Suche löschen...
Dresdner Journal : 27.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961027
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-27
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 27.10.1896
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
v«r»«Ore1»r Für Trelde» viettetjLhrltch . Mark»« Pf, bei den Kaiser- lich deutschen Poftanstalle» mcncliähclichSMart; außer» halb de» Deutschen Reichet Poft- und Etempelzuschtua. Uinzelne Nummern: tv Pf Erfchetne«: Täglich mit Autnahmr der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr -Anschluß:Rr.ir»L. Dresdner M Journal. «nkündt-nnDSsesü-reu: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift sv Pf Unter „Eingesandt" die Zeile bu Pf. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition des Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr 20. Fernspr -Anschluß: Nr lTAK. M251. Dienstag, den 27. Oktober, abends. 18S6. Nachbestellungen auf das „Dresdner Journal" für die Monate November und Dezember werden zum Preise von 1 M. 70 Pf. angenommen fir Dresden: bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für n»S»ärts: bei den Postanstalten des betreffenden Orts zum Preise von 2 M. König!. Expedition des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. Eruennange«, Versetzungen re. tm öffentliche« Dienste. Te-artement der Finanzen. Bei der Postverwalt ung sind ernannt warten: Nobe, zcithec Ober-Poft- direktionSsekretär, als Postdirelior in Sebnitz; Brückner, z.it- her Postassistent, als Kanzlist bei der Kais-rl. Ober-PostLireciion zn Dresden: Meißner, zeilher Postanwärler, als Poftvcr- walter in Ersenschlag. tlichiamtlicher Teil. Ter Artikel -er „Hamb. Nachrichten", übcr den wir uns gestern des näheren ausgesprochen haben, findet überall in der europäischen Presse die größte Aufmerksamkeit und zum Teil Kommentare, von denen man nur unter Bedauern Kenntnis nehmen kann. Von dem ersten Eindruck, dfn die Mit teilungen über ein deutsch-russisches Neutralitäls- verhältnis in Wien hervorgerufen haben, giebt folgender Bericht der „Voss. Ztg." aus der öster reichischen Hauptstadt Zeugnis: An hiesigen maßgebenden Stellen ruscn die Mitteilungen der „Hamb. Nachr." peinlichstes Aussehen hervor, wcil sie einen neuen Beleg der Zuverlässigkeit der Bismarckjchcn Staatekunst bieten. Man erblickt in den „Enthüllungen" die Absicht zu einem abermaligen Vorstoß gegen den Dreibund und ins besondere gegen die Festigkeit des deutsch-österreichischen Bünd nisses. Solche Treibereien berühren hier um so unangenehmer, als sie sich von Zeit zu Zeit m t vermehrter Heiligkeit wiederholen, wodurch man Erschütterungen in der öffentlichen Meinung Europas, insbesondere aber Deutschlands bezüglich der Fortdauer der jetzigen Gruppierung ter Mächte und der Er haltung des Friedens Europas besorgt. Hier setzt man in d e unbedingte Offenheit der Politik Deutschlands nicht den leisesten Zweifel, ist voll dcS Vertrauens, daß Fürst Hohenlohe ebenso wie Gras Caprivi an dem Wortlaut und dem Geiste deS deutsch österreichischen Bündnisses sesthält und hiervon durch keinerlei Zwischenfälle abzubringen ist, was selbstverständlich auch von Oesterreich-Ungarn gilt Hier wußte man übrigens genau, daß vor dem Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses allerdings eine bloß mündliche, keines wegs schriftliche Abmachung zwischen Preußen, nicht Deutschland, und Rußland übcr gegenseitige Neutra lität im Kriegsfälle bestand Man ging jedoch von der Voraulsetzung aus, daß durch das deutsch-österreichische Bündnis jede andere Abmachung hinfällig geworden sei, und kümmerte sich mithin nicht weiter um srühere preußisch-russische Abmachungen Infolge der Darlegungen der „Hamburger Nachrichten" geht jetzt die Auffassung der hiesigen maßgebenden Kreise allerdings dahin, daß das deutsch-österreichische Bündnis erst seit dem Rücktritt Bismarcks in voller, gegen Überraschungen welcher Art immer geschützter Geltung bestehe. Nach der Rückkehr des Grafen Goluchowski aus Buda-Pest, wo der Minister beim Kaiser weilt, erwartet man Näheres über das Verhalten der maß gebenden Kreise Deutschlands wie Österreich-Ungarns gegen über dem neuesten Zwischenfalle Auch in den Kreisen der deutschen Abgeordneten rufen die Ausführungen der „Hamb. Nachr." großes Befremden hervor. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Angelegenheit im Parlamente in geeigneter Forni zur Sprache gebracht wird. Es verlautet auch schon, daß von berufener Seite vollständig befriedigende Erklärungen über den Charakter des deutsch-österreichischen Bündnisses bevorstehen, welche die Öffentlichkeit beruhigen sollen. Offenbar von einem späteren Zeitpunkte, wo in Wien der erste Eindruck vorüber und eine ruhigere Betrachtung der „Enthüllungen" Platz ergriff, datiert eine Auslassung der ,N. Fr. Pr", der zufolge in dortigen Regierungskreisen den Mitteilungen der „Hamb. Nachr " nicht jenes Gewicht beigelegt wird welches ihnen die europäische Presse zumißt. „ES wird vermutet, daß es sich nur um jenes wechselseitige NeutralitätsverhältniS handelt, das lange vor dem Abschluß des deutsch-österreichischen Bündnisses zwischen Preußen und Rußland bestand und dem Preußen im deutsch-französischen Kriege die Neutralität Rußlands zu danken hatte. Man glaubt, daß es zur formalen Aenderung dieses Verhältnisses nicht gekommen sei und deshalb dessen Fortbestand bis zum Rücktritt des Fürsten Bismarck formell behauptet werden könne, obgleich es faktisch durch den Abschluß des deutsch österreichischen Defensivvertrages gegen Rußland allen Wert veiloren gehabt hätte, und daß Eaprivi sich an diese wesentliche und nicht an die formale Seite der Frage gehalten habe." Von der Stimmung in Rom giebt bis jetzt nur ein einziges Blatt Kunde, und zwar die „Tribuna", die sich sehr schroffer Wendungen bedient und u a. schreibt: „Die Enthüllungen der „Hamb.Nachr." über den russisch-deutschen Neutralitätsvertrag rufen in Rom einen peinlichen Eindruck hervor. Wie alle großen Staatsmänner, hat Bismarck ja auf die Politik stets die Maxime angewandt, daß der Zweck die Mittel heilige, allein cs ist doch höchst bedauerlich, daß der Altreichskanzler Österreich und Italien gerade im Honigmond der Tripelallianz so undelikat behandelte. Auf alle Fälle ist die deutsche Politik der letzten Jahre, dank der korrekten Haltung Caprivis, über jeden Verdacht erhaben. Abgesehen von dem inneren Ge halte der Tripelallianz, erbringt der Artikel der „Hamb. Nachr." lediglich den Beweis, das; heute die Politik des Berliner Kabinetts von einer größeren Aufrichtigkeit beseelt ist." * Die Mehrzahl der Pariser Blätter erhebt auf Grund des Artikels der „Hamb. Nachr." Anklagen gegen Bismarck und Deutschland. Das „Journal des Döbats" hebt h rvor, daß an der Er kaltung der Beziehungen zwi chen Teuifchland und Rußland Fürst Bismarck selbst schuld gewesen fei. Das Blatt erinnert an den handelspolitischen Krieg, den Bismarck gegen Rußland führte, an die Ausweisung der russischen Unterihanen und an die Untergrabung des russischen Staatskredits. Der orleauisnsche „Soleil" charakterisiert d e Politik Bis marcks als Doppelspiel m.d preist es als ein Glück, daß Frank reich sich nicht mehr diesem fürchterlichen Gegner gegenüber be finde. Zwilchen Preußen und Rußland könnten freundschaft liche Beziehungen existieren Preußen war keine Gefahr für Rußland, aber das Deutsche Reich mußte Rußland gefähr lich sein. Der „Eclair" meint, Deutschland habe, nachdem cs Ruß land zum Vorteile Österreichs aus d>r Balkanhalbinsel zu ver raten, versucht, auch an Österreich in Polen und anderswo zum Vorteile Rußlands Verrat geübt. Wenn es wahr sei, daß Caprivi seine Mitwirkung an tiefem neuen Akte deS Betcugcs verweigert habe, so gereiche ihm dies nur zur Ehre. Der englischen Presse, die so wie so am Funda ment des Dreibundes zu nagen versucht, bietet der Zwischenfall natürlich eine willkommene Gelegenheit, um ihren frommen Wünschen für die Tripelallianz Ansdruck zu verleihen und die Stellung Deutschlands in Europa als eine gegen früher geschwächte hinzu stellen. Anknüpfend an den Artil l der „Hamb. N ichc." bespricht der „Standard" die europäische Lage und gelangt zu dem Schluß, daß der Dreibund »och förmlich bestehe, da wohl keincs seiner Glieder seine Unterschrift nicht honorieren würde. Aber Italien ergreife die ausgestrcckte Hand Frankreichs und Österreich stehe aus bestem Fuße mit dem Zaren. Ein gewisses Gefühl von „kaum glunzeuter Vereinsamung" sei das Ergebnis in Deutschland Obwohi der prächtige militärische Geilt seines Volkes und seine wahrscheinlich unvergleich iche Armee selbst dem Besorglesten einen Trost einslöß^n müsse, habe sich die allgemeine Lage doch wesentlich zum Nachteil Deutschlands verändert. Bismarcks Bestreben. nach;uweiscn, daß Deutschland stets der treue Freund RuAnds gewesen fei, sei ebenso vergeblich wie würdelos. Allem cs diene als schlüpfrige Grunblage für die tröstliche Theorie, daß die Spitze der französischen Fr undjchast sich gegen das Britcnreich und nicht gegen Deutschland wende. Da mit ruhige Zeiten wieberkehren, empfiehlt der „Standard" Deutschland, den Wcchirl der sich in Europa unzweiselhast voll zogen habe und der cS noch immer in einer Stellung belaße. auf die jede Nation stolz sein dürfte, ruhig hinzunehmen. Der „Daily Telegraph" schreibt: „Der Einsiedler von FricdrichSruh weicht aus persönlichem Haß vom Pfade der Geschichte ab und scheint zu glauben, daß seine Zeitgenossen alle Chroniken der lctztln Dekade verbrannt haben In der Mehrheit dieser Auslassungen der euro päischen Presse sind die Mitteilungen der „Hamb. Nachr." ohne weiteres als volle Münze angenommen und ist außerdem das „enthüllte" Neutralitätsver- hältniS zwischen Deutschland und Rußland dazu ver wertet, die Bikmarcksche Politik der Doppelzüngigkeit »u beschuldigen Demgegenüber muß betont werden, daß die Angabe der „Hamb. Nachr." bezüglich eines solchen Verhältnisses noch nicht beglaubigt ist, ob wohl das Hamburger Blatt heute in anderem Zusammenhänge, gleichsam nebenher, sogar von einem „Abkommen" spricht, das nach dem Rücktritt des ersten Reichskanzlers abgelausen und nicht erneuert worden sei, während in dem ein schlagenden Artikel nur von beiderseitigem „Ein- versländnis" die Rede gewesen ist. Anderseits läßt sich nicht einsehen, inwiefern ein solches Verhältnis, wenn es wirklich, in welcher Form der Abmachungen immer, bestand, eine Verletzung des Bündnisses mit Österreich bez. des Dreibundes involvierte. Es suchte, wie nicht in Zweifel gezogen werden kann, lediglich eine Deckung Deutschlands gegen einen Angriff Frankreichs, in welchem Falle Oesterreich auch nicht mehr als Neutralität zu halten verpflichtet ist, und es, gewährte Rußland ebenfalls Deckung gegen einen provozierten Angriff, der von Österreich über Haupt nicht zu erwarten war und der es, wenn er erfolgte, sofort anßerhalb'dcr Bestimmungen des rein defensiven Vertrags mit Deutschland 'gesetzt hätte. Ter damalige leitende deutsche Staatsmann folgte also nur der Klugheit, ohne irgend eine übernommene Pflicht zu verletzen, indem er das Deutsche Reich mit einer zwie fachen diplomatischen Schutzwehr umgab und dadurch die Garantien des allgemeinen Friedens erhöhte. Im übrigen sei wiederholt, daß, wie die Aufwerfung dieses Themas nicht sehr glücklich war, so die Behandlung desselben keine irgendwie ersprießliche Ergebnisse haben kann Tie politische Konstellation in Europa ist heute eiue ganz andere als in den achtziger Jahren Alle hitzigen Erörterungen, die an jenes angebliche Abkommen ge knüpft werden, sind deshalb reine Lusthiebe, werden aber dabei doch an den jetzt für die deutsche Politik verantwortlichen Stellen als eine unliebsame Stör ung in dem sonst sehr befriedigenden Gang dergroßen politischen Geschäfte empfunden werden. sehr vernünftiges russisches Urteil über -ru Dreibund ist in diesen Tagen von der „Nowoje Wremja", dem in Fragen der äußeren Politik wohl tonangebt nden russischen Blatt, gefällt worden. Der betreffende Auf satz des Blattes, der wohl überhaupt der erste in einer russischen Zeitung zu findende ist, der die Be rechtigung des Dreibundes nachzuweisen sucht, ist um so beachtenswerter, als ein Teil der seither dreibund- freundlichen europäischen Presse es für angezeigt hält, über den Fortbestand der mitteleuropäischen Friedens liga allerhand Zweifel zu erheben In ihren Erörterungen über die Dauerhaftigkeit des Dreibundes weist die „Nowoje Wremja" darauf hiu, daß sowohl Österreich Ungarn als Italien alle Ursache hätten, an das Zerreißen der polnischen Baude nicht zu denken, die sie mit Deutschland ver knüpften. „Diese Bande halten eine Gruppierung der europäischen Mächte aufrecht, welche nicht nur Italien, sondern auch Österreich-Ungarn die Möglichkeit vcr schafft, im jetzigen Konzert der Kontinentalmächte eine würdige einflußreiche Rolle zu spielen. Deutschland ist durch einen formellen Vertrag verpflichtet, die Interessen seiner Bundesgenossen zu schützen und zu fördern. Jedes mal, wenn man es in Berlin für notwendig hält, im Einvernehmen mit Rußland und Frankreich vorzu- gehen, muß die Diplomatie also auch die Spezial interessen Österreich Ungarns und Italiens berück sichtigen. Wenn diese Stellung Deutschlands im Dreibünde der habsburgischen Monarchie nur nützlich ist, so erweist sie sich für Italien geradezu als not wendig. Nur auf diese Weise kann man in Rom hoffen, ohne Übernahme neuer Verpflichtungen die politischen Fehler Crispis verbessern zu können, welche es Italien sehr erschwert haben (?), in Europa die einer Großmacht zukommende Rolle zu spielen." Dann fährt das Blatt fort: „Auf deu baldigen Zerfall des Dreibundes ist nicht zu rechnen; ja wir wollen noch mehr sagen: die europäische Lage ist derart, daß im jetzigen Augenblick dieser Zerfall ganz allein den Engländern wünschenswert erscheinen könnte. Denn das be stehende Einvernehmen der Kontinentalmächte in den orientalischen Angelegenheiten beruht aus der deutschen Führerschaft im Dreibünde. Nur der Einfluß Beilins kann Wien und Rom gegen die Versuche festigen, welche man in London macht, um einen der beiden Verkündeten Deutschlands oder alle beide auf seine Seite zu ziehen. So lange Deutschland im stände ist, nicht nur für sich, sondern auch für seine beiden Ver bündeten zu bürgen, ist es eine überaus kostbare Garantie für die Festigkeit und Dauerhaftigkeit des europäischen Friedens, wenn Deutschland im Orient mit Rußland und Frankreich eines Sinnes ist. Sich über die Zu kunft den Kopf zu zerbrechen, hat keinen Sinn In der Politik giebt es Situationen, bei denen es genug ist, daß ein jeglicher Tag seine Sorge habe, und in der gegenwärtigen Zeit ist diese, die europäischen Ne gierungcn schwer bekümmernde „Sorge des Tages" eine möglichst schnelle, wenn auch nur zeitweilige, vorläufige Lösung der Frage nach der nächsten Zu kunft des osmanischen Reiches. Solange es nur irgend geht, muß man alles vermeiden, was die bestehende Übereinstimmung in den Anschauungen der Festlands mächte in dieser Beziehung abschwächen und gefährden könnte. Und nur bei einer solchen Übereinstimmung ist das Zustandekommen einer europäischen Konferenz in orientalischen Angelegenheiten keine völlige Unmöglichkeit. Nur bei voller Einmütigkeit der Mächte kann der Sultan und die Pforte davon überzeugt werden, daß ein weiterer Widerstand gegen diejenigen Forderungen undenkbar ist, welche den Zweck verfolgen, die orientalischen Christen vor den Mißbräuchen der mohammedanischen Herrschaft zu schützen Die für Österreich Ungarn nud Italien in den Verhältnissen begründete Notwendigkeit, Deutsch land zu folgen und den Schmeicheleien Englands kein Gehör zu schenken, ist ein sehr wertvoller „Trumpf" in dem politischen Spiele, das den Zweck hat, durch friedliche Mittel der durch die beklagenswerten Ereignisse der letzten Zeit in der Türkei geschaffenen Sachlage ein Ende zu be reiten. Im übrigen nimmt die Gesamtlage in Europa immer mehr einen solchen Charakter an, daß Italien keinen Grund hat, Rußland und Frankreich gegen über in dem Verhältnis kalter Höflichkeit zu ver harren Die Besserung dieses Verhältnisses steht aber der Beteiligung Italiens am Dreibünde gar nicht im Wege. Gehindert werden an der Anknüpfung besserer Beziehungen zu Rußland und Frankreich könnte die italienische Regierung nur, wenn sie den aus London kommenden Einflüsterungen und Ratschlägen Gehör schenken würde. Doch liegt bis jetzt kein Grund zu d r Befürchtung vor, daß Rudini und seine Kollegen sich diesen Einflüsterungen gegenüber schwach und nachgiebig zeigen könnten " Kunst und Wissenschaft. Konzert. Mit dem gestrigen Quartett-Abend sind die Herren Lange-Frohberg, N. Schreiter, Spitzner und Stenz in ihr zweites Spieljahr eingetreten. Ist bei dem ersten Erscheinen der neuen Kammermusik-Vereinig ung von mancher Seite die Bedürfnisfrage verneint worden, so wird man jetzt, wo die Flut der Virtuosen konzerte immer höher schwillt, diese Verstärkung der Kammermusikpflege gewiß mit Dank gelten lassen Der intimsten und tiefsten Gattung der Tonkunst muß immer, und in der Gegenwart ganz besonders, ein breites Feld eingeräumt werden, damit man nach der Buntheit der Ver anstaltungen, wo Virtuosen ihre paar für den laufenden Winter vorbereiteten Repertoirstücklein vortragen, recht ost in den Darbietungen edelster und reinster Musik Geist und Herz stählen und erquicken kann. .. Gestern abend kamen Dvoraks k-äur - Quartett op. 96, Draesekes Ö-moll-Quartett op. 27 und BeethovcnS Harfenquartett zum Vortrag. Das erste Werk, für unser Publikum neu, ge hört nicht zu den gedanklich bedeutendsten und kunstvollsten Kammermusik-Produktionen Dvoraks: seine Themen sind nicht quartettmäßig erfunden, sträuben sich vielmehr mit den eigenwilligen Linien, wie sie ihre stark nationale Melodik aufweist, gegen eine sonatenmäßige Verwendung und Entwickelung Anderseits gewährt auch diese Kompo sition, wie so viele des Tonsetzers, den« Hörer eine vor treffliche Unterhaltung, man folgt mit Vergnügen der klaren, frisch hervorsprudelnden, klanglich immer reiz vollen Musik und fühlt, daß von dem (in den Stimmen meist akkordisch geführten) langsamen Satz auch eine Saite in unserem Innern leise berührt wird Die Quartettisten spielten das Werk mit voller Hingabe und erzielten namentlich mit dem Lento wie mit dem Schlußsatz, dessen Inhalt eine orchestrale Fassung vortrefflich stehen müßte, lebhafte Wirkungen. Draesekes Quartett, diese wohl bekannte und al« starke individuelle Hervorbringung hoch geschätzte Komposition, stellt an die Ausführung große Ansprüche, die zu erfüllen die Herren Lange-Frohberg und Genossen mit aller Kraft bemüht waren. P. Uber „Vorbereitungen zu Bauausführungen im Eisenbahnwesen" hielt gestern abend der für das Fach Straßen-, Eisenbahn- und Tunnelbau neuberufene Professor Baurat Schmidt in der Aula der König! Technischen Hochschule seine Antritts rede. Einleitend legte Redner sein Verhältnis zu dem ihm übertragenen Amte dar und gedachte hierbei ehrend seines zu früh verschiedenen Vorgängers des Frhrn v. Oer Sodann führte er folgendes aus: Wenn Goethe seinen Faust im zweiten Teile des Ge dichts das höchste Glück im freien, uneingeschränkten Schaffen finden läßt, so liegen solch ideale Verhältnisse im modernen Staate nicht mehr vor; insbesondere darf der Eisenbahningenieur sich solch idealistischen Träumen nicht hingcben Früh muß er erkennen lernen, daß die goldenen Früchte seiner Gestaltungskraft häufig nur unter dem Widerstand Vieler sich in da- praktische Leben übertragen lassen. Im modernen Staate durchbricht jede neue Eisenbahn anlage ein Stück alter Kultur Naturgemäß müßen deshalb umfaßend- Vorbereitungen dem Beginn des Baus vorhergchen, die erste Anregung zu dem Projekte läßt sich meist jahre lang hinauf verfolgen Erst wenn eine gewiße Opfer- freudigkeit in der Bevölkerung vorhanden ist, rust man den Ingenieur, der nunmehr da« Werk der generellen Trassier ung beginnt. Letztere ist heutzutage eine Wissenschaft und selbst der erfahrene Ingenieur kann nicht mehr ohne weiteres angeben, wie die Linie zweckmäßig zu führen sei. Plan scheut deshalb in der Gegenivart keine Kosten, um ein klares Bild der verschiedenen Möglichkeiten der Aus führung zu erhalten Bei der Wahl der Linienführung und späteren Betriebsweise kommen Vie verschiedensten grund legenden Gesichtspunkte in Frage, welche auf der Größe des Verkehrs und der Beschaffung der Örtlichkeit be ruhen. Durch Fertigstellung der Trassierung ist das Unter nehmen aber meist noch nicht gesichert; es kommt auch auf die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel an Ist sie erfolgt, so macht sich die Aufstellung endgültiger Entwürfe für die Ausführung erforderlich. Diese Arbeiten werden von dem Laien fast durchweg unterschätzt. Der Ingenieur muß Land und Leute gründlichst studieren, muß Sorgen und Wünsche der Bevölkerung mit durch leben, ja ihre Kenntnis der Örtlichkeit sich zu Nutzen machen. Nur dann wird er bei der behördlichen Prüfung seiner Projekte bestehen. Zugleich mit dem Bauprojekte werden sämtliche Einrichtungen des Betriebs ausgestellt, wobei die größeren industriellen Anlagen besondere Berück sichtigung verdienen. Am stärksten treten die Fragen des Betriebs in den Vordergrund bei Erweiterung größerer Bahnhöfe Die Ausführung derartiger Anlagen gehört zu den Meisterstücken der Jngenieurbaukunst; denn die Anlagen sind meist, wie augenblicklich in Dresden, von den einschneidendsten Wirkungen auf den Betrieb sowohl, wie auf die gesamten städtischen Verkehrsverhältniße. Bei diesen vielseitigen schwierigen Vorbereitungen ist nicht außer acht zu lassen, daß die Landesbehörden in allen Dingen mitsprechen Die Regierung ist nicht sowohl zur Prüfung der Projekte und Förderung des Unternehmens da, sondern in erster Linie zum Schutz bestehender RechtS- verhältniße. Diese doppelte Eigenschaft der Landesbehörde als Vertreterin des Kultur- und des Rechtsstaates, er heischt eine große Maße von Bestimmungen und Gesetzen, denen die Eisenbahnanlagcn unterworfen sind. Redner spricht dann eingehend von den Rechtswirkungen, welche die Anlage von Eisenbahnen mit sich bringt und weist daraus hin, wie wichtig diese Gesetze find, die sich unter dem Namen „Eisenbahnrccht" zusammensasfen laßen. Hat schließlich die Landesbehördc ihr letztes Wort ge sprochen, dann tritt der Verwaltungsbcamte zurück und überläßt dem Ingenieur, als Machthaber, das Feld. Und nun beginnt für letzteren die schöne Zeit reiner Schaffens freudigkeit. Steht ihm auch keine uneingeschränkte Macht vollkommenheit zu Gebote, wie dem Goctheschen Faust, so wird ihm auS solch praktischer Thätigkeit doch neue Thaten- lust und Kraft erstehen Der formvollendete, geistvolle Vortrag, der gleichzeitig Zeugnis ablegte von der Erfahrung eines gereisten Mannes, fand den Beifall der zahlreichen Hörer Uber den Nährwert der Salze. Die Salze, welche wir genießen, galten nach den Anschauungen der neueren Physiologie als Genußmittel, welche zur Erhaltung des Leben« zwar wertvoll, sogar unentbehrlich sein können, aber dem Organismus keine Kräfte zuführcn wie die Ei- weißkörper, Kohlenhydrate und Fette Daß diese wirkliche Nahrungsmittel sind, hat man durch den Nachweis dar- gethan, daß sie im Körper in Wärme umgesetzt werden Die Wärmemenge, welche sie bilden, berechnet man nach Kalorieen, so bildet z B 1 8 Eiweiß oder 1 x Kohlehydrate 4,1 Kalorieen, l g Fett sogar 9 Kalorieen, und man erachtet das Nahrungsbcdürfnis eine» gesunden Menschen al« befriedigt, wenn er etwa :!000 Kalorieen mit seiner Nahrung täglich einsührt. Nach diesem Maß stab bemeßen, stellen allerdings die Salze keine Nahrungs mittel dar, denn sie werden im Körper nicht in Wärme umgesetzt. Jüngst ist nun aber durch Vr Han« Köppe in Gießen der wichtige Nachweis erbracht worden, daß die Salze doch sehr wertvolle Nahrungsmittel für den
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite