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Tagesgeschichte. Auf welche Etz eise wäre die Macht der kircheapolitifchen Deweg 'ng am sicherste« zu breche«? Wie a« einer elektrischen Kette pflanzt sich die kirchenpolitische Bewegung durch alle Staaten der alten Welt fort. Allenthalben durch halb Europa kämpft per UltramontaniSmuS gegen dm Fortschritt und gegen die Entfesselung der Geister vom kirchlichen Druck mit einer fast unerhörten Zähigkeit und Verbissenheit an. Die Kommandoworte für den erbitterten Kampf gehm von Rom aus und fast Alles, was zur höhern und nieder« katholischen Geistlichkeit gehört, folgt mit nur geringen Ausnahmen diefm Kommandowortm. Deshalb herrscht in den Kampfreihen der Ultramontanen ein so fester Zusammenhalt, deshalb steuert Alles, was ultramontan heißt, unbeirrt nur auf ein Ziel loS; darum ist aber auch der Kampf gegen den Utramoatani-mu- durchaus gar nicht so leicht zu nehme». Unserer Ansicht nach gäbe eS nur ein kräftiges und ganz entschiedenes Mittel, diefm festen Zusammenhalt der Ultramontanm, namentlich aber der katholischen niederen G ifilichkeit, gründlicher brechen. Und wäre.der feste Zusammenhalt, die zähe Einigkeit der Geistlichkeit gebrochen, so wäre dadurch unendlich viel gewonnen. ., Und welches wäre daö Mittel, wodurch die Einigkeit der Ultramontanen am sicherste« gebrochen werden könnte? Die Staaten müssen durch GlaatSgesetze den Eölibat (die Ehelosigkeit der Geistlichen) aufheben. Der Staat thäte damit nur, was seines Berufes ist; er schützt damit seine Bürger (denn der Geistliche ist auch ein Staatsbürger) in den ihnen angebornen unveräußerlichen Menschenrechte». Zu diesen Rechten gehört aber ohne alle Frage auch das, sich zu veih irathen und eine Familie zu gründen. „Mit der Aufhebung des CölibatS auf staatögesetzlichem Wege würde aber der Staat in eine Sphäre eingrcifen, tie ihn gar nichts angeht," wendet man vielleicht ein. Wohl nicht! Der Staat hat eben als Staat das Recht, daß er nicht dulden darf, daß einem snner Bürger ein unveräußerliches Menschenrecht ver kümmert werde. Ebe« in den jüngsten Tagen äst ein höchst interessantes Schriftchen erschienen, verfaßt von einem gewissen August Trümpelmann (Wittenberg, bet Hermann Kölling,) in welchem der Verfasser das Recht des StaatS, den Eölibat aufzu- heben, auf das schlagendste und überzeugendste nachweist. Wir geben unsere» Lesern in folgenden Zeil n einen gedrängten Auszug aus dem in der That auch für uns Protestanten lesenSw.rthen Schriftchen. Der Eölibat, führt Trümpelmann aus, stammt nicht erst aus der Zeit Gregor'S VlI (Papst von 1073—1085,) wie gewöhnlich angenommen wird. Dieser herrschsüchtize Papst hat nur die bereits bestehenden G-setze zur durch schlagenden Annahme und den bereits weithin waltenden Gebrauch zu einem allgemeinen gemacht. Der Eölibat ist die Folge der asketischen Richtung in der Kirche der ersten Jahrhunderte. Stufenweise uns gradwelse ging die Kirche vorwärts. Zuerst zog man die Unverehelichten den V rheiratheten bei der An stellung vor. Dann verbot man dir zweite Ehe nach Lösung der ersten durch den Tod der Gattin. Hierauf untersagte man die Schließung der Eh: nach dem Em pfange der Priesterweihe, während man jedoch die bereits bestehende noch nicht löste. Später aber forderte man, daß der Verh.irathete, wenn er die höhern Grade deö PriefterstandeS erreichen wollte, die Ehe löse, und man erleichterte wohl diese Lösung dadurch, daß man eS für verdienstlich erklärte, wenn die Pliesterfrauen freiwillig den Schleier nähmen und so ihren priesterlichen Gatten die ganze Würde ihres Berufes zurückgäden. h Zu Anfang des 4. Jahrhunderts war eS allerdings noch gesetzlich verboten, eine Eh.» auö religiösen Gründen zu lösen; immerhin aber bestand schon damals der Brauch, zu Bischöfen und Patriarchen nur Ehelose zu emennen. Aber nicht ohne Widerspruch auö dm Ruhen der Kleriker setzte man diese Bestimmung fest. Auf verschiedenen Synoden scheiterte man mit dem Versuche, den Eölibat ganz allgemein zwangsweise einzuführen. Dies vermochte erst Gregor VH. Seit ihm hat das SölibatSg-setz durchgehende Anwendung auf alle Grade des Priestec- standeS gefunden. Ihm gebührt das Verdienst, zuerst die Bedeutung des Cöli- batS für die Papstkirche ausgesprochen zu haben, denn er sagt: „Die Kirche wird erst frei von der Knechtschaft unter den Laien, wenn die Kleriker frei werden von ihren Weibern." Von nun an wird der Eölibat nicht mehr auö asketischen Rücksichten gefordert, sondern um in den unbeweibten Klerikern ein von Privat- und Volksinteressen freies, gefügiges Heer deö PapstthumS zu haben. Daß die Sittlichkeit dessKlerus durch den Eölibat sich gehoben hätte, wird wohl auch der heißblütigste Ultramontane nicht zu behaupten wagen. AuSgang der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts waten in Schlesien, Würtemberg und Baden Vereine freisinn ger katholischer Geistlicher zusammen, welche um Aufhebung des CölibatS ihre Bischöfe, Regier ungen oder Kammern angingen, natürlich ohne Erfolg. Nur die badlsche Kammer hielt sich für kompentcnt, um ihre Regierung aufzufordern, für die Aufhebung des CölibatS thätig zu sein. Doch erst in der Gegenwart haben sich die Zeitverhältniffe in der Weise gestaltet, daß der Staat darangehcn darf, das Cölibat gesetzlich aufzuheben. Damit verletzt er kein Dogma, läßt sich keinen Eingriff in fremde- Gebiet zu Schulden kommen, sondern übt auch damit nur einen Akt der Nothwehr gegen» Über der zügellosen Herausforderung der römischen Kirche, die sie in der letzten Zeit dem modernen Staate in das Gesicht geschleudert hat. Die gesetzliche Aufhebung deö CölibatS würde sofort Hunderte der katho lische« Geistlichen mit unserer Zett und ihren Forderungen versöhnen. Und ge rade die Beste« im Klerus würden sich mit dem Staate dankbar versöhnen; nur die Schwärmer und Leichtfertigen würden sich zornig abwenden, aber an diesen ist wenig gelegen. Die Ehe ist älter als die Kirche. ES gab Eh-gesetze und ein Eherecht, noch ehe Paulus schrieb: „Der Bischof sei Eines ÄeibeS Mann", um damit die Polygamie (Vielweiberei) zu verbieten. Die Ehe ist die Grundlage deS StaateS, die erste fundamentale Bedingung seines Bestehens. Die Eh.» ist göttlicher Wille und göttliche Ordnung seit dem Bestehen der Welt. Es kann Einzel- auSnahmen von dieser Ordnung gebe«, berechtigte EinzelauSnahm«, aber einer «Schaar von vielen Tausenden diese Ausnahme als Gesetz auferlegen, ist eine empörende Mißachtung der ursprünglichen göttlichen Ordnung. Wir bedürfen eine- Klerus, der nicht mehr nur brauchbares Werkzeug in der Hand seiner «ltramontane« Obern ist, persönlich in schmachwürdiger Knecht schaft, rechtlos und schutzlos, sondern der sich selbstbewußt regt und widerstrebt, wenn ihm etwas zugemuthet wird, was seinem Gewissen und seiner Bürgerebre widerstreitet, indem er dahin gelangt «st, in der Beachtung seiner vürgerehre uud der Stimme seines nationale« Gewissens auch ein Stück jene- vernünftig« Gottesdienstes zu seh«, d« Paulus von uns fordert. Vollkommen ei« ««derer wird unser katholischer KleruS erst dann werden, wenn er aus den Kesseln »e- CölibatS erlöst sei« wird. Die Familie, die Kinder und die Sorge um ihre Zukunft werden ihn erst recht national mache». Ueber gar manche politisch kirchliche Frage wird von eine« in der Ehe lebenden Klerus ganz ander- ge- urtheilt werden als von einem ehelose», z. B. übet die Frage der gemischt« Ehm. Der in der Ehe lebende Geistliche wird dort vielfach Milde waltm las sen und damit der Wahrheit die Ehe geben, wo der ehrlose, ausschließlich de« Interesse seiner Kirchenobern dienend, mit rücksichtsloser Schroffheit durchfährt. Wie bereits bemerkt, die gesetzliche Aufhebung des CölibatS verletzt kein Dogma. Der Cölibat ist keine dogmatische, sonder« nur eine diSciplinarifche Bestimmung der Kirche. Dm Maronitm (eine christliche Secte in Syrien,) und unirtm Griechm ist die Prtesterehe im Sinne und »ach dem Brauche der alten Kirche gestattet. Und hem Ms Sieyöö sowohl wie dem Bischof Talley rand wurde die Berheirathlma zuaestanden; Dispense» sind ertheilt Word«, Wenn einzelne Priester sich verheirathen dürfe«, warum sollen eS nicht alle? Freilich, auf diese Logik läßt sich die römische Kirche nicht ei». Deshalb ist eS Sache deS StaateS, dm richtigen Schluß zu ziehm. Deutschland. Berlin, 9. Juli. Die Wahlagitation für die nächsten Reichstagswahlen seitens deS Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins ist im vollen Gange. Die R-iseapostel dieses Vereins besuchen zur Zeit die Ortschaften, in denen sie. Ver eine gegründet haben, um denselben zu verkünden, daß von ihnen für jeden Wahl kreis ein Candidat in Vorschlag gebracht werden wird, für den zu stimmen jede- Mitglied des genannten Vereins verpflichtet ist, gleichviel ob der betreffende Candidat Aussicht hat, die Majorität zu erlangen oder nicht. Der Wahl sich zu enthalten haben die Mitglieder, wenn eS zwischen den Candidaten der reac- tionären oder ultramontanen Partei oder zwischen denen der nationallib.-ralm und konservativen zur engeren Wahl kommen sollte; dagegen haben sie ihr Votum für die Fortschrittspartei in die Waagschale zu werfen, wenn zwischen dem Candidat« dieser und dem einer der vorgenannten Parteien eine engere Wahl stattfindet. Der „Neue Socialdemokrat" stellt in Abrede, daß seine Partei das Kapital z.rstören wolle und bemerkt dabei in unübertrefflicher Naivetät: Nicht „nieder mit dem Kapital", sondern „her mit dem Kapital" wird der Schlachtruf sein. Drum ist socialistische Z-rstörungölust eitel Phrase. — selbstmörderisches Kapital! Berlin. Vom Rhein schreibt man der „Weserztg.": Von allen Cmsu- ren, welche j- über die Presse verhängt wurden, ist die strengste unzweifelhaft die von der katholischen Geistlichkeit in gewissen Gegenden unseres Vaterlandes über die Localblätter geführte Oberaufsicht. Zu diesen Gegenden gehört nament lich auch das Jülicher Land unseres Riederrh ins. Nicht nur, daß alle libe ralen Zeitungen von den Kanzeln aus in den Bann gethan werdm, nein, die Herren Capläne lassen es sich nicht verdrieße», auch von Haus zu Haus zu wandern und zu lnspiciren, ob ihr Beichtkind auch nicht etwa einer dieser ver- fehmten. seelenmörderischen Zeitungen Gastfreundschaft in seinen vier Wänden erih ilte. Die Localblätter aber werden vollständig unter Curatel gehalten, da mit das bethörte katholische Volk unserer Landstädte und Dörfer nur nicht zu fällig auch einmal ein Wörtchen Wahrheit erfahre, welches ein Loch in daS ultramontane Lügengewebe reißen könnte. Unter diesem Terrorismus seufz« selbst unsere amtlichen Kreisblätter. Sehr bezeichnend ist in dieser Beziehung die nachfolgende uns von verbürgter Seite zugehende kleine Historie. Vor etwa JahreSftist wurde ein jesuitischer Kampfhah« als Pastor in eine Kreisstadt versetzt, die im schlimmsten Rufe des Liberalismus steht. Zur Hei lung von dieser Pest bot sich der Pastor dem Verleger deS amtlichen Kreisblat- teS an, dasselbe unentgeltlich zu redigiren und den ganzen, der Politik und der Unterhaltung offenen Theil zu füllen. Als der Verleger dies Ansinnen aber dankend ablehnte, bedrohte der eifrig- Kleriker ihn mit der Gründung eines ConcurrenzblatteS. Trotzdem nun das Kreisblatt alle Hirtenbriefe und bischöf lichen Erlasse aufs gewissenhafteste zum Abdruck brachte, konnte 'es bei dem Herrn Pastor doch keine Gnade finden, und als das amtliche Publikationsorgan sich gar erdreistete, nun endlich auch einmal eine Kundgebung der ministeriellen „Provinzial-Correspondenz", den bekannten Artikel „Die Bischöfe und die Kirchengesctze", als Antwort auf die Kollektiveingabe der Preußischen Bischöfe vom 26. Mai aufzunehmen, schrieb der infallible Geistliche an den Verleger: „Euer Wohlgeboren benachrichtige ich, daß, w nn Sie fortfahren, die katholi sche Sache m Ihrem Blatte zu schädigen, ich eS für meine Pflicht erachte, öffent lich unsere Leute vor Ihrem Blatte zu warnen". Solche Drohungen werdm bei furchtsamen Gemüthern wohl nicht selten ihren Zweck erreichen; die Regie rung aber sollte durch ihre Organe m der Provinz wenigstens ein wachsames Auge darauf haben, daß ihre amtlichen Kreisblätter nicht klerikalen Interessen dienstbar gemacht werden. Berlin. Die Einführung einer nachahmenSwerthen Einrichtung steht auf sämmtlichen Staats-Eisenbahnen bevor, indem laut Anordnung deS Herrn Han- delSministerS auf allen Bahnhöfen entweder unmittelbar auf denselben oder in nächster Nähe Brunne» angelegt werden sollen, damit sich die unbemittelten Passa giere mit gutem Trinkwaffer versehen und so ihren Durst stillen könne». Köln, 7. Juli. Der gestern in Bonn zu einer vertrauliche», ans fast allen Wahlkreisen der Provinz besuchten Sitzung versammelte Provinzialausschuß der rheinischen Fortschrittspartei erklärte einstimmig und als ganz selbstverständ lich seine Zustimmung zu dem Beschluß deS Berliner Central-Wahlausschusses der deutschen Fortschrittspartei, wonach nur diejenigen Mitglieder der liberalen Parteien als ihr nahestehende politische Freunde angesehen werden können, welche mit ihr gegen das Pauschquantum an Stelle de- Militäretats für da- Amende ment LaSker-Hölder bei de« Gesetze über Gewährung von WohnungSgeldzu- schüffen und für Diäten der ReichStagömitglieder gestimmt haben. Ferner wurde einstimmig beschlossen, Köln zum Cmtralpunkt für die rheinische Wahlbewegmig zu erkläre». Der Gang der Verhandlungen bewi-S, daß die Partei, einmüthig m ihren Zielen und Bestrebungen, entschlossen ist, mit aller Energie in den Wahlkampf einzutreten. Straßburg, 7. Juli. Die Arbeiten an den neuen Befestigungen um Straßburg werd« auf da- Eifrigste betrieb«. Die auf dem linken Rheinufer auf dem Umzüge zwischen d« Dörfern Reichste« und Lingolsheim liegenden sechs Fort-, welche vor sich ein« trocken« tiefen Graben habe«, soll« schon so weit fertig gestellt sei», daß ste bereit- jetzt zu einer energisch« V-rthetdigung zu ge brauch« find. Jedenfalls wird «tt Ablauf diese- Jahre- die neue Stellung auf dem ganz« linke» Rhei»ufer vertheidigung-fähig sei« und auch auf de« recht« Ufer um Kehl hem« fiud die Stell« für drei wettere Fort- bestimmt,