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Dresdner Journal : 10.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189609108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960910
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960910
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Paginierfehler: Seite 1690 als Seite 1691 gezählt.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-10
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 10.09.1896
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ve,«G«prets: Für Dresden vierreljührll- ü Marl LV Ps„ bei den Säuer lich deuUchen Postanstalten vcer1eljäyrt«ch 3 Marl; außer- halb de« Deutschen Reiche- Post- und Stempelzuschlaa. Lmzelne Nummern: tv Ps. Erscheinen: Tüglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Fernspr -Anschluß: Nr.12-5. Dresdner INMIMl. AiitündigungSgebübren: Für den Raum einer gespal tenen Zeile klcmcr Schrift 2v Ps linier . Eingesandt" die Zerte Ko Ps Be> Tabellen- und Ziffcniiatz entsprecheuder Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« DieSdner Journal« Dresden, Zwingerstr 2V. Fernspr Anschluß: NrI2VS. M 211 DonncrStafl. den 10. September abends. 18S«. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben geruht, den zum Konsul der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Plauen beförderten bisherigen Handelsagenten daselbst, Thomas Willing Peters, in dieser neuen Eigenschaft anzuerkennen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem vormaligen Oberwebermeister in der Fabrik der Firma Julius Dannenberg in Zittau, Franz Krause daselbst, das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Sruenuungt«, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. "" Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Erledigt: die 2. stündige Lehrerstelle in Niederdors bei Stollberg i. E Kollator: die oberste Schulbehörde. TaS Ein kommen der Stelle beträgt bei freier Wohnung und Garten- genuß ivvo M. Gehalt und 36 M Vergütung für Erteilung des Turnunterrichts im Sommeihalbjahr Bewerbungsgesuche sind bis zum 28. September an den K. Bezirksschujinspeltor Schulrat Saupe in Chemnitz einzureichen; — die ständige Lehrerstclle an der Schule zu Hunvsgrün bei Oelsnitz i. V. kollator^ das K. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Gehalt bei freier Wohnung im neuerbauten Schul- Hause tvvv M, sowie 72 M für den Unterricht in der Fort bildungsschule und eventuell 6v M. Entschädigung für den Unterricht in weiblichen Handarbeiten. Gesuche nebst sämt lichen Zeugnissen sind bis zum 30. September an den der zeitigen Vertreter des K. Beznksschulinspekwrs zu Oclenitz, Schulrat Seltmann in Plauen i. V. cinzureichen Nichtamtlicher Teil. sozialpolitisches ans -er Lchwei;. Ein Freund unseres Blattes schreibt uns: Die Schweiz wird beinahe ausschließlich desNaturgcnusscs willen besucht Auch in dem gebildeien Reisenden, welcher die Grenze mit dem Bädecker in der Hand überschreitet, ist nur selten das Bewußtsein lebendig, daß er ein Volk aussucht, welches als solches Beachtung verdient uud Anspruch aus Anerkennung einer Eigenart machen kann, die durch uralte Kulturstätten be zeugt wird. Tie Schweiz ist durchaus nicht bloß ein Land, in welchem es Gletscher und Berge, Seen und Wasserfälle zu scheu giebt, in welchem das Volk auf der Alm wohnt und den be rühmten Schweizeikäse bereitet, allenfalls noch Schokolade, Seide und Uhren besonders gut herslcllt. Es giebt dort viel mehr zu sehen und zu hören; ja man kann sagen, daß aus einem der allerwichtigsten Gebiete des Siaatslebens, dem der inneren Sozialpolitik, die Schweiz und die Schweizer Kantone außer ordentlich Lehrreiches bieten. Es ist dies im Grunde nicht wunderbar: die rein demokratische Versassung, die kleinen, leicht zu übe.seh.nden und leicht beweglichen Verhältnisse treiben zu Versuchen an, während auf der anderen Seite der sehr zahl reiche kleine Grundbesitz das notwendige konservative Element abgiebt, welches vor Überstürzung bewahrt. Bedeutsame sozial politische Leistungen und Veriuche find n wir in den größeren Städten, vor allein in Basel, Bern, Gens und Zürich. Wir beschränken uns aus eine kurze Darstellung der hauptsächlichsten Leistungen bez Versuche in Basel, und zwar der Vorgänge in Bezug auf die Wohnnngs- und Arbeitslosensragc daselbst. Daß Basel mit seinen 7ovvo Einwohnern, welche durch ihren Reichtum und durch ihren gemeinnützigen Sinn mit Recht berühmt sind, eine Wohnungsfrage hat, beziehentlich deren staat liches Eingreifen teils schon eingetreten ist, teils unmittelbar bevorsteht, erscheint ausfallend, und doch ist tem so. Schon lange ist die Wohnungsfrage Gegenstand der gemeinnützigen Fürsorge. In den letzten Jahrzehnten sind gegen 260 Häuser mit etwa 700 Wohnungen, die gegen 300o Bewohner nus- nahmen, gebaut worden Über vier Prozent der gesamten Baseler Bevölkerung sind in den von gemeinnützigen Gesell schaften und Fabrikanten erbauten Arbeiterhäusern untergebracht Trotzdem waren Ende der achtziger Jahre derartige Wohnungs mißstände hervorgetrelen, daß dir Große Nat des Kantons die Veranstaltung einer Enquete beschloß, welche zwischen dem 1 und 21. Februar 1880 stattsand und sich in der Hauptsache aus alle Häuser erstreckte, die von mehr als einer Familie be wohnt wurden. Im ganzen wurden etwa von SOOO Häusern 3600 untersucht. Obwohl die Erhebung vorzugsweise aus d e Wohnungsbcschasscnhcit sich richlcte, wurden auch verwandte Verhältnisse, wie das von Haus und Wohnung, von Mieter und Eigentümer,/in den Bereich der Untersuchung gezogen. Die Erhebungen wurden duich S2 Beamte, welche teilweise aus Baugcw.rkcn bestanden, vorgenommcn Die Beamten arbeiteten zu zweien, indem der eine die Messungen und Untersuchungen bewirkte, der andere die Formulare auSsüllte Von dem bevor stehenden Besuch wurden die betreffenden Bewohner jcdeimal den Tag vorher in Kenntnis gesetzt, nachdem allgemeine öffent liche Bekanntmachungen schon vorausgegangen waren. Am Abend wurden die Formulare besonderen Kontrollbeamten vorgelegt, deren Ausstellungen am nächsten Vormittag zuerst berichtigt werden mußten Allmählich steigerte sich die Gcwandiheit, sodaß die durchschnittliche Tagesleistung ein S BeamtenpaareS etwa 8 Häuser und 30 Wohnungen betrug, wobei zu beachten ist, daß die Bevölkerung im großen Ganzen Eaigrgenkommen zeigte Die Kosten der Erhebung beliefen sich aus gegen 6000 Frane«, wozu ebensoviel sür die Bearbeitung kam — Die auszusüllenden Rubiike» in den Wohnungsbogen bezogen sich aus Art des Gebäudes, Namen des HaushaUungsvorstandes, Personen der Haushaltung, Beschreibung der einzelnen Räume, Aborte, Küchenwässer, Wasserbczug, allgemeine Zustände der Wohnungen, bezahlte Miete, Termin des Einzuges. Bei der Beschreibung der einzelnen Räume waren Lage, Verwendung. Länge, Breite, Höhe, Bodenfläche, Kubikinhalt, flensterzahl, Beleuchtung, Zahi der schlafenden Personen, und bei Erdgeschossen die Höhe über dem Terrain und die Unterlage anzugeben. Bei den meisten Wohnungserhebungen hat man sich aus Feststellung der Zimmer zahl beschränkt. Dies genügt jedoch nicht, denn die so zu Grunde gelegte Raumeinheil, das Zimmer, ist keine bestimmte Größe. Erst wenn man, wie in Basel, die Raumverhält nisse genau fcststcllt, kann man beurteilen, inwieweit die Wohn ungszustände befriedigend, genügend oder kulturwidrig sind. Allerdings verursachen diese Feststellungen ganz erhebliche Mühe Die statistische Bearbeitung des so gewonnenen Matcrials ist in mustergiltigcr Weise durch Prof 2 ücher erfolgt, namentlich für städtische Behörden, dessen umsänglicher und lehrreicher Arbeit unsere Angaben in der Hauptsache entnommen sind *) Die Ergebnisse der Erhebung interessieren uns nur im all gemeinen und soweit sie nicht Baseler Eigentümlichkeiten dar- stellcn. Als solche sind namentlich die Lichtseilen, vor allen« die große Zahl der von den Eigentümern selbst bewohnten Häuser und der verhältnismäßige Mangel an Mietskasernen anzuiehen. Dagegen müssen die meisten Schattenseiten leider ais ihpisch sür die städtischen Wohnungsverhältnisic überhaupt angesehen werden Hierher gehört die schlechte Beschaffenheit der Wohnungen, von denen ein großer Prozentsatz seucht, dunkel, schlecht ventiliert, zu niedrig war und namentlich gänz lich ungenügende Abortsverhälmisse auswßs. Ganz allgemein war die zu große Dichtigkeit ter Wohnungen. Wenn man sür die einzelne Person einen Mindcstschlasraum von lO und einen Mindestwohnranm von 20 Kubikmeter annimmt, was gewiß ein üußeist niedriges Maß des unbedingt Notwendigen dar stellt, so halten mehr als ein Drittel der Wohnungen und über zwei Fünttel der Bewohner nicht den Mindestwohnranm, über k Prozent der Wohnungen und über 7 Prozent der Bewohner aber noch nicht einmal Leu Mindestschlafraum. Betrachtet man die Schlafzimmer allein, so wies der fünfte Teil derselben noch nicht den Mindeftschlasraum aus Ebenso ungünstig ist das Verhältnis der Zunmerzahl: nicht die Halste der Baseler Be völkerung wohnte befriedigend, ein Fünftel völlig ungenügend. Vielfach fehlte es den Wohnungen an selbständigen Küchen, gegen lü Prozent der Wohnungen waren auf gemeinschaft liche Küche angewiesen. Die Dichtigkeit der Bewohnung wird zum Teil durch das Schlasgängcr- und Aflcrvermictung?- wesen erzeugt, welches in nahezu einem Viertel aller Haus haltungen aufgesundcn wurde Allerdings bestehen behörd liche Vorschriften, aber sie werden vielfach überichrilten, sodaß unter anderem ledige Männer weibliche Schlasgängcr hielten. Für derartige Unlcrvermictungen stellt Bücher mit Recht als allgemeine Erfahrung aus, baß der Arbeiter nicht eine größere Wohnung mietet, weil er Schlasgänger hallen will, sondern an sie vermietet, weil er eine große Wohnung nehmen muß, da er eine kleinere nicht findet Mit dieser Untervermictung dringen aber, wie Bücher hcrvorhebt, Elemente in das Haus ein, die mit ihm weder durch die Bande des Blutes noch durch irgendwelche dienstliche Verhältnisse verbun den sind, sondern sozusagen srcmdc Körper in einem kleinen sozialen Organismus darstellen, welche entweder dessen eigene Lebensäuße,ungen stören oder von ihm in irgend einer Weise ausgeglichen werden müssen, denn ein reines Vcriragsvcrhält- nis, welches eine enge Lebcnsgcmcinschast bedingt, bedarf eines sittlichen Bandes; da aber ein solches meistens schlt, so wird ein ganz neuer Familienthpus geschaffen, der nur die äußeren, aber nicht die inneren Merkmale des echten ousweisl. Endlich hat die Baseler Erhebung noch die allgemeine Beobachtung wiederum bestätigt, daß kleine Wohnungen viel häufiger ge wechselt werden und unverhältnismäßig teurer sind als die größeren uud daß ein eigentlicher WohnungSwucher in ausge dehntem Maße stattfindet. Je schlechter die Wohnungen, desto teurer. Die Wohnungen, welche nicht einmal den Mindest- schlasraum gewährten, zeigten sich beinahe um die Halste teurer als Wohnungen mit reichlichem. In den untersten Einkommen stufen verschlang die Miete bis über ein Viertel der Iahres- einnahme, während in den obersten nur einige Prozente ge braucht werden. * Die Wohnungsenqu''te in der Stadt Basel vom 1 bis 10. Febiuar 1880. von Karl Bücher. Basel 1891 Diese Ergebnisse sind um so ungünstiger, als ja, wie ein gangs erwähnt wurde, durch gemeinnützige Thätigleit eine er hebliche Zahl von kleinen Wohnungen hcrgestellt wurde Ob gleich die innere Stadt cntlastet und den Bewohnern der gebauten Häuser weuigstens eine gesunde WohnungSlage gewährt worden ist, hat man nicht die gewünschten Ersolge gehabt, weil man in der Hauptsache darauf ausgegangen ist, den Arbeitern Eigentum an den Häusern zu verschaffen Um dieses bei den Grundpreisen unerreichbaren Ideale« willen hat man das erreichbare Gute nicht erreicht Denn diese kleinen Häuser, in welchen man sich das Wohnen der Arbeiterfamilien so anmutig vorstellte, erwiesen sich durchgängig als ein viel zu teurer Besitz, und wurden, auch wenn sie nicht zum Berkaus gelangten, durch Astervermietung gerade so überstillt, wie die anderen kleinen Wohnungen Sehr richtig sagt Bücher, daß das Banen von Arbeiterwohnungeu verhältnismäßig das Leichteste ist und daß es auch aus das Modell nicht gar so sehr ankommt, die Haupt sache ist die Vermietung und Verwaltung und vor allem die Verhinderung der Übersüllung durch Untermieter. Wo auch der Gebildete und Wohlhabende sich regelmäßig den Luxus eines eigenen Wohnhauses versagt, kann ihn sich der Arbeiter erst recht nicht gewähren, aber eine gesunde und räumlich ge nügende Wohnung sollte ihm verschafft werden (Forts, solgt) Tie Lo;ialdemoliatic hat jetzt keine guten Tage. „Glänzend" und „scharf" soll bekanntlich nach den Tiraden der svzialdemo kratischen Blätter die Rüstung der roten Dame sein und alles soll ihr gelingen. Wie viele vom Rost zer fressene Stellen haben sich aber nicht in den letzten Wochen an dieser Rüstung gezeigt, wie viel ist nicht den erleuchteten Geistern der Partei mißlungen! Erst am Sonntag wieder, bei der geplanten „groß artigen" Kundgebung auf französischem Boden, — welche geradezu lächerliche Rolle haben da nicht wieder unsere vaterlandslosen frauzosenfrenndlichen Genossen gespielt! Man lese nur in der „Straßb Post" den folgenden Bericht über diese Vorgänge nach: In hellen Hausen pilgerlen am Sonnlag nachmillag die Sozimd mokraten Markirch« und seiner Umgebung, sowie zahlreiche Straßburger und Mülhaujer Genossen hinaus zur Gienze auf der Sankt - Tiedelcr - Höhe, wo aus fran zösischem Gebiet in der Nähe der zwei Wirtschaften von Pfister Bebel, der Straßburger, und Bueb, der Mülhaujer Reichstags abgeordnete, über ihre Thätigkeit als Reichsboteu bcrichien wollten. Dort oben entrollte sich gegen 2 Uhr ein interessantes Schauspiel. Diesseits der Grenze hatte die Markircher Polizei macht und die deutsche Gendarmerie Ausstellung genommen, jen seits der Grenze ihre französischen Kollegen, am Waldesrande lagerten die Grenzwächtcr beider Staaten, und unter dem Scheine einer Truppenübung hielt sich eine größere Anzahl der Sankt Diedeler Chasseurs im Walde verborgen. Etwa 1600 Menschen, von denen etwa ein Viertel anS Zuschauern bestand, die von nah und sern zu Fuß, zu Wogen oder mit dem Fahrrad herbeigecilt waren, slutcten aus der Landstraße auf und ab. Hochrufe auf die internationale Sozialdemokratie ertönten, und, ein beredter Be weis sür ihren Jnteruationali-muS, die elsässischen Sozi «listen, die blau-weiß-rote Blumensträuße trugen, riesen vivv la b'rauc:«! aas Leibeskräften Da erscheinen Bebel und Bueb, die Helden des Tages, die mit der Bahn in Markirch anqckommen waren und sich sofort aus die Grenze begeben hatten. Sie betreten den sranzösijchen Boden, werden stürmisch bewillkommnet; aber Ruhe wird plötzlich nach dem Sturm. Der Bürgcrmciner des sranzösßchen DorseS Wisjembach tritt an die beiden Abgeord neten heran, übergicbl jedem ein Papier, beide lesen es, sind sehr überrascht, sie wenden schleunigst dem schönen Frankreich den Rücken und ziehen sich aus die heimat liche Erde zurück: Bebel und Bueb waren ans Frankreich ausgewiesen! Bebel war geradezu geknickt; wortlos starrte er aus den Ausweisungsbefehl, den ihm der seinerzeit aus Tcuischlaud ausgewiesene Bürgermeister überreicht hatte. Ironie des Schicksals." Bueb jedoch sühlte offenbar die Bla mage nicht oder wollie sie nicht fühlen; er bestellte sich kalt blütig ein Glas Wein, natürlich roten, und meinte, als er da von getrunken, der sei gerade so schlecht wie die Republik, die den Zar empfange, ihn aber, den großen Bueb, „nüskehe" (Hinauswerse). TaS allgemein überraschende Vorgehen der französischen Behörde ist leicht erklärlich Zwar halte sie die Abhaltung der Versammlung gestattet, aber, daß Bebel und Bueb Reden Hal en wollten, war ihr nicht mitgeleilt worden, und so verhinderte sic dies duich die Ausweisung der Beiden. Doch damit war die Blamage noch nicht be endet, der zweite Streich solgt sogleich. Die französischen Sozialisten ließen nämlich durch einen Brus oder mündlich kundthun (genau konnte ich es nicht sesistelleiO. sie stimmten zwar im kollektivistischen Prinzip mit den Deutschen überein, aber sonst wollten sic mit ihnen nichts zn thnn haben, am wenigsten 'N einer gemein samen Versammlung Während Bueb seinen Rotwein schwei gend schlürste, wurde unterdessen im großen Saale de- Pfister- schen Hotels unter riesigem Lärm ein Bries Bebels vorgelescn, den dieser schnell hingekritzelt hatte. Schreiber dieser Zeile» konnte aber nicht« verstehen als: „Des welle mer denne Fran zose nei vergässe!", welche Bemerkung sich der Vorleser leistete Damit war der Schluß der Versammlung gegeben, denn der französische Kommissar löste dieselbe aus Nu» wurde seilen der Elsässer in allen Tonarten geflucht aus die Franzosen, die man noch eben halte hochlcben lassen, e« waren nun lauter „Elandi Kaiwe" elende Kerle) und waS dergleichen Kosenamen mehr sind Eine Anzahl von ..zielbewußten" Genossen und nicht zum wenigsten Genossinnen stimmten die Arbeitermarseillaise an, aber mit schwachem Erfolg, der Himmel öffnete stink Schleusen, und so war die mit so großem Radau inszenierte Ver sammlung kläglich z n Wasser gcworden. Auf dem Bahnhose in Markirch spielte sich später ein amüsanter oder wideilicher Austritt ab, je nachdem man es aussaßt. Man denke sich eine Un menge mehr oder weniger stark benebelter Männlein und halb reiser Burschen, die unaushörUch Hoch rusen; am meisten natür lich thut dies die Schuljugend, bis sie vor Heiserkeit nicht mehr kann; Bebel sitzt geknickt in seinem Abteil dritter Klasse und lächelt melancholisch Bueb ist nicht zu sehen, warum? Er soll sich mit Bebel entzweit haben, weil dieser ihm Vorwürfe ge macht habe über seine schlechte Informierung Auf einer der höchsten Tannen des Zuckerhuts war eine rote Fahne ausgcsteckt worden Die Polizei hat das rote Tuch entfernen lassen. — In der That, so bemerkt die „Straßb. Post" zu dem Verlauf dieser Bcrsammiung, eine so lächerliche Rolle, wie am Sonntag, dürste die deutsche Sozialdemokratie noch kaum gespielt haben, und zwar nm so lächerlicher, als sie die Schuld daran lediglich sich selbst zuzn schreiben hat Geradezu köstlich ist es, angesichts solcher Vorgänge, wenn der „Vorwärts^ seinen Lesern heute nutteilt: „. . . . Wohin man sinimer hörte, einstimmig lautete das Urteil, daß dieser Akt der französischen Re gierung die größte Blamage sei, die siebe gehen konnte." Der „Vorwärts" setzt bekanntlich bei seinen Lesern nur ein verschwindend geringes Maß selbständigen Denkens voraus. Aber so be schränkt ist wohl keiner seiner Leser, zu glauben, daß jemand andeies am Sonntag der Blamie-te gewesen ist, als Herr Bebel und sein Generalstab. Auch der Streit in der Redaktion des „Vorwärts", der die Einigkeit der Genossen so herrlich illustriert, dauert fort. Heute enthält das sozialdemokratische Blatt wieder folgende Erklärung: „In der „Vossifchcu Zeitung" wird in einer Besprechung deS bedauerlichen Konfliktes in der Redaktion des „Vorwärts" gesagt: „Wie verlautet, hat Herr Ledcbour, der die Protest erklärung gegen Liebknecht zwar, da er aus Urlaub war nicht mitnnterzeichnet hat, aber aus dem Standpunkt der Protestler steht, bereits feine Kündigung erhalten." Was betreffs meiner Perlon ausgesprochen wird, beruht auf einer durchaus irrtümlichen Auffassung Meine Stellung in der Redaktion des „Vorwärts" habe ich selbst ge kündigt, und zwar bereits am 1 Juli zum 1. Oktober, solglich längst, ehe sich die Debatte über die Quarck- schcn Vorschläge entspann Mein Austritt aus der Redaktion des „Vorwärts" hat also gar nichts mit diesem Kon slitt zu jchusscn. Was den Konflikt selbst anbetrisst, so stehe ich keineswegs, wie die „Vossiiche Zeitung" sich aiisdrücki, „aus dem Standpunkt der Protestler", jvndcni mißbillige die Ei kläiuug meiner sechs Kollegen vom 27. August in den wesent lichsten Punkten Ich hatte, um Mißdeutungen zu entgegen, wie sic jetzt thatsächlich in der Preße zum Ausdruck gekommen sind, von meinem Fericnansenthaltsorie aus am 1 September eine eingehende Erklärung zu der Streitfrage au die Redaktion des „Vorwärts" abgcschickt und mit dem Hinweis auf die Mög lichkeit solcher Mißveutuugeu uni deren Abdruck gebeten Ter Abdruck der Erklärung erfolgte jedcch nicht, weil vor Ein treffen meines Berichts redaktionell mitgctcilt worden war, daß zunächst im „Vorwärts" nichts mehr über den Konflikt gebracht werden solle Da nur eine sachliche Begründung meiner Stellungnahme mich vor ferneren Mißdeutungen schützen kann, behalte ich mir indes vor, in einem anderen Palieiblatt meine Ansicht auszusprecheu. Georg Ledebour Sehr bemerkenswert ist auch ein Geständnis, welches der bekannte sozialdemokratische Reichstagsabgeordnele Auer vorgestern in einer großen Volksversammlung in Berlin ablegte. Auer beklagte nämlich bitter, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit der Partei genossen in den Provinzen immer mehr zu- rückginge. Berlin und Hamburg brächten fast allein die gesamten Kosten der Partei auf! Und in die Reihe der Anzeichen, welche deutlich erkennen lassen, wie es hinter den Koulisscn der Um Lunst und Wissenschaft. Key West und die Golf-Eisenbahn. Längs der Südost- und Südküste des Unionsstaates Florida zieht sich von Biscayno unweit des 26. Breiten kreises eine lange Reihe schmaler, durch breitere und engere Kanäle voneinander getrennter Inseln erst nach Süden und dann nach Südwest bis über den Meridian des Kaps Sable hinaus, durch welche die Küstengewässer Floridas von der Floridastraße getrennt werden Es sind dies die Florida - Keys, gewöhnlich kurzweg die „Keys", d. i. die Riffe, genannt, niedrige, aus Korallenkalk aufgebaute In seln, die sich um so weiter vom Festlande entfernen, je weiter nach Süden sie liegen. Unweit des Westendes der ganzen Reihe und am entferntesten vom Festlande liegt Key West und auf ihm die Stadt gleichen Namens, die durch ihre Zigarrenfabriken weithin bekannt ist; denn diese verarbeiten einen nicht geringen Teil des Tabaks der Insel Cuba, welcher sich hier die Vereinigten Staaten am meisten nähern und von deren Hauptstadt Habana Key West ziemlich genau nach Norden liegt Diese Hafenstadt mittels einer Eisenbahn, welche die sie vom Festlande trennenden Gewässer des Golfes von Mexiko durch schneiden soll, unmittelbar mit dem gesamten Eisenbahnnetz der Vereinigten Staaten zu verbinden, ist das neueste großartige Projekt, dessen Ausführung man in der trans atlantischen Republik als eine der Kunst der dortigen In genieure würdige Aufgabe bezeichnet Tie erste Aufnahme für eine Eisenbahnlinie nach Key West wurde schon 1866, also vor nunmehr 30 Jahren, durch den Zivilingenieur I. C Bailey sür die „International Ocean Telegraph Company" gemacht Deren Präsident, General W. F Smith, hatte von der spanischen Regierung für 40 Jahre da« au«schlzpßliche Recht erhalten, ein Kabel nach der Küste von Cuba zu legen, und von den zwei dafür vorgeschla genen Linien führte die eine über die Keys Bailey, mit der Untersuchung dieser Linie betraut, dehnte seine Ar beiten auch auf die Erforschung der Möglichkeit einer Eisenbahn aus und stellte in seinem der Gesellschaft überreichten Be richte auch einen Plan zu deren Ausführung auf; doch ruht dieser bis heute unbenutzt in dem Archive der „Western Union Telegraph Company", unter deren Kontrolle später die zuerst genannte Gesellschaft kam. Daß gerade jetzt das Projekt wieder aus die Tagesordnung gesetzt wird, darf man wohl mit dem Eifer in Zusammenhang bringen, mit welchem in den Vereinigten Staaten die cubanische Frage behandelt wird; denn mag Spanien seine Herrschaft über Cuba auch in der Zukunft behaupten oder diese Insel schließlich die politische Sejbständigkeit erreichen, so ist doch sicher, daß sie in immer höherem Grade von den Vereinigten Staaten wirtschaftlich abhängig werden wird, und im Hinblick darauf muß allerdings den am Handel mit Cuba interessierenden Kreisen eine Eisenbahnverbind ung zwischen Key West und dem Festlandc sehr er strebenswert erscheinen Im 6 Hefte des laufenden Jahr ganges des „National Geographie Magazine" tritt Jefferson B. Browne, der als Chef der Zollbehörde in Key West mit den hierbei in Frage kommenden Ver hältnissen vertraut sein muß, für das Projekt ein Auf seinen Ausführungen beruhen die folgenden Mitteilungen. Der Reisende, der sich der kleinen Insel Key West nähert, ist verwundert, an einer so vollständig von der übrigen Welt abgeschiedenen Stelle eine Stadt von mehr al« 20000 Einwohnern zu finden. Seine Verwunderung verwandelt sich aber in Staunen, wenn er nach der Land ung bemerkt, wie w:nig der Mensch zur Vervollkommnung der Insel gethan, wie er vielmehr vurch seine Irrtümer die Natur verdorben hat, und wie dessenungeachtet hier eine Stadt, die mit dem Lande, zu dem sie politisch ge hört, weder durch eine Straße noch durch eine Eisenbahn verbunden ist, zu solcher Blüte hat gelangen können Ist der Reisende aber nicht ein ganz oberflächlicher Beobachter, so wird er bald bemerken, daß man sich eher darüber wundern muß, daß Key West bei den natürlichen Vor teilen, die es besitzt, nicht einen noch größeren Aufschwung genommen hat; er wird es erklärlich finden, daß es seit fünfzig Jahren seine Stellung als die bevölkertste Stadt des Staates Florida behauptet hat Sein Gedeihen ver dankt Key West nicht einem einzelnen Bcschästigungs- zweige, sondern der Mannigfaltigkeit seiner Hilfsquellen, die wiederum ein Ergebnis seiner geographischen Lage ist Die breite Grundlage, auf der es sich aufbaut, bilden die gewöhnliche und die Schwammsischerci, die Zigarrcnfabri- kation, seine Bedeutung als Marine- und Kohlenstation und als Anlaufhafen, und die Vorteile, die es als Knoten punkt einer Anzahl von Schiffahrtslimen genießt Es ist nicht zu viel behauptet, wenn gesagt wird, daß im Falle der Vollendung des Nicaragualanalv Key West die wich tigste Stadt an der Südküste der Vereinigten Staaten werden müßte. Aber auch ohne das müßte eine Eisen bahn einen großen Ausschwunh der Stadt herbcisühren Der Bau einer solchen erscheint zwar auf den ersten Blick sehr zweifelhaft, aber bei genauerem Zusehen doch nicht aussichtslos Die Bahn müßte sich natürlich der Linie der Keys anschließcn Von Key West bis zu der Stelle, wo sie aufs Festland hinübergeführt werden könnte, sind es 120 englische Meilen, von welchen 100 auf die Keys kommen; es bleiben also 20 Meilen sür die Straßen, durch welche die einzelnen Key« getrennt sind, und die bald breiter und tiefer, bald schmäler und seichter sind Mehrere Paffagen sind so seicht, daß sie leicht mit dem losen Fels gestein auSgesüllt werden können, das auf allen Inseln in ungeheuren Mengen vorhanden ist. Tie übrigen müssen allerdings überbrückt werden, aber es genügen meisten« Bockbrücken, deren Bau verhältnismäßig wenig kostspielig ist; nur bei einigen Kanälen, welche von Schiffen passiert werden, sind andere Konstruktionen mit Drehbrücken not wendig Die Eisenbahn hatte der Reihe der Keys nach Norden bis zu dem 30 englische Meilen langen Key Largo, der größten und fruchtbarsten Insel in der ganzen Reihe, zu folgen und müßte von hier auS nach dem Festlande hinübergesührt werden Die Beschaffenheit der Inseln und der Meeresgegend, durch die sie sich hinziehen, würde den Bau der Eisenbahn erleichtern. Das ungefähr 30 Meilen von Key West ge legene Big Pine Key ist mit Fichten bewachsen, die treff Uche Eisenbahnschwellen liefern können. In den weichen Korallenfelsen, aus dem der Meeresboden besteht, können die eisernen Pfähle der Bockbrücken leicht kingetrieben werden. Auf diese Weise sind Vie Leuchttürme längs des Floridariffes gebaut, die den Stürmen und der See seit vierzig Jahren widerstanden haben Ter Boden der Inseln selbst stellt dem Eiscnbahnbaue nicht das geringste Hindernis entgegen; denn wenn er von der Tammerdc und den losen Steinen gesäubert ist, so ist er eben und glatt, wie ein Ballsaal. Das Floridariff, das an der Außenseite der Keys der ganzen Reihe parallel läuft, schützt die Bahn selbst bei den schwersten Wirbelstürmen des Golfes von Mexiko vor den Hochseen Die Key« liegen sämtlich außerhalb der Frostgrenze, und die köstlichsten Früchte und Gemüse gedeihen auf ihnen aus« üppigste Während die zwei Fröste des Winters von 18S5 auf 1896 in allen anderen Teilen Floridas die Tomaten, Ananas, Eierpflanzen und die dort wachsen den tropischen Früchte vernichteten, litten diese auf den Keys nicht im geringsten Infolge des Mangels an guten, namentlich raschen Transportgelegenheiten sind allerdings nur wenige Jnfeln bebaut, da man nicht größere Mengen gewinnen darf, als der lokale Markt bedarf Durch eine Eisenbahn würde dies bald anders werden Da« Klima von Key West ist außerordentlich mild. Seit dem AuS- nahmejahre 1886 ist die Temperatur nicht über 33,3 Grad
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