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Dresdner Journal : 15.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961015
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-15
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 15.10.1896
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1V32 Deutsche» «eich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser hörten gestern vormittag den Vortrag des Chef» de» Zivilkabinetts, Wirk! Geh Rats vr. v Lucanu», und empfingen um 12 Uhr in Gegenwart des Kaiser!. Türkischen Botschafter« am hiesigen Hofe, Ghalib Bey, und de« Staatssekretär« de« Auswärtigen Amt«, Staat«minister« Frhrn Marschall v. Bieberstein, den in besonderer Mission Sr. Majestät de« Sultans hier eingetroffenen General v Grumbckow Pascha, welcher die Ehre hatte, Sr Majestät dem Kaiser ein Schreiben des Sultans zu überreichen. Mittag- konzertierte vor Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten die Hof- und Militärkapelle Sr. Hoheit des Khedive unter Leitung de« Major« Faltis Um 1 Uhr 50 Min meldete sich Se König! Hoheit der Prinz Heinrich von Preußen, Höchstwelcher kurz vorher auS Kiel eingetroffen war, bei Sr Majestät Zur Meldung em pfingen Se. Majestät der Kaiser ferner noch den Korvetten kapitän Brufsati«, welcher sich demnächst zur Übernahme de« Kommandos des „Cormoran" nach China begiebt. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Verleihung des russischen St. Andreasordens an den Ches des Militär- kabinettS, General v Hahnke und des russischen Weißen Adlerordens an den KriegSminister v. Goßler. — Wie die „Rationalzeitung" wissen will, habe der Kolonialdirektor Vr. Kayser im vorigen Monate in einem Schreiben sein im September 1895 und seitdem wiederholt eingereichte« Entlassungsgesuch dringend wieder holt. Der Wunsch nach einer weniger aufreibenden Thätig- keit sei der alleinige Grund. — Der Bundesrat hat in seiner gestrigen Sitzung den Auüschußanträgen, betreffend die Zollbehandlung der au« dem hamburgischen Freihafengebiete mit der Post ein gehenden Theeproben und betreffend die Verwendung der Brennsteuerüberschüsse, sowie den Vorlagen, betreffend die zollfreie Ablassung von Naphthamotoren bei der Ver wendung zum Schiffsbau und betreffend die nochmalige Erhebung der Stempelabgabe für konvertierte Pfandbriefe der Frankfurter Hypothekenbank in Frankfurt a M., die Zustimmung erteilt Ein Antrag Badens, betreffend die Errichtung zweier weiterer Schiedsgerichte für den Bezirk der badische» landwirtschaftlichen Berussgenossenschaft, sowie ein Antrag Anhalts, betreffend die Ermäßigung der Zoll abfertigungsstelle Wallwitzhafen zur Eingangsabfertigung von hartem Kammgarn aus Glanzwolle, wurden den zu ständigen Ausschüssen überwiesen Ferner wurde beschlossen, der Resolution des Reichstags wegen Einführung eines wirksamen Schutzzolls auf Quebrachoholz keine Folge zu geben, und über die Wahl verschiedener nicht ständiger Mitglieder des Reichsversicherungsamtes aus der Mitte des Bundesrats sowie über eine Anzahl von Ein gaben Beschluß gefaßt. — Die Verkehrseinnahmen der preußischen Staatsbahnen in den ersten fünf Monaten d I haben sich im Vergleich zu dem Vorjahre gehoben im Personen- und Gepäckoerkehr um 7,17 Proz., im Güterverkehr um 7,13 Proz. In derselben Zeit haben sich die Einnahmen aus Platzkarten um rund 120000 M oder über 12 Proz, die Einnahmen aus Bahnsteigkarten sogar um 284000 M oder über 32 Proz. gehoben. — Für die am 5. November stattfindende Reichs tagsersatzwahl im Wahlkreise Mainz-Oppenheim sind folgende Kandidaten aufgestellt: der Landtagsabgeord nete Di-. Schmidt-Mainz (Zentrum), Landrat Braun- Darmstadt (nationalliberal) und Redakteur vr. David- Mainz (Sozialdemokrat). Darmstadt. Bisher stehen folgende Ergebnisse der hessischen Landtagswahlen fest. Es sind gewählt: 9 Nationalliberale, 3 Antisemiten bez. Christlich-Soziale, 3 Sozialdemokraten, 2 Mitglieder des Zentrums, 1 Kan didat des Bauernbundes und 1 Freisinniger. — In Groß-Umstadt siegte der Antisemit Ohl gegen den national liberalen Kandidaten In Waldmichelbach trug der 9 Nationalliberale Heidenreich über den Zentrumskandivaten den Sieg davon. In Bingen wurde der Abg Pennrich (Ztr.) wiedergewählt. In Oberingelheim siegte der Rechtsanwalt Or. Frenay-Mainz (Ztr) gegen den deutsch freisinnigen Kandidaten. In Oppenheim wurde Or. Schröder (nat.-lib) und in Mainz wurden die Sozialdemokraten vr. David und Schriftsetzer Haas mit 118 Stimmen ge wählt, die Zentrumsmänner erhielten 2 Stimmen — Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, der Großherzog und die Großherzogin sowie die übrigen Fürstlichkeiten nebst Gefolge unternahmen gestern vormittag in fünf offenen Wagen eine Fahrt nach dem Jagdschloß Wolfgarten, wo sie den Thee einnahmen. Abends kehrten die Herrschaften nach Darmstadt zurück. — Das russische Kaiserpaar hat den Oberbürgermeister von Darmstadt, Morneweg, beauftragt, der Bürgerschaft für den ihm bereiteten würdigen Empfang, für die schöne Ausschmückung der Straßen und Häuser sowie für den Lampionzug und die Serenade seine lebhafte Anerkennung und Befriedigung auszusprechen Gotha. Sozialdemokratischer Parteitag. In der gestrigen Vormittagssitzung wurde über die parla mentarische Thätigkeit der Fraktion verhandelt. Die ge stellten Anträge beziehen sich hauptsächlich auf die Jnva- liditäts- und Ältcrsoersicherungsgesetze. Gegen den Antrag auf Herabsetzung der Altersgrenze auf 60 Jahre sprachen die Abgg Bebel und Molkenbuhr. — Or. Ouarck befür ¬ wortet die Selbstverwaltung durch Krankenkaffen. — Schwartz-Lübeck beantragt, an da« Marineamt eine Inter- pellation zu richten betreff« der Absingung des Flaggen- liedeS bei Schiffsuntergängen angesichts de« „Jlti«"-Falle-; es seien hierbei Menschenleben verloren gegangen, weil man die Rettungsarbeiten eingestellt habe — Die Ab stimmung über diese Anträge wurde abgelehnt, sie wurden aber der Fraktion zur Berücksichtigung überwiesen. Hin sichtlich der Maifeier wurde derselbe Beschluß wie im Vor jahre gefaßt. — Auf der Tagesordnung der Nachmittags sitzung stand die Berichterstattung über den Londoner Kongreß Abg Bebel referiert über die Drackvs Union», den Abfall John BurnS und über die Anarchistendebatte. In der darauf stattfindenden Diskussion nahm der Dele gierte Grenz-Leipzig das Erscheinen der Anarchisten auf dem internationalen Kongreß in Schutz und betonte dabei, der Kongreß sei nicht eine beschließende Körperschaft, sondern das Barometer aller proletarischen Anschauungen Die Delegierten Hildeburg, Schöpflin und Liebknecht ergingen sich hierauf in heftigen Auslastungen gegen den Anarchis mus Sodann wendete sich der Kongreß dem Punkte „Organisation" zu. Die Debatte hierüber enthielt nicht- Bemerkenswertes bsterreich-Uugar«. Buda-Pest. Die wichtigste Kundgebung in der täglich stürmischer sich gestaltenden Wahlperiode ist diejenige Koloman TiSzas gegenüber einer Abordnung Groß- wardeiner Wähler, die heute hierher gekommen waren, um dem einstigen Ministerpräsidenten und ihrem langjährigen Abgeordneten neuerdings das Mandat anzubieten. Tisza sprach bei dieser Gelegenheit nur von dem Ausgleich mit Österreich und insbesondere von der unerledigten Quotenfrage. Er gab zu, daß diese Frage nicht ver einzelt für sich allein, sondern im Zusammenhang mit allen übrigen, die Interessen Ungarns und der Monarchie be treffenden Fragen gelöst werden müsse; er schiebt aber die Schuld an dein bisherigen Nichtzustandekommen deS Aus gleiches dem Umstande zu, daß Österreich maßlose, durch nichts begründete und nur von der Leidenschaft diktierte Forderungen stelle Von diesen Forderungen müsse Öster reich abstehen, sonst werde, wenn der Ausgleich nicht zu stände kommt, nicht nur Ungarn geschädigt, sondern auch Österreich, und was noch mehr, die Monarchie sei in Gefahr, ihre Großmachtstellung einzubüßen. Sollte dies geschehen, dann werde man rm Auslande dort, wo die europäischen Interessen den Fortbestand dieser Monarchie und ihrer Großmachtstellung fordern, auch misten, daß hieran nicht Ungarn, sondern Österreich die Schuld trage. Frankreich. Paris. Gelegentlich der Truppenschau im Lager von Ch-Uons erwies sich die französische Ostbahn von unglaublicher Unfähigkeit betreffs der Beförderung des Publikums. Es kam z. B vor, daß auf dem Bahn hof in Chillons 5000 Personen mit Billets in der Tasche der Abfahrt von Extrazügen nach Mourmelon le Petit ver geblich harrten und nicht befördert wurden. Sowohl in ChLlons wie in Bouy und der letztgenannten Station herrschte die unbegreiflichste Verwirrung und Unordnung, sodaß sogar die Franzosen über diese Mißstände sich nicht nur an Ort und Stelle, sondern auch in den Zeitungen in gerechtem Zorne Lust machten und ihre Besorgnis für den Fall einer Mobilmachung gegen Deutschland aussprachen. Der „Temps" fühlte sich vorgestern berufen, die Ostbahn in Schutz zu nehmen, und bemerkte, daß im Mobilmachungsfalle der Verkehr von Privatgütern und -Personen überhaupt eingestellt werden und daß dann aus schließlich Militärzüge verkehrten. Es kann nicht Sache der Deutschen sein, den „TempS" von diesem Optimismus zu bekehren. * Paris. Der Minister des Innern, Barth ou, hat einen eigentümlichen Weg eingeschlagen, um die wider ihn von der „Lanterne" erhobenen skandalösen Anklagen zu „widerlegen". Er hat, wie offiziös gemeldet wird, den radikalen Abgeordneten Cornudet, Herausgeber der „Lanterne", gefordert Dieser hat bekanntlich in seinem Blatte angedeutet, Barthou habe, als er vor zwei Jahren Bautenminister war, im Augenblick, da es sich um die Ausdehnung der Garantienverträge der OrleanS-Bahn- und der Südbahngesellschaft handelte, mit Papieren dieser beiden Gesellschaften spekuliert und einen erklecklichen Nutzen davon gehabt. Das Duell, wie eS auch ausfallen möge, beweist nichts und verleiht höchstens dem radikalen Schreihals eine erwünschte Wichtigkeit Cornudet war übrigens die letzten Tage abwesend. Er hat am Sonntag in Limoges eine Rede gehalten; aber er wurde auf der Redaktion seines Blattes am Dienstag erwartet. Die „Lanterne", deren mehrjähriger Direktor Eugöne Mayer infolge großartiger Schwindelgeschäfte das Weite suchen mußte, ist in den Händen Cornudets mehr als je zuvor wieder ein Schmüh- blatt geworden, diesmal jedoch nicht, wie unter Mayer, aus klingenden Gründen, sondern aus radikalem Parteihaß gegen die gemäßigten Republikaner. Hierin stimmte Cornudet so vollständig mit dem früheren Abgeordneten Maujan überein, daß er den einstigen Adjutanten deS Generals Thibaudin als Chefredakteur engagierte. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange, Maujan (als Theater dichter Jean Malus) verließ die „Lanterne" wieder, und die beiden Freunde hatten in der Pariser Presse sehr un erquickliche Auseinandersetzungen. Nun sucht Cornudet sich in dem immer weniger gelesenen Blatte durch Angriffe gegen bekannte Persönlichkeiten wichtig zu machen Die Zeugen de« Minister« de« Innern sind die Abgeordneten Möztsre« und Paul Deschanel. — Der Minister de« Auswärtigen empfing die zu den Zarenfestlichkeiten zugezogene Abordnuna der tunesischen Kaids und überreichte mehreren von ihnen Orden Einer der Kaids hielt eine kurze Ansprache, worin er die Dank barkeit seiner Landsleute für den ihnen zu teil gewordenen Empfang aussprach Er fügte einige Äußerungen der An erkennung für dasjenige hinzu, was Frankreich bereit« zum Wohle des Landes und zur Förderung des Fort schritts gethan, sowie für die Duldsamkeit, die es dem Islam gegenüber zeige. Die Abordnung reist morgen nach der Heimat ab — Der Minister des Äußeren, Hanotaux, und der hiesige schweizerische Gesandte Dr Lardy unterzeichneten gestern eine Vereinbarung, durch welche die zwischen Frankreich und der Schweiz bestehenden Verträgst und Konventionen auf Tunis ausgedehnt werden. Nach dieser Vereinbarung wird die Schweiz in Tunis als meistbegünstigte Nation, von Frankreich abgesehen, behan delt werden — Goblet läßt ankündigen, daß er im Namen der radikalen Partei von der Regierung über ihre auswär tige Politik und die Beschaffenheit der Beziehungen Frankreichs zu Rußland Rechenschaft verlangen werde. „GauloiS" meldet, die Kammerrechte beabsichtige, in der ersten Sitzung eine Tagesordnung zu beantragen, die der Regierung den Dank und die Glückwünsche der Kammer für die Veranstaltung und den Verlauf der Rusienfeste ausdrücken solle. — Der „Temps" ist sehr unglücklich, daß die Radikalen und Sozialisten die Regcerung mit Inter pellationen über das Verhältnis zu Rußland, ob Vertrag oder nicht, und wenn ja, über den Inhalt des Dokuments bombardieren zu wollen gedroht haben Die Gefahr ist dringend, denn die Blätter und die Mehr zahl der Abgeordneten verlangen die Einberufung der Kammern auf den 27. Oktober Das der Regierung nahe stehende Blatt erklärt, es werde Hrn. Jaurös nicht ge lingen, der Regierung förmliche Erklärungen über den Vertrag zu entwinden. In der Verfassung werde sehr weise dem Präsidenten der Republik Freiheit gelasten, Verträge zu unterzeichnen und sie dem Parlament mit zuteilen, wenn er den Zeitpunkt dafür für gegeben halte. Es gebe übrigens bei Verträgen dieser Art stets zwei Mächte, die gegenseitig gebunden seien, und wer die eine zur Rede stelle, wende sich selbstverständlich auch an die andere. Wer vermöge zu behaupten, daß Rußland die bisher beobachtete Verschwiegenheit nicht weiter für not wendig erachte? Wie weit würden die französischen Ab geordneten gehen? Würden sie die russische Kanzlei um die Gründe ihres Schweigen« fragen? — Es wäre natürlich sehr fatal, wenn man gestehen müßte, es sei überhaupt kein Bündnisvertrag vorhanden. — Der „Figaro" veröffentlicht Abbildungen einer ganzen Anzahl von Spielsachen, welche anläßlich des Zarenbesuches hergestellt wurden und großen Äbsatz fanden Da giebt es bewegliche Figürchen, welche den Zaren und Faure, wie sie sich die Hände schütteln, oder den Zaren, wie er dem geharnischten Frankreich „sein Geheimnis anvertraut", darstellen; man sieht eine beweg liche Staatskarosse, welche auf dem Dach eine Krone hat, während an der Seite „France" steht, und in welcher der Zar rc sitzen, endlich ein Rad, bei besten Umdrehungen das Bild des Zaren der Reihe nach neben diejenigen der Staatsoberhäupter, welche er auf seiner Reise besucht hat, kommt. Man laste den Franzosen dieses kindliche Ver gnügen! Solange sie sich an solchen Dingen ergötzen, sind sie nicht gefährlich. — In den Blättern ruht jetzt die Diskussion über die auswärtige Politik, um den inneren Fragen Platz zu machen, welche anläßlich des Zarenbesuchs aufge worfen wurden. Die große Abrechnung beginnt Die extremen Blätter, wie der „Jntransigeant", greifen die Regierung an, weil sie angeblich beabsichtigt, die Kammern statt am 27. Oktober erst am 3. November einzuberufen. Das „Echo de Paris" schreibt in einem Artikel gegen das „Protokoll", welches dem Lande die weißen Gamaschen als Fahne geben wolle, wie Heinrich IV. ihm seinen weißen Federbusch gegeben habe. Die „Petite N«- publique" erhebt die Anklagen wegen der Zurücksetzung des Parlaments und wegen der Votierung der Empfangs kredite durch den Staatsrat. Das Blatt erblickt in diesem Vorgehen eine von langer Hand vorbereitete Campagne, um die Exekutivgewalt zu stärken und die Macht des Parlaments herabzudrücken. Im „Rappel" erörtert Pelletan die Vorgänge auf dem Ostbahnhofe in der Nacht vor der Revue, und wirft der Bahnverwaltung Unfähig keit vor, weil sie nicht im stände war, alle neugierigen Pariser nach ChälonS zu befördern. Man müsse einen Älarmruf ausstoßen, schreibt Pelletan, denn cs habe sich gezeigt, waS im Falle eine« Bruches mit Deutschland geschehen könnte. Das auf diese Weise bedrohte Frank reich laste seine Waffen in den Händen von Finanzleuten. „Das kann unS am Tage der Gefahr, an welchem der Ostbahn die allerwichtigste Aufgabe obliegen wird, teuer zu stehen kommen!" In Ch-Uon» habe man an dem ersten Beispiel sehen können, in welcher Weise diese Auf gabe gelöst werden könne Betreff« der Interpellation der Sozialisten über den Bündnisvertrag zwischen Frankreich und Rußland schreibt der „Sidcle": e« giebt zwei wich tige Gründe für Mölme und Hanotaux, d,e Neugierde der Sozialisten nicht zu befriedigen Der erste Grund ist, daß, wenn ein schriftlicher Vertrag existiert, er nicht daS Ge heimnis der französischen Regierung allein ist. Als zweiter Grund erscheine, daß es unmöglich sei, die Sozialisten in die Bestimmungen des Vertrages einzuweihen, ohne daß auch gleichzeitig die auswärtigen StaatSkanzleien zur Kenntnis de« Vertrage« kämen, den sie ein Interesse hätten, kennen zu lernen — AuS Toulon wird berichtet, daß Admiral Gervais, der bekanntlich das französische Geschwader nach Kronstadt geführt hatte, mit dem heutigen Tage, wo er 59 Jahre alt wird, die Altersgrenze erreicht hat Seine Flagge als Kommandeur des McttelmeergeschwaderS wird infolgedessen heute feierlich eingezogen. Der Ädmiral wird in Ermangelung eines aktiven Kommando« in den beratenden Körperschaften der Landesverteidigung weiter thätig sein dürfen. — Der Pariser Gemeinderat schickt sich an, seinen Vizepräsidenten Land rin zu richten, welcher während des Aufenthaltes des Zaren ein revolutionäres Plakat unter schrieben hat Auch Paul Brousse, welcher sich von allen Zarenfesten ferngehalten, ist Gegenstand der Miß stimmung Es werden Tadelsvoten gegen beide vor bereitet, und insbesondere soll Landrin zur Demission gezwungen werden. — Die portugiesische Regierung hat einem fran zösischen Ingenieur und einem französischen Werk meister die Neugestaltung des Marinearsenals in Lissabon übertragen. — In der Berufung französischer Ingenieure und Werkführer zum Bau de- Futschauer Ärsenals liegt Humor DaS Arsenal, ursprünglich vom Franzosen Gicquel errichtet, wurde 1884 vom Admiral Courbet zerstört. — In der heute erscheinenden Nummer der „Revue des deux Mondes" veröffentlicht der ehemalige Berliner Botschafter Benedetti eine Studie über Cavour und Bismarck, welche die Ähnlichkeiten der Anfänge und die Verschiedenheiten der Entwickelung beider Staatsmänner hervorhebt. Italien. Rom. Das vom Könige selbst aufgestellte Pro gramm der Hochzeitsfeierlichkeiten zeigt deutlich genug, daß auf die Teilnahme fremder Fürstlich keiten nicht gerechnet wird. — Trotz gegenteiligen Gerüchten ist hier keine Nachricht von der Absicht des Zaren, herzukommen, eingetroffen, obwohl er von Cetinje eine dringende Einladung erhalten hat Die offiziöse Presse hüllt sich teil« in Schweigen, teils macht sie die Crispische Politik und den Krieg gegen die afrikanischen Glaubensbrüder Rußlands dafür verantwortlich, daß der Zar trotz den durch Rudini wesentlich verbesserten Bezieh ungen zu St. Petersburg an Rom vorbeigehe. „Popolo Romano" erklärt es dagegen für unwesentlich, welche Be ziehungen Italien zu Rußland habe, und für unwürdig, der Nation den Hof zu machen, die Flinten und Geld nach Abestynien geschickt habe. Grotzbritauuteu. London. Die „Times" benutzen General Kitcheners Rückkehr nach Kairo zu einer neuerlichen Versicherung, daß der Vormarsch auf Khartum früher oder später statt- finden müste, und machen dunkle Andeutungen, daß viel leicht der Widerstand einzelner Mächte gegen Verwendung ägyptischer Gelder aufhören dürfte. — Sir W. Harcourt erklärt das Gerücht, daß, er seine Stellung als liberaler Parteiführer aufzugeben und sich vom politischen Leben zurückzuziehen gedenke, für un begründet. — Der Unterstaatssekretär des Auswärtigen Curzon erklärte in einer Rede, die er gestern abend in Glasgow hielt, die Nilexpedition verfolge drei Ziele, nämlich, den drohenden Angriff der Derwische zurückzuweisen, den Italienern in Kassala zu Hilfe zu kommen und die Wieder eroberung der früheren Sudanprovinz für Ägypten anzu bahnen. Obgleich die Expedition gegenwärtig aus finan ziellen Gründen gehemmt sei, könne man darauf rechnen, daß die ägyptische Fahne eines Tages in Khartum ge hißt werde Im weiteren Verlaufe seiner Rede betonte Curzon, England habe kein Recht, um Armeniens willen zum Kriege zu schreiten Die Interessen Englands seien der Friede und die Wohlfahrt für alle britischen Unterthanen. Ebenso sei, wenn auch nicht in dem gleichen Maße, auch der europäische Friede das Inter esse Englands Nur durch ein vereinigtes Vorgehen könne der Widerstand des Sultans gebrochen werden. Englands erste Pflicht sei die Loyalität gegenüber dem europäischen Konzert; es müste die Mächte überzeugen, daß Englands Ziel uneigennützig sei. In der That sei England keineswegs durch ein habsüchtiges Streben ge leitet, sondern das erste und beständige Ziel dieses Landes sei der Friede. Auch das Verhalten Englands gegenüber Rußland hätten keine unehrlichen Beweggründe bestimmt, wie auch England glaube, daß Rußland gleichfalls von illoyalen Beweggründen frei sei. Bauernfeind, die Tochter Schwinds, ist die Besitzerin des Blattes, auf dem Beethovens Kopf vom Maler auS dem Gedächtnis gezeichnet worden ist — so lautet nämlich die Überlieferung. Beethovens düstere Miene und sein wirres Haar sind übrigen» augenscheinlich in sehr charakteristischer Weise wiedergegebcn, sodaß daS Blatt ein doppeltes Interesse in Anspruch nehmen kann, als Bildnis Beethovens und als Werk von Schwind. * Das Leichenbegängnis deS Komponisten Anton Bruckner in Wien nahm einen sehr würdigen Verlauf. Das Trauergemach war auf Befehl des Kaisers reich mit Blumen geschmückt. An der Leichenfeier nahmen Ver treter des Unterrichtsministeriums, der Hoftheaterintendant Baron Bezeczny, Bürgermeister Strobach und die beiden Vizebürgermeister, der Rektor der Universität mit den Dekanen und zahlreichen UniversitätSprofestorcn, sehr viele Vertreter der musikalischen Welt Wiens und ein großer Teil der Wiener Studentenschaft teil. * Ein Bild von Correggio soll in Mailand ent deckt worden sein Unter den Gemälden, die der dortigen König! Pinakothek von dem Erzbistum überlasten worden sind, findet sich auch eine Anbetung der heiligen drei Könige, die nach dem Urteil des GalcriedirektorS Bertini und anderer Fachmänner als ein Jugendiverk von Antonio Allegri da Correggio anzusehen ist. DaS Bild ist auf Leinwand gemalt, enthält über zwanzig Figuren voll Leben und Ausdruck in einer sonnigen Landschaft und zeigt gleich Correggios übrigen Jugendarbeiten noch den Einfluß der Montagnaschen Schule. Der Zeit nach setzt Bertini da« Bild zwischen 1513 und 1514, vor die be rühmte Madonna di San Francesco im Dre-dner Museum, welche bisher als Correggios erste« größere» Werk galt * Prof v Angeli, der bekannte Wiener Porträt maler, weilt zur Zeit in Darmstadt, um dort die Kaiserin von Rußland zu malen. xx Bei Friedrich Nietzsche, der in Naumburg nur noch „eine wandelnde Leiche" darstellt, hat kürzlich ein Mitarbeiter der „Bresl. Ztg." geweilt. In einem Bericht darüber werden zuerst einige Erinnerungen an Nietzsches Jugend in Naumburg aufgefrischt Hier besuchte Nietzsche das Domgymnasium, hier war er Einjährig-Frei williger beim Magdeburgischen Feldartillerie-Regiment Nr 4, besten reitende Abteilung damals in Naumburg garni- sonierte, während sie jetzt in Wittenberg liegt „Das, was man einen schneidigen Soldaten nennt, war er nie, wie er ja auch im späteren Leben auf den äußeren Menschen nichts gab. In den Jnstruktionsstunden über Pferdekunde bethätigte er ein weitgehendes Interesse, das sich u. a. darin bekundete, daß er nach den Vorträgen des Roßarztes Sch. ein mustergiltiges Bild „das fehlerhafte Pferd" zeichnete, welches er seinem Jnstruktionvlehrer schenkte. Schon damals übrigen- offenbarte er die eigenartige Auf fassung der Musik, die ihn später mit Richard Wagner zusammenführte. Er spielte Klavier mit vollendeter Technik, benutzte diese aber zu ganz bizarren Ideen So spielte er mir vor langen Jahren einmal eine „Schlacht" auf dem Flügel vor, wobei er alle nötigen Erklärungen gab Zuerst „spielte" er da« Gelände, einen Wald auf einer Hügelkette, die marschierenden Truppen, die heransprengende Kavallerie, das Gewehrgeknatter und die auffahrende Ar tillerie mit dem dumpfen Donner der Geschütze Da« war, al« er schon von seiner Profestur in Basel zurück gekehrt war und langsam, aber mit unheimlicher Sicherheit da- Leiden an ihn heranschlich, dem er heute vollständig unterlegen ist. Heute zeigt er für nicht» mehr auch nur da« geringste Interesse. Musik jeder Art läßt ihn kalt, Besuche, die oft, auch au« dem Au-lande, dem berühmten Mann gemacht werden, empfängt er mit verständnislosem, starrem Blick, und wenn wirklich der liebevolle Zuspruch seiner Mutter ihn dazu bringt, einem Besucher die Hand zu reichen, so fällt die Hand kalt und schwer, wie eine Leichenhand, in die dargebotene Rechte des Besuchers. Zum Sprechen ist er gar nicht mehr zu bewegen. Halbe Tage lang sitzt cr in seinem Lehnstuhl im Zimmer oder auf der mit wildem Wein dicht be wachsenen Veranda, den Blick unbeweglich nach einem Punkt gerichtet, unbekümmert um alles, wa- um ihn her vorgeht Im vorigen Jahre noch machte er oft Spazier fahrten mit seiner Mutter, jetzt sind auch diese unmöglich geworden, die vier Wände seines Zimmer« sind seine Welt. Im großen und ganzen dauert dieser Zustand nun schon jahrelang an, nur unterbrochen durch Augenblicke, die man auch noch nicht einmal „lichte" Augenblicke nennen darf Fast immer war e« die Musik, selbst in der primi tivsten Form, die ihn au« seinem dumpfen Brüten riß Charakteristisch in dieser Beziehung ist ein Vorfall, der sich vor etwa vier Jahren abspielte Eine« Abends im Dämmer schein war Nietzsche aus seiner Wohnung verschwunden, nie mand wußte wohin Nach längerem Suchen fand man ihn zwei Häuser von seiner Wohnung entfernt auf der Straße stehen, wo er andächtig einem Arbeitcrguartctt lauschte, das einem Geburtstag feiernden Kollegen ein Ständchen brachte. Willenlos ließ er sich dann von seiner besorgten Mutter nach Hause führen Es liegt etwas ungemein Rührendes und doch wieder eine herbe Schicksalsironie darin, den äußerlich fast noch blühend aussehenden kräftigen Mann von der Sorge einer Frau abhängig zu sehen, den Mann, der in dem Weib ein minderwertiges Wesen erblickt! Dieser feindselige Zug gegen da» Weib prägt sich ja in allen seinen Schriften au-, und als einmal seine Mutter, stolz aus den Ruhm ihres Sohnes ihn fragte, welche« seiner Werke er ihr zur Lektüre empfehlen könnte, ant wortete er abweisend: „Nicht«, meine Mutter, meine Werke sind für ein andere» Publikum geschrieben; höchsten» „Schopenhauer al« Erzieher" kann em Werb verstehen " . . . Äeußerlich kräftig und fast blühend, sagte ich eben, sieht Nietzsche auch heute noch au», und doch empfindet der schwergeprüfte Mann zu Zeiten auch körperliche Schmerzen, die ihn laut aufschreien lassen So verbringt der Philosoph seinen Lebensabend; alle Mittel, alle Kuren sind versucht worden, nichts hat dem Armen eine Linderung seine« Leidens bringen können" -y. Die liritisü ^ssoeiation kor tü« «ckvancement ok soisoes in London (^V. Burlington House) übermittelt an die gelehrten Gesellschaften eine zunächst nur für zoologische, bez. naturgeschichtliche Veröffentlichungen bestimmte An regung, die aber auch für andere wissenschaftliche Litteratur- zweige Beherzigung verdient. Hiernach soll au« jedem Teil einer periodischen Veröffentlichung der Tag des Er scheinen», bez. der Druckbeendigung auf dem Umschläge oder am Schluffe ersichtlich sein. Die Sonderabzüge der Verfasser dürfen nicht vor dem Erscheinen de« Ganzen verteilt werden, auch sollen diese Abzüge die ursprüngliche Seitenzahl und Tafelbezeichnung aufweisen Ferner soll, wogegen neuerdings häufig gefehlt wird, der behandelte Gegenstand au« der Aufschrift genau erkennbar sein. ES darf also beispielsweise die wissenschaftliche Beschreibung einer afrikanischen Forschungsreise nicht den Titel: „Die Flinte de» König»" oder „Im dunkelsten Afrika" führen. Die sonstigen Vorschläge der Association betreffen die recht im argen liegende Namengebung neu entdeckter oder auf gestellter Arten und Gattungen Reue Mars-Beobachtungen. Bekanntlich tritt der Planet Mar» am Ende diese« Jahre» (am 10 Dezember) in seine Opposition und damit in seine größte Erdennähe und bietet dann einige Monate vor und nach dieser Zeit die günstigste Gelegenheit zur Beobachtung seiner Ober fläche L. Brenner, der arbeitsame Inhaber der Manora-
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