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Dresdner Journal : 27.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189607270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960727
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-27
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 27.07.1896
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U!« überall anerkannt. Es ist deshalb der Gedanke der Um wandlung des Patentamtes zu der oben bezeichneten Be hörde durchaus nicht verwunderlich. Außer dem schon ge nannten Geschmacksmusterschutzgesetz kommen bei der Ur heberrechtsgesetzgebung das Gesetz über das Urheberrecht an Schriftstücken, Abbildungen, musikalischen Komvofitionen und dramatischen Werken, das Gesetz über das Urheber recht an Werken der bildenden Kunst, sowie das <8cs«tz, betreffend den Schutz von Photographien gegen unbefugte Nachbildung in Betracht. Ob und eventuell wie sich die Idee durchführen ließe, wird in nicht allzulanger Zeit ent schieden werden; denn, wie bereits bekannt ist, liegt es auch in der Absicht, eine Revision der Urheberrechtsgesetz- gebung herbeizusühren Es wäre demnach Aussicht vor handen, daß sich die Frage noch im lausenden Jahrhundert entschiede — Die morgen beginnende fünfzigjährige Jubelfeier des Vereins deutscher Eisenbahnoerwaltungen giebt dem „Zentralblatt der Bauverwaltung" Veranlassung, in einem längeren Aussätze über die Eisenbahnen seine Be trachtungen anzustellen Tie Auswahl des Termins dieser Feier wird in treffender Weise gerechtfertigt und dabei die Bedeutung der Thätigkeit Deutschlands für die Entwickelung der Eisenbahnen in einer kurzen historischen Skizze ivie folgt hervorgehoben: „Eine eigentliche Eisenbahnjubelfeier ist in weiterem Kreise in Deutschland bisher nicht festlich begangen worden, weil die Wahl eines hierzu geeigneten Tages schwierig gewesen wäre. Sollte man die fünfzig jährige Wiederkehr vom 7. Dezember 1835 feiern, wo die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth, die wesentlich doch nur den Charakter einer örtlichen Bahn hatte, dem Betrieb übergeben wurde, oder den 2 t April 1837, wo die erste Strecke der Leipzig-Dresdener Bahn vollendet ward, oder endlich den 29. Oktober >838, wo die Berlin- Potsdamer Bahn als erste Eisenbahn der preußischen Monarchie eröffnet wurde? So wichtig an sich diese Tage im einzelnen als geschichtliche Merksteine waren, so hatten doch jene Ereignisse damals zunächst nur eine Bedeutung, die sich auf einen geringeren örtlichen uzxd politischen Um kreis beschränkte. Mit größerer Bercchtiguüg wäre etwa der >4. Mai 1835 allgemeiner zu feiern gewesen, jener Tag, an dem nach Veröffentlichung des Prospektes für die Leipzig- Dresdner Eisenbahn die öffentliche Meinung zu Gunsten jenes Unternehmens mit einem Mal und wider alles Er warten bei der Aktienzeichnung völlig umschlug, sodaß be reits an jenem ersten Tage fast sämtliche aufgelegte Aktien gezeichnet waren Dieser glänzende, von den Beteiligten nicht annähernd erhoffte Erfolg sicherte damals nicht nur das Zustandekommen der Leipzig-Dresdner Bahn, sondern eröffnete auch eine ganze Reihe nachfolgender Unternehm ungen Der 11 Mai 1835 könnte also als eigentlicher Geburtstag für die Entstehung des deutschen Eisenbahn netzes angesehen werden Wollte man aber im weiteren Kreise, noch über Deutschlands Grenzen hinaus, ein Eisen- bahncrinnerungssest feiern, dann mußte man schon auf ein Ereignis von nach allgemeinerer Bedeutung zurückgreifcn, an das sich die Erinnerung bestimmter thatsachlicher Er folge knüpfen läßt, und daü für eine größere Gesamtheit der Eisenbahnen Mitteleuropas von durchschlagendem Werte gewesen ist Es war ein glücklicher Gedanke, daß die ge- schästssührende Verwaltung des Vereins deutscher Eiscn- bahnvcrwaltungen, die König! Eisenbahndireklion in Berlin, in richtigem Erfassen der Sachlage den Vorschlag zu einer allgemeineren Feier aller der Eisenbahnen, die durch die Mitgliedschaft jenes Vereins zu einer engeren Gemeinschaft verbunden sind, gemacht und die Verwirklichung dieses Gedankens zur Durchführung gebracht hat." — Zu einer stehenden Rubrik werden in den sozial- dcmokratiscbcn Provinzblättcrn am Rhein und in West falen die Klagen über mangelnde Lpserwilliglci t der „Genossen". Besonders drastisch ist der jetzt aus Dortmund gemeldete Fall, daß die dortige Parteikasse nicht im stände ist, die Gelder für den Delegierten zum „inter nationalen Arbeiterkongreß" auszuzahlcn. Aber vereinzelt ist der Fall nicht. Auch das rheinische Agitationskomitce stößt in immer kürzer werdenden Zwischenräumen beweg liche Klagerufe aus. Es scheint, daß die Arbeiter in zu nehmendem Maße es müde werden, ihre saner verdienten Groschen an die Agitatoren wcgzuwcrscn — Über den Zukunstsstaat der Sozialdemo kratie hat ein „Gcnosse" so unbesonnen wie deutlich aus der Schule geplaudert Tie „Germania" berichtet darüber: „In Esten begann am 19. d Mts der sozialdemokratische Rcichstagsabgeordnete Lütgenau eine Reihe von Vorträgen zur Erörterung des Erfurter Parteiprogramms Am Schluffe seines ersten Vortrages sagte er: Nun stelle man häufig die Frage, welchen Staat denn die Sozialdemokratie an Stelle des heutigen setzen wolle. Das sei eine ganz müßige Frage Ein Programm dafür habe die Sozialdemokratie nicht, wenn auch der einzelne Ge nosse darüber seine persönlichen Ansichten habe. Vor läufig erstrebe sie die Beseitigung des heutigen Staatswesens, die sie mit Sicherheit erreichen würde, und dann würde die neue Ordnung der Tinge sich zur rechten Zeit schon ergeben Jawohl, die Sozialdemo kratie betrachtet es als ihre Ausgabe, zu zer stören, ohne zu wissen, wie später wieder aus- gebaut werden soll; zuerst muß der große Kladderadatsch herbeigesührt werden, dann wird im Trüben ge fischt." — TaS am 25. d Mts herausgegebene 22. Stück des Reichs-Gesetzblattes enthält: Verordnung vom 25. Juli 1896, betreffend die Aufhebung der Verordnung vom 25. Mai 1894 wegen Erhebung eines Zollzuschlag» für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommenden Waren und der dazu erlassenen Abänderungsverordnung vom 3t) Juni 1895 Darmstadt Die erste Kammer hat vorgeskrn ein- stimnug den preußisch-hessischen GtaatSoertrag und ebenso den Vertrag wegen Erwerb der Hessischen Ludwigs- bahn angenommen K r a u t r e t ch. Paris. Die Ernennung des Abgeordneten vom PaS-de-Calais-Departement und früheren Bauten- mrnisters, Jonnart, zum Generalgouverneur von Algerien ist von der Regierung bereits beschlosten worden. Sie wird jedoch nicht eher bekannt gegeben werden, als bis der bisherige Generalgouverneur Cambon mit einem neuen Posten betraut sein wird. — Anläßlich des „Skandals" in der Finanz verwaltung von Paris stellt es der „Figaro" als eine nicht zu leugnende Thaüache hin, daß es sich um 72 Mil lionen handele, die in den städtischen Kassen vorhanden sein müßten, eS in Wirllichcit aber nicht seien, da sie schon im voraus verbraucht worden seien „Das Anwachsen der jährlichen Ausgaben", fährt das Blatt fort, „grenzt ans Unglaubliche Während noch im Budget des Jahres 1875 die Gesamtausgaben der Stadt sich aus rund 204 Millionen beliefen, sind dieselben im Jahre 1895 bereits auf 331683559 FrcS. gestiegen — Der Sozialistenkongreß in Lille hielt am Freitag abend im großen Theater seine letzte Sitzung ab Dabei erneuten sich vor dem Theater und aus den Straßen die antisozialistischen Kundgebungen der Liüer Bevölkerung, die an Heftigkeit sogar noch dir des vorhergehenden Tages übertrafen Als charakteristisch sür die in Lille herrschende Stimmung sei mitgeteilt, daß das vom Gemeinderat sub ventionierte, von ihm zur Sitzung nach dem Theater be orderte Orchester Vauban sich weigerte, sich dorthin zu begeben. Die Versammlung mußte also diesmal auf die Musik verzichten Ein infernalisches Konzert bereitete ihr dafür die das Theater umtobende Volksmenge, die unaus gesetzt die Marseillaise sang, in stürmischster Weise die Demission des Bürgermeisters und des Gemcinderats ver langte und „Hoch Frankreich! Nieder mit Deutschland!" schrie. * Paris Der Präsident des Senats Loubet sowie der Ministerpräsident Möline und die Minister Hanotaux, Rambaud und General Billot waren gestern zur Ein weihung des Denkmals Jules Ferrys in St. Di«- cingetroffcn. Bei der Feier hielten Loubet, Möline, Hanotaux und Rambaud Reden Loubet würdigte die politische Thätigkeit Jules Ferrys im all gemeinen und hob hervor, die Errichtung des Denkmals sei ein Akt der Gerechtigkeit und Genugthuung M» line zeichnete Jules Ferry als einen wirklich großen Staats mann, als einen parlamentarischen Taktiker, der erfahren, kühn, verständig und fest in seinen Plänen gewesen und mit Ehren von der Gewalt zurückgetretcn sei Hanotaur sprach besonders über das koloniale Werk, welches von Juleü Ferry vollbracht worden. In ebenso geist- wie maßvoller Weise führte der hervorragende Staatsmann folgendes auS: „Zu der Zeit, als Jules Ferry ans Ruder kam, fand er die ganze Welt von der Strömung nach kolonialen Unternehmungen getragen; Europa war voll von neuen thätigcn und sich kräftig entfaltenden Nationalitäten und suchte nach neuen Bahnen Man lauschte auf das, was sich in bisher unbeachteten Gegenden begab und alle Blicke ivandten sich nach derselben Richtung. Noch einmal, ohne Zweifel zum letzten Male, sollte die Erde geteilt werten. Ta war die Frage, ob Frankreich hierbei sich unbeteiligt verhalten und mit gleichgilligem Auge zusehen sollte Aus verschiedenen Kontinenten und über fernen Meeren haben die verflossenen Jahrhunderte zahlreiche Spuren der kolonialen und maritimen Thätigkeit unserer Väter zurückgelasten Sollten diese Spuren wieder aus genommen oder ganz verlassen werden? Jules Ferry war einer von denen, die dachten, daß man keinem andern die Überreste dieser weitzerstreuten Erbschaft überlassen sollte und mit klarer Kenntnis der Vergangenheit wie mit scharfem Blicke in die Zukunft, setzte er, unter Prüfung der Zeitumstände und unserer Kräfte, die vier Punkte fest, welche seitdem das ideelle Viereck unseres Kolonialbereiches bestimmten: Tunesien, Tongking, Kongo und Mada gaskar. In weniger als 15 Jahren hat sich ein neues Reich darin eingezeichnet Was die Weisheit dieses doch so kühnen, wie ich sagte, so verwegenen Gedanken kenn zeichnet, ist, daß seine Verwirklichung und Zuendeführung, bei den mitwcrbenden Mächten weder ernsten Widerstand noch gefährliche Konflikte erregt hat Sogar heute, wo wir dem Ziele nahe sind, erkennt die ganze Welt an, daß die von uns eingenommene Stellung die uns Ankommende ist. Mögen auch gewisse Einzelheiten der Diskussion unter liegen und vorhcrgesehene unv unvorhergesehene Zwischen- sälle in diplomatischer oder militärischer Beziehung cintrcten, die Thatsachen sind vollendet und Frankreich kann befriedigt und nicht ohne Stolz der Welt neue Töchter zeigen." Zu der Angelegenheit der nächsten Welt ausstellung übergehend sagte Hanotaux mit Bezug auf Frankreich: „Welch ein Unterschied ist zwischen dem Jahre und beflügelnd auf die Aussuhrenden wirkte Frau Mar garethe Körner (Christine Weiring), gab eine ergreifende und überzeugende Gestalt, deren Gcmütsticfc und leiden schaftliche Verzweiflung für den Augenblick alle Mängel der Dichtung vergessen macht Ein neu engagiertes Mit glied des NesidenztheaterS Fräulein Anna Fürst (Mizzi Schlager) verkörperte die leichtherzige und leichtfertige Wiener Grilette mit höchster Lebendigkeit und nicht ohne die Anmut des Leichtsinn», die Herren Burmester (Fritz Lobheimer) und Witt (Theodor Kaiser) liehen dem alt bekannten, hier stark verlumpten Frcundcspaare Pensieroso und Allegro eine Reihe neuer fesselnder Züge und nament lich stattete Hr Witt die herzlose Genußsucht und unver wüstliche Lebenszuversicht Kaisers mit allen Allüren des angenehmen Schwerenöters aus Auch der alte Violin spieler Weiring des Hrn Janda rundete sich zu einer charakteristischen Figur. Adolf Stern Dresden auf der Berliner internationalen Kunst ausstellung. * über die von Dresdner Künstlern in Berlin aus gestellten Werke äußert sich Ad Rosenberg in der „Post" im allgemeinen sehr wohlwollend. Wir geben seine Dar legungen wörtlich wieder, da sie als Meinung eines an erkannten Kunstkenners auch da Interesse erregen werden, wo man in einzelnem ein anderes Urteil hat Rosenberg schreibt: Nach dem Vorgänge Münchens ist auch innerhalb der Dresdner Künstlcrschaft eine Spaltung eingetreten, die bisher der Kunst nicht das Mindeste genützt, wohl aber dazu beigetragen hat, hüben und drüben Verbitterung zu erregen und eine bedauerliche Spaltung der Kräfte herbei zusühren Auch wer mit den Dresdner Kunstverhältniffen nicht näher vertraut ist, wird finden, daß zwischen der Ausstellung der Dresdner Kunstgenossenschast und der der Sezessionisten keine allzuscharsen, künstlerischen Gegensätze bestehen ?«cc»tur inte» muros et eit in, und bei den Sczeffiomsten findet man evensogut Werke nn „alten Stil", ivie man bei der Kunstgcnossenschaft bedenklichen natura listischen Ausschreitungen begegnet Wenn trotzdem die Ausstellung der Dresdner Sezessionisten bei uns einen wenig erquicklichen Eindruck macht, so liegt da« an der kaum noch erträglichen Anhäufung von flüchtigen Skizzen und Studicnarbeitcn, die selbst sür ihre Urheber nur den Wert von unverarbeiteten, kurz hingeworscnen Notizen haben, und mehr noch an der auffälligen Zurückhaltung ihrer Führer Gotthard Kuehl, der als Lehrer an die Dresdener Akademie berufene, in französischer Schule gebildete Naturalist, ist zwar mit drei für ihn charakteristischen Bildern, einer Partie aus dem Altmänner haus in Lübeck mit seinen dumpf vor sich hinbrütendcn Insassen, einem Blick auf die AugustuSbrücke in Dresden und einem Interieur vertreten. Aber dieser Künstler bleibt stehen oder er geht zurück, von seiner ursprünglich sehr farbigen Art zu der eintönigen Braun- und Graumalcrei Liebermanns, der auch Kuehls kräftigeres Talent in seinen unheimlichen Bann gezwungen zu haben scheint Dagegen gewährt das lebensgroße Bildnis einer Dame in schwarzer, mit Pelz besetzter Sammetrobe, die aus einem dunkelgrünen Sofa sitzt, von Carl Bantzer keine richtige Vorstellung von dem wirklichen Können dieses Malers, der übe: eine viel reichere Palette verfügt, als sie dieses stumpfe, miß- farbige, aus einen viel zu dunklen Ton gestimmte Bildnis vermuten läßt Um vieles erfreulicher sind die Bilder von Max Pietschmann, der sich in dem einen, da» da« erste Elternpaar, auf der Wiese des Paradieses vor dem Apfel baum sitzend, von ihrer, übrigens sehr gut gemalten Kehrseite zeigt, als tüchtigen Sonnenlicht- und Hrll- maler ausweist, während er in der Bildnisstudie eine» hübschen Mädchen», dessen Antlitz von einem durchsichtigen Schleier überspannt ist, auch nicht die geringsten Andeutungen macht, daß er zwilchen sich und der alten Kunst das Taseltuch zerschnitten hat. Auch dem Grafen Woldemar v Reichenbach, wenn wir nicht irren, 1870 und der Periode, in die wir jetzt eintreten und die uns rasch dem festlichen Zeitpunkte entgegensührt, an dem unter dem fruchtbaren Wettbewerbe der Industrie, des Handels und der Künste die Völker nach Ptkris kommen werden, um das Jubeljahr 1900 >ßu feiern Wer ftshlt nicht, daß unser Land, indem es zum voraus dieses Datum sestsetzt, sowie es schon dreimal seit 25 Jahren gethan, sich für mehre re Jahre dem Frieden gaweiht hat?" — Trotz der Abreise der deutschen Sozialisten wurden in Lille die Unruhen am vergangenen Freitag abend wiederholt. Während die Schlußsitzung des Kongresses im Theater stattsand, standen 5000 Menschen vor dem Theater, pfeifend und schreiend: „Es lebe Frankreich! Nieder mit Deutschland!" Andere Ruser verlangten die Demission der sozialistischen Gemeindevertretung Zugleich durchzogen zahlreiche Banden die anderen Teile der Stadt, die Marseillaise singend und die Sozialisten beschimpfend. Die Menge, mit Steinen und bleigesüllten Stöcken be waffnet, brach in die Redaktionsbureaus des sozialistischen „Reveil du Nord" ein, zerschlug die Fensterscheiben, die Thürcn und Möbel. Die Redakteure des „Reveil" ant worteten mit Revolverschüssen. Ebenso brach die Menge in die Wohnungen des Maires und des ersten Gemeinde- adjunkten ein Eine andere Bande drang in das Cafö des Voyageurs, das die ausländischen Delegierten be herbergt hatte, und zerbrach die Spiegelscheiben und das Mobiliar. Anderseits stürmten sozialistische Manifestanten in die Cafös und prügelten die Gäste. Auch eine kleine anarchistische Manifestation sand statt, die von der Polizei rasch zerstreut wurde Die Fenster der katholischen Universität wurden von den Sozialisten eingeworsen. Gendarmerie und Kavallerie durchritten alle Straßen. 21 Verhaftungen und zahlreiche Verletzungen fanden statt. Ein Redakteur der sozialistischen „Depk-che" wurde durch Stockhiebe cm Kopse schwer verwundet. Die hiesige Presse beschäftigt sich mit diesen Vorgängen. „Paris" erwartet, die Regierung werde unverzüglich die Liller Stadtvertretung auflösen, den Bürgermeister absetzen und die Neuwahlen ausschreiben. „Petite Röpubl." er widert auf diese Forderung, die Rückschrittsleute hätten ihre Hintergedanken zu früh verraten, der ganze Rummel sei von ihnen veranstaltet, um der sozialistischen Stadt verwaltung von Lille ein Bein zu stellen. Tie neue Ver waltung habe eine von ihrer bürgerlichen Vorgängerin begangene Unterschlagung einer Million städtischen Geldes entdeckt, und nun wolle man mit allen Mitteln verhindern, daß die Sozialisten diese Diebstähle ausvecktcn — „Libre Parole" fällt über Ungarn her. „Tas heutige Ungarn", schreibt Drumont, „ist ein Beispiel der von Juden und Freimauern aus dem Stegreif zusammen gehudelten Reiche Es ist ein trügerisches Aus- stattungSmärchenspiel, das die schauerlichste Be drückung und Ausbeutung verbirgt. Diemagyarische Minderheit zermalmt unerbittlich Millionen Menschen, deren einzige Schuld es ist, einer anderen Raffe anzugehören, als ihre Bedrücker, Rumänen, Serben, Slovakcn sind von den Magyaren behandelt, wie Parias niemals behandelt wurden Rußland, das wir ein wildes Volk nannten, als es von uns noch nicht sieben Milliarden geborgt hatte, wendete niemals ein Zehntel dieser Härte gegen die unglücklichen Polen an, über die wir ehemals Thränen vergossen, die längst versiegt sind." — Tie „Patrie" will wissen, General Todds, der Kommandant der Truppen in Indochina, werde noch Frankreich zurückberufcn werden Es heißt, daß ihm der Oberbefehl über die Besatzungstruppen von Madagaskar übertragen werden dürste. — Der Direktor der Glashütten in Carmaux, Ress« guter, beschloß, die 15000 Fres., welche ihm im Prozesse gegen Jaurös vom Toulouse! Appellgerichte als Schadenersatz zuerkannt wurden, der Unter st ützungs- und Pensionskasse seiner Arbeiter zuzuwenden. Belgien. Brüssel Gestern sanden die Wahlen für die Er neuerung der Hälfte der Provinzialräte des ganzen Landes statt Nach den bis jetzt bekannten Ergebnissen wurden in Brüssel sämtliche liberalen Kandidaten mit 20608 Stimmen gewählt, die Sozialisten erhielten 15103 Stimmen, die Klerikalen beteiligten sich nicht In Antwerpen haben die Liberalen 24340, die Klerikalen 23433, die Sozialisten 4855 Stimmen erhalten Es hat Stichwahl zwischen Liberalen und Kleri kalen stattzufinden In Lüttich ist das Ergebnis Stich wahl zwischen Klerikalen und Sozialisten. Jt«lt e». Rom Aus Sizilien ist die Nachricht von einer intensiven Volksbewegung in den Schwesel- bezirken eingelaufen. Der Grund ist, daß die Befreiung der Lieferungsverträge von den unmittelbaren Gebühren infolge der ablehnenden Haltung der Kammer fallen ge laffen wurde Marchese di Rudini erklärte im Senate, daß er, um die Ausbreitung der Bewegung zu verhüten, die betreffende Bestimmung durch ein Königliches Dekret emsührcn werde. Krostbritannien. London „Daily Telegraph" erfahrt aus Buluwayo: Hauptmann Laings Kolonne bewirkte Mittwoch abend ihre Verbindung mit General Carrington Freitag sollte rin weiterer Angriff aus die festen Stellungen der Auf ständischen erfolgen DaS allgemeine Gefühl nach den jüngsten Kämpfen ist, daß ansehnliche Verstärkungen er- forderUch sind. Seit Ausbruch des Aufstandes verloren 400 Briten ihr Leben in Matabeleland. — Der Verlaus der Gerichtsverhandlungen gegen Jameson u Gen. zeigt so recht deutlich, wie widersinnig es ist, gegen sie vorzugehen, ohne gleichzeitig C Rhodes' Beteiligung an dem Freibeuterzugc in die Verhandlung miteinzubeziehen War Jameson, was ja so gut wie feststeht, von C Rhodes beauftragt, sich zu einem Einfall in die Südafrikanische Republik bereit zu halten, so kann die Verteidigung sich unmöglich daraus berufen, daß dieser Einfall nicht aus britischem Krongebiet erfolgt sei, und es ändert auch nichts an der Sache, wenn der Einfall thatsächlich etwas früher erfolgte, als C Rhodes gewünscht hatte. Tie Hauptsache bleibt dann immer, daß der eigentliche Urheber des Ganzen, C Rhodes, also ein hoher amtlicher Vertreter der englichen Krone, der da malige Premierminister der Kapkolonie, welcher in letzterer seinen Wohnsitz hatte, war Der Freibeuterzug hat also schon darum seinen Ursprung nicht nur in britischem Krongebiet im allgemeinen, sondern auch noch innerhalb des Kreises der verantwortlichen Regierung solchen Gebietes, nämlich eben bei C. RhodeS, gehabt. Türkei. Konstantinopel. ES wird jetzt auch offiziös be stätigt, daß die türkischen Truppen auf Kreta am 23. d Mts den Waffenstillstand gebrochen und die Aufständischen in der Provinz Rethymno angegriffen haben. Ueber den Ausgang des Kampfes sind noch keine sicheren Angaben vorhanden, nur wird gemeldet, daß die Verluste auf beiden Seiten sehr groß gewesen seien — Die Nachrichten aus Makedonien lauten sehr bedrohlich Es scheinen mehrere griechische Banden in den südlicheren Bezirken ausgetreten zu sein, die mit den türkischen Truppen zusammengestoßen und bisher offenbar siegreich gewesen sind Plan beteuert, nicht gegen die türkische Regierung Vorgehen, sondern nur den bul garischen Freischaren entgegentreten zu wollen, die zahlreich in der Nähe von Perlcpe Velessa erscheinen — Zur Meldung des Athener Blattes „Asty", der Zar habe durch den Fürsten Lobanow der Psorle die Mißbilligung über das Verhalten der türkischen Truppen in Kreta ausgedrückt, wird in unterrichteten Kreisen versichert, Rußland habe ebenso wie die übrigen Mächte die Pforte wegen des neulichen Bruches des Waffenstillstandes zur Rede gestellt Es sei ihr von den Vertretern der Mächte dargelegt worden, daß durch ein solches Verhalten der türkischen Organe die Bemühungen der Mächte, KriegSkontrcbande nach Kreta zu verhindern, durchkreuzt würden. Es gilt nicht als unwahrscheinlich, daß in dieser Woche ein neuer gemeinsamer Schritt der Mächte wegen der Kretafrage erfolgt Ander seits erregt aber auch das Verhalten Griechenlands Be sorgnis. Gegenwärtig findet zwischen den Mächten wieder ein lebhafter Meinungsaustausch über die Lage im Orient statt. — Wie bereits kurz gemeldet, zitierte der Polizei minister Nazim Pascha die Beisitzer des „Conseils mixte" des armenischen Patriarchates, ungefähr sechzig an der Zahl. Dieselben weigerten sich, zu erschei nen, und wiesen daraus hin, daß sie mit der Polizei nichts zu thun hätten Schließlich blieb denselben aber doch kein Ausweg, und sic begaben sich in den Konak deS Gewaltigen Dort harrte ihrer ein wenig angenehmer Empfang Der Minister eröffnete denselben, daß in An betracht der unter den Armeniern abermals beonnenen Bewegung und feindseligen Haltung (?) und aus Grund der namentlich durch den Klerus stattfindenden Aufreizung zum Widerstande gegen die türkischen Behörden dcr Ministerrat den vom Sultan bereits sanktionierten Be schluß gefaßt habe, die Mitglieder des gemischten Kon siliums am Patriarchate solidarisch und einzeln persönlich sür jede Ausschreitung, die von nun an die Ruhe in den von Armeniern bewohnten Gebieten stören werde, verant wortlich zu machen, und daß dieselben der strengsten Strafen gewärtig sein möchten Tie Einwendung, daß nicht die Armenier diejenigen seien, welche blutige Ereignisse Herausbeschwörten, sondern daß dieselben meist aus Notwel r ihr Leben und ihren Besitz verteidigten und man füx die Ausschreitungen, die durch plündernde und mordende Kur den und Tscherkessen begangen würden, keine Verantwort ung übernehmen könne, wurde von Nazim Pascha kurz abgewiesen und die also Gemaßregelten wurden aufge fordert, sich kurzweg den Befehlen zu fügen und dafür zu sorgen, daß cS zu keinen Ausschreitungen komme. Jn- solgedeffcn ist die Stimmung in armenischen Kreisen eine surchtbar gedrückte, und man sieht keinen Ausweg, Vielfach ist aber die Ansicht vorherrschend, daß Rußland dabei die Hand im Spiele habe, um den Auflösungs prozeß zu beschleunigen Übrigens brachte man am Donnerstag abend abermals gegen 100 Armenier aus dem Zentralgefängnisse zu Wagen an Bord eines unbekannt wohin abgehenden türkischen Schiffes In Makedonien entwickeln sich die Ereignisse, wie es leider allen Anschein hat, zu sehr ernsten Vorfällen Im ganzen Lande herrscht eine ungeheure Aufregung. Tie Truppenkonzentrierungen einem Zögling der Weimarer Kunstschule, find nicht die mindesten naturalistischen Regungen anzumerken, weder auf der Waldlandschaft, in der ein bereits trunkener Silcn und ein Faun im Schatten fröhlich miteinander zechen, noch in der freundlichen Gebirgslandschaft, in der ein alter, botanisierender Professor einem Leierkastenmann ein Almosen spendet. Zu den Bildern endlich, auf denen man wenig stens etwas sieht, gehört die „Feierabend" betitelte Abend landschaft von Ernst O Simonson, aus dcr ein Mann in mittleren Jahren und ein junges Mädchen hinter einer hochgelegenen Mauer stehen, über die man auf die Dächer einer im Abenddunkcl ruhenden Stadt blickt, und das Bildnis einer Dame, die in einem Salon vor einem Spiegel steht, von Hugo Mieth. Interessant war es uns, die nähere Bekanntschaft des Landschaftsmaler« Paul Baum zu machen, der wieder ein lehrreiches Beispiel sür die alte Weisheit bietet, mit wie wenigen Mitteln doch die Welt gelenkt werden kann Er setzt ein paar grünlich und bläulich schillernde Bäume entweder in ein Feld hinein oder pflanzt sic zu bcidcn Seiten eine« Grabens auf, läßt da« ganze in allen Farben des Regenbogen« erstrahlen, und diese verblüffende Naivetät wirkt so stark mit der Kraft einer Offenbarung, daß eine solche Landschaft Eingang in die Dresdner Gemäldegalerie findet, wo u a auch viele Werke eine« gewissen Ruisdael hängen, ver so thöricht gewesen ist, sich tnit seinen Baum- landschasten unendlich viel Mühe zu geben, wofür er auch sehr schlecht bezahlt worden ist. Die zur Sezession gehörigen Dresdner Radierer und Lithographen segeln natürlich im Fahrwasser von Max Klinger, der seit geraumer Zeit übrigens auch nicht viel vorwärt« gekommen ist, woraus sich wohl zum großen Teil die allgemeine Stagnation de« Naturalismus und zugleich die der sezessionistischen Vereine erklärt Den Keim wirklich schöpferischen Lebens tragen sie nicht in sich, son dern er wird ihnen von außen künstlich eingepflanzt Ein viel frischere« und blühendere« Leben blickt un« dagegen aus der Ausstcllung dcr Dresdner Kunstgcnoffcn- schaft entgegen Zunächst ist die BildniSmalerei sehr gut und mannigfaltig vertretcn, zum Teil auch durch junge Talente, die-sich völlig frei und unabhängig von jeder Schablone bewegen Da ist zunächst Franz Hansen- Tandberg mit dem Bildnis seines Vaters, des bekannten schlcswigfchen Abgeordneten, zu erwähnen, der damit nicht nur eine Probe glänzenden malerischen Könnens, sondern auch, was wir höher schätzen, den Beweis psychologischen Scharfblicks geliefert hat Ohne von der Ähnlichkeit in gewöhnlichem Sinne abzuweichen, hat er die geistige Potenz des Diannes gewissermaßen in stärkster Konzen tration wiedcrgegeben Auch wer den Dargestellten nicht kennt, fühlt sich unwillkürlich ungezogen durch die Fülle geistigen Lebens, die aus jedem Zuge blitzt. — Wer ge lernt hat, in den Gesichtern zu lesen, wird sofort fühlen, wie sehr sich die viel prunkvoller in Scene gesetzten Bild nisse von Felix Borchardt davon unterscheiden Viel glänzende Malerei, aber auch viel Pose und viel Ostentation, gerade wie in dem leidenschaftlichen und doch innerlich hohlen Roman aus dem Leben der neapolitanischen Gesellschaft, den der sedergewandte Maler vor Jahresfrist veröffent licht hat. Muster von Einfachheit der Anordnung und Schlichtheit des Vortrages sind dagegen das Bildnis des Bildhauers Schilling von Franz Kops, das sehr lebendig, scharf und wahr charakterisierte Bildnis eines jungen Mannes in hellblondem Haar von Franz Siebert, da« Bildnis einer jungen Frau in brauner Sammetrobe, die vor einem gelben Brokatvorhong steht, von Walther Witting und da« Porträt einer Dame in rotem Changeantkleide mit seltsam blinzelnden, anscheinend kurzsichtigen Augen von Oscar Pietsch Seit einiger Zeit lebt auch Werner Schuch, den wir lange Jahre zu den Berlinern gezählt hatten, in Dresden, und er hat darum auch inmitten der Dresdner Kunst- genoffcnschast zwei Bilder au«geftellt, die beide Seiten seine« Schaffens glänzend vertreten. Laß er ein Meister
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