zähle gegenwärtig 53 Jahre und repräsentirt das Bild eincS ManneS voll strotzender Kraft und Lebenslust. Den beiden Herr schern folgtm die Erzherzoge und die beiderseitige Suite, welcher sich Marquis v. Robillant, der italienische Gesandte, mit seinen Attaches und Sekretäre», sowie endlich die dem König von Italien zugetheilte» österreichischen Officiere angeschlossen hatte». Brausende Hoch» und Evvtva-Rufe begleiteten die Herr schaften über den P-rron und die, Treppe, und unten erst, wo die tausendfache Menge stand, schwollen die Rufe mächtig an und pflanzten sich fort über de» Weg, welchen die Hofequipagen »ahme». Zahlreiche Italiener, die theilS ständig, theilS zum Besuche der Weltausstellung hier weilen, hatten sich zur Begrüßung ihres Monarchen etngefunden, und mit diesen wetteiferten die Wiener in H rz- lichkeit und Ausdauer der Hochrufe. Wer die intensive Kraft italienischer Lunge» kennt, wird ermessen könne», welchen Ess ct solche Ovation hervorzurufen vermag. Der Kaiser fuhr mit seinem Gaste direct in die Hofburg, wo Bictor Emanuel bekanntlich wohnen wird. Deutschland. Berlin, 16. September. Die Spener'sche Zeitung, das Frühstücksblatt drS-Kaisers Wilhelm, schreibt: „An dem heutigen Tage ist der letzte Rest deS französischen Gebiets von unsern Truppen geräumt, die für beide Theile peinliche Zeit der Okkupation ist vorüber, Frankreich ist vollständig sich selbst wiedergege ben und unsere wackeren KriegSmänner ziehen fröhlichen Sinnes über die neue * deutsche Grenze der Festung Metz zu. Mit einziger Ausnahme der französischen Presse, deren Wahrheitsliebe wir ja kennen, ist in der öffentlichen Meinung Europa's nur eine Stimme darüber, daß unsere Armee ihre viclbewunderte MannSzucht und Ge sittung auch bei der schweren Aufgabe bewährt hat, ein feindliches, in seinen unteren Classen fanatisirteS und durch die unglaublichsten Lügen über deutsche Brutalität stets neu in Aufregung gesetztes Land ohne erhebliche Konflikte besetzt zu halten. . DaS ist die segensreiche Folge einer Militärorganisation, die auf der allgemei- v? neu Wehrpflicht beruht, und daher in ihren Gliedern nirgend die Härte, und t Anmaßung des Prätorianerthums aufkommen läßt. Mit Entsetzen gedenken wir noch der Zeit, als di: Legionen deS ersten Napoleon nach abgeschlossenem Frie den unsere heimathlichen Provinzen brandschatzte», — aber wir freuen uns, daß für all die Barbareien, die damals an dem Volk verübt wurde», die kriegerische Jugend dieses Volkes nirgend Revanche genommen hat. Um so zuversichtlicher dürfen wir vor Gott und Menschen behaupten, daß an dem Nationalhaß, der die beiden Völker trennt und der leider »och dieQuelle blutigerKriege zu werden verspricht, wir unserseits keine Schuld tragen. Berlin. Von welcher Qualität die Apostel zu sein pflegen, welche der alleinseligmachende „Allgemeine deutsche Arbeiterverein" aussendet, um durch die Lehren der Hasencleverschen Sorialdemokratie die Arbeiter auch in den Prooinzen mit aller Gewalt glücklich werden zu lassen, das hat in überraschender Weise wieder einmal ei» Proceß derouvrirt, der dieser Tage gege» einen jener Sendltnge' den Agitator und „Arbeiter" LouiS Eckstein, vor dem Stadtgericht in Königs berg verhandelt worden ist. Der Herr Agitator erklärt- nämlich in einer öffent lichen Versammlung zu Königsberg die Vertreter der Presse, welche auf die be denklichen Antecedentien deS Eckstein hingewiesen hatten, «egen dieser Mit- theilungen für Lügner und äußerte sich namentlich über einen Berichterstatter, der früher österreichischer Officier gewesen, noch besonders beleidigend. Der be treffend- Herr beantragte demzufolge die Bestrafung des Eckstein wegen öffent- ltchcr Beleidigung. Wie wahr die Presse über jene Antecedentien gesprochen, wurde bei Gelegenheit der Verhandlung deS qu. ProceffeS aus den Acten con- statirt. Darnach ist Eckstein durch Urtheil des Ober-KriegSgerichtS zu DreSven vom 7. December 1858, großentheilS auf Grund seines eigene» Zugeständnisses, wegen Unterschlagung, zweier Betrügereien und eines versuchten Betruges zu zweijährigem Arbeite h iuS und Ausstoßung auö dem Militärstwde bestraft wor den. — Beiläufig wollen wir noch bemerken, daß der Angeklagte, in Berück sichtigung der Frechheit, die er bewiesen, indem er die Vertreter der Presse, welche vollständig die Wahrheit berichteten, öffentlich beschimpfte, zu vier Wochen Gesängniß verurlheilt worden ist. München, 17. Sept. Lie „fromme Industrie" sucht aus der Kalamität deS TageS Nutzen für sich herauszuschlagen, und klerikale Blätter nehmen keinen Anstand, Ankündigungen wie die nachstehende für ihre gläubigen Leser abzu- ' drucken: „Bei Unterzeichnetem sind zum Schutze gegen die Cholera, wie in - den Jahren 1836 und 1854, Medaillen szu haben, neu geprägt in Herzform, mit dem Bildnisse der heiligen Jungfrau geziert, von Kupfer und auch von Silber oder Gold. Gg. Sancijohannser'S Erben in München." Die Cholera ist übrigens in München ohnedies im Erlöschen. Nach der AnciennetätSliste deS Deutschen Reiches pro 1873 besteht daö preußische OfficiercorpS ercl. Marine auS: 276 Generalen, 1408 StabSofg- cieren, 2485 Hauptleuten und Rittmeistern und 7907 Lieutenants. Das säch sische auS: 17 Generale», 95 StabSofficieren, 192 Hauptleuten Md 312 Lieute nants. DaS würtembergische OfficiercorpS hat l3 Generale, 80 StabSofficiere 150 Hauptleute und 315 Lieut nantö. ^Braunschweig zählt: 15 StabSofficiere, 19 Hauptleute und 46 Lieutenants. Zur bayrischen Armee gehören 43 Gene rale, 237 StabSofficiere, 519 Hauptleute und 990 Lieutenants. DaS ganz- Deutsche Reich zählt mithin: 349 Generale, 1835 StabSofficiere, 3375 Haupt leute und 9570 Lieutenants oder rund 15,000 Officiere. Durch die täglich eintretenden Veränderungen erleiden die einzelnen Zahlenangaben natürlich bezüg liche Abänderung. Auf militärischen, Gebiete ist bekanntlich dem Eisenbahnwesen in der letz te» Zeit ein ganz besonderes Interesse zugewendct worden und zwar ist (abge sehen von den neu errichteten Eisenbahn-Bataillone», die jetzt vollständig in die sem Dienstzweige ausgebildet und zur Herstellung staatlicher Bahnstrecken mit verwandt werden) seitens des großen Generalstabes der Armee angeordnet wor den, daß alljährlich höhere Officiere deS GeneralstabeS die sämmtliche» Bahn- sirecken und das vorhandene Personal und Material auf Quantität und Qua lität einer Prüfung unterziehen srllen. Die in diesem Sommer nach dieser Richtung hin vorgcnommene Untersuchung hat ergeben, daß die deutsche» Eisen- bahnli»ien, für den Fall einer regelmäßigen, nicht beschleunigten Mobilmachung genügend Eisenbahn-Waggons dritter Klasse besitzen, um sämmtliche Truppen von nun an in diesen Wagen und nicht in Gepäck- und offenen Wage» beför dern zu können. Ebenso hat die Untersuchung gezeigt, daß die Eisenbahnen über ein ausreichendes Umerbeamtenpersonal an Heizern, Schaffnern rc. ver fügen, so daß von jetzt an die alljährlich stattfindende» Commandiru»gen von Unterofstciere» zur Erlernung deS Cisenbahnd!e»steS in Wegfall kommen solle». Endlich hat sich die Enquete auch noch auf das Anlegen von permanenten Per- pflrgungSstationen erstreckt, und man ist dahin übereingekomme», solche an de» wichtigste» Kreuzungöpunkten bereits im Frieden herzustcllen, eine Maßregel, die schon an mehreren größeren Bahnstationen von Leipzig, Halle rc. auSgeführt ist. Oesterreich. Wie», 18. September. Bet der heutigen Festvorstellung im Opernhause erschien der Karser mit dem Könige von Italien in der Mitte des ersten Aktes. Mir den Majestät«» erschienen die Erzherzöge Carl Ludwig, Victor, Albrecht, Wilhelm, Leopold, Sigismund, Rainer, die Erzherzöge erschiene» i» Campagne- uniform. Der König von Italien saß in der Mitte zwischen beiden Erzherzog innen, converfirte lebhaft und fast ununterbrochen mit dem hinter ihm sitzenden Erzherzoge Albrecht. — Nach dem zweiten Act wurde im Hofsalon Thee servirt. Nach dem dritten Act verließen die Majestäten sowie die Erzherzöge das Hau-. — DaS Theater war festlich beleuchtet, vor dem Hause eine zahlreiche Menschenmenge. Frankreich. Paris, 17. Sept. „ES ist klar," äußert Siecke über Zweck und Ziel der italienischen KönigSreise, „daß die vom Kaiser Franz Joseph und sem Kaiser Wilhelm an de» König von Italien ergangene Einladung von ihrer Seite die definitive Anerkennung der in Rom wie auf der ganze» italienischen Halbinsel vollbrachten Thatsachen in sich schließt. Der festliche Empfang Bictor Emanuel'S an j-nen beiden Höfen bedeutet, daß auch das manarchischs Europa felbst stch verpflichtet fiihlt, das Recht der Italiener, als Nation zu bestehen Md Rom z« ihrer Hauptstadt zu mache», anzuerkenne». Unbestreitbare Thatsachr ist eS jetzt, daß an dem Hofe, wo Cardinal Rauscher eine» so mächtigen Einfluß übt, die ultramontane Politik in diesem Augenblicke die empfindliche Niederlage erleidet. Und doch wagen die klerikale» Blätter nach wie vor, die Allianz von Oesterreich- Ungar» denjenige» zu verheiße», welche „Rom und Frankreich im Namen deck 8»ore coeur retten." DaS Stelle hätte hinzusetze» sollen, daß die so blinde wie wahnwitzige Rachepolitik, welche die Ultramontane» gegen Italien und Deutschland betreibe», nicht bloß Victor Emanuel »ach Wie» und Berlin gebracht und nicht bloß den Kaiser Franz Joseph hieb- und stichfest gegen die Einflüste rungen und Schlich: der feudalen Partei gemacht hat, sondern daß man auf dem besten Wege ist, Fra«kreich gänzlich zu isoliren. Denn die Plane der Schwar zen find mit Europas Heil und Frieden wie mit der ruhigen und gesunden Entwicklung seiner materiellen wie geistigen Interessen eben so wenig vereinbar, wie die wahnwitzige» Brutalitäten der CommunardS und ihrer Genossen. Der Opinion Nationale ist von Leipzig aus aufgebundsn worden, daß auf der dortigen Messe jeder Franzose durchgeprügelt werden solle. DaS Blatt ist wirklich so albern, die Franzosen vor dem Besuche der deutschen Messi zu warne». In dem Departemen CHte d'Or bei dem Dorfe Karriere blanche ist am 14. d. die Jungfrau Maria einem Mädchen erschienen, und ein herbeigeeilter Kalkbrenner hat bezeugt, daß er daS Mädchen in Verzückung gesehen habe. Die Polizei hat die Geschichte protocollirt und die französische Presse nimmt von dem neuen Wunder Act und Abschrift. Paris, 17. September. Wie verlautet, hat der französische Kultus- und UntemchtS-Minister ein vertrauliches Rundschreiben an die Bischöfe gerichtet, worin dieselben aufgefordert werden, etwas gemäßigter in ihren Hirtenbriefe» aufzutreten und so der Regierung bei der schwierigen Lage, in der sie iich befände, weitere Unannehmlichkeiten mit dem Auslande zu erspare». Der Mi» ster ruft aber nicht die Gesetze an, die er gegen die Bischöfe anwenden könne, sondern er beschränkt sich darauf, einen Aufruf an ihre „patriotischen Herzen" zu machen. Indessen wird dies wenig helfen, da die Bischöfe nur nach den Befehlen deS Vatikans handeln, und dieser keineswegs die Absicht hat, seine Taktik zu ändern. Wenn man dem Avenir National Glauben schenken darf, so wollte der Papst auf der Stelle den Erzbischof von Paris zur Belohnung seines HinteubriefeS gegen Italien und Deutschland zum Cardinal ernennen, wogegen jedoch die fran zösische Regierung Einspruch erhob und erklärte, daß sie nur in dem Falle, wenn auch andere französische Bischöfe Cardinalüwürden erhielten, die Ernennung deS Erzbischofs von Paris gutheißen könne. — Die Legitimisten haben Eile. Paris, 18. September. I» legitimistischen Kreisen versichert man, daß mit dem Grafen v. Chambord demnächst ein Einverständniß werde erzielt werden. Derselbe werde seine Anhänger zu der Erklärung ermächtigen, daß er die Rechte der Nation nicht zurückweise und darein willige, mit den Vertretern der Nation über die künftige StaatSverfaffung zu unterhandeln. Die konservativ-liberalen Kreise bleiben dem gegenüber bedenklich und fürch ten, der Graf v. Chambord wolle zwei Hauptbedingungen für seine Restaurirung nicht erfüllen, nämlich die, daß die Regultrung der Fahnenfrage der National versammlung überlassen bleibe und daß die öffentliche Meinung über die Inten tionen Chambord'S gegenüber dem Ausland, namentlich Italien, beruhigt werde. Dem „TempS" zufolge ist der Deputirte de Larcy mit Ueberreichung einer von 130 Deputirte» der Rechten unterschriebenen Adresse beauftragt, in welcher er klärt wird, das Recht Chambord'S: in der Fahnenfrage daS Princip zu wahren und keinerlei Zugeständnisse zu machen, werde anerkannt, dessenungeachtet sei er, der Graf v. Chambord, verpstichtet, die Krone anzunehmen, wenn Frankreich sie ihm auch in dreifarbiger Fahne biete. Im VvrauS werde kein Opfer von ihm verlangt, er könne aber, ohne sich untreu zu werde», den Wünsche» der Nation, falls ein derartiger Beschluß der Nationalversammlung vorläge, im Interesse des Vaterlandes und der Kirche sich anbequemen. Dem „Journal de France" zufolge hat der Graf v. Chambord den Pariser Erzbischof Gutbert wegen seines kürzlich publicirten Hirtenbriefs beglückwünscht. Der berühmte Schneider Dusautoy am „Boulevard deö Italiens", der Klei- derkünpler Napoleons III. und s. Z. Direktor der Zeitung „L'Epoque" ist dieser Tage gestorben. Eins seiner Schlösser hat er dem Kaiserlichen Prinzen vermacht. Italien. Rom, 14. September. Die Publikation der famosen Broschüre Lamar-» mora'S: „Etwas mehr Licht!" beschäftigt zumeist die öffentliche Meinung und die ofstciellen Kreise, sie hat auch in der hiesigen Diplomatie einen sehr üblen Eindruck heroorgebracht. Lamarmora hat, schreibt man der „N. Fr. Pr." mit seinem Buche den Schleier von zwei Geheimnissen gelüftet, deren Preiögebung dem deutschen Reichskanzler unter allen Umständen sehr ungelegen kommen mußte. Fürst Bismarck wird eS Lamarmora niemals vergeben, daß derselbe erstlich in der Frage der Territorial-Abtretungen seine intimsten Beziehungen zu dem ver storbenen Franzosenkaiser enthüllte, und dies umsomehr, als der General daS Geheimniß, von dem die Freunde deS Todten wünschen mußten, daß eS mit ihm in Chiselhurst begraben wäre, nur halb kannte. An zweiter Stelle mußten so dann die Aufklärungen Lamarmora'S, insofern sie die persönlichen Beziehung« des Fürsten zu seinen Souverän betreffen, den Reichskanzler auf'S Empfindlich^ berühre». Fürst Bismarck hatte den König zum Krieg: gegen Oesterreich erst »ach und nach bewegen können, ihn zu demselben verleiten, ja, ihn so zu sag«