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L70 »all, einen Monat nach dem Abzüge des letzten deutschen Soldaten aus Frankreich, nicht mehr an der Spitze der Gewalt erhalten könne». Der Marschall verfügt nicht so unbedingt über die Armee, als man in Europa glaubt und er vielleicht selber meint, wiewol er als vernünftiger Mensch stch keine» Illusionen in dieser Beziehung hingeben sollte. General Chanzy mochte immerhin nach Algerien ge schickt, die Armee noch so gründlich von allen des RepublikaniSmuS verdächtige» höheren Osficieren gesäubert werden: immer noch bleiben, was man auch dagegen thue, viele, sehr viele Republikaner in der Armee zurück. Diese oben erwähnten zwei ministeriellen vertraulichen Rundschreiben habe» aber der neuen Regierung einen Schandfleck aufgedrückt, den sie nicht wieder auStilgen kann und der jedenfalls über kurz oder lang ihren Sturz herbeiführe» wird; denn eine Regierung, die zu solchen Mitteln greift, ist jeden Tag zum SMrze reif. Deutschland. Berlin, 19. Juni. Von allen Blättern, welche unter Umständen zur liberalen Presse gerechnet werden, hat nur die „Magdeb. Ztg." daS Betragen des Fürsten BiSmarck in der MontagSsitzung des deutschen Reichstags gut ge heißen. Die gereizte Stimmung des Kanzlers läßt sich gewiß erklären, seiner Presse wird es auch nicht an Entschuldigungsgründen mangel». DaS Höchste im ServiliömuS leistet jedoch die „Magdcb. Ztg." am Schluffe ihres Leitartikels: „Unser Percy", wenn sie schreibt: „Wir lieben unsern Percy auch in seinem Zorn." Dazu bemerkt der „B. B. C.": Wir liebe» unsern Percy nicht in seinem Zorn und diese Negation der Liebe rhetlt wohl mit uns die gesammte liberale Presse Deutschlands. „Ich verbitte mir daS l" Roch einmal: „Ich verbitte mir das!" Wir halten kaum dafür, daß dergleichen Redensarten zu den parlamentarischen Usancen gehören. Wenn Hesekiel im ersten Bande seines „Buches vom Grafen Bismarck" dem Verarbeiteten solche Worte in den Mund legt, so werden dieselben ohne Zweifel dem randalirenden CorpSstudenten Reclame machen. Bei aller Achtung vor diesen studentischen Eorporationen, welche auf das Princip der Freundschaft und Ehre begründet sind — Hand aufs Herz! Im deutschen Parlament muß eS doch etwas anders hergehen. Bei Bekämpfung einer gegentbeiligen Ansicht sind die legalen Waffen: Logik und Beredtsamkeit, nicht aber ein brutales: „Ich verbitte mir vaS!" Wenn daS Wortgefecht vo» einem Mitgliede des deutschen Parlaments in unparlamentarischer.Weise begonnen werden sollte, so ist der Ordnungsruf des Präsidenten die gesetzliche Remedur. Niemals steht eS aber dem Reichskanzler zu, mit dem Donnerkeil: „Ich ver bitte mir daS!" dazwischen zu fahren. — Die „N. Z." schreibt: In der deutschen Presse' wird noch viel von der Gewitterluft geschrieben, welche am vorigen Montag über dem ReichStagSsaale geschwebt haben und in demselben zum Ausbruch gekommen ftin soll. Nicht überall hat man eine Empfindung dafür, wie wenig die Behandlung, welche der Reichstag am Montage erfuhr, feiner und des Volkes würdig war. Die schon vo« alten Moser vor mehr als hundert Jahren beklagte „Hundedemuth der Deutschen" ist auch heute noch nicht auögestorben. (Die „Magd. Ztg." und die „Wes.-Ztg." liefern für diese That- sache insofern den Beweis, als sie das Auftreten deS Fürsten Bismarck gegenüber dem Reichstag zu beschönigen such:».) Berlin. Die alte Taktik der Mannschaften HasenkleverS, die fich be kanntlich gegenüber den Eisenacher (sogenannten ehrlichen) Socialdemokraten als die allein echt in der Wolle gefärbten Nachfolger Lassalr'S geriren, führte in der am Mittwoch in der Gartenstraße 13—14 abgehaltenen Versammlung der „Ehrlichen" wieder sehr heftige Scenen herbei, welche die von beiden Par teien gepredigte Bruderliebe in eigenthümlicher Weise illustrirt. Nach einem Vortrage des Herrn Bauman» über „Culturfortschritt und SocialiSmuS" kramte einer der Hasenklever'scheu Kämpen, ein Herr Lesser, seine Weisheit aus und nannte, als dieselbe nicht die gewünschte Anerkennung in der Versammlung fand, seine Gegner unparlamentarische Narren. Natürlich hörte nun die Gemächlich keit auf. Liner der Eisenacher schwur dem Hasenklevianer feierlichst zu, daß von jetzt ab wieder vollständiger Kriegszustand zwischen den beiden Parteien herrschen solle und daß alle außerhalb Berlins von den Hasselmännern abge- haltcnen Versammlungen durch die Internationale» gesprengt werden sollen. Je denfalls für die Bewohner der in der Rühe Berlin gelegenen Ortschaften eine schöne Aussicht! Wie neckisch doch oft der Zufall spielt! Am 7. Juni, dem Tage der Ab reise des persischen Schah von Berlin, wurde auf der dortigen Wachtparade die Parole auögegeben: „Schwein - furt". Oesterreich. Wien, 20. Juni. Der „Neuen freim Presse" znfolge hätte eine Depu tation der Französische Jnry sich gestern zum Grafen von Chambord nach Frohsdorf begeben und ihn ersucht, er möge den Prinzen Louis Napoleon (den Bekanntmachung. >' / 3« Hinblick auf die bedeutende Gefahr, welcher die Stadt bei Ausbruch eines Schadenfeuers ausgesetzt ist, Hal «an für «öthig erachtet, folgende Be- 'stimmungen auf Grund der Feuerlöschordnung für die Stadt Gchneeberg zur pflichtgemäße» Befolgung i» Erinnerung zu bringen. 1) Bet Bränven in der Stadt haben auf entstandenen Feuerlärm die Spritzenmannschaften fich sofort mit ihren Abzeichen versehen an den Standort der Spritzen, zu denen sie gehören zu versammeln und 2) Die übrigen feuerwehrpflichtigen Bürger und Einwohner dagegen haben stch ungesäumt und zwar mit Feuereimern versehe», »ach der Brand stelle zu begeben. Außerdem haben die nicht feuerwehrpflichligen, in der Umgebung der Brandstelle wohnenden Bürger ihre Feuereimer vor die HauSthürs ihrer Wohnung auf die Straße zu setze». 3) Sämmtliche Mannschaften haben den Anordnungen des FeuerpolizeicommissarS sofort nachzukommen, ebenso haben die einzelnen Abtheilungen ihren Anführern unbedingten Gehorsam zu leisten. Müßige Zuschauer in der Nähe der Brandstelle werde» nicht geduldet, haben vielmehr der Aufforderung der Polizeiorgane, mit Hand anzulege», bet Vermeidung sofortiger Arretur Folge zu gebe». Alle diejenigen, welche unentschuldigt oder nicht genügend entschuldigt, bei eine« der ihnen Megende» Dienste fehle», Ungehorsam bezeigen oder sich sonst Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften der Feuerlöschordnung zu Schulden kommen lassen, werden mit Geldstrafe bis zu 20 Thaler oder mit verhättnißmäßiger Haflstrafe geahndet. Ma» erwartet von der guten Gesinnung der Bürger und Einwohner der Stadt, daß in der Stunde der Gefahr jeder seine Pflicht und Schuldigkeit thut und durch schnelle und tatkräftige Hilfe größer Unglück abzuwenden sucht. Schneeberg, am 21. Juni 1873. Der Rat h. Jähnichen, Stadtrath. Tagesgefchichte. Mae Mahon und fein Ministerium Broglie-Beule haben seit dem 25. Mai nicht nur Frankreich sondern Europa zum Ueberdruß ost versichert, daß sie vor allen Dingen die Herstellung der „moralischen Ordnung" alS ihren nächsten und auSschlüßlichen Beruf betrachten. Dieser Phrase »ach hätte man nun denken soll n, daß Mac Mahon und seine Minister zu diesem Zwecke auch geeignete Mittel wählen werde». Doch Frankreich sollte eine große, eme gewaltige Täuschung erfahren, Frankreich sollte wieder einmal erfahren (was eS schon so sehr ost erfahren hat,) daß zwischen Worten, zwischen Ver sprechungen und Thate» gar häufig eine große und weite Kluft befestigt ist. Dem vielang'/fschtcnen Gambetta war eS Vorbehalten, dem schon so ost be trogene» Frankreich offen, klar und unwiderleglich zu zeigen, was bet dem neuen Ministerium Broglie-Beu!« „Herstellung der. . . moralischen Ordnung" heißt. Gambetta ist eS nämlich gelungen durch sein: vielfachen geheimen Ver bindungen die Abschrift eines geheimen Rundschreibens an die Präfekten Frank reichs in die Hände zu bekommen, daS deutlicher und klarer als alle öffentlich ' gesprochenen Worte des neuen Ministeriums darthut, was dasselbe unter „Her stellung der moralischen Ordnung" in Frankreich versteht. Md Gambetta hat von diesem geheimen Rundschreiben des Ministers des Innern, Beul«, aller dings den ausgiebig 4en unv einschneidendsten Gebrauch gemacht: er hat das geheime Rundschreiben in der Sitzung der Nationalversammlung am 10. Juni vorgelesen. DaS Staunen, ja der Unwille der Majorität in der Nationalver sammlung über daS ministerielle Aktenstück war tiefgehend, und der Minister Beule konnte die Echlhcit des Rundschreibens nicht ableugen; doch war er feige genug, vor der Nationalversammlung die elende Helfrcde zu brauchen: dieses Rundschreiben sei ohne sein Wissen und ohne seinem Willen an die Präfekten In »euerer Zeit ist wi derholt von Kindern nach den auf hiesigem Bahnhöfe stehende» 8isenbah»wage» geworfen, auch die auf der Bahn üblichen Signale durch Pfeifen nachzuahmen versucht, hierdurch aber der Dienst auf dem Bahnhofe gestört und erschwert worden. ES sind deshalb die Polizeiorgane angewiesen worden, jeden ihnen bekannt ^werdenden Fall zur Bestrafung hier anzuzeige» und werden »««entlich auch die Eltern bedeutet, nach dieser Richtung ihre Kinder aufs Strengste zu überwachen. Reustädtel, den 21. Juni 1872.Der Stadtrath das. Speck, Bürgermeister. abgesendet worden. Und waS ist der Jnhalr dieses ministeriellen Rundschreibens? In Kürze Folgendes: Die Präfecien werden angewiesen und aufgefordert, sich mit den Lettern der OppositionS-Presse in ganz Frankreich in Verbindung zu setzen und sie durch — Bestechung dahin zu vermögen, daß sie von der Opposition ab- laffen und in ihren Blättern für die Regierung schreiben und wirken! Also null die neue Regierung die Gelder des Landes dazu benutzen, um die Opposition todt zu machen, um di<. öffentliche Meinung irre zu führen. Man hat eS wohl erlebt, daß Regierungen, um die Opposition unschädlich zu machen, die Organe derselben unterdrückten oder im Wege der Preßproceffe zu Grunde richteten; daß aber eine Regierung ihre Beamten auffordcrt, die oppositionellen Blätter mittelst Geld zur Reg'.erungSfreundlichkeit zu bekehren, ist noch niemals vorgekommcn. Die Regierung der „moralischen Ordnung" war dazu berufen, ein solches Bei- sptrl unglaublicher Corruption zu geben. Wenn nur ein Theil von dem wahr rst, was man fich über die Biederkeit deö Charakters deS neuen Präsidenten in Frankreich erzählt, so darf der Marschall Mac Mahon aus der Verachtung für ein Ministerium, das solche Mittel wählt, um die öffentliche Meinung des Landes zu discipliniren, keinen Augenblick länger ein Hehl machen und muß er diesen Stümpern ein- für allemal das Handwerk legen. Aber er hat sich ja als den Vollstrecker des Willens der Versailler Majorität proclamirt, und eS gibt jetzt keine Schande, die er nicht über fich ergehen lassen muß, wenn dieselbe von der Mehrheit der National-Versammlung dictirt wird. Doch daS neu- Ministerium ist in seinen Bestrebungen zur Wiederherstellung der ... . moralischen Ordnung zu seiner Schande noch weiter gegangen. Die neusten Zeitungen melden nämlich, daß ThierS seit mehrer« Tagen im Besitze eines neuen vertraulichen Rundschreibens deS Ministers deS Innern, Beuls, an sämmtliche Präfccten ist, in welchem der Minister die Präftcten und die übrige» Regierungs-Agenten ausdrücklich beauftragt, „alle Geschicklichkeit, alle Thätigkeit uns allen Eifer zu entfalte», um die Popularität deS Herr» ThierS und die Sympathien für die Republik aus den Gemüthern der Bauern auf dem Lande und deS KleinbürgerthumS in den Städten zu reißen". Die volle Wichtigkeit dieses letztem Rundschreibens springt in die Augen. Während Marschall Mac Mahon sein Wort „als ehrlicher Mann und als Soldat" verpfändete, daß die bestehenden Einrichtungen gewissenhaft aufrechterhalten werden sollten, während dessen fetzten die Minister des Marschalls sämmtliche Agenten der Administration in Bewegung, um in den Städten und Dörfern auf dem Lande die republikanische Idee, die rep»bltkanischen Sympathien auszurotten! Ist das nicht Unredlichkeit, ja Verrätherri im höchsten Grade? Entweder ist Marschall Mac Mahon ein chrhicher Mann — und dafür muß man ihn halten — dann kann er nicht eine Minute länger Männer im Cabinete behalten, welche sein gegebenes Wort miß achten und jede aus Treu' und Glauben erwachsende Verpflichtung mit Füßen treten — oder er ist, waS aber unmöglich erscheint, der Mitschuldige seiner treubrüchige» Minister, und in diesem Falle .... wird stch der Marsch«