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Dresdner Journal : 10.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961010
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-10
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 10.10.1896
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abzuhalten Sodann wurde da« Arbeit«programm, ivelche« auch die Borlagen über die Börsensteuer und die Regulierung der BeamtengehLlter umfaßt, festgestellt Auf eine Anfrage, betreffend tue Gerüchte von einer Auflösung de« Abgeordnetenhauses, erklärte der Ministerpräsident Graf Badeni, die Regierung habe durch die Einberufung de« Abgeordnetenhauses zum 1 Oktober und durch die sofortige Vorlegung de« Budgets unzweideutig ihren Willen kundgegeben, daß dieses HauS da« Budget auch thatsächlich erledige, was ihr in dem Zeiträume bis zum Schluß deS Jahres wohl möglich erscheine. Die Negier ung halte auch an dieser Absicht nach wie vor fest und finde keinen Anlaß, sich heute schon darüber zu äußern, wa« zu geschehen hätte, wenn das Budget bi« zum Ab lauf de« Jahres nicht festgestellt werden sollte. — Im Gemeinderate gab e« gestern bei Beratung der Borschläqc gegen die Fleischteuerung großen Skandal Gregorig brachte heftige Beschimpfungen gegen die Juden vor und rief dann der liberalen Minderheit zu, sie habe alles Schamgefühl verloren. Die Liberalen verlangten den Ordnungsruf gegen Gregorig. Bürger meister Strohbach erwiderte, das sei die persönliche Meinung Gregorigs, und die Bevölkerung teile dieselbe. Diesen Worten folgte stürmischer Lärm bei den Liberalen. l)r. Mittler rief, er gebe seiner persön lichen Meinung dahin Ausdruck, daß die gegenwärtige Mehrheit des Gemeinderates Schamgefühl nie besessen habe Diese Äußerung rief unbeschreiblichen Tumult hervor. Die Antisemiten umringten Mittler mit erhobenen Fäusten; jeden Augenblick drohte ein Hand gemenge. Hierauf erhob sich der Gemeinderat vr. Nader und sagte: Als deutscher Mann fühle er sich in seiner Ehre verletzt; wäre Mittler kein Jude, würde er ihn vor die Klinge fordern. Es folgte erneuter Tumult mit Schimpfworten gegen die Liberalen. Der Gemeinderat Tomanek erklärte ebenfalls, er würde, da er Reserve offizier sei, Mittler fordern, wäre dieser nicht Jude. Erst nach geraumer Zeit konnte die Beratung fortgesetzt werden. — Die Werkstättenarbeiter der StaatSbahn- gesellschast beschlossen, von morgen ab die Arbeit wieder äuszunehmen. Frankreich. * Paris. Vorgestern nachmittag begann im Pariser Oslbahnhof der Andrang zu den Zügen nach Chülons, ein Andrang, der abends einen unbeschreibbaren Grad er reichte. In der Vorhalle des Bahnhofs drängten sich viele Tausende lärmend und patriotische Lieder singend. Die Eisenbahngesellschaft war vollkommen unfähig, den Riesen- verkehr zu bewältigen, und ließ einfach die Schalter schließen und den Perron durch Schutzleute absperren. Obgleich die Züge, die nach Chülons gingen, unerhört überfüllt waren, so waren auf dem Bahnhof Mourmelon (bei Chülons) keinerlei Vorkehrungen getroffen, um das Publikum nach dem anderthalb Wegestunden entfernten Paradefelde zu transportieren. Seit Sonnenaufgang war gestern die Landstraße bedeckt mit Tausenden, die in un unterbrochenem Strom nach dem Paradefeld zogen und Mundvorrat in Körben mit sich trugen. Überall im Lager, durch welches eine Straße führt, hatten sich fliegende Händler mit Eßwaren etabliert. Auch zahlreiche Bettler aus Paris waren herbeigezogen und lagerten sich am Straßenrand. Niemals noch hat ein Lager ein solches Leben gesehen. Das ungeheuere Paradefeld, das vielleicht fünfmal so groß ist als das von Longchamps, lag in den ersten Vor mittagsstunden ganz leer. Vor den Tribünen ist das Terrain wellenförmig gestaltet; ringsum hielten Gendarmen die Wache. Auch die ganze Bahnstrecke von Paris bis Chülons-Mourmelon war bereits in der Nacht militärisch besetzt worden. Das Wetter war trübe, kurze Regen schauer fielen. Die Tribünen waren gefüllt; daneben in dichten Reihen, soweit der Blick reichte, hatte sich Publi kum ohne Karten aufgestellt, überall vor den Tribünen waren Masten mit französischen Fahnen angebracht; in der Mitte befand sich das von roten» Sam met überdachte Kaiserzelt. Das Kaiserzelt war mit Waffentrophäen und bemalten Schanzkörben dekoriert; davor waren Kanonen und Mörser aufgefahren. Auf den Tribünen erhielt sich das Gerücht, der Zar werde in seinem Toaste beim Dejeuner die Allianz viel stärker als bisher betonen. Ferner erzählte man sich, die Ernennung Schischkins zum russischen Minister des Auswär tigen sei vorgestern unterzeichnet und Baron Ucxküll zu seinem Adjunkten ernannt worden — Um 11 Uhr begann der Aufmarsch der Truppen, die, in Thalsenkungcn und Gehölzen verborgen, wie aus der Erde gewachsen plötzlich auf dem Paradefelde erschienen. Die Truppen stellten sich weit entfernt von den Tribünen in einem Treffen auf, alle Musiken spielten den alten Marsch „8ambro et meuse". Über der Truppenfront stieg ein Luftballon auf, besetzt von zwei Offizieren der militärischen Luftschiffer- Abteilung, die eine lange Fahne zur Erde herabließcn. Auf den beiden Flügeln der Paradefront waren Kavallerie, Artillerie und afrikanische Truppen ausgestellt; Infanterie, Jäger, Marine-Infanterie und Genie standen in der Mitte. Die aufgebotene Truppenmacht von 80000 Mann sah infolge der ungeheuren Größe de« Paradefelde« weniger zahlreich aus, al« sie in Wirklichkeit war Die Minister kamen von Draaonern eskortiert, die Mitglieder de« Senats und der Kammer langten mit einem Spezialzug der neugebanten Eisenbahn an. Um 12 Uhr kündigten Kanonenschüsse das Eintreffen deS Präsidenten der Republik an. Um '^1 Uhr traf der Kaiserliche Zug ein, von Faure, den Kammerpräsiventen und Ministern empfangen Alsbald wurde die Fahrt nach dem Paradrselde angetreten. Boran ritten EhaffeurS d'Afrique auf weißen Pferden, dann Spahis im roten Burnu« und arabische ScheikhS Dann kam im offenen Galawagen die Zarin; ihr zur Seite der Präsident der Republik, gegenüber eine Hofdame. Die Zarin trug eine pfaublaue Samt-Pelerine mit Zobelbesatz Der Zar ritt zur Linken des Wagen« auf einem hellbraunen Fuchs in der roten Uniform der Don-Kosaken. Dahinter kamen wieder Spahis auf weißen Pferden Im Schritt bewegte sich der Zug der Truppen front entlang; die Truppen präsentierten, die Musiken spielten abwechselnd die russische Hymne und die „Mar seillaise". Die Borüberfahrt dauerte eine halbe Stunde; dann kam der Zug an den Tribünen vorüber, wo da« Zarenpaar mit Jubelrufen begrüßt wurde. Der Präsident und das Zarenpaar nahmen ihre Plätze in der Loge ein. Das Döfilö begann. Die ausländischen Militär- Atta chös, darunter der Deutsche Schwartzkoppen, stellten sich gegenüber den Tribünen auf. An der Spitze der Truppen ritt der Kriegsminister General Billot, von den Tribünen applaudiert; ihm folgte General Sau ff i er mit einem glänzenden Stabe, von den Tribünen begrüßt mit stürmischem Beifall und den Rufen: „Hoch Saussier!" Zuerst zogen Alpenjäger in voller Kriegsrüstung mit Bergstöcken vorüber; eine eigene Musik zog ihnen voran, welche ein Kapellmeister mit einem Bergstock dirigierte, was großen Beifall auf den Tribünen erregte. Dann defilierten in tadelloser Reihe zwei Regimenter Zuaven, die stürmischen Beifall Hervorriesen. Nach ihnen zogen Turkos vorüber, nicht minder akklamiert, welchen arabische Musik voranging, die auf Tambourinen und Dudelsack ähnlichen Instrumenten spielte, vom Trommelschlag be gleitet. Die nunmehr folgenden regulären Truppen zogen in imposanten Mafien vorbei. Die In fanterie defilierte in Divisionen zu je vier Regi mentern; vier Regimentsmusik-n und ein Tambour corps spielten immer gleichzeitig auf, und die vier Fahnen neigten sich vor der Front jedesmal vor dem Zaren. Die Front war ungeheuer lang; etwa 1200 Mann waren in jeder Reihe. Die Haltung der Truppen beim Defil« war zumeist vortrefflich, der Marsch kriegerisch und animiert. Am besten marschierten die Chasseur-Regimenter, die besonders zahlreich vertreten waren. Nach der In fanterie defilierte das Luftschiffercorps, das einen in der Luft schwebenden Ballon an einem Fefielseile mit sich führte. Auch Kavallerie zog in gewaltigen Massen vorüber. Die Kürassiere und die reitende Artillerie wurden besonders akklamiert. Am Schlüsse stellte sich die gesamte Kavallerie im Hintergründe des Paradefeldes auf und machte einen Galoppritt gegen die Tribünen, der wie Meeresbrausen klang. Kurz vor den Tribünen hielten die Pferde an unter jubelndem Beifall der Zuschauer und endlosen Rufen: „Es lebe die Armee!" Tie gesamte Kavallerie präsentierte den Säbel vor dem Zaren, während alle Trompeten den Fahnensalut schmetterten. Während des Defiles der Kavallerie stürzte ein Dragoner vom Pferde. Die Zarin sandte sofort einen Offizier, um Nach richten über das Befinden des Gestürzten einzuholen. Sonst ist alles ohne Unfall verlaufen Die Revue machte im allgemeinen einen vorzüglichen Eindruck. Sie war viel ernster und militärischer als die Pariser Revuen. Am Schlufie der Parade ließ Kaiser Nikolaus den General Billot auf die Tribüne rufen und sprach ihm seine Be friedigung über die Haltung der Truppen aus. Nach der Rückkehr ins Hauptquartier entbot der Kaiser General Billot nochmals zu sich, unterhielt sich mit ihm einige Augenblicke, indem er ihn aufs neue beglückwünschte und überreichte ihm sein mit Diamanten verziertes Bildnis, das nach Art eines Ordens am Halse zu tragen ist. — Am Schlufie des zu Ehren des russischen Kaiserpaares gegebenen Frühstücks brachte Präsident Faure einen Trinkspruch aus, welcher lautete: „Ew. Majestät steht im Begriffe uns zu verlassen nach einem Aufenthalte, welcher in den Annalen unserer beiden Ländcr eine un auslöschliche Erinnerung hinterlassen wird. Wie ein Lächeln einer glücklichen Vorbedeutung wird der Zauber der An wesenheit Ihrer Majestät der Kaiserin in holder Weise mit diesem Besuch verbunden bleiben. In Paris sind Ew Majestäten von der ganzen Nation begrüßt worden, in Cherbourg und in Chülons sind sie empfangen worden von dem, was dem Herzen Frankreichs am theuersten ist, von seinem Heere und seiner Marine. Die französische Armee begrüßt hier Ew. Majestät. An jedem der häufigen Gedenktage ihrer ruhmreichen Vergangenheit tauschen die französischen Seeleute und Soldaten mit ihren Brüdern in Rußland die Bezeugungen ihrer herzlichen Verhältnisse und ihrer Wünsche für einander aus. Heute bitte ich Ew Majestät im Namen der französischen Armee und der französischen Marine für Ihre Waffen zu Wasser und zu Lande die feierliche Bekräf tigung unwandelbarer Freundschaft zu em pfangen Ich trinke auf das russische Heer und die russische Marine und erhebe mein Glas zu Ehren Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin!" Hierauf erhob Kaiser Nikolaus sein Glas, stieß mit dem Präsidenten an und ergriff das Wort zu folgendem Trinkspruch: „Bei unserer Ankunst im Hafen von Cher bourg hatte ich Gelegenheit, ein Geschwader der französi schen Kriegsflotte zu bewundern; heute, im Begriff Ihr schöne« Land zu verlassen, hatte ich da« Vergnügen des imposantesten militärischen Schauspiels, indem ich der Truppenschau auf gewohntem UbungSgelände beiwohnte. Frankreich kann stolz auf seine Armee sein. Sic haben Recht zu sagen, Hr. Präsident, daß die beiden Länder durch unwandelbare Freundschaft ver bunden sind. Ebenso besteht zwischen unsern beiden Heeren ein tiefes Gefühl der Waffen brüderschaft. Ich erhebe mein Glas zu Ehren Ihres LandheereS und Ihrer Seemacht und trinke auf das Wohl des Präsidenten der französischen Republik." Die anwesen den russischen Offiziere und Herren des Gefolges riefen während des Toastes des Kaisers zweimal Hurra. — In dem Ehrenzelt, wo das Frühstück eingenommen wurde, war auf einer Estrade für 16 Personen gedeckt Die Kaiserin saß in der Mitte zwischen ihrem Gemahl und dem Präsidenten; auf vier anderen Tischen war für 425 Personen gedeckt, etwa 20 Damen nahmen an dem Frühstück teil. — Was der Zar beim Verlassen der Comödie francaise und ein zweites Mal im Louvremuseum bloß unbestimmt angcdeutet hatte, das sprach er im Laufe des vorgestrigen Nachmittags bestimmt aus. Er sagte Faure vorerst zwar nur halbamtlich, doch entschieden zu, nächsten Frühling wiederzukommen und dann etwa drei Wochen halb inkognito ohne Etikettezwang in Paris zu ver bringen. Auf der Postfahrt nach Versailles kannte Faure den Kaiserlichen Beschluß bereits, denn als aus der Menge der Ruf ertönte: „Wiederkommen! Auf Wieder sehen!" da lächelte Faure bedeutungsvoll und winkte der Menge, wie um ihr zu sagen, euer Wunsch ist erfüllt. „Figaro" erzählt einen kleinen Zug, der sich der Begrüßung der Straßburg-Bildsäule durch den Zaren anreiht. Als Nikolaus im Louvrehof das Gambetta-Denkmal er blickte, fragte er, was das sei. Faure erklärte es ihm, worauf der Zar die Hand grüßend an die Pelzmütze legte, während die Dienge, die seine Bewegung beobachtete, in Händeklatschen und Hochrufe ausbrach. — Die Unord nung in Versailles war grauenhaft. Die Ein geladenen wurden trotz ihrer Karten nicht eingelassen und oft mit auserlesener Grobheit behandelt, wahrend bei der allgemeinen Sorglosigkeit in der Ausführung der er haltenen Befehle Tausende von Unberufenen, dar unter die fragwürdigsten Gestalten beiderlei Ge schlechts des Pariser Vorortpflasters, eindrangen und überall hingingen, wo sie wollten. Die Bummelei der Bediensteten führte auch einen ernsten Unfall herbei. Der Kutscher des Finanzminislers verließ seinen vor dem Schloßgitter aufgefahrencn Wagen, um in ein Wirtshaus zu gehen. In seincr Abwesenheit scheuten die Pferde, rannten gerade in die Menschenhaufen, stampften zwanzig Personen nieder und verletzten sechs, dar unter drei erheblicher. Cm Pariser Zeitungsmann brachte die durchgegangenen Tiere zum Stehen. Der pflicht vergessene Kutscher wurde verhaftet. — TaS Prunkmahl im Schlosse hatte folgende Tischkarte: Oemo cks cbarottes st tortus claire; mölos ä al^sris t'rappes; tälets 6« barbus ü la ckisppoiss; euissot cko eksvreuil aux tomats!,; timbals ck'küitrss cks cavealv; sanetons ckv Uouen; ZILcss; sorbsts au vin cks samos; marguise au no^au; Jeunes ckinckonneaux; rotm aux trullds; erou8tacks8 cks böcas8S8; salacks pa^sav; pointo8 cUper^s^ a la cröms ^1äes8 ^iLmoncka; anavas cks ver8aille8 au 8ucrs; ckssserts. — Bei dieser Mahlzeit gab es keine erhöhte Kaiscrtafel. Alle hundert Eingeladenen saßen an dem selben Tische. Der Kaiser, der Frau Faure zu Tische führte, reichte ihr diesmal den Arm. Das hatte er bis dahin nie gethan, weil der französische Zeremonicn- meister in seiner Weisheit dies für unzulässig erklärt hatte. Schließlich wurde es dem Zaren aber lang weilig, neben einer Dame verlegen einherzuschreiten, ohne ihr den Arm zu bieten, und er folgte seinem natürlichen Taktgefühl, ohne sich um die Narrheiten Croziers und seines berühmten Protokolls zu kümmern — Die Theatervorstellung nach aufgehobener Tafel fand im Schlachtcnsaal statt. Die alten Tänze in der Tracht dcs Jahrhunderts Ludwig XIV. ausgeführt, paßten wunderbar zu den feierlichen Perückenbildern van der Meulens und Lemoines, die aus ihren Goldrahmen auf die gepuderten HofmarquiS und Marquisen in verschollener Kleiderpracht hinabsahen Um halb zwölf Uhr war das Fest zu Ende und das Kaiserpaar fuhr unverweilt zur Bahn, nachdem e« sich zuvor nach dem Befinden der durch die scheu n Pferde Verletzten erkundigt hatte. An feinem Salon« wagen sagte der Kaiser Faure noch, wie erfreut und ge rührt er vom Pariser Empfang sei Das Pariser Volk habe sich bewundernswert gehalten; er habe sich immer in einem ungeheuren Salon glauben können Nachträglich wird bekannt, daß Kaiser Nikolaus auf der Botschaft den StadtratSvorsitzenden Baudin empfangen und ihm nochmals seine Freude und seinen Dank für da« Fest im Stadthaus ausgedrückt hatte Alle Kuchen, die beim Empfang im Stadthaus am Büffctt den Gästen vor gesetzt wurden, waren in der Kaiserl. Küche bereitet und vom Zaren geschickt worden, weil er — wie cr lächelnd sagte — überzeugt war, daß in diesem einen Punkte die russische Kochkunst der französischen überlegen sei — Die russischen Auszeichnungen wurden mit außerordent licher Weitherzigkeit verteilt; selbst zahlreiche Soldaten der Geleitschaflen und Schutzleute, Amtsdiener, Thürsteher, Dekorationsarbeiter und Gasanzünder erhielten Ehren münzen am Bande verschiedener Orden. Die Kaiserin machte bei Modistinnen zahlreiche Einkäufe und oft genug stießen am BotschaftSeingaug höchste Würdenträger gegen kleine Näherinnen und Hutmacherinnen, die mit ihren Schachteln den Vortritt hatten — Deputierte, Senatoren und Generale, unter ihnen Jamont, welche in der heillosen Unordnung, die vorgestern im Versailler Spiegelsaale herrschte, hcrumgestoßen wurden, geben ihrem Unwillen über das verfehlte Arrange ment in Interviews den stärksten Ausdruck Einige Depu tierte werden darüber interpellieren. Die Einladungen für den Spiegelsaal gingen von Faure aus — Über die angebliche Bombe, welche Mittwoch nachts auf dem Concordeplatze explodiert sein soll, nach dem der Zar den Platz passiert hatte, wird folgende offiziöse Darstellung gegeben: „Zwanzig Minuten, nachdem der Zar das Thsütre Franeais verlassen und um l Uhr den Concordcplatz passiert hatte, hörte man eine Detonation. Eine Petarde, wie sie am 14. Juli massenweise verwendet werden, war explodiert, was allerdings einen starken Knall zur Folge hatte. Ein Mann wurde nm Auge unbedeutend verletzt. Die Erhebungen ergaben, daß die Petarde aus Kupferpapier gewesen ist Nach der Dieinung des städtischen Chemikers Girard dürste dieselbe zu den Fcuerwerks- körpern am Trocodero gehört haben, wo sie ent wendet worden sein mag." (Fortsetzung der Tagesgeschichte in der ersten Beilage.) örtliches. Dresden. 10. Oktober. * Gestern nachmittag gegen 5 Uhr stattete der Erste Verein Dresdner Gast- und Speisewirte der Ersten Kulmbacher Aktien-Exportbierbrauerei in ihren umfangreichen Lagerhofgrundstücken ihrer hiesigen Filiale am Schützenplatz Nr. 9 und 11 einen Besuch ab. Diese bayerische Brauerei, welche zuerst den Export aufnahm und 1872 Aktiengesellschaft wurde, gilt als eine der leistungsfähigsten; sie Hal im letzten Geschäftsjahre 185542 bl Bier zur Verschrotung und zum Versand ge bracht. Dresden nahm an diesem Verbrauch mit rund 38000 bl teil. Bis zum vorigen Sommer behalf sich die hiesige Filiale mit einem Eiskeller; im Winter 1894^95 unternahmen das Braucreidirektorium und der Aufsichtsrat die Ausstellung einer Kühlanlage mit einem Kostenauswande von 56000 M Diese Kühlanlage be steht in einem 16pferdigcn Gasmotor und einer Kühl maschine (System Linde) mit 2 Kompressoren, sowie 10 Röhrensystemen zu je 18 Röhren. Durch diese letzteren, welche die Keller durch ziehen, wird eine Kühlung durch Verdampfung von Ammoniak herbeigeführt. Am prak tischsten für Bieraufbewahrung ist eme durchschnittliche Kellertempcratur von 5 bis 5'^ Grad Celsius befunden worden; die hiesige Filiale ist im stände, stets ein Lager von 1500 bis 2000 bl Bier aufzunehmen und dieses, auch bei stärkerem Bedarf, immer einige Tage lagern zu lassen, bis cs die Temperatur von 5 bis 5'-^ Grad Cel sius angenommen hat. Der Geschäftsbevollmächtigte am Platze, .Hr. Prok Lamer, begrüßte die Vereinsmitglieder im Wirtschaftshose. Nach der Besichtigung der muster haften Anlagen ließ die Brauercidirektion durch Hrn. Gastwirt Henner und sein Personal im Wirtschastsgehöfte den Besuchern Proben der drei geführten Biersorten ser vieren sowie erstere zur Benutzung eines kalten BüffeitS ein laden Der Vorstand des Vereins, Hr. Fiedler, brachte im weiteren Verlaufe des Nachmittags ein Hoch auf die Erste Kulmbacher Aktien-Exportbierbrauerei aus. (Fortsetzung in der ersten Beilage.) der großen Jagd nach dem Nordpol gegeben als diesen, welcher es einem Menschen zumutet, sich unter die un geheueren Mafien des Polareises zu wagen und cs dem Zufall zu überlassen, wo und wann er in dem ost viele Ellen dicken Eise ein Luftloch findet. Ernste Auseinander setzungen über diese Idee sind denn auch hoffentlich nicht zu fürchten. — Aus Amerika kommt die Nachricht von einem weiteren Nordpol-Projekt, welches das Vordringen zu dem vielumworbenen Ziele durch Aufwand von viel Geld und Beharrlichkeit gewissermaßen erzwingen zu wollen scheint. Der Millionär George I. Gould m New-Hork ist neulich von einer Reise in den arktischen Gewässern, die er auf seiner Privat-Jacht unternommen hatte, zurückgekehrt Dieser Ausflug hat Gould dazu ver anlaßt, ein systematisches Vorgehen gegen den Nordpol zu beschließen. Er will zunächst an einem im Sommer zu Wasser stet« erreichbaren Punkte ein Gebäude für eine ständige Station errichten, welche alljährlich mit allem Erforderlichen versehen wird. Von dieser Station aus soll eine Linie von Depüts von Jahr zu Jahr weiter nach Norden vorgeschoben und diese ausgerüstet und fort dauernd unterhalten werden, bis der Pol erreicht ist (Eines Millionärs ist dieser Gedanke jedenfalls würdig) xx In der Berliner polytechnischen Gesellschaft hat Hr. Postrat a. D Oesterreich kürzlich einen Vortrog über die seit kurzem bekannt gewordenen Doppelsernrohre für Handgebrauch aus der berühmten optischen Werkstätte von Carl Zeiß in Jena gehalten Die Konstruktion dieses Fernrohres bedeutet einen ungeahnten Fortschritt in der Kunst ve« Fernsehens und beruht im wesentlichen darauf, daß zwischen die Elemente des astronomischen, bild- umkehrcnden Keplerschen Fernrohres (die Objektiv- und die Okularlinse) ein System von spiegelnden Prismen ein geschaltet wird, durch deren vierfache Spiegelung bei außer ordentlicher Verkürzung de« Instrumentes eine Wicder- aufrichtung de« Bilde« erfolgt, während da« gewöhnliche Fernrohr eines komplizierten Linsensystem« zur Bild aufrichtung bedarf. Zeiß benutzte diese« System zur Kon struktion von Doppelfernrohren, indem er gleichzeitig für die Instrumente die von Helmholtz in seinem Telestereoskop nicdergelegte Erfahrung benutzte, durch Auseinanderrücken der Objektivgläser das stereoskopische Sehen auf große Entfernungen ganz bedeutend zu steigern. Die hiermit gewonnenen Resultate wurden noch wesentlich dadurch ver bessert, daß zwei einfache Instrumente mittels eines Doppel scharniers in ähnlicher Weise, wie ein Opernglas, derart ver bunden werden, daß der Abstand der Okulare dem Augen abstande des Beobachters genau angepaßt werden kann, ferner daß jedes der beiden Okulare, entsprechend der Seh weite der Äugen, die immer kleine Verschiedenheiten zeigen, genau regulierbar ist Durch Zusammenwirken aller an gegebenen Neukonstruktionen ergiebt sich für 4—10fache Vergrößerung ein außerordentlich leistungsfähiges und dabei handliches Instrument, welches alle bisher bekannten Kon struktionen weit hinter sich zurückläßt, beiläufig aber noch gegen frühere Instrumente eine 6—10fache Vergrößerung deS gleichmäßig beleuchteten Sehfeldes ergiebt. Eine be sonders für militärische Zwecke sehr wertvolle Form des Doppelfernrohres ist das Nelieffernrohr, welches ein „Um die Eckesehen" gestattet, wobei der Beobachter, hinter einer Deckung (Mauer, Baum rc.) geschützt, sehen kann, während nur die Objektivgläser dem zu beobachtenden Gegenstände gegenüberstehen Alle diese der deutschen Wissenschaft und Technik zu hoher Ehre gereichenden Vorteile konnten aber, wenn auch die Versuche der Vorgänger (Steinhcil, Porro), Jahrzehnte weit zurttckliegen, erst erreicht werden, nachdem das berühmte fast jede Absorption ausschließende Jenaer optische GlaS erfunden und auch die technischen Leistungen, besonder« da» korrekte Schleifen ebener Flächen in Prismen, sowie die extakte Justierung, zu derjenigen Höhe gediehen war, die wir in unsern weltberühmten op tischen Werkstätten erreicht haben. -ß Der englische Zeichner George duMaurier, der vorgestern in London gestorben ist, war der Nachfolger John Leechs in der Darstellung der englischen zeit genössischen Gesellschaft. Er war von Geburt Franzose, aber schon mit siebzehn Jahren kam er nach England und studierte daselbst Chemie. Doch bald erwachte der Künstler in ihm, und er widmete sich in Pari«, Düsseldorf und Antwerpen der Malerei Sein Zeichentalent ließ ihn aber bald zum gesuchten Illustrator werden, im „Punch" und in „Cornhills Magazine" machten seine Zeichnungen große Wirkung Die Höhe seines Ruhmes erreichte du Maurier vor etwas mehr al« zwei Jahren, als er plötzlich al« Schriftsteller auftrat mit seinem von ihm selbst illustrierten Roman „Trilby", welcher einen großartigen Erfolg er rang Der Roman schildert das freie Künstlerleben in Paris, Trilby ist ein wegen der Schönheit seiner Füße berühmtes englisches Modell. Die Amerikaner dramatisierten den Roman, und Trilby hatte auf den Brettern einen noch viel größeren Erfolg, als ihn das Buch samt seinen schönen Illustrationen erlebt hatte. Die Dramatisierung fand auch in England unzählige Auf führungen, und monatelang lebte London in einem förm lichen Trilby-Rausche Du Maurier ist 62 Jahre alt ge worden, er starb nach längerer Krankheit. Nesidenztheater. In der morgigen Aufführung von „Waldmeister" wird Frl. Bozena BradSky wieder die Rolle der Pauline singen Die übrige Besetzung ist die alte. Nachmittags '44 Uhr wird zu ermäßigten Preisen das Lebensbild „Der kleine Lord" gegeben. Am Mittwoch findet die letzte Aufführung von „Waldmeister" statt. In Vorbereitung ist das Schauspiel „Wildlinge" von Ur. Bröe. * In dem Eröffnungskonzert des großes Vereins- haussaalcs, welches bekanntlich zum Besten der Altcrs- unterstützungSkafie des Verein« „Dresdner Presse" am 19. Oktober stattfindet, wird außer den schon früher ge nannten Solisten das Deutsche Damen-Terzett aus Berlin Mitwirken (Karten bei F. Rie« ) — Aus das Konzert, welches die König! Sächs Kammcr- virtuosin Frau Mary Krebs am 17. Oktober im Gc- werbehausc giebt, sei nochmals besonders aufmerksam ge macht — Der 1. Ouartettabcnd der Herren Lange- Frohberg, Schreiter, Spitzner und Stenz findet am Montag, den 26. d. Mts, im Musenhause statt Zum Vortrag kommen die Quartette k'-ckur op. 96 von Dvorak, O-woN or>. 27 von F Draeseke und L8 ckur von Beethoven — Hr. Edmond Monod wird in seiner auf Sonnabend, den 31. d. Mts, festgesetzten Klavier-Matinöe u a Bachs Toccata und Fuge, Beethovens Sonate op 27 Nr. 2, Chopins Ballade op. 23, Schumanns Sonate np. 11 und Liszts Rhapsodie Nr. 6 spielen — Hr. Percy Sher wood giebt am 3. November im Musenhause unter Mit wirkung des Fürstlich Lippeschen Konzertmeisters Hrn. Johannes Smith (Cello) ein Konzert. — Die einheimische Pianistin Frl Therese Sewell giebt am Montag, den 2. November, im Musenhause ein Konzert, in welchem der Konzertmeister dcs Leipziger GcwandhausorchesterS, Hr. Carl Prill, Mitwirken wird. * Anläßlich des 50jährigcn Bestehens dcs unter dem Protektorate Ihrer Majestät der Königin stehenden Pestalozzistiftes veranstaltet die ständige Deputation desselben zum Besten deS Stiftes eine große geistliche Musikaufführung Dieselbe soll am Mittwoch, den 28. d Mts., nachmittags 5 Uhr in der hiesigen Frauen kirche stattfinden. — Zu dem „Nicodö-Chor" sind so zahlreiche An meldungen erfolgt, daß die erste Versammlung für nächsten Mittwoch (den 14. d. MtS) einberufen wird. Alle musi kalisch gebildeten und sangeskundigcn Damen und Herren, welche sich noch an dem Konzertchore zu beteiligen wünschen, haben ihre Anmeldungen demnach so bald als möglich und nur in der Mittagszeit von 12 bis 1 Uhr bei Hm. I. L. Nicode (Lindenauvlatz 2) persönlich zu bewirken. * Auf Ambergs Physikalische Experimental- Vorträge, die am 20, 22 und 23. stattfinden, machen wir auch Studierende und Schüler aufmerksam. Die arme kleine Idee. ES war einmal eine kleine Idee, Ein armes schmächtige» Wesen, — Da kamen drei Dichter des WcgS, 0 weh'. Und haben sie ausqelescn Der eine macht' einen Spruch daraus — Da» hielt die kleine Idee noch au»; Ter zweite eine Ballade — Da wurde sie schwach und malade; Ter dritte wollt' sie verwenden Zu einem Roman in zwei Bänden — Dem starb sie unter den Händen Storff. (Flieg. Blätter )
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