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ohne Mißbrauch geblieben. Der willkürliche Bruch der Arbeiterkontrakte, eine das Gemeindewohl schädigende Ausnutzung des CoalilionSrechtS, die Verfüh rung zur Auswanderung und die Täuschungen des Publikums bei Gründungen find Auswüchse der gewährten Freiheit, und erfordern die heilende Hand der Gesetzgebung. Andererseits wird auf die Beseitigung mancher, die wirthschaft- liche Entwickelung noch hemmenden Ungleichheiten der Steuern und Zölle hin zuwirken sein." Oesterreich. Wien, 15. Mai. Der heutige Zahltag an der Börse war ein Tag der Angst und der Aergernisse. Es ist Vieles faul im Staate Oesterreich. Das N. W. Tagblatt gibt einen Bericht: „Der Tod an der Börse", in welchem die Zustände deö wiener Babylons mit Makart'S „Pest in Florenz" in Parallele gestellt werden. Ja freilich, die Börse hat- sich scheußlich uiakartistrt, und dazu Hal der MakUrtismuS der wlener Blätter ganz erklecklich mitgewirkt. Jetzt schwelgt man in den Zerrbildern der Folgen dieser babylonischen Wirthschaft. Das „Va terland" schreibt:. „Durch das direkte Eingreifen der Regierung ist die Börsen- knsis zu einer österreichischen Finanzkrisis umgestaltet worden. Es ist sofort ein Rückgang in den Staatöpapieren eingetreten. Die Rente fiel um 3 Fl., das Silberagio beträgt wieder 10 Procent und die Napoleond'orS sind auf 9 Fl. ge stiegen ! ES beginnt nun eine Krisis, welch- weit bedenklicher erscheint, als die Börsenkatastrophe. Mitten im Frieden erleidet Oesterreich eine financielle Nieder lage der herbsten Art. Daö Volk, welches man mit der Herstellung der Me tallwährung vertröstet hat, sieht sein Geld in der Tasche zusammenschrumpfen: was die Börsenjobber verbrochen, fällt auf die honetten Leute zurück. Fürwahr, herrliche Resultate des volkswirthschaftlichen Aufschwunges!" Die herbe Sprache des „Vaterland" ist sachlich gerechtfertigt, wenn sie auch nicht aus redlichem Herzen kommt, sondern gleichfalls aus Spekulation, nämlich auf die Wahlbewegung. Wien, 19. Mai. Wie die „Monta^S-Revu-" erfährt, hat die Regierung beschlossen, bis zum Erscheinen eines neuen AciiengesetzeS keinerlei Eoneesstonen zu Gründung von neuen Articngcsillschaften zu geben, die bisher ertheiltcn, aber noch nicht auSgcübttn Concessionen ausnahmslos für verfallen zu erklären und jede Cotirung von Gründungspapieren zu untersagen. DaS Wiener „Vaterland" bringt interessante „Enthüllungen" übcr^ die Absichten DlSmarck'S rücksichtlich der bevorstehenden Papstwahl. DaS ultramon tane Blatt weiß ganz genau, daß der Reichskanzler alles vorbereitet hat, um einen deutschen National-Papst zu schaffen. Allerdings habe der Heilige Vater, angesichts der außerordentlichen Z-itlage, auch außerordentliche Verfügungen ge troffen, welche die liberalen Mächten natürlich nicht als „kanonisch" betrachten und in Folge dessen auch die Papstwahl nicht als giltig anerkennen würden. DaS Nächste würde dann die Wahl eines deutschen GegenpapsteS sein. Preu ßen habe dann freilich einen weiteren gewaltigen Schritt zur Zerstörung der katholischen Kirche gethan. Nachdem die mannigfach verzweigten Jntriguen, die von Bismarck zu dem erwähnten Zwecke in'S Werk gesetzt worden sein sollen, des Weitern von dem Jesuitenblatte entwickelt worden sind, schließt eS: „Mit dieser UngilttgkeitS-Ecklärung sucht Bismarck vaS Schisma, somit die Revo lution, vollends in die katholische Kirche zu werfen, den EpiScopat zu entzweien, den entzweiten zu beherrschen und die Bischöfe, welche dem rechtmäßigen Papste treu bleiben, davonzujagen und mit Hilfe der übrigen seinen deutsch-» Papst einzusetzen." — O edle Einfalt! Frankreich. Paris, 17. Mai. Di- radikalen Morgenblätter veröffentlichen folgende Depesche, die aus Nantes, Mitternacht, datirt ist: Herr Gambetta kam, von Herrn Spuller begleitet, heute Mittag in Nan tes an, mit begeisterten Rufen: ES lebe Gambetta! ES lebe die Republik! begrüßt. Um 8 Uhr Abends fand ein großes Banket von 200 Personen Statt. Damit dem Banket nicht der Privatcharakter verloren geht, werden Hunderte von Personen von den Veranstaltern zurückgewiesen. Unter den Anwesenden be merkt man eine große Anzahl von Genera.'räihen, von Mumcipalräthen der Stadt Nantes und angesehenen Arbeitern. Herr Guepin, ehemaliger Präfect der Loire Jnferieure, empfängt Herrn Gambetta. Herr Gambetta ergreift dar auf daS Wort. In einer prächtigen Improvisation durchgeht der berühmte Redner die seit einem Jahre im Lande gemachten Fortschritte der republikani schen Ideen. Er betont die Trennung der Mehrheit der Nation von der Mehr heit der National-Versammlung. Diese Trennung, sagt er, hat zwischen ihnen einen Abgrund gebildet, den nichts ausfüllen kann. (Applaus.) Jede neue Wahl hebt diese Lage von Neuem hervor. JedeSmal, wenn Frankreich consul- tirt wurde, hielt eS eine deutlichere und treffendere Sprache. Durch seine Vo ten zeigte eS, daß eS der Zweideutigkeit ein Ende machen wolle. DaS ganze Land, und nicht, wie man behauptete, gewisse geheim- ComiteeS, hat diesen festen Willen au^g-drückt. Der Redner geht darauf zu den zwei Niederlagen über, welche die Demokratie im Morbihan und in der Charente Jnftrieure er litten hat. Er stellt fest, daß die Niederlage der republikanischen Candidaten im Morbihan besonders dem Einflüsse der alten Verwaltung, welche m diesem Departement lm Amte geblieben, zuzuschrciben. Vor Allem muß man gegen die Unwissenheit kämpfen. Frankreich will die Republik. Diesem Punkte kann nicht widersprochen werden, und doch bereiten die Monarchisten ein Eomplot vor. Aber die Regierung kann nicht ihr Mitschuldiger sein. Herr Gambetta be schwört die Regierung, sich auf die Seite der Nation zu stellen. (Beifall.) Zum Schluffe fordert der Redner die republikanische Partei auf, einig, fest zu bleiben und mit Sorgfalt jede Handlung der Ungeduld zu vermeiden, welche der Art wäre, die Einsetzung der definitiven Republik zu verzögern. Diese glänzende Improvisation, ko schließt die Depesche, oft von den BravoS der An wesenden unterbrochen, hatte einen ungeheuren Erfolg. Die Republique Franxaise, die sich in der letzten Zeit bemüht, einen Bund zwischen den deutschen und französischen Arbeitern zu Stande zu bringen (Gam betta hofft, diesen Bund zu Gunsten der französischen Rachepläne auSzubeuten), veröffentlicht heute folgendes Schreiben: Pforzheim, 10. Mat 1873. Meine Herren Ccllegen! Wir haben in unserem Journal, dem „Volks- staat", gelesen, daß in diesem Monat mehrere unserer französischen College» von dem Juwelierfache hier durchkommen werden, um sich nach Wien zu be geben. Wir wollen riese Gelegenheit benutzen, um sie einzuladen, unsere Stadt, eine der größten für die Fabrikation der Juweliersachen, zu besuchen; wir suchen uns so v el als möglich mit unseren französischen College» in Verbindung zu setzen, we l dies unser gemeinschaftliches Interesse ist. Wir sind sicher, daß sie unsere brüderliche Einladung nicht verschmähen werden, und wir bitten Sie nur, uns von Ihrer Abreise in Paris und Ihre Ankunft in Pforzheim in Kenntniß zu setzen. Der Präsident, Karl Stecher. Im vorigen Jahre ist in Paris eine ärztliche vrochure erschienen, welche den Titel führet: „k»r»ll-le äes o»ux miaernle» äo kroaeo et ck'XUomveiie". Daran ist nun nichts wunderbares, und auch das wollen »vir nicht hoch anschlagen, daß die Tendenz dieses SchriftchenS nur die gewesen zu fein scheint, die fran zösischen Babeorte auf Kosten der deutschen herauSzustreichen. Aber geradezuko misch wirkt eö, wenn ein politisches Blatt mit dem ernstesten Gesicht diesen Ge genstand wieder aufgreift und einen eigenen Artikel darüber verfaßt, mit der zeit gemäßen Ueberschrist: „D, rovnobe —- »ux e»ux miaerxlev." (Die Revanche m Betreff der Mineralquellen.) — Kein deutscher Badebesitzer, Badepächter, Ba dearzt, vadekutscher, und wer sich sonst noch alljährlich mit französischem Gold zu bereichern pflegte, wird diesen Racheplan ohne Entsetzen lesen. Die „grünen Tische" hat preußischer Puritanismus bereits umgestoßen. In wenig Jahren werden wir unsere Brunnen verschütten müssen. Frankreich dagegen thut die S-inigen auf, Frankreich verzapft der dürstenden Menschheit nicht bloS seine Idee», nein auch seine Mineralquellen, Frankreich bereitet—' denn auch das wurde vor geschlagen — dem aus Deutschland verbannten Nougo et voir eine neue Hei- math (eS liebte von je diese Farben), Frankreich wird die Mutter, der Arzt, die Wanne Europas! Victor Hugo aber singt eine Hymne: „kims Kermoaioe!" Parts, 18. Mai. Ein soeben erschienenes Extrablatt deS„Bien Public" melret, daß die Reconstruction des Ministeriums vollendet ist. Casimir-Perier hat daS Ministerium deS Innern, Berenger das der öffentlichen Arbeiten, Wad dington das Unterrichtsministerium und der Arbeitenminister de Fourtou das CultuS Ministerium übernommen. Die übrigen Minister behalten ihre Portefeuilles. Paris, 19. Mat. DaS „Journal offieiel" theilt mit, daß der Präsident der Republik, nachdem er Veränderungen im Cabinet für nothwendig erkannt, alle Minister veranlaßt hat, ihre Demission einzureichen, welche: Aufforderung die Minister nachkamen. Darauf erfolgte die Neubildung deS Cabinets wie oben gemeldet. Der Ministerrath, bemerkt daS amtliche Blatt weiter, habe die Trennung des CultuS- und des Unterrichtsministeriums beschlossen, UN» einem oft geäußerten Wunsche der Volksvertretung zu entsprechen. Schweiz. Bern, 18. Mai. DaS hiesige Cantonalcomite der Ultramsntanen fordert in seinem Aufrufe, der heftige Auslassungen gegen die Staatsbehörden enthält, alle Kaiholiken, die treu zu Rom stehen, auf, sich bei einer Volksversammlung, welch- am 25. Mai zu Correndlin stattfinden soll, zahlreiche zu betheiligen. ES sei jetzt genug protestirt und eS sei Zeit, sich nunmehr an das Volk selbst zu wenden. Italien. Nom, 17. Mai. Die Jtalie meldet: „Der Papst empfing mehrere Personen. Morgens war Empfang im Vatikan. Die Souveraine beglückwünschten den Papst zu seinem Geburtsfeste. Die Regierung wird vorsichtshalber die Garnison von Rom verstärken." v Florenz, 18. Mai. Aus Veranlassung der Polizeimaßregeln hat hier gestern Abend ein- Demonstration stattgefunden. Eine Volksmenge zog unter den Rufen: „Nieder mit dem Ministerium! Nieder mit den Klöstern!" bis vor daS Polizeipräsidium. Auf eine an ste ergangene Aufforderung zerstreuten sich die Tumultuanten, von denen mehrere verhaftet wurden. Rom, 19. Mai. Der Papst empfing gestern Morgen gegen 200 Personen und ertheilte denselben nach einer kurzen Ansprache seinen Segen. Ter Papst hat sein Testament gemacht. Er wollte seinen Beamten, eS sind deren 5000, eine Pension zufichern; er hatte das Geld dazu einer belgischen Bank übermachen wollen, aber Cardinal Antonelli verhinderte dies. DaS Pri vatvermögen deS Papstes wird auf eine Million Thaler geschätzt. Es besteht hauptsächlich in Mobilien. Mobilien heißt aber Alles, was sich beim Tode ei nes Papstes in dessen Gemächern befindet. ES sind wahre Kunstschätze darunter. Pius tX soll ein Testament gemacht haben zu Gunsten seines ältesten Neffen, des Grafen Louis Mastai-Ferretti, dem er bereits zu seiner Heirath 80,000 FrcS. schenkte. So wandert der PeterSpfennig in des Papstes Laien-Familie. Hat die Kirche einen großen Magen, so haben die Neffen einen nicht minder guten. Daher stammt ja der Begriff Nepotismus. Spanien. Die öffentliche Meinung ist jetzt zum Pessimismus geneigt, und so hat man denn auch leicht daS Gerücht geglaubt, daß der Brigadier Morales eine große Niederlage erlitten habe. Dem gegenüber bringt jedoch die amtliche Zeitung eine Siegesnachricht. Die Bande Lizarraga, 800 Mann stark, wurde am Dienstag von Morales, der von Tolosa herkam, bei AbaruSqueta und Pena de Larran angegriffen und geschlagen, wobei die Besiegten 15 Todte, 60 Verwundete und 6 Gefangene verloren. Die Truppen zählten nur 1 Todten und 4 Verwundete. Aus Ca:alonien kommen Meldungen deS Generals Velarde, wonach der Oberst Gironza am Mittwoch bei San Esteban de Palau-Tordera die Bande Saballs' nach Monseny hin in die Flucht geschlagen und ein Bataillon deS Regiment- Iberia die Banden von Miret, Nastarrat und Ouico bei Torrellas besiegt hat. Madrid, 19. Mai. Die amtliche „Gaceta" vom 18. d. erklärt das von dem „Memorial diplomatique" verbreitete Gerücht von Verhandlungen zwischen Deutschland und Spanien über eine eventuelle Abtretung der Philippinischen Inseln für durchaus unbegründet. Perpignan, 19. Mai. Oberst Cabrinety hat die Carlisten bei Gerona, wie von dort vom 18. d. gemeldet wird, geschlagen. An demselben Tage wei gerte sich ein Cavallerieoberst mit beträchtlichen Streitkräften den Carlistenführer Saballs an-ugreifen und zog sich vor demselben zurück, weil seine Mannschaft angeblich durch einen langen forcirten Marsch ermüdet sei. Der Oberst wurde in Haft genommen. Königreich Sachsen. Dresden, 19. Mai. Se. Majestät der König haben nunmehr die beab sichtigte Reise zum Gebrauch der Cur nach Bad EmS angetreten und für die Dauer der Abwesenheit Se. königl. Hoheit den Kronprinzen als Allerhöchstihren Stellvertreter für die Regierungsgeschäfte bestellt. Se. Majestät trafen gestern Abend argen 6 Uhr von Pillnitz, wo die Verabschiedung von der königlichen Familie stattgefunden hatte, hier ein und reisten mit dem nächsiabgehenden Zuge der Dresden-Leipziger Bahn (6 Uhr 20 Minuten Zunächst bis Leipzig. In Leipzig haben Se. Majestät im königlichen PalaiS übernachtet und heute Morgen von dort die Reise nach EmS fortgesetzt, so daß die Ankunft daselbst, nach einem kurzen Aufenthalte in Marburg (wo das Diner stattfinden und die Kirche besichtigt werden soll) in den heutigen, spätem Abendstunden erfolgen wird. Wunderbar ist es, daß man jetzt erst aus den Verhandlungen eines Ber liner Gerichts von einem gehtimnißvollen Abenteuer vernimmt, dessen unfrei williger Held der Vicebürgermeister Leipzigs, vr. Stephani, der als Reichs tagsabgeordneter in Berlin «eilt, schon am 19. März daselbst war. Herr Stephanie ging am gedachte« Tage Abends im Thiergarten spazieren «nd sah sich in der Nähe der Zelten von eine« jungen Menschen »erfolgt, der ihm auf