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434 «an alle ^öfstciösen und . radikalen Blätter unterdrücke, welche die Versammlung 'so lange Zeit beschimpft und angegriffen haben. Die- wird auch wohl ge schehen. Paris. Ueber die zukünftige Haltung ThierS, dessen Regiment von mancher Seite noch nicht als für immer abgethan betrachtet wird, gibt das „Bien Public" einigermaßen Auskunft. Das ThierSsche Organ sagt u. A.: „Die gestern improvisirte Regierung gehört nicht zu unsern Freunden. Wir beklage» ihren Ursprung: ste besteht aus Leichtsinn und Undankbarkeit; wir zit tern für ihre Zukunft, denn sie trägt in sich den Keim der Auflösung. Ein gespaltetes Haus kann nicht lange dauern. Wir werden keine unloyalen und systematischen Gegner sein; wir werden Rathschläge ertheilen, wir werden ur- i hei len, aber nicht domoliren. Wir baden zum Letzteren kein Talent. Wir prüfen uns nicht, wie Ändere, in dem Aussteller, von Fallen, im Graben von unterirdischen Laufgräben, in der Entstellung der Absichten, in dem Verbreiten von Treulosigkeit; wir haben also kein Verdienst, wenn wir in der entschlosse nen und ehrlichen Opposition, die wir der Regierung vom 24. Mai machen werden, nicht das famose, letzthin gegebene Beispiel nachahmen." Bazaine soll Mac Mahon brieflich um endliche UrtheilSfällung gebeten haben. Der „Moniteur" hält für sehr wahrscheinlich, daß die von dem Präsidenten ThierS abgeschlossenen Handelsverträge von der Nationalversammlung ohne Diö- cussion verworfen werden. > . Versailles, 27. Mai, 8 Uhr Abends. Sitzung der Nationalversamm lung. Die Wahlen der radikalen Deputirten Lesguillon, Dupouy und Barodet werden ohne Diömssion für giltig eiklä t Die Versammlung beräth darauf den Gesetzentwurf, betreffend die neuen Eisenbahnlinien im Osten, der von Clapier bekämpft wiid. Während der Rede d.s L tzteecn tritt ThierS in den Saal und wird von der Linken mit dreimaligen lauten Kundgebungen begrüßt. ThierS nimmt seinen Platz unter dem linken Centrnm. (Nen: Beifallsäußerungen auf der Linken.) England. London, 26. Mai. Die Gsck.chte Frankreichs ist um ein Datum rei cher geworden, und welch: Aera dieser Zeitpunkt einleiten soll, wird sich kaum schon auS dm Ereignissen der nächsten Lage schließen lassen. I»»wischen nimmt man hier mit Beruhigung von der leftümmn Haltung der besiegten Partei Kenirtniß. „Geduld," sagt Lie Times, „muß das LoosungSwort der Linken in der jetzigen Kr.siS sein, und cS ist nicht allein für Frankreich, sondern auch für Europa ein Glück, daß diese Loosung aus freien Stücken angenommen worden ,st. Geduld ist sonst nicht die Tugend französischer Politiker, doch sollte der sich ihr hingebe» können, der da w iß, daß alle dauernd wirkenden Kräfte deS Landes für ihn arbeiten. Daö letzte Manöver der Rechten wird den Wider stand gegen sie vermehren. Herr ThierS ist nach Monaten ernster Anstrengung von beivcn Seiten gleichmäßig unterstützt, über den Parteien zu herrschen, durch die blinde Opposition der Rechten gestürzt worden und wird jetzt je mehr und mehr mit der Linken gehen. Die ganze eigentliche Bürgerschaft Frankreichs, welch: in ihm ihren Vertreter sieht, wird cö nickt vergessen, daß er durch das n ue Regime verdrängt worden ist, uns in diesem Gedanken wird der sonst so natürliche Wunsch, die Regierung zu stützen, untergehen. Die „moralische Ord nung", welche Broglie gegen ThierS an führen wollte, wird als eine rein cleri- <ale Reaktion verurtheilt werden. Hur ThierS nimmt mit sich in die Opposi tion den Ruhm, Frankreich befreit, di: Orsnung in Finanzen und Verwaltung h rgcst-llt, vier Milliarden der Kriegscntschävigung gezahlt und die Mittel für die fünfte besorgt zu haben; und die Partei, die ihn zu Falle brach te, kann nicht dem von JuleS Simon schon gefällten Richterspruche entgehen, daß Herr ThierS gegen ihre eifersüchtigen Anfeindungen und nicht mit ihrem Beistände so Großes erzielt hat. Die Strafe ihrer Unklugheit — um kein här teres Wort zu gebrauchen — wird nicht ausbleiben. ES wird sich zeigen, daß sie Lie Macht der Linken in jedem Departement deS Landes befestigt und ver- mchrt und in dem Haschen nach der Negierung die Unterstützung der Nation verloren haben." Von dem neuen Präsidenten der Republik erwartet die Times nicht, daß sich aus ihm in dem Alter von 65 Jahren noch ein Staatsmann entfalten würde; Mac Mahon wirs die Ordnung aufrecht halten, während seine Minister die Politik der Regierung leiten. Rußland. In der russischen Börsenzeitung wird von einem Correspondentea bitter da rüber geklagt, daß di: Auswanderung der polnischen Bevölkerung der preußi schen Provinz Posen nach Amerika in starker Zunahme begriffen sei. Als Mo tive bezeichnet er gewaltsame Germanisirung und die militärische Conscription, „diese sp-cifisch preußisch: Krankheit!" Ec beschwört die slavische Welt, durch ihren Einfluß jener AuSwanderungS-Manie Einhalt zu thun, „denn," sagr er, „cS wird ein Tag kommen, wo wir noch eins große und reiche Provinz verlie ren werden, welche von dem unersättlichen Deutschland verschlungen wird." Ist die Militärpflicht eine Krankheit, so ist Rußland sicher derselben mit Haut und Haaren verfallen, und was die Unusättiichkeit betrifft, so hat Rußland sich mit diesem Characterzuge selber als abschreckendes Beispiel ia lolio für zvei Welt- therle aufgestellt. Der GoloS ist noch brutaler in seinen Forderungen. Er macht seinen Le sern folgende Logik plausibel: „Da sind die Ostse-provinzen; nehmt ihnen die drei heiligsten V:fihthümer eines Kulturmenschen: Glauben, Sprache und Recht, und setzt an ihre Stelle die russische Idee, denn Preußen setzt in Posen und in Elsaß-Lothringen ja auch die preußische Jvee durch!" Holland. Haag, 27. Mai. Der Minister für die Colonien machte heute in der Sitzung der zweiten Kammer di- Mittheilung, daß nach einer telegraphischen Meldung deö General-Gouverneurs von Indien vom gestrigen Abend in Deli vollständige Ruhe herrsche. In Edi (einer vom Sultan Atchin abhängigen Stadt) seien acht Compagnien Regierungstruppen eingerückt und die holländische Fahne aufgepflanzt worden. Spanien. Den Correspondcnzen der „K. Z." über den Carlistenaufstand entnehmen wir eine Unterredung, welche der Verfasser jener Berichte mit dem Prätenden ten Don Carlos in Bayonne gehabt. ES heißt dort: Im Garten spazirend und von General Elio begleitet, kam er mir entgegen, hieß mich mit der größ ten Freundlichkeit willkommen und knüpfte gleich ein Gespräch an, während dem er beständig die unvermeidliche Cigarette rauchte. Do» Carlos ist ein hoher schlankgewachsener Mann ron fast sechs Fuß Größe. Er trägt einen dichte» Batt, und sein erstes Erscheinen macht durchaus einen angenehmen Eindruck, der durch seine Lebhaftigkeit und ein fast weibliches Lächeln noch erhöht wird. Er ftagte mich, welch« Meinung ich von den Carlisten hege, und da meine Antwort ein« günstige war, schien er höchst zufrieden zu sein. „3« den sämmt- i lichcn Baskischen Provinzen," sagte Don Carlo-, „da- heißt in Navarra, Alava, Guipuzcoa, Liöcaya und Logrono werden Sie finden, daß die Bevölke rung ganz besonders Lurch und durch Carlistisch ist. Eie müss.n, um diese Thatsache zu erklären, bedenken, daß im dreizehnten Jahrhundert diese Provin zen, die bi- dahin eine vollkommene Selbstverwaltung b:saßen, sich mit d:r Krone CastilienS vereinigten unter Zusicherung Seiten- der Krone aller ihrer bisherigen Privilegien, unter Anderem deS Rechtes der Localverwaltung durch gewisse vom Volke erwählten Deputirten und so fort. An diesen Bestimmungen und Traditionen hängt da- Volk fest; und deshalb können sie sich nicht an eine Republik gewöhnen, die Alles über einen Leisten schlägt. Nur die Monar chie kann und muß alle diese Privilegien wahren; und welche Monarchie, welche Dynastie das Volk in diesen Provinzen verlangt, wissen Sie selbst." „Dar über läßt sich gar nicht streiten," erwiderte ich, „aber wie steht eS mit der übrigen Bevölkerung Spaniens?" „Darüber will ich Ihnen ganz aufrichtigen Aufschluß geben," fuhr Don Carlo- fort. „Die Bevölkerung der größerm Städte ist zweifelsohne republikanisch gesinnt; doch ist dieser RepublikaniSmuS zum größten Theil .kein selbstständiger, sondern nur ein künstlich eingepflanzter, hervorgerufen und unterhalten durch die unruhigen Geister der CommunardS, Internationalen und Socialisten, die aus Frankreich in Spanien eingewandert sind. ES ist nur den Anstrengungen solcher von allen Parteien geachteten Män ner wie FigueraS und Castelar, die ich ebenfalls hochachte, zu verdanken, daß die Republik nicht schon jetzt in anarchische T.ümmer gefallen ist. Die Land- bcvö.kerung ist in den übrigen Theilen Spaniens entweder gleichgültig — jedoch zum CarliömuS geneigt — oder geradenwegs carlistisch. Nur in Galicien fin den Sie eine größere Anzahl Alfonfiflen, die hauptsächlich unter den höheren Osficieren der Armee vertreten sind. Sie werden verstehen, daß der Haupt zweck der Alfonfiflen im gegenwärtigen Augenblick die Fortdauer deS Bürger kriegs ist, damit, wenn der Sohn der Exkönigin alt genug geworden und das Laud vom Kriege und von Unruhen erschöpft ist, sie eS leicht finden möchten, ihn auf den Thron zu setzen. Dabei darf auch das uneinig: Wesen der Re publikaner nicht vergessen werden, die sich in Föderale und Nnitaricr zertheilen. Meiner Ansicht nach — und für die baskischen Provinzen kann ich ci..stehen— ist die einheitliche Republik in Spanien ganz unmöglich; denn der Chamcter der verschiedenen Provinzen ist ein so abweichender, einer vom andern, daß, wie ich schon gesagt, eö unmöglich ist, sie über einen Leisten zu schlagen. Soll eine Republik in Spanien gebildet werden, so kann diese nur eine bundesstaatliche sein; und dagegen, glaube ich, werden alle Mächie Europas ihr Mü;lichste- anstrengcn. Hier," fuhr Don Carlos fort, nachdem ec aus der Brieftasche ein Papier zog, „haben Sie eine Depesche, die Herr ThierS seinem G-'andtcn in Madrid sandte. Sie sehen, er sagt, daß er, der Gesandte, sein Möglichstes thun soll gegen die Carlisten; daß er, Herr ThierS, nicht alles thun kann, was er thun möchte; denn England und Rußland seien den Carlisten günstig, ob gleich, auf der andern Hand, er glaube, daß Deutschland eher die Republik begünstige. Ich aber zweifle nicht an dem endlichen Siege meiner Waffen," schloß Don Carlos. „Aber", bemerkte ich, wenn Alles so zu Gunsten Ihrer Majestät steht, wenn die Republikaner so uneinig und unter sich zerfallen sind; wenn die Alfonfiflen nur einen kleinen Bruchtheil der Bevölkerung auömachen: und wenn die ganze Bevölkerung auf dem Lande carlistisch gesinnt ist: warum enischließt sich Ihre Majestät nicht, sofort als Hauptführer ins Feld zu ziehen und auf Spanischem Grund und Boden den Stand zu nehmen?" „Weil man eS mir nicht erlaubt. Ich werde hier vollkommen als Gefangener gehalten. Meine Minister, meine Generale behaupten alle, daß der Augenblick dazu noch nicht gekommen ist. Nicht eher soll ich inS Feld ziehen, bis 10,000 Mann und die nöthigen Kanonen zu meinem Empfange bereit stehen. Schmerzlich, wie dieser Entschluß nun ist, kann ich nicht umhin, die Richtigkeit desselben einzu- sehen. Auch habe ich allen Grund, zu hoffen, daß in aller Kürze diese Be dingungen erfüllt sein werden. Sie wissen aber kaum, gegen welche Schwierig keiten ich zu kämpfen habe. Die feindliche Stellung der Franzosen — oder vielmehr Herr» Thier'S — ist unerhört. Er erkennt die Republik nicht an, doch kämpft er ununterbrochen dafür. Er hat von unS nichts zu fürchten, doch betrachtet er uns als seine schlimmsten Feinde. Und warum? Weil er fürch tet, daß das Glück der Legitimisten in Spanien nur da- Vorspiel zum Glück der Legiumistm in Frankreich sein würde. Als ob die zwei Sachen auf irgend eine bedeutende Weise zusammenhingen! WaS meine Partei an der Spitze der Spanischen Regierung für die Französischen Legitimisten thun kann, das kann sie auch im Exil thun. Und vico vor»,." „Doch," bemerkte ich, „meiner Ansicht nach schadet der Sache Ihrer Majestät nichts so sehr, als die öffent liche Meinung in England und Deutschland, daß der CarliSmuS und die un beschränkte Macht der Priesterschaft identisch sind." „Ja, ich weiß eS," sagte Don Carlos) „man denkt, daß ich die Inquisition und Gott weiß noch em- führen werde. Ich aber werde der Geistlichkeit nie gestatten, aus ihrem Ge biet zu treten. Den legitimen Emfluß der Kirche kann und werde ich nie be streiten. Doch über diese Echra..ke hinaus erlaube ich ihr nicht zu treten. Und diesen legitimen Einfluß wird die katholische Kirche immer übe: ihre Bekenner auöübcn, mag nun die Regierung monarchisch oder republikanisch sein." — Daniil gab der „König" zu verstehen, daß die Audienz zu Ende war. Mit gro ßer Freundlichkeit gab er mir dir Hand und sagte, wie sehr eS ihm freue, daß der Cowcspondent eines so geachteten Blattes, wie die „Kölnische Zeit.", mit eigenen Augen den Gang der Sachen verfolge. Darauf verabschiedete ich mich mit dem Eindrücke, daß, wenn Don Carlos auch kein glänzend hervorragender Geist sei, er es doch ehrlich meine. Italien. Rom, 27. Mai. Der Papst hat, der „Voce della verit»" zufolge, am Sonntage in einer Ansprache an eine Deputation italienischer Katholiken erklärt, er unterscheide da- wahre Italien vom falschen. Das erstere sei weit zahlreicher, als das letztere und die Mehrheit der Italiener der Kirche ergeben. Türkei. Constantinopel 27. Mai. In der Nähe der Wohnungen der Der wische brach heute Morgen in Pera eine Feuersbrunst au-, durch welche etwa zwanzig Häuser und Magazine zerstört wurden. Königreich Sachfen. Dresden. Der „Dr. Anz." schreibt: Dem Vernehmm nach ist eS die Absicht, die in der Ausarbeitung begriffene Ausführungsverordnung zu dem neuen Schulgesetz noch im Laufe dieses Sommers zu publiriren, wiewohl noch Manches, z. B. die Vereinbarung mit dem Hause Schönburg und den Provinzialständen der Oberlausttz, welche ihr Collaturrecht nicht aufgeben wollen, bis dahin zu ordnen, darum überhaupt aber in diesem Jahre wohl schwerlich an die wirkliche Ausführung zu denken sein dürste.