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Dresdner Journal : 10.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961010
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-10
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 10.10.1896
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Erste Beilage zu ^7 237 des Dresdner Journals. Sonnabend, den 10. Oktober 1896, abends. Tagesgeschichte. (Fortsetzung aut dem Hauptblattr.) Arantretch. — Die monarchistischen Blätter ^-rzählen mit Wohl behagen, daß Kaiser Niko lau» dieser Tage auch die Prinzessin Mathilde Bonaparte-Demidow em pfangen und bei dieser Gelegenheit von dem ihr ver wandten Prinzen Bictor Bonaparte mit großer Sympathie gesprochen habe Bon dessen Bruder Prinz Loui», der bekanntlich russischer Dragoneroberst ist, sagte der Kaiser, „da« ist einer der glänzendsten Offiziere der russischen Armee" — Begrüßung»telegramme zwischen französischen und russischen Körperschaften durften auch diesmal nicht fehlen. Die Admiralität von Kronstadt machte den Anfang mit einem Telegramm an den Marineminister, der Stadthauptmann von St. Petersburg folgte mit einem Gruß an den hiesigen Stadtrat; d»e Antworten fielen so glühend aus wie die Depeschen der Rusten — Die Blätter bringen noch immer Verse. Sogar die Großfürstin Olga ist mehrfach angedichtet worden. Auf einer der Fahrten hatte ein Herr versucht, ein Papier in den Wagen de» KaiserpaareS zu werfen. Das ging nicht an. Da nahm sich ein Journalist de« darob betrübten Mannes an und erkundigte sich nach dem Inhalte dessen, was man für eine Bittschrift halten konnte. E» waren vierfache Verse an die Kaiserin: Ob Inarins, ob möro douos st xraods, Vous sver bien raison d avoir l'air triowpbant: lieu do diamants, dv flamm«8 et xuir- Üandv8 Vou8 aver votrs onfant. — Frau Carnot hatte bekanntlich die Ehre, auf Wunsch der Kaiserin von letzterer empfangen zu werden. Die hohe Frau zeigte sich der Witwe des tiefbetrauerten Präsidenten gegenüber besonders liebenswürdig. Sie sprach davon, wie sie die Nachricht von der Ermordung des Hrn. Carnot erfahren habe, als sie gerade auf Besuch bei ihrer Großmutter, der Königin von England, geweilt Die Kaiserin fügte hinzu, sie könne be zeugen, wie hoch man in Rußland das Andenken des edlen Mannes halte, der so viel für die Verständigung Frankreich« mit Rußland beigetragen habe. Darum hätten ihr Gemahl und sie darauf gehalten, das Grad im Pantheon zu besuchen. Frau Carnot dankte der Kaiserin tiefgerührt für die zarte Aufmerksamkeit. Als sie sich ver abschiedete, ließ die Kaiserin die kleine Großfürstin holen, Frau Carnot küßte das Kind. Der jüngste Sohn des Präsidenten, der Artillerielieutenant Franvois Carnot, hatte seine Mutter begleitet. — Als ein gewiß unverdächtiger Beurteiler der Stimmung in Paris darf der Korrespondent der „Franks. Ztg" gelten, der seinem Blatte unter dem 7 Oktober schreibt: „Die Pariser haben lange vom Zaren gefabelt und geträumt. Ein ganzer Sagenkreis hat sich um den fernen Freund des französischen Volkes gewoben, der nach außen sich als Kaiser von Rußland gebärdete, weil er die« nicht anders konnte seines eigenen Volkes wegen, der aber im Grunde seines Herzens eigentlich Franzose war Nun haben die Pariser dieses Fabelwesen endlich von Angesicht zu Angesicht erblickt. Sie haben einen sehr vornehmen und sehr kühlen Herrn gesehen, der an den Ausbrüchen des Volksenthusiasmus keinerlei An teil nimmt, der bei diesen Ausbrüchen sich nicht gerade be haglich zu fühlen scheint, der hier und da die Hand oder gar nur einen Finger lässig grüßend an die Mütze führt, der bleich und ermüdet dreinschaut und der alles in Mem einem Manne gleicht, der im Stillen den Augenblick heranwünscht, wo das alles vorüber sein wird. So also sieht ein Zar in Wirklichkeit aus und die Pariser merken, daß sie sich ihn doch vielleicht nicht ganz richtig vorgestellt haben. Wenn er vorüberfährt, so rufen sie zwar nach wie vor ihr „Vivs le Isar!" mit voller Lungenkraft, aber hinterdrein sparen sie mit ihren Kritiken nicht. Ja, es giebt sogar Leute, welche sagen, daß es fraglich ist, ob der Enthusiasmus in der gleichen Stärke anhalten würde, wenn der Zar „avee uns t^t« eomms sa" vierzehn Tage statt drei durch Paris führe. Man hört außerdem von allerlei merkwürdigen Zwischenfällen. Dem Kaiser wird der General Saussier vor gestellt und er drückt ihm einfach die Hand, wie allen andern, ohne sich auch nur einen Augenblick bei dem Generalissimus der französischen Armee aufzuhalten. In der Oper ist er neben Madame Faure hergegangen, ohne ihr den Arm zu geben Madame Faure kann ihre Fehler haben, aber sie ist eine brave Frau, sie ist außerdem die Gemahlin des Ctaatschefs und es ist unbegreiflich, warum der Kaiser sie nicht geführt hat, es sei denn, daß dies auf ausdrückliches Verlangen des Herrn Faure geschehen ist, der seiner Frau den Vorwurf ersparen wollte, daß sie sich als Königin von Frankreich aufspiele. In der Oper haben Zar und Zarin zu dem neben ihnen sitzenden Ehepaar Faure kaum ein Wort geredet, auch hat der Zar nicht ein einziges Mal geklatscht, sodaß die Vorstellung ganz ohne Beifall ver lief. Die Äußerungen, die er zu den verschiedenen Persönlichkeiten gethan hat, mit denen er sprach, sind alle kurz und konventionell. Sie sind insgesamt von der Art des „O'«8t esla!" das er auf eine höfisch-schmeichlerische Bemerkung des Herrn Ribot über den Beginn des russisch französischen Einvernehmens erwiderte; noch in derselben Nacht wurde diese« monumentale „t"e8t ssln!" durch eine barmela.") Erzählung von Edmondo de Amicis. I. Etwa siebzig Meilen von Sizilien liegt eine Insel, die nur ein einziges Städtchen mit nicht mehr als zweitausend Einwohnern hat, bei welchen sich fast immer zwischen drei und vierhundert Deportierte be finden. Ihretwegen ist auch ein Detachement von vierzig Soldaten dort stationiert, welches alle dni Monate wechselt, unter dem Kommando eines Sub alternoffiziers. Die Soldaten führen ein äußerst an genehmes Leben; einmal giebt es außer dem Wacht- dienst in der Kaserne und den Gefängnissen, einigen Streifereien im Innern der Insel und ein wenig Exerzieren nichts zu thun und dann haben sie einen ausgezeichneten Wein zu vier Soldi die Flasche. Der Offizier vollends erfreut sich der ausgedehntesten Frei heit und hat das Vergnügen sagen zu können: Ich bin der Höchstkommandierende der ganzen Militär macht des Landes. Er hat zwei Fähnriche als An gestellte beim Dienst des Platzkommandos zu seiner Verfügung, hat freie Wohnung im Zentrum der Insel, den Morgen verbringt er auf der Jagd in den Bergen, den Nachmittag in einem kleinen Lesekabinett mit den Honoratioren des Ortes und den Abend in der Barke auf dem Meer. Er raucht die besten *) Nachdruck verboten eigene Hava«-Rote der Welt kundgelhan Herrn Develle hat er sogar schwer verletzt, indem er ihn fragte, wann er eigentlich Minister de« Auswärtigen gewesen sei. E« ist unerhört, daß der Zar nicht einmal welthistorische Daten kennt, wie den Zeitpunkt der Ministerschaft de» Herrn Develle. Mit dem deutschen Botschafter hat er sogar mitten im Palai« de« Präsidenten der Republik deutsch gesprochen, wa« die Blätter natürlich einstimmig tot- schweigen" — Der „TempS" schreibt: „Jedem muß klar werden, daß durch die Feste der letzten Tage nicht nur der Ab schluß emer den beiden kontrahierenden Staaten eminent nutzbringenden Entente gefeiert wurde, sondern auch der, Anbruch einer neuen Ära, in der die vereinigten Kräfte Frankreichs und Rußland» im Dienste der Gerechtigkeit, de» Fortschritte« und de» Frieden» stehen werden Wenn sich zwei Nationen mit einander verschmelzen, ihre Armeen und Diplomatien vereinigen, so ist die» ein Ereigni», welche« der Menschheit und den Freunden hochherziger Ziele nicht gleichgiltig sein kann." — Rochefort ist außerordentlich entzückt über die Haltung, welche der Zar gegenüber dem sozialistischen Gemeinderatöpräsidenten von Paris, Hrn. Baudin, eingenommen. Der Zar ließ Baudin zu sich bitten und empfing ihn vor der Abfahrt nach Versailles in Audienz Er sprach lange mit dem Pariser Stadtoberhaupte und bat Baudin abermals, der Pariser Bevölkerung seinen Dank für den schönen Empfang und für das Fest im Hotel de Ville auszudrücken. Darüber sagt Rochefort: „Unterrichtet von seinem Vater Alexander I II., welche Schwierigkeiten unsere Minister dem Wunsche des verstorbenen Zaren entgegensetzten, ein Einvernehmen, welches beide Nationen heiß ersehnten, herzustellen, hat Nikolaus II. darauf Wert gelegt, zwischen sich und dem französischen Volke ein direktes Band gegenseitiger Sympathie außerhalb aller diplomatischen Werkzeuge zu schaffen." — Der Exministcr Do um er führt im „Matin" aus: „Während gewifse Dinge, welche die Unsrigen gethan oder versucht haben, das Gefühl der Würde und stolzen Un abhängigkeit der Nation verletzten, scheint der Kaiser cs sich zur Aufgabe gemacht zu haben, diese leichten Schatten auf dem glänzenden Bilde verschwinden zu machen. Er wollte sichtlich seine Achtung vor unseren Einrichtungen, seine vollständige Gleichgiltigkeit gegen unsere innere Politik bekunden; er weiß, daß Frankreich keinerlei Eindrängung, wäre sie auch noch so zart und freundschaftlich, in seine eigenen Angelegenheiten dulden würde, und er beweist, daß er die Beziehungen der beiden Völker nicht anders auf faßt." — „Figaro" erblickt in der Huldigung, welche der Zar dem Monument Gambettas erwies, einen Kommentar der Vergangenheit und eine moralische Er mutigung für die Zukunft. — „Radical" weist auf die Haltung der Dreibundmächte gegenüber dem Schauspiel hin, welches Paris gegenwärtig biete. Öster reich halte an sich, Deutschland sei wütend, Italien verletzt und geärgert, weil der Zar felbst zu Brisson und nicht nach Italien gegangen sei. England habe nach seiner Gewohnheit alle möglichen Meinungen, aber eigent lich doch nur einen Gedanken: das ist sein Interesse. — Der radikale „Rappel" erklärt, die Freundschaft mit Rußland müsse ein anderes Refultat haben, als diesen abscheulichen bewaffneten Frieden. Wenn der Zar die Rufe der Menge gut verstanden habe, so wisse er, daß sich dieselben in den Satz zusammenfassen ließen: „Sire, Frankreich ist bereit!" Italien. Rom. Kardinal de Ruggiero ist gestern früh ge storben. — Der Kardinal Agliardi wird auf Wunsch des Papstes seinen Wohnsitz in Atom nehmen, um dem Papst in diplomatischen Dingen al« Berater zur Seite zu stehen. Belgien. Brüssel. Nachdem die Nachrichten des „Soir" über den belgischen Waffenhandel nach dem Orient abgeleugnet worden waren, findet das Blatt sich dazu veranlaßt, folgende weitere Aufklärungen über diese An gelegenheit zu geben. 200000 Werndlgewehre, sagt das Blatt, sind vom Bankier S. in Karlsruhe für eine englisch-russische Vereinigung aufgekauft worden. Diese Gewehre waren nach Triest gebracht worden, wo 100000 sofort abgeliefcrt, die andern 100 000 durch Vermittlung eines früheren belgischen Offiziers an eine englische Gruppe abgegeben wurden. Die Absendung geschah durch ein belgisches Speditionsgeschäft. Zu den Gewehren sind auch je 400 Patronen geliefert worden. Gegenwärtig wird in Lüttich wegen des Verkaufs eines großen Lagers von Grasgewehren und Mausergewehrcn >l. 88 unterhandelt, die daselbst umgcwandelt worden sind. Die vorerwähnte Vereinigung hat übrigens der belgischen Regierung ein Anerbieten für den Ankauf von 6000 ausrangicrten Ge wehren und Karabinern Terrsonschen Systems gemacht. Dies große Waffengeschäst von Spiro in Hamburg besitzt noch einen bedeutenden Vorrat an Gewehren, wegen deren Übernahme die Vereinigung gegenwärtig mit ihr unter handelt. Schließlich meldet das Blatt, daß zwei fremde Offiziere seit zwei Tagen in Brüssel weilen, ebenfalls wegen des kürzlich angcdeuteten Waffengeschästs, und daß ein in Löwen wohnender Ausländer mit ibnen mehrfach Verhandlungen gepflogen hat, die auf eine Revolution in einem der reichsten Länder Südamerika» Bezug haben; für die Organisation de« Aufstande« sollen Offiziere ver schiedener europäischer Armeen angeworben werden Grotzbrttanute«. London Während die radikalen Blätter unter Führung de« „Daily Chronicle" die Parole von der Konzentration der liberalenPartei unterHarcourt und dem Festhalten an der armenischen Agitation auS- aeben, scheinen die gemäßigteren Elemente von der Richtung der „Daily New«" in Verlegenheit. Sie müssen . entdeckt haben, daß Lord Rosebery viel degoutierter ist, al« sie anfangs glaubten, und haben trotz ihrer fort gesetzten Anspielungen auf Harcourt» „Jntriguen" nicht den Mut, seine Kandidatur offen zu bekämpfen Die unionistischen Blätter anderseits erwägen die Möglich keit, daß ein Teil der Partei sich um Rosebery scharen werd«. Allgemein wird zugegeben, daß Rosebery geschickt handelte, indem er die armenische Frage als Gelegenheit benützte, um seine lange und vielseitig geschwächte Position als Parteiführer aufzugeben. Er wurde nach Gladstones Rücktritt einem fertigen Ministerium vorgesetzt, welches nicht ihm die Portefeuilles verdankte, wie sonst die neuen Minister dem neuen Premier Jene Minister waren nicht Männer nach Roseberys Wahl, ein Erfolg sei daher fast unmöglich gewesen. Edinburgh. Eine große, von etwa 4000 Personen besuchte Versammlung im Empire Palace Theatre, darunter zahlreiche Parlamentsmitglieder und mehrere ehe malige liberale Minister, bereitete gestern Lord Rosebery bei seinem Erscheinen einen warmen Empfang Derselbe erklärte im Eingang seiner Rede, daß er im Namen der Interessen des Vaterlandes spreche, welche er nicht seinem persönlichen Ehrgeize oder gar seinem persönlichen Behagen opfern könne. Bei der Darlegung der Gründe, welche ihn zum Rücktritt von der Führerschaft der liberalen Partei bewogen, erklärte er, daß er innere Fragen aus feiner heutigen Erörterung ausscheiden werde. Er ging sodann auf die armenische Frage über, wobei er die Ägitation, welche dieselbe in England hervorgerufen hat, keineswegs verurteilte, sondern vielmehr gut hieß, weil sie bekundet hätte, daß der englische Nationalgeist noch nicht erstorben und das englische Volk durch materielle Wohlfahrt nicht entnervt sei, zumal weil sie auch dahin wirke, hier von die auswärtigen Negierungen zu überzeugen, welche einer solchen Überzeugung sehr bedürftig seien Eng land bedürfe in dieser Beziehung viel mehr des Zügels als des Ansporns. Man könne nicht zulassen, daß die ganze auswärtige Politik des Landes selbst nur unmittelbar durch den Sultan und die Frevelthaten der Kurden bestimmt werde, oder daß alle anderen Inter essen des Vaterlandes einem einzigen Interesse zum Opfer gebracht würden. „Die heutige Lage gleicht nicht der jenigen zur Zeit der bulgarischen Greuel. Damals war Rußland auf unserer Seite, heute ist es, nach den letzten Nachrichten zu urteilen, gegen uns." Redner hält es für seine Pflicht, der Regierung in dieser Richtung alle mög liche Beihilfe zu leisten, und erklärte, daß er auf dem Gebiete der auswärtigen Politik niemals ein Parteiprinzip anerkannt habe. Tie Frage der Metzeleien in der Türkei sei viel ausgedehnter, als man annehme. Es handle sich um die wirkliche Orientfrage, welche seit langer Zeit als ein Alp auf Europa laste; daher würden partielle Heil mittel unnütz sein. Redner besprach nunmehr die ver schiedenen in Vorschlag gebrachten Mittel zur Abhilfe, wie die Absetzung des Sultans; er bewies deren Unaus führbarkeit und sagte, man müsse alle Vorschläge sehr sorg fältig prüfen, ehe man bei der Regierung auf deren Äus- führung dränge. Bei Erörterung der Frage einer Annäher ung an Rußland erinnerte Rosebery an die von einer liberalen Negierung abgeschlossene Pamirkonvention und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ein Mittel gefunden werde, um zu einem Einvernehmen mit Rußland zu ge langen, doch betonte er, daß die Engländer sich nicht immer geneigt zeigen würden, das Lob der russischen Ver waltung zu verkünden, oder ihr in allen Teilen der Welt die gleiche Autorität zu übertragen. Rosebery ging sodann zu einer Erklärung über die Beweggründe seines Rücktritts über und sagte, er könne den Vorschlägen Gladstones nicht beistimmen; Gladstone sei die in direkte Ursache seines Rücktrittes. Wenn man den Bot schafter von Konstantinopel zurückberiefe, führte Rosebery aus, würde England nicht im europäischen Konzerte ver treten sein. Ein solcher Schritt könnte den Krieg hcrbei- führen. Redner glaubt nicht, daß die Ehre Englands durch den Cypernvertrag engagiert sei, da der Sultan seine eigenen Verpflichtungen nicht erfüllt habe. Er schloß mit der Bemerkung, er werde sich einer isolierten Intervention Englands im Orient aufs äußerste widersetzen, da hieraus ein europäischer Krieg hervor- gehen würde. — Lord Rosebery besprach auch die Frage betreffs der Insel Cypcrn, dessen Rückgabe an die Türkei unmöglich sei, wenn die Aufgabe der Insel nicht als ein billiger Entgelt für die Sicherung des europäischen Konzerts an gesehen werden solle Redner führte aus, er habe gegen eine Politik protestiert, die den Schrecken eines europäischen Krieges nach vorheriger Ausrottung der Armenier herauf- bcschwöre. Es müsse das Ziel eines jeden britischen Staatsmannes -sein, daü europäische Konzert im Interest« der britischen Politik zu sichern Die Stellung eines Peers als Führer der Liberalen sei so anomal, daß die Festhaltung derselben ohne die wärmste Unterstützung un möglich ser. Seine Resignation befinde sich seit den Wahlen in den Händen der Kollegen, und in Kraft zu treten, wenn die Einigkeit der Partei es verlange Es wurde eine Resolution angenommen, wonach Rosebery seine Resignation nochmals erwägen soll s > « »tea. Madrid Der Generalgouverneur der Philippinen meldet: Eine Abteilung Soldaten in Mindanao ist aufrührerisch geworden; spanische Offiziere sind er mordet worden — Die Spanier, mit ihrer auf reale Politik nicht recht zugeschnittenen, allerdings mächtigen, aber stets fehl- greifenden Phantasie, haben in dem Aufstand auf den Philippinen diejenigen Einflüsse als leitend und derb verwickelt vorausgesetzt, an welche sie erst ganz zuletzt hätten denken müssen: die Einflüsse Deutschlands nämlich. Diejenigen, welche ihnen zuerst hätten einfallen müssen, kommen ihnen erst heute in den Sinn; und diese wichtigeren Einflüsse erscheinen in ihrer Phantasie auch nur als das bei den Haaren herbeigezogene Erzeugnis des Stoffmangels, an welchem auch die Madrider Presse während der heißen Sommerzeit leidet. Dazu kommt noch, daß diese berufenen, thatsächlicheren und gefähr licheren Einflüsse nicht durch die Initiative der spanischen Presse entdeckt worden sind, sondern daß die letztere erst durch die englische und sogar japanische Presse auf dieselben hat aufmerksam gemacht werden müssen. Die Einflüsse, an welche die Spanier erst zuletzt gedacht haben, sind eben die japanischen. Die japanische Regierung hat im Laufe des cubanischen Feldzuges zwei Militärärzte nach Euba geschickt, welche dort in ihrem Äuf- trage das spanische Sanitätswesen studieren sollten. Es scheint indessen, als wenn die Beiden sich weniger um das Sanitätswesen gekümmert, als für die allgemeine mili tärische Organisation und die Kriegführung der Spanier interessiert hätten Denn gerade über diese letzteren haben sie kürzlich umfassende Berichte in japanischen Zeitungen veröffentlicht; und zwar Berichte, wie sie abfälliger über die Spanier nicht abgefaßt werden können. So weit ist es also mit einem europäischen Lande gekommen, daß sich sogar eine asiatische Macht, welche erst seit 1869 im Nate der Völker erscheint, es erlauben darf, sich über dieses Land, über Spanien, lustig zu machen, und, auf die eben im Kriege mit China bewiesene Tüchtig keit und Erfolge fußend, die militärische Beanlagung der Spanier von oben herab zu beurteilen! Und jetzt erst, auf diese Beurteilung hin, kommen die meisten spanischen Zeitungen zu der für das übrige Europa längst veralteten Entdeckung, daß Japan bezüglich der Philippinen dasselbe bedeute, wie die Vereinigten Staaten für Kuba. Da die Japaner das Fühlhorn ihres Ehr geizes ohne Erfolg nach Westen, also nach Korea, aus gestreckt hätten, streckten sie es mit mehr Erfolg nach Süden aus; im Besitz der Insel Formosa, ständen sie ja eigentlich schon vor der Thür der Philippinen. Diese Inseln bildeten die zweite Etappe. Und welche Etappe! Frucht bare Inseln, deren Flächeninhalt größer sei als der des gesamten Kaiserreiches Japan, und auf denen noch dazu eine zahlreiche Kolonie japanischer Staatsangehöriger den Ansprüchen des Mutterlandes vorgearbeitet hätte. Die dritte Etappe würde das holländische Ostindien, die vierte endlich das deutsche Neu-Guinea und das englische Australien sein. Jetzt werde, jetzt müßte Europa endlich ein Einsehen haben und mit seiner diplomatischen oder sonstigen Hilfe nicht länger zurückhalten; denn alles, was cs für Spanien thue, thue es ja eigentlich für sich selber, da es ebenso sehr wie Spanien (die Bedrohung immer in der Verlängerung der japanischen resp. nordamerikamschen Fühlhörner gedacht) bedroht sci. Es werde nicht lange dauern, dann würden in den japanischen Häsen dieselben Freibeuter-Expeditionen für die Philippinen ausgerüstet werden, mit welchen heute die Vereinigten Staaten den Kubanern beiständcn. Was solle daraus werden? Es versteht sich von selbst, daß das nicht lange dauern wird; es versteht sich aber auch ebensosehr von selbst, daß die Spanier sich bei ihrer Mißverwaltung und bei der Kricgs- führung ihrer Generale für diese Erfolge zu bedanken haben. Der englische „Spektator" sieht den Teufel, welchen die Spa nier an die Wand malen, denkt an das historische englische Interesse, nach welchem fremde Leute für die Engländer die Kastanien aus dem Feuer zu holen haben, und wartet den Spaniern mit einigen Enthüllungen auf, welche den Zweck haben, dem von jenen an die Wand gemalten Teufel Fleisch und Blut zu verleihen. In diesen Ent hüllungen heißt es, daß der japanische Marschall Aamagata in Moskau mit dem nordamerikanischen außerordentlichen Gesandten eine Zusammenkunft gehabt hätte; diese Zu sammenkunft hätte der Japaner benutzt, um dem Uankee für den Fall eines Bruchs zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien ein Schutz- und Trutzbündnis anzutragcn; die Japaner würden in vielem Falle bereit sein, Subsidien bis zur Höhe von 40 Millionen Pfd. Sterl, an Nord amerika zu zahlen. Es versteht sich von selbst, daß die Spanier diese „Enthüllungen" für bare Münze halten, die Taubheit Europas für Stumpfsinn und politische Unfähig- Zigarren, das Stück zu zwei Eentesinn, kleidet sich, wie es ihm beliebt, kurzum er lebt zufrieden und vergnügt. Ihn drückt nur ein Knmmer, und der be steht in dcm Gedanken, daß ein so glückliches Leben nicht länger dauert als drei Monate. Der Ort liegt am Meeresufer und hat einen kleinen Hafen, in welchem alle vierzehn Tage der Postdampfer hält, der den Verkehr zwischen Tunis und Trapani vermittelt. Selten legen andere Fahr zeuge an; so selten, daß das Erscheinen eines solchen durch eine Glocke verkündigt wird, und ein großer Teil der Bevölkerung zum Strand läuft, wie zu einem festlichen Schauspiel. Das Städtchen macht einen bescheidenen, aber freundlichen Eindruck, besonders durch seine große, im Zentrum gelegene Piazza, die für die Bevölkerung dasselbe ist, was der Hof für die Be wohner eines Hauses in der Stadt Diese Piazza ist mit dem Strand durch die gerade, schmale und kaum zwanzig Meter lange Hauptstraße verbunden. Die Kaufläden und die öffentlichen Gebäude befinden sich alle auf der Piazza. Dort sind auch — oder waren wenigstens damals, als sich die hier zu schildernden Ereignisse zutrugen — zwei Kaffeehäuser. Das eine besuchten der Bürgermeister, die Beamten und die Honoratioren, im andern verkehrte das Volk. Das Haus, in welchem der Kommandant des Detachements wohnte, lag da, wo die Piazza auf das Meer sah, und da das Terrain vom Strand auS allmählich an stieg, so konnte man von den zwei Fenstern seines Zimmers den Hafen, ein gutes Stück des Strandes, das Meer und die fernen Berge von Sizilien über blicken. An einem schönen Aprilmorgen hielt der nach Tunis bestimmte Postdampfer am Eingang des Hafens. Von seinem ersten Erscheinen an hatte man unaufhörlich die Glocke geläutet, und die ganze Be völkerung war herbeigelaufen, darunter der Komman dant des Detachements, die Soldaten, der Syndikus, der Richter, der Pfarrer, der Polizeibeamte, der Ein nehmer, der Kommandant des Hafens, der Wacht meister der Karabinieri und ein junger Militärarzt, dem der Sanitätsdienst bei den Deportierten oblag. Zwei Barken näherten sich dem Schiffe und setzten zweiunddreißig Jnfanteriesoldaten und einen hübschen, blonden Offizier ans Land, der, nachdcm er seinen Kameraden mit einem Händedruck begrüßt und den freundlichen Empfang der Behörde höflich erwidert hatte, an der Spitze seines Pelotons durch zwei Reihen Neugieriger in den Flecken einzog. Sobald er seine Leute einquartiert hatte, kehrte er in den Kreis der Harrenden zurück, wo der Syndikus ihm dieselben der Reihe nach, in einem Tone zwischen Scherz und Ernst mit freundlicher Vertraulichkeit, die nur durch einen harmlosen Anflug von AmiSwürde gedämpft war, vorstellte. Nach beendigter Zeremonie löste sich die Gruppe auf, und der Offizier, der sich darauf mit seinen Kameraden allein befand, ließ sich in die für ihn bestimmte Wohnung führen. Hier packte die Ordonnanz des abziehenden Offiziers die Koffer, und die des neuangekommenen war dem Kameraden dabei behilflich, um schneller die eigenen öffnen zu können. Eine Stunde später war alles auf seinem Posten. Das Deiachement, das zum Abzug bestimmt war, fuhr noch am selben Abend um acht Uhr ab und wurde von dem zurückbleibenden bis zum Hafen be gleitet. Gleich nach dem Abschied von den Kameraden zog sich der neue Offizier in seine Wohnung zurück, da er von der Reise und den Anstrengungen des Tages müde war. II. Am folgenden Tage ging er gleich nach Sonnen aufgang aus dem Hause. Noch hatte er kaum zehn Schritte auf der Piazza gemacht, als ihn jemand leicht an den Schößen seines Rockes zupfte. Er blieb stehen, kehrte sich um und sah zwei Schritte von sich entfernt ein Mädchen, das aufrecht und unbeweglich in der Stellung eines salutierenden Soldaten da stand. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Kleider in Unordnung, sie selbst aber von hoher Gestalt und zarten, schönen Formen. Sie richtete ihre großen, lebhaften schwarzen Augen fest auf das Gesicht des Offiziers und lächelte. Was willst du? fragte jener und blickte sie ver wundert und neugierig an. Das Mädchen gab keine Antwort, sondern lächelte immer fort und hielt wie zum militärischen Gruß ihre Hand an der Stirne. (Fortsetzung folgt.)
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