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Dresdner Journal : 24.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189608244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960824
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960824
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-24
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 24.08.1896
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Erste Beilage zu ^7 196 des Dresdner HoUrlMls. Montag, den 24. August 1896, abends. Sächsische Handwerk»- und Knnstgewerb:- Ändpellnag. xx Halle für Lederindustrie und Sport. (II. Teil) Ganz besonder« kann sich die Dresdner Ausstellung ihrer Abteilung für Wagenbau rühmen. Besucher der Buda-Pester wie der Berliner Ausstellung räumen ein, daß mit diesen Ausstellungen die Dresdner Sattler- und Wagenbau - Ausstellung mit bestem Erfolg einen Vergleich aushalten könne E« ist thatsächlich eine wahre Freude, diese Erzeugnisse unseres vaterländischen Gewerbefleißes zu besichtigen Leicht, bequem und elegant in der Aus stattung, außen wie innen, sind ohne Ausnahme die hier vorgesührten Gegenstände. Der Wagenbau ist ein vielseitiges Gewerbe. Es be dingt Sachkenntnis in der Schnuederei, in der Holz bearbeitung, d. h. der Stellmachern, der Wagenbauer muß ferner ein guter Tapezierer sein, und er muß auch das Malen und Lackieren aus dem Fundament verstehen Speziell ob ein Wagen gut lackiert ist, läßt sich leicht er kennen, wenn der Grund klar ist, namentlich bei besseren Wagen die zwischen Bock- und Rücksitz ziemlich breit ge haltene Hohlkehle, die meist schwarz ist, keine Bläschen oder Unebenheiten, auch keine unverkitteten und ver- schüffenen Nagelspuren oder Lack- oder Pinselstriche, son dern eine spiegelnde Fläche zeigt. Man bedenke, daß ein guter Wagen vier- bis sechsmal abgeschlisfen werden muß, ehe seine Lackflächen eine solche spiegelnde Glätte erhalten, daß ein guter Meister sich davon befriedigt erklären darf. Daraufhin sehe man sich einmal die beispielsweise von K H. Gläser, M. Herrmann und R Lieber aus gestellten Wagen an. Zu den Einzelheiten übergehend, wenden wir uns zu nächst der Gläserschen Kollektion von Luxussahrzeugen zu. Wir sehen da einen sür die Königliche Remise be stellten Galaschlitten Das Untergestell aus getriebener, reich in Gold gezierter Schmiedearbeit bestehend, stellt ge flügelte Greifen dar, die in schwungvolle Arabesken aus laufen. Ein prächtiges, mit goldenen Bärentatzen verziertes Bärenfell dient als Schutzdecke, reiche Posamenten schließen die Rücken der Sitz- und die Seitenlehnen ab. Eine offene Mailcoach für 15 Personen, ein Glas- und ein Leder landauer, letztere beide mit „0"- und Druckfedern versehen, Zwei Dogcarts, der eine mit Knieachsen und Cabriolet- daum, der andere mit lang durchgehender Gabel und ge schweiftem Kotschirme sind wahre Meisterstücke des Wagen- baueS Auch die von Heuer- Radeberg ausgestellten Kutsch wagen und Schlitten sind sehr gut gebaut. Unter ihnen befindet sich ein ausfallend hübscher Selbstkutschierer mit einem Schutz dach sehr praktischer Konstruktion. W. Werner hat em Coup und eine Halbchaise, E. Dottermusch einen Landauer und einen Naturkutschwagen, H. Römer und I. Becker aus Waldheim zusammen einen Naturkutsch- wagen, N. Gall-Bautzen eine sehr hübsche Jagddroschke und einen Pürschwagen mit verstellbarem Hintersitz, M. Herzmann unter anderem eine allerliebste Halbchaise ausgestellt, deren Rücksitz durch eine einfache Manipulation unter den Bock geschlagen werden kann, sodaß er nicht, wie es sonst meist der Fall ist, die Wageninsassen geniert. R Liebert bringt einen Schlitten, der so recht für Groß stadtverhältnisse gebaut ist, wo die Schlittenbahn durch das zur Erleichterung des Tramwayverkehrs notwendige Salzstreuen regelmäßig stellenweise völlig verdorben wird. Unter dem Schlittengestell sind nämlich Rüder angebracht, die bei gleichzeitigem Heraufwinden der Kufen im Bedarfs fälle herabgelassen werden können, sodaß dann der Schlitten als Wagen geht. Auf schneereichen, bahnlosen Wegen dürfte allerdings diese Erfindung der Bewegung des Schlittens hinderlich sein. Ein von L. Köhler ausge stellter sehr hübscher Phatton ist zur Verlosung angetauft worden. Unter der Bezeichnung „Neformwagen" bringt El Herzog-Meißen einen dreirädrigen von ihm kon struierten Ponywagen zur Ausstellung, der nach Aussage des Erfinders ganz besonders leicht gehen, dauerhaft sein und im Vergleich zu den zweirädrigen ähnlichen Wagen das Pferd nicht belasten soll. Als Hilssmaschinen für den Wagenbau sehen wir u. a. von G. Lehmann-Leipzig eine Schweihmaschine zum Stauchen von Wagenreifcn und -Achsen, eine Reifen- biegemaschinc und eine Säulenbohrmafchine ausgestellt. G. A. Böhme-Großröhrsdorf und I. H Klotz-Dresden lieferten reichhaltige Kollektionen von Hufeisen für normale und anormale Hufe, und Schmiedemeister Günther zeigt an dem vor der Halle stehenden Schneepfluge neuerer Kon struktion ein ihm patentiertes elastisches Ortscheit nebst Doppelwage. Beides soll die bisher für schweren Zug benutzten Stoßfänger und Pferdeschoner ersetzen Der Vorteil dieser elastischen Wage liegt darin, daß sie einen einseitigen ungleichmäßigen Anzug der Pferde ausgleicht, daher ein ruhiges, das Zugtier nicht überanstrengendes Anziehen ermöglicht. Für die Brauchbarkeit dieses Instru mentes spricht sicher der Umstand, daß u. a. die Deutsche Straßenbahngesellschaft zu Dresden diese Wagen für den ganzen Betrieb eingesührt hat. P. Th. Günther- Annaberg hat verschiedene fahrbare Feuerspritzen, die Braunsche Dauerreisen-Gesellschaft hingegen Dauer reifen, welche zur Hälfte mit Gummi, zur anderen mit Kork gefüllt sind, ausgestellt. Vor und in einem zur Halle gehörenden Schuppen, ferner in dem an der Grenze zur HerkuleSallee errichteten Annrxbaue zur Wagenhalle finden wir einen von E I Schulze-Hirschfeld gelieferten ViehtranSportwagen mit beweglicher Vorderwand, die als Rampe verwendet werden kann, einen luxuriös auSge- statteten Möbeltransportwagen von H. Schumann- Werdau und verschiedene GeschäftSwagen zum Viehtrans- port durch Striezel u. Hartmann-Hirschfelde aus gestellt, eine Straßenkehrmaschine führt L. R. Wacker, verschiedene Ackergerätschaften führen R Bär-Rothnaußlitz, I. Mühlhans-Döhlen b. Rochlitz, R H. Hering- Reichsstadt b. Dippoldiswalde und K A Walther- Reinholdsheim vor. B Böttger-Chemnitz hat die Aus stellung mit mehreren Transportwagen für geringere wie schwerste Lasten beschickt, sodaß auch in dieser Richtung die Vielseitigkeit der Stellmachern und Schmiederei dar- gethan wird. Nachrichten aus den Landesteilen. * Leipzig, 22. August. Die diesjährigen Sommer kurse der Lehrerbildungsanstalt deS Deutschen Vereins sür Knabenhandarbeit sind wiederum zahlreich, nicht bloß von deutschen, sondern auch von ausländischen Lehrern (z. B aus Schottland und Schweden) besucht: an allen drei, je fünf Wochen dauernden Kursen nehmen etwa hundert Lehrer teil. Der Unterricht findet in diesem Sommer zum ersten Male in dem an der Scharnhorst straße gelegenen eigenen Gebäude des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit statt Der erste Kursus begann am 28. Juni, der zweite am 5. August; der dritte Kursus wird im Monat September seinen Anfang nehmen. * Zwickau, 23. August. Der hiesige Gewerbe verein feiert in wenigen Monaten sein 50jähriges Jubi läum und bereitet schon jetzt diese Feier vor. — Se. Majestät der Kaiser haben dem K. S. Militärverein zu Venusberg eine Fahnenschleife in den Reichsfarben und einen Fahnennagel mit dem Reichswappen verliehen. * Meisten, 22. August. Das „M T." schreibt: Die andauernde regnerische Witterung verringert von Tag zu Tag mehr die Aussicht auf eine qualitativ gute Wein lese in diesem Jahre, was um so mehr zu beklagen ist, als selten die Weinstöcke so viel Anhang gehabt haben als gerade Heuer Von den am meisten in unseren Wein bergen angebautcn Keltcrtraubensorten lautert nur erst der Frühburgunder, während der große Burgunder, welche Sorte den Hauptbestandteil in unseren Weinbergen aus macht, sich noch nicht rührt. Auch von den frühzeitigeren Tafeltraubensorten sind wenige erst in der Läuterung be griffen. Dazu kommt, daß viele Trauben verschiedener Sorten bereits anfangen am Stocke zu faulen und die Peronosporakrankheit (der falsche Mehlthau) der Reben in bedeutender Ausdehnung noch austreten zu wollen scheint. Warme Tage und langandauernde gute Witterung werden deshalb allseitig von den Weinbauern herbeigewünscht Die zweite Weinbergshacke ist in den meisten Weinbergen Mitte dieses Monats zu Ende geführt worden, und vieler Orts hat man auch bereits mit dem Gipfeln (dem Ver hauen) der Stöcke, der letzten Wcinbergsarbeit vor der Lese, begonnen. * Aus der Löstnitz, 23. August. Die Pension Alt friedstein in Niederlößmtz bei Dresden, deren schloß- artiges Gebäude, vom Grafen Brühl 1742 errichtet, von dem jetzigen Eigentümer, Hrn. Weingutsbesitzer Lamsbach, baulich erweitert wurde, liegt am Enve einer langsam an steigenden, dichten und schattigen Kastanienallee. Einen eigenartig schönen Eindruck von demselben gewinnt man bei einer vollständig elektrischen Beleuchtung des Parkes. Die erweiterten Wohnräume sind mit jedwedem Komfort, allen Ansprüchen der Neuzeit Rechnung tragend, auS- gestattet. (ES besitzen u a. sämtliche Zimmer, Korridore, Toiletten- und Badezimmer elektrisches Licht). Im ganzen sind 20 größere und kleinere Zimmer, im Parterre und erster Etage gelegen, auch zusammenhängende, mit vorzüg lichen Betten, vorhanden. Zur Unterhaltung befinden sich im Parterre neben dem geräumigen, eleganten Speiscsaal ein im altdeutschen Stil gehaltenes Spielzimmer. Zwischen Speisesaal und Spielzimmer liegt der Lesesalon An schließend nach der linken Seite gelangt man nach einer gedeckten Loggia. Im wohlgepflegten Park befinden sich die Kegelbahn, der Lawn-TenniS-, Kroquet- und Turnplatz, sowie schöne Wiesen sür die Spiele der Kleinen. Da der Besitzer Landwirtschaft und Weinbau in größerem Maß stabe betreibt, ist die günstigste Gelegenheit für Milch-, Obst- und Traubenkuren. Ausgedehnte Obst- und Beerenplantagen, die in der Gegend als die wohlgepslegtestcn gelten (Zwergobst), stehen in vollstem Schmucke und werden die Früchte besonders vom schönen Geschlecht aufs Sorg fältigste geprüft. Eine größere Abteilung von etwa 90 Bäumen sind vom Besitzer dem Landesobstbauvcrein als Kulturversuchsstation eingeräumt worden, um die ver schiedenen Wirkungen der chemischen Düngungen zu prüfen, durch deren Anwendung seit mehreren Jahren unerwartete, konstante Erfolge erzielt worden sind. Freundliche Prome- naven führen in den kaum 5 Minuten entfernten, mit vielen Ruheplätzen auSgestattcten Wald Ein bergansteigender bequemer Weg führt zu hervorragenden Aussichtspunkten. Vom ersten Stockwerk des Pensionsgebüudes führt ein be sonderer Gang nach dem Weinberg, um auch Schwächeren Gelegenheit zu geben, die näheren Aussichtspunkte ohne Anstrengung zu ersteigen, über Pensionsbedingungen giebt ein ausführlicher illustrierter Prospekt Auskunft * Löbau, 23 August. Wie sehr sich der Wohlstand der hiesigen Einwohnerschaft gehoben hat, ist daraus zu er sehen, daß die städtischen Anlagen vom Jahre 1890, wo sie 27 000 M. betrugen, bis zum Jahre 1895 auf 61000 M gestiegen sind E« haben seit dieser Zeit einige Nachversteuerungen stattgefunden, doch sind nur wenige Anlagen mehr erhoben worden, die sich durch die Reparatur der Nikolaikirche nötig machten Die meisten Einnahmen hat der wachsende Wohlstand der Bewohner schaft hervorgebracht vermischtes. * Ein junger österreichischer Botaniker, (.'auck. pbil. Max Sostaritsch, der sich schon durch bosnische Forschungen einen Namen gemacht, unternahm jüngst eine dreimonatliche Forschungsreise nach Albanien in das wilde Dibra Er hatte viele Gefahren zu bestehen, wurde ausgeplündert und schließlich von der türkischen Behörde ausgewiesen. Er schilderte in Wien einem AuSfraaer des „NW. Tagebl." seine Erlebnisse im „dunkelsten Europa" und sie sind interessant genug, auszugsweise wiedergegeden zu werden. Mitte Juni war Sostaritsch von Monastir in Macedonien nach Lchrida gewandert, gute botanische Aus beute machend. Er erzählt dann: „In Lchrida blieb ich zwei Tage, um Rast zu halten unv Erkundigungen über den weiteren Weg nach Debr (Dibra) einzuholen, und war nicht wenig entsetzt, als ich erfuhr, daß die türkische Gendarmerie soeben nach einem Streifzug mit den ab geschnittenen Köpfen von fünf Räubern zurückgekehrt war Man riet mir also aufs dringendste von der Fortsetzung der Reise ab, weil, wo fünf Räuber getötet werden, ge wiß noch 50 ungetötete in der Nähe weilen. Selbst von offizieller Seite wurde mir dies gesagt, und ich mußte die förmliche Erklärung abgeben, daß ich, wenn ich doch weitergehen wollte, im Falle meiner Gefangennahme' zu mindest die Behörden nicht durch Inanspruchnahme ihrer Intervention belästigen würde! Das ist wirklich ermutigend für einen Forschungüreiscnden, nicht wahr? Aber ich durste mich davon nicht abhalten lassen. Ich hatte der Gesell schaft, die mich entsendet hatte, mein Wort verpfändet, und sollte ich es nun daraus ankommen lassen, daß die bisherigen Ausgaben ohne jeden Nutzen hinausgeworfen waren? Nein, und so ging ich also, und die Leute in Ochrida hielten mich für einen Wahnsinnigen und gaben mich verloren Ich aber hatte mir gesagt: unter solchen Umständen findet man den besten Schutz vor Räubern schließlich doch nur bei — Räubern, und hatte mir in aller Stille eine 15 Mann starke Räuber bande durch Vermittelung eines ihrer Helfershelfer als Eskorte gemietet. Ein bißchen Findigkeit muß man eben in seine Reisetasche mitnehmen, wenn man durch Albanien geht ... Nach großen Mühen und mannig fachen Gefahren gelangten wir am vierten Tage um 4 Uhr nachmittags in die Nähe von Debr, und nun schieden meine wackeren Begleiter von mir, sie getrauten sich nicht in die Stadt selbst — dort nannte man sie Räuber und einige Kugeln waren ihnen gewiß . . . "Nun, und so marschierte ich also ein Mann hoch in Debr ein . . . Dort empfing man mich mit grenzenlosem Staunen. Notabene hatte ich den Weg bis Debr im albanesischen Kostüme zurückgeleat, dieses aber vor der Stadt gegen meine europäische Kleidung umgetauscht, und da waren denn die guten Albanesen durch die fremdartige Erscheinung ganz aus der Fassung gebracht. Ich steige in dem ersten besten Han, einem albanesischen Wirtshause, ab, bringe mein Gepäck unter und beginne, in meinem Zimmer Um schau zu halten, als die Thüre aufgeht und ein ganzer Haufe Albanesen hereingestürmt kommt; aus der Straße aber standen noch sehr viele, die keinen Platz mehr finden konnten. Sie können sich denken, wie ich erschrak — allein, nein, die guten Leute kamen nur auf Besuch und ich bewirtete sie mit Kaffee und Schnaps und suchte eine Unterhaltung in arnautischer Sprache, die ich so ziemlich verstehe, anzubahnen. Nachdem die erste Partie mich verlassen hatte, kam eine zweite, dritte, vierte her bei, und das ging so bis zum Abend fort Alle wurden eingelassen, jeder einzelne bekam Kaffee und Schnaps. Etwa 300 Tassen Kaffee und 300 Schnäpse kostete mich der Tag — im Vertrauen will ich Ihnen aber verraten: ich konnte leicht so verschwenderisch sein, denn in Debr kosten die Schale Kaffee und die Portion Schnaps je — einen Kreuzer! Drei Tage blieb ich also in Debr, mitten in einer Bevölkerung, wo alles bewaffnet ist und selbst die Buben Revolver tragen, wo die Blutrache noch herrscht und der hervorstechendste Cha rakterzug die Vorliebe für Räuberei ist! Unter diesen Menschen lebte ich, sammelte fleißig, besichtigte die Stadt und sah mir einen Jahrmakt an, ohne daß mir von je mand Nase und Ohren abgeschnitten worden wären Aber als ich dann weiter nach Kostowo zog, da freilich kam ein Moment, wo ich mir sagte: Es ist um deine Nase ge schehen! Der Weg dahin ist, scheint mir, in ganz Europa unbekannt. Er dehnt sich vier bis fünf Tage lang mitten durch die wildeste Gegend, die ich bisher gesehen, an kahlen, 3000 bis 4000 m hohen, steilen, zerklüfteten, mit Schnee bedeckten Felsen vorbei — ein in unheimliches Schweigen versunkener, nur von Räubern bewohnter Land strich. Ich ging fürbaß in meinem Albancsenkostüm; immer dieselbe Öde, dieselbe auf der ganzen Landschaft lastende furchtbare Traurigkeit. Ta auf einmal — ein Johanniskraut wuchs am Wege und ich bückte mich, um es zu pflücken — da krachte hinter mir ein Schuß und eine Kugel schlug knapp an mir vorbei ins Gestein Ich fuhr in die Höhe, drehte mich blitzschnell nach der Richtung, von welcher der Schuß kam, und erblickte acht Räuber, das Gewehr im Anschlag, auf mich zielend, und ich ihnen gegenüber, einer allein . . . Was thun? In solchen Situationen überlegt man nicht lange, im Nu zog ich meinenRevolver hervorund hatte auf den Hauptmann angelegt. So standen wir uns schußbereit eine ganze Weile gegenüber. Endlich rief mir der Hauptmann zu, ich solle mich er geben und Lösegeld zahlen, und da fiel mir, ich gestehe cs ein Stein vom Herzen, denn Lösegeld — da denken ja die' Herren ans Geschäft und nicht gleich ans Tolfchießen — und so warf ich den Revolver zur Erde, die Räuber senkten ihrerseits ebenfalls die Gewehre und ich sagte: „Ich habe nur sechs Napoleons, die gebe ich Euch." Darauf traten die Räuber zu einer kurzen in arnautischer Sprache ge führten Beratung zusammen, deren Verlauf ich ganz gut verfolgen konnte, was mich nicht gar fehr freute, denn der Betrag war ihnen zu gering, und im Schoße der Ver sammlung machten sich vier Richtungen gellend: 1) die einen wollten mir Nase und Ohren abschneiden; 2) eine Gruppe wünschte kurzwegs meinen Tod; 3) zwei Menschen freunde waren dafür, für mich ein Lösegeld von 1000 Napoleons zu fordern und „im Nichteinbringungsfalle" mich zu töten; 4) der letzte endlich, der Hauptmann, meinte, ich sei als Einheimischer gegen das von mir angcbotene Löse- geld freizulassen. Und diese mildere Ansicht drang, da ein Hauptmann eben ein Hauptmann ist, wirklich durch Darauf ließ ich mir die „Bessa" (Bluteid) geben, die Versicherung, daß mir nichts geschehen werde, ivorauf ich meine sechs Napoleons erlegte; dann geschah — nun raten Sie einmal, was? . . . Wir ließen uns gemütlich auf einem Felsen nieder, ich bot den Räubern Zigaretten an und wir rauchten und plauderten über allerhand Angelegenheiten — in arnautischer Sprache, und als die Unterredung zu Ende war, reichte mir der Hauptmann einen halben Napoleon als Wegzehrung. Darauf schüttelte ich jedem die Hand, ging, und kam ärmer um 5'/s Napoleons und doch froh ob meiner Erlebnisse in Kostowo an, im Besitze meiner reichen Sammlungen. Von dort ging ich nach Kallandele, dann weiter nach Ucsküb — Dort hatte ich das Malheur, daß der Konsul mich nicht als österreichischen Unterthanen anerkennen wollte, was zur Folge hatte, daß ich der türkischen Regierung verdächtig unv von ihr gefangen ge nommen wurde Nur dem raschen Eingreifen des Konsuls von Monastir Ur. Remi v. Kwietkowski hatte ichs zu danken, daß ich nach glücklich überstandenen Gefahren, so zusagen im Angesichte des Hafens, nicht um alle Ergeb nisse meiner Reise und vielleicht auch um mein Leben gekommen bin " * Der Ingenieur Ernst Bazin ließ am Mittwoch, wie bereits gemeldet, seine Erfindung, das nach ihm be nannte Schiff, vom Stapel laufen. Zu der Feier waren, wie der „Voss. Ztg " geschrieben wird, zahlreiche hervor ragende Persönlichkeiten cingeladen und ein nach Zehn- tausenden zählendes Publikum war ungeladen zusammen geströmt, um die Neuheit anzustaunen, von der die Soublätter ihm Wunder erzählt hatten Hr. Bazin hat mit allen Überlieferungen der Schisibaukunst ge brochen Sein Fahrzeug hat nichts mit denen gemein, deren die Menschheit sich seit Ürzeiten bedient. Der Grundgedanke aller Schiffe, die je die Flut be netzte, vom Einbaum der vorgeschichtlichen Wilden bis zum vollendetsten Pakctboot oder Panzerkreuzer unserer Tage, ist immer der nämliche geblieben: ein scharf oder flachgebautes Gefäß, das auf seinem Kiel over seinem breiten Prahmboden das Wasser pflügt oder über das Wasser gleitet Die Bewegung ist in allen Fällen die selbe: ein Hinziehen, bei dem der Schiffsboden mit seiner ganzen Oberfläche fortwährend das Wasser berührt und dagegen reibt. Hr. Bazin giebt den Grundsatz des dem Wasser schwer aufliegenden Schiffes auf. Sein Schiff hat keinen Kiel und keinen Boden. Es ist ein Verdeck oder eine Plattform, wenn man will, ein Brückenseld, das auf Nädern ruht, die allein ins Wasser tauchen. Das erste Modell hat drei Räderpaare, doch ist die Zahl nicht wesentlich. Es können auch vier, fünf, sechs Paare sein. Diese Räder dürfen nicht etwa mit den Schaufelrädern der Raddampfer verwechselt werden, die man auch bisher gekannt hat. Ein Raddampfer ist ein Schiff wie jedes andere; es ruht mit seinem Kiel auf dem Wasser; das Schaufelrad versieht an seinen Seiten Rudcrarbeit; die Bazinschen Räder haben nicht zu rudern, sie haben sich nur zu drehen. Sie sind hohle, linsenförmige Scheiben, durch ein Gerüst miteinander verbunden, das ein Verdeck trägt. Auf dem Verdeck kann man nach Belieben alle Bauten errichten, die zur Beherbergung der Reisen den und Ausspeicherung der Güter dienen sollen. Zwischen den Rüderpaaren wird die Maschine an gebracht, die ihre Achsen dreht Eine Schraube am Hinteren Ende des Baues dient zur Steuerung und als Hilssorgan der Vorwärtsbewegung: der „Ernest Bazin" ist, wenn man will, kein Schiff, sondern ein Wasserwagen. Er gleitet nicht, sondern rollt. Der Unterschied zwischen seiner Bewegung und der jedes anderen Schiffes ist der selbe wie der zwischen der Bewegung eines Räderfuhrwerks und eines Schlittens. ES ist klar, daß die Schlittenkufen Zu heif; geliebt. Roman von Enrico Castelnuovo. 48 (Fortsetzung.) „Doch nicht", erwiderte Cecilia, bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Sie hätten hier sein sollen, als Vie Musik anfing . . . Trotzdem will ich einmal mit Ihnen tanzen, aber nicht mehr." „Wie? Nur einmal?" „ES ist wirklich nicht meine Schuld, Sie kamen nicht, und ich gab den Tanz dem Herrn Lieutenant. Graf Pollini, Lieutenant Seriani", stellte sie vor. „Sie erlauben?" Umberto ein Zeichen machend, sie zu erwarten, ließ sie sich von dem über die Maßen erstaunten Pollini hinwegführen. Wie ging das zu? Cecilia in intimen Beziehungen mit einem Seriani? Und wegen einiger Minuten Verspätung gab sie jenem einen Tanz, den sie ihm schon vor zwei Tagen ver sprochen hatte. Und nun, während dieses Tanzes, auf den er allein ein Recht hatte, ein einziges Mal mit ihm zu tanzen, dazu bat sie den Lieutenant um Er laubnis? Und das Schlimmste von allem, anstatt den Lieutenant Seriani dem Grafen Pollini vor zustellen, hatte sie gerade ihn, den Grafen Pollini, dem Lieutenant Seriani vorgestellt. Der Ärger ist ein schlechter Ratgeber, und dieser Ärger ließ den jungen Advokaten eine Dumm heit sagen. — „Sie kannten den Lieutenant Seriani schon?" „Nein, ich kenne ihn seit zehn Minuten. Er ist eine angenehme Persönlichkeit." „Was wird die Großmutter dazu sagen?" Schon durch die erste Frage verstimmt, maß Cecilia jetzt den Unbescheidenen von Kopf zu Füßen. „Ich weiß nicht, was die Großmutter sagen wird, ich weiß aber, daß andere nichts sagen sollen." Kaum hatten sie einmal herumgetanzt, so blieb Cecilia stehen, löste sich aus dem Arm ihres Tänzers mit einem kurzen: „Ich danke!" und nahm den Arm des sie erwartenden Seriani. „Endlich!" rief der junge Mann aus. „Wenn Sie wüßten, seit wieviel Monaten ich diesen Augen blick herbeisehne! Nur Ihretwegen kam ich auf diesen Ball." Sie sagte kein Wort; die Röte ihrer Wangen, das Feuer ihrer Augen sprachen für sie; jedenfalls eignete sich der Ort nicht zu vertraulicher Zwiesprache. Das Orchester spielte schneller. Umberto stürzte sich mit seiner Tänzerin in da- Gewoge Mit Ent zücken betrachtete er da» schöne, ein wenig zurück geworfene Köpfchen, fühlte er den Atem ihre- Mundes, den Druck der kleinen Hand auf seiner Schulter. Cecilia überließ sich der Freude deS Augen blicks. ES schien ihr, als wäre sie mit ihm allein auf der Welt. Plötzlich schwieg die Musik. „Wollen Sie etwas Kinken?" fragte der Offizier Cecttia, auf andere Paare weifend, welche sich in ein anstoßendes Zimmer begaben, in dem ein Büffelt mit Erfrischungen ausgestellt war. „Ja", sagte sie, sich mit einer gewissen Unruhe umsehend, „aber die Großmutter könnte mich suchen; ich glaube, sie ist im letzten Salon." „Später, später!" erwiderte Umberto, sie mit sanf ter Gewalt fortziehend. Dann mit leiser Stimme: „Die Gräfin Torniglioni kann unsere Familie nicht leiden, ich weiß es..." Und ebe Cecilia antwortete, fügte er hinzu: „Wir müssen Frieden schließen." Sie erhob die sanften Augen zu ihm, in welchen eine Thräne zitterte. „Gewiß", fing er wieder an, dann sich zu ihr beugend, flüsterte er leiser, „weil ich Dich liebe.".... Sie hatte auf das Wort gehofft, es erwartet. Nichtsdestoweniger machte die Bewegung sie erbleichen. Ihre zitternden Lippen vermochten keine Silbe hervor zubringen. „Und auch Sie lieben mich", fuhr er fort, „leug nen Sie nicht... Es ist nicht erst seit heute, daß wir uns gut sind. Es sind schon fast zwei Jahre her, seit damals, als ich Sie am Fenster von Ihrer armen Mutter Zimmer sah. Erinnern Sie sich... Erinnern Sie sich jene- TageS, da Sie sich aus dem Fenster lehnten, bei irgend einem Vorfall auf dem kleinen Kanal? Ich benutzte den Augenblick, um Ihr Bild zu erfassen, mit einem jener Schnell-Photo- graphie-Apparate... Haben Sie e» nicht bemerkt?... Das Bild ist sehr schlecht; aber ich trage es stets in meiner Brusttasche... Ich werde es Ihnen bei Ge legenheit zeigen... Bald darauf wurde ich krank und auch dann dachte ich nur an Sie: Wird sie es wissen? Wird sie nach mir fragen?" „Und ich fragte nach Ihnen", erwiderte Cecilia, die Aufregung bemeisternd, welche ihre Zunge lähmte. „Wie dankbar ich Ihnen dafür war. Kaum konnte ich das Bett wieder verlassen, so setzte ich mich ans Fenster, suchte Sie auf Ihrem gewöhnlichen Platz. Und ich sah Sie, und wir grüßten uns... ein einziges Mal . . . Dann wurde ihre Mutter kränker . . . Meine Genesung schritt rasch vor . . . ich reiste ab." Sie waren endlich im Büffettzimmer angelangt, ohne zu wissen, warum sie eigentlich dort eingetreten, ohne den Lärm der Leute zu hören, welche sich um das Büffett geschart hatten. Ein mit einem gefüllten Theebrett vorübereilender Diener rief sie an, wodurch sie erst merkten, wo sie sich befanden. Man fing schon an sie zu beobachten. „Wünschen Sie ein Glas Wasser oder ein Ge frorenes?" fragte Umberto, dem Diener ein Zeichen gebend, stehen zu bleiben. „Geben Sie mir ein Glas Limonade." Seriani reichte ihr dar Glas, sie gab es ihm mit zitternder Haud wieder, nachdem sie er kaum an die Lippen geführt. (Fortsetzung folgt.)
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