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46L dehnt — vielleicht- bekommen wir zum Schluffe gar noch eine Greisenwehr. Natürlich bedingt die Erhöhung der Streitmacht ganz nothwendiger Weise auch eine ansehnliche Erhöhung der — Geldkosten. Ob der Reichstag auf diesen Gesetzentwurf eingehen und mehr Geld für das Militär bewillige» werde? Die Herren Nationalliberal« werden schon ihr Ja! und Amm! dazu geben. In Frankreich fanden am 11. Mai abermals fünf Nachwahlen für die Nationalversammlung statt, und vier davon sind wieder zu Gunsten der Republikaner ausgefallen. — In der verflossenen Woche ist in Versailles auch eine MinisterkrifiS eingetreten. Die Minister Goulard und JuleS Simon haben ihre Entlassung eingereicht. ThierS hat aber die Entlassung bis jetzt noch nicht angenommen. UebrigenS wird die Stellung des greisen ThierS mit jede« Tage schwieriger, und kann man in der That höchst gespannt sein, welche Ereignisse die nächsten Wochen und Monate für Frankreich bringen werden, denn für ThierS rückt der Zeitpunkt immer näher, wo es ganz unerbittlich heißen wird: Entweder — Oder! das Echaukelsystcm des alten Präsidenten hält durchaus richt länger vor. Aus Italien werden nun wohl die nächsten Wochen, wo nicht die nächsten Tage die Nachricht über das Hinscheidcn des heiligen Vaters bringen. Am vorgen 13. Mai hat der Papst sein 82. Lebensjahr angetreten, aber just an seinem Geburtstag soll sich seine Krankheit sehr verschlimmert haben. Der Schlaf flieht ihn fast gänzlich, Appetit fehlt vollständig, und die Geschwulst der Beine nimmt rasch zu. Die Wahlen in Spanien sind ganz zu Gunsten derRepublik ausgefallen; die Gegner ber Republik find in einer verschwindenden Minorität geblieben. — Den Karliften find in der verflossenen Woche wieder einige Uebe:fälle geglückt. Deutschland. Berlin, 17. Mai. Der Reichstag nahm in der Schlußabstimmung das Reichsinvalidensond mit größter Majorität an. er setzte dann die Debatte über die Verwaltung Elsaß.Loibringen fort. Fürst Bismarck wicS wiederholt die Angriffe Windhorst'S und Mallinkrovl'ö zurück, er constatirt, daß genau nach dem Gesetze vom 31. Decbr. 1871 verwalt-t worden sei, er hielt seine An ficht über das regierungsfeindliche Treiben der Ultramontanen aufrecht, er er warte getrost das Urtherl der Geschichte, er glaube recht zu thun, wenn er schwarz nenne, waS schwarz, weiß was weiß sei. DaS ganze rivilisirte Europa stimme mit seiner Meinung über dis Ultramontanen übereil». Das Hauö be schloß, durch die gelieferte Uebersicht sei der Verwaltung Elsaß Lothringens Ge nüge geschehen. Der Antrag ElberS auf Errichtung emcS ReichSeisenbahnam- teS wird von dem Reichskanzler auf das freudigste begrüßt, derselbe sagt auf daS nachdrücklichste die Vertretung des Antrages im Bundeörathe zu. Daö HauS beschließt die zweite Lesung deS bezüglichen Gesetzentwurfs im Plenum. Bingen, 18. Mai. Ein gestern um 10 Uhr 25 Minuten Abends von Frankfurt abgegangcner Schnellzug der Hessischen LudwigSbahn stieß in hiesigem Bahnhof 12 Uhr 25 Minuten Nachts mit einem Rangirzuge zusammen. Der Zugführer, Heizer und ein Weichenwärter sind todt. Zahlreiche Passagiere find verwundet, einer schwer. Aus Thüringen, 15. Mai. Die steten Aufhetzereien der sociol-demo kratischen Agitatoren, denen Thüringen in letzter Zeit mehr denn je ausgesetzt war, haben gestern ihre erst« blutigen Früchte getragen. In der bekannten Fabrikstadt Langensalza hielt am gestrigen Tage die Militär-AuöhebungScom- mission ihre herkömmliche Sitzung. Eine Menge junger, größtcntheilS stark an getrunkener Fabrikarbeiter, unter denen sich viele Westfalen, welche in einer langensalza'schen Maschinenfabrik arbeiten, besonders bemerklich gemacht haben sollen, umdrängtcn mit rohem Geschrei daö SchießhauS, in welchem die Sitzung Statt fand, und drangen zuletzt sogar gewaltsam in den Saal derselben ein, dort allerlei Erccsse verübend. AIS alle Ermahnungen fruchtlos blieben, sah sich der Majo: des Landwehr Bataillons zuletzt genölhigt, die Hilfe der in Langen salza garnisonirenkcn Schwadronen deS 6. Thüringischen Ulanen-Regimentö in Anspruch zu nehmen. Ein Detachement von 50 Ulanen marschirte nun gegen das SchießhauS, zerstreute die Tumultuanten mit flachen und scharfen Säbelhieben, wie es gerade kam, und nahm mehrfache Arrestalioncn vor. Am Abend nach Schluß der Fabriken rotteten sich wieder größere Volksmassen, größtentheils aus Betrunkenen und jungen Burschen bestehend, vor der Milikärwache zusammen und machten Miene, die Arrestanten gewaltsam zu befreien. Die Wachmann schaft war aber bedeutend verstärkt worden, die Karabiner wurden scharf gela den und es ward den Tumultuanten bedeutet, daß beim weiteren Vordringen Feuer auf sie gegeben werde. Mehrere starke Patrouillen der Ulanen erschienen jetzt und zerstreuten nicht ohne Mühe die Menge, wobei cö an neuen Widersetz lichkeiten und in Folge dessen abermaligen Arretirungcn nicht gefehlt haben soll. Oesterreich» Wie», 17. Mai. Die landesfürstlichen Commiffare bei den Banken ha ben die sofortige Anfertigung der Jahresbilanzen gefordert. — In Finanzkreisen ist die Bildung einer Creditorcn-EnquetS angeregt worden. — Der Verwal- tungSrath der Transportmittel Leihgestllschast hat beschlossen, eine Generalver sammlung einzuberufen, um mit Rücksicht auf die allgemeine Finanzlage die Li quidation zu beantragen; das Actiencapital ist intact. — Ueber das Vermögen der CommissionSbank ist der gerichtliche ConcurS eröffnet. — Die Morgenblät ter constatiren wiederholt, daß Handel und Industrie von der gegenwärtigen BörsenkrisiS unberührt geblieben find. Der gefürchtete 15. Mai hat an der Wiener Börse einen wahren bethlehe- mitischen Kindcrmord von Börsenagcnten gebracht: 120 Namen, darunter der einer Bank, wurden als insolvent ausgeläutet, daS Ausläuten von 20 bis 30 anderen Namen steht in sicherer Aussicht. Die Börse verharrte in wahrer Erstarrung, schrill klang nur von früh 10 bis ^3 Uhr Nachmittags daö Todtenglöcklein aus dem Arrangirzimmer. Personen, die Jahrzehnte allen Börsenstürmen getrotzt, sind jetzt stille Leute, Millionäre ruimrt; dazwischen knallt nutunter einmal der Re volverschuß eines unglücklichen Spekulanten und ganz Wien schämt sich, daß die Weltgeschichte so grausam ironisch ist, daß die Weltausstellung, die Bewohner deö Erdballs zu sich geladen hat, um nun unfreiwillige Zeugen dieses HerensabbathS zu haben. Am skandalösesten ist eS, daß Direktoren, Kafflrer und Agenten von Bank- und Credttinstituten mit fremder Leute Geld gespielt haben, und daß die nwderne Methode, Andere für seine eigenen Sünden büßen zu lassen, so bedeutende Fortschritte gemacht hat. Man hört noch infam wenig davon, daß sich die Staats anwälte um Daö, waS an der Börse passirt, bekümmert haben. Und als ob die Lehre noch nicht mit blutigen Striemen genug ertheilt sei, trägt man sich schon in Wien mit neuen Hoffnungen. Kaum ist die Seifenblase der großen WeltauS- stellungS-Hauffe geplatzt, so wird ein kolossaler Getreide-Erport aus Ungarn für den Herbst als unzweifelhaft angekündigt. Das Getreide muß freilich erst »Sachsen und der Himmel muß Regenwolken senden, damit der Mais nicht auf dem ge dörrten Boden verbrenne — aber diese klemen Vorbedingungen hindern die Pro pheten von der Börse nicht, schon jetzt die Besorgniß in Betreffender Valutaver schlechterung für ganz grundlos zu erklären. Eme einzige Lichtseite hat der fin stere 15. Mai für Oesterreich gehabt: eS stud nur Börsenjobber bankerot geworden, noch wird von keinem Fallissement aus der Kanfmannö- und Handelswelt berich tet. Gegenüber solchen Erscheinungen wundern wir unö über Folgendes nicht mehr: Die romanischen Sprachen bereichern sich durch Herübernahme deutscher Wörter auf unerlaubte Weise. Die Franzosen haben für äquivalente Persönlichkeiten das Wort „lv gruacler" in Uebung gebracht und in einem italienischen Blatte findet man den doch gewiß internationalen Begriff „Io »cllvrloäel" als etwas aus Dentschland Ueverkommeneö behandelt. Frankreich. Paris, 14. Mai. Der Pariser Berichterstatter des „Daily Telegraph" will aus bester Quelle erfahren habe», daß Hr. ThierS beschlossen habe, in Folge der großen Erfolge der Radicalin bet den letzten Wahlen, in der nächsten Session die formelle Proclamirung der Republik zu beantragen, in der Hoffnung, dadurch die Linke mit dem Gedanken an eine ZaMe Kammer auSzüsöhnen und zur An nahme deS neuen Wahlgesetzes zu bewegen. In dem am 11. d. M. gehaltenen Eabiuctörathe habe ThierS diesen Entschluß angekündigt, und Dufaure darauf ohne Weiteres erklärt, auch seiner Ansicht nach wäre die Feststellung der Republik das einzige Mittel, das Bestehen einer konservativen Versammlung mit den frei sinnigen Bestrebungen deS Landes in Einklang zu bringen. Paris, 15. Mai. Der Minister deS Innern, de Goulard, hatte eine, jedoch nur kurze Unterredung mit ThierS. Wie der Soir wissen will, besteht de Goulard darauf, seine Entlassung vor dem 19. Mai einzureichen, wenn JuleS Simon im Cabinet bleibt. Seine Freunde von der Rechten haben ihn nämlich überzeugt, daß dies seine Ehre so erheische. Die heute an der Börse verbreitete» Gerüchte, denen zufolge Casimir Perier, Martel, Giraud und General Chanzy in das Ministerium treten solle», sind verfrüht. Selbst wenn die Minister ihre Demission einreichen sollten, so werden sie provisorisch im Amte bleiben, und das neue Cabinet wird erst nach dem Zusammmtritt der Kammer gebildet werden. — Die Zahl der Spanier, die seit den letzten Ereignissen nach Frankreich ge kommen find, beträgt 17,000. Paris, 15. Mai. Gambetta war gestern nicht in Clermont-Ferrand. Derselbe reiste zwar gestern ab, aber nach Nantes, geht von dort nach Limo ges, und sollte erst Freitag oder Sonnabend in dem engeren Vaterlande deS Er-BicekaiserS Rouher eintreffen, um seine große Rede und in ihr sein Mani fest an das franzöfifche Volk zum Besten zu geben. Wie man erfährt, wird er in seiner Rede in äußerster Entschiedenheit die Gesetzentwürfe betreffs deS neuen Wahlgesetzes und der Zweiten Kammer bekämpfen und die gesammte re publikanische Partei auffordern, nicht zu dulden, daß man Hand an das all gemeine Stimmrecht lege und eine Zweite Kammer bilde, die nur eine Kriegs maschine sein würde. Gambetta will ThierS nicht direkt angreifen, sondern er klären, er glaube nicht, daß der Präsident wirklich solchen gehässigen Projekte» seine Zustimmung gegeben und sich zu einem Feldzug d:S Widerstandes oder vielmehr der Revolte gegen den nationalen Willen herbeilassen wollte. ThierS selbst hofft übrigens, die Majorität der Kammer für seine Gesetzentwürfe, welche die Proklamation der endgiltigen Republik bedingen, zu erhalten. Er hat Buffet dadurch gewonnen, daß er ihm seine Unterstützung zusagte, um ihn auf dem Kammer-Präsiventenstuhl zu erhalten. Da Buffet über eine größere Anzahl von Mitgliedern deS rechten CentrumS verfügt, so ist Aussicht vorhan den, daß die Regierung, selbst wenn Gambetta und seine Leute envgiltig von ihr abfallen sollten, Herr in der Kammer bleibt. Freilich müßte dann die re publikanische Linke (die reinen Republikaner) zu ihr stehen, die ThierS sich je doch dadurch zu erhalten hofft, daß er den Antrag auf die Proklamation der Republik stellt und zugleich einige der ihrigen in das Ministerium beruft. Bei dem Abkommen, welches zwischen ThierS und Buffet zu Stande kam, versprach Buffet in seinem Namen und dem seiner Freunde, für ein Ministerium einzu- trcten, das aus Mitgliedern der beiden linken Centren und der republikanischen Linken bestehe. Auch behielt er sich vor, daß einer seiner Freunde, den er be zeichnen werde, in das Cabinet eintrete. DaS Uebereinkommen zwischen ThierS und Buffet bedingt selbstverständlich die Bildung eines Cabinetö. So gut wie gewiß ist es jedoch, daß dasselbe nicht vor der Wiedereröffnung der Session ge bildet werden wird. ThierS hat die Absicht, mit seinem jetzigen Cabinet vor die Kammer zu treten und erst ein neues zu bilden, wenn er gesehen, wie sich die Kammermajorität gestalten wird. Möglich wäre eS jedoch, daß die Ereignisse ihn zwingen, schon vorher zur Neubildung des CabinetS zu schreiten. Unter den Republikanern, welche in das Cabinet treten sollen, nennt man Ema ¬ nuel Arago. Parts, 17. Mai. DaS EntlaffungSgefuch deS Ministers des Inner», de Goulard, und des Unterrichtsministers, JuleS Simon, ist angenommen wor den und Casimir Perier zu« Minister des Innern ernannt. Die Ernennung Bcrenger'S zum Unterrichtsminister, Martel'S zum CultuSminister gilt für sehr wahrscheinlich. Paris, 17. Mai. In Betreff der MinisterkrifiS erfährt die „Agence Havas", daß allein die bereits gemeldete Ernennung Casimir Perier'S zum Mi nister des Innern als gewiß betrachtet werden dürfe; von den gesammten Mi nistern haben bisher nur Goulard und JuleS Simon ihre Entlassung erhalte», im Uebrtgen ist die Situation unverändert. Die Fraktion deS rechten CentrumS hat heute unter dem Vorsitz deS Herzogs von Aroglie in Versailles eine Zu sammenkunft gehalten, um ihre einzunehmende Haltung zu berathen. Mehrere Mitglieder der Fraktion spräche» sich dahin aus, daß die Nationalversammlung energisch vorgehen müsse, um Frankreich vor den Gefahren deS Radikalismus zu schützen und beantragten, das Büreau der Fraktion zu beauftrage», Vorschläge über die zu treffe»den Maßregeln zu machen. — Gestern waren die Redakteure der sämmtlichen konservative» J»ur«ale versammelt, um über ihr Verhalt« ge genüber den Neuwahl« einen gemeinsamen Beschluß herbeizusührm; bisher hat indessen ein Einvernehmen nicht erreicht Md« können. — Do» Carlos hat ei» Schreiben veröffentlicht, in welchem er d« General Dorregarray wegen feine» bei Craul erfocht«« Siege» beglückwünscht und ankündigt, daß er in allernächster Zeit persönlich dm Oberbefehl über die Larlistische Armee übernehm« werde. Italien. Rom, 16. Rat. I» dem Befind« de< PapstcS ist eine bedeutende Ver schlimmerung eingetreten. Währmd der letzte» Nacht verfiel der Papst in mehr fache, lang andauernde Ohnmacht«. Ma» befürchtet da» Aeußerste. Spanten. Madrid, 13. Mai. Die Arbeiterfrage scheint in der gewerbreichex Pr*