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Dresdner Journal : 24.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189607241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960724
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960724
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-24
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 24.07.1896
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Beilage zu ^7 170 des Dresdner Journals. Freitag, den 24. Juli 1896, abends. Nicolas Lharriugton, -cr Sierdrauer und christ liche Philanthrop. über England und London insbesondere ist schon so viel geschrieben worden und auch von unseren Landsleuten haben so viele englische» Leben an der Quelle selbst studiert, daß der gebildete Deutsche von heutzutage wohl in den meisten Fällen Reiseberichte au» dem Lande der Briten, die ihm etwa vorkommen, mit einer gewissen gelangweilten Miene ungelesen beiseite legt. Daß eine solche Be handlung aber durchaus nicht etwa alle Werke verdienen, die sich mit England und englischen Verhältnissen befassen, daS beweist erst jetzt wieder ein Buch, dem jeder Leser eine Fülle von Anregungen verdanken, da» ihn sogar vielleicht zu sehr ernsten Betrachtungen veranlassen wird. Au« dem Lande der Gegensätze. Englische Reiseberichte von Iuliu« Werner (Dessau 1896. Verlagsbuchhandlung von Paul Baumann Preis 2 M.) — betitelt sich da« Buch, dessen besonderer Wert darin zu erblicken ist, daß es einen Teil der Erfahrungen wiedergiebt, die sein Ver fasser durch ein ernstes, gründliches Studium der sozialen und religiösen Verhältnisse Englands gesammelt bat. Ein kochst erfreuliches und erquickendes Bild führt un« der Verfasser u. a. auch vor, wenn er schildert, was gegenwärtig auf dem Gebiete der werkthätigen christlichen Nächstenliebe in England geschieht. Ein besondere« Kapitel de« Buches ist hier der Thätigkeit eines früheren Bier brauers, des Nicolas Charrington, gewidmet. Vielleicht findet sich mancher unserer Leser, wenn er von dem Segen hört, der allein von der Persönlichkeit dieses Mannes auf Tausende seiner armen Mitmenschen ausgeht, veranlaßt, in größerem Umfange als bisher seine Kräfte — geistige und materielle — in den Dienst der christlichen Nächsten liebe zu stellen. An der Möglichkeit, sich al» werkthätiger Christ zu betätigen, fehlt es bekanntlich auch bei uns nicht; nur wird sie leider selten genug ergriffen! Wir bringen daher das Lebensbild Eharringtons, welches da« Buch entwirft, im nachstehenden zum Abdruck. Hören wir zunächst folgende allgemeine Betrachtung des Verfassers: . . . Wie auf wirtschaftlich-sozialem, so herrscht auch -auf sittlich-religiösem Gebiet derselbe grelle Gegensatz Man gewahrt überall in London Himmelshöhen und Höllentiefen, Großthaten und Unthaten, Heroen und Hal lunken. Als sich der amerikanische Erweckungsprediger Moody unlängst in London von dem enthusiastischen Bei fall einer nach Zehntausenden zählenden Volksmenge um rauscht sah, nannte er dies moderne Ninioeh die christlichste Stadt der Welt. Aber der General Booth singt uns ein anderes Lied von dem „dunkelsten England". Und wenn man sich die Zahl der Trinker, Diebe, der Arbeits scheuen, der Spieler und der gefallenen Frauen vergegen wärtigt, so erscheint die schwärzeste Tinte noch nicht schwarz genug, um die Schatten zu zeichnen. Nirgends kann man so deutlich als in London verfolgen, ivie gerade die Trieb kräfte, welche den modernen Fortschritt ins Großartige gesteigert haben, zugleich auch den Abgrund gegraben haben, aus dem die Dämonen des Lasters, in schmutzigen Lumpen sowohl als im fashionaklen Gesellschastsanzug, emporsteigen. Nicht nur in den Höfen und Seitenstraßen des Ostendes, dem internationalen Unterschlupf für rus sische Juden, französische Nihilisten, deutsche Anarchisten, dem Freihafen für alle Schiffbrüchigen, welche das Meer des kontinentalen Lebens an den britischen Nebelstrand verschlägt, nein auch in den Hintergassen der äußerlich glänzenden Stadtteile, sieht man Bilder des Grauens und Entsetzens, Opfer von Sünde und Not. Und doch hat Moody nicht minder recht als Booth. In dem „dunkel sten England" strahlen die hellsten Sterne, im heidnischen London giebts die christlichsten Werke. Schon äußerlich kennzeichnet sich das Bestreben, den Kampf gerade da auf zunehmen, wo der Feind am stärksten ist. Wo die zahl reichsten Schankstätlen sind, da baut man die meisten Ka pellen, Betsäle, Missionshallen und Häuser, ja Paläste für Volksbildung und edle Volksvergnügungen. In dem Stadtteil, darin sich die Druckereien und Verlagsanstalten für die dem religiösen und politischen Umsturz dienenden Schriften und Zeitungen befinden, erhebt sich jetzt die Zentralstelle für die Londoner Stadtmission, welche mit 500 Stadtmissionaren und einem Jahresbudget von 1,4 Millionen Mark arbeitet. Nicht fern davon ist das Generaldepot der „Britischen und ausländischen Bibel gesellschaft", welche die heilige Schrift jetzt in 374 Spra chen druckt. In nächster Nähe befindet sich das „Haupt quartier der Heilsarmee " Wenn in London, der Stadt der Gegensätze, sich nicht aus dem mit sozialen Erplosionsstoffen aller Art gefüllten Krater ein revolutionärer Feuerstrom ergießt, so scheint das ein Wunder. Und es ist vielleicht auch eins; ein Wunder, das, wie alle Wunder, nicht erklärt, aber gefühlt werden kann. Was hält den Ausbruch zurück: nicht Roß und Reisige, nicht Armee und Polizei, auch nicht allein der besonnene Sinn („»ober tasts") der Engländer, son dern die moralische Kraft einer christlichen Mino rität, welche mit der Fackel eines wahrhaft glaubensfeurigen Enthusiasmus der Hydra des Riesenübels je länger je erfolgreicher die Häupter abschlägt. Über Nicolas Charrington selbst heißt es dann wie folgt: .... Wir versetzen uns ins Londoner Ostend Es ist doch da« interessanteste Quartier der Welt! Die Tragik de« sozialen Leben« hat dort ihren gähnenden Abgrund gegraben, aber auch eine gewisse Romantik läßt ihre wunderbaren Blumen am Rande de« permanenten Elend« erblühen Das Ostend mit seinen Hunderttausendrn au» allerlei Völkern und Sprachen gleicht einem sturmbewegten Meere Aber Christus wandelt auch auf diesen rollenden Merreswogen und bietet manchem Sinkenden die Hand, sodaß er wieder festen Boden in dieser gefahrvollen Flut unter den Füßen spürt. Da« Ostend mit seinen endlosen Straßen, seinem freudlosen Aussehen, seinem tosenden Verkehr und Ge schäftsbetrieb gleicht einem wirtschaftlichen Kampf platz, auf welchem Kapital und Arbeit, Spekula tion und Arbeitslosigkeit verzweifelt miteinander ringen Aber auf dieser ökonomischen Wahlstatt, wo neben viel tausend ehrbaren Leuten andere Tausende: Schiffbrüchige, politische Flüchtlinge, verlorene Söhne, Katilinarier und andere dunkle Existenzen, den Kampf umS Dasein kämpfen, da erstehen auch Helden der christ lichen Tugend. Die großen und begeisterten Christen im Ostend bilden einen lebendigen Kommentar zu dem Worte Jesu: Ihr seid das Salz und Licht der Welt. Hier ist das Christentum kein religiöses Schwelgen in frommen Gefühlen, sondern ein wagnisfroher kühner Geist voll Thatendrang und Kampfeslust. Die Christen können hier keine in seliger Freude ruhenden (quiescierenden) Zeugen der Herrlichkeit Jesu sein, vielmehr drängt sie alles zu der anderen Pflicht, sich al« brauchbare Werkzeuge in der Nachfolge des »u zeigen, „der wirken muß, so lange es Tag ist" Dieses aktive Element, welches im eng lischen Christentum bekanntermaßen eine hervor ragende Pflege findet, tritt uns persönlich in einem Manne nahe, dessen Lebensschicksal und Lebensaufgabe kennen zu lernen gewiß manchem ein hohes Interesse bieten wird. Die Persönlichkeit, die wir meinen, heißt Nicolas Charrington. Seine Vorgeschichte ist kurz diese: Er wurde geboren am 4. Februar 1840 als der Sohn des Inhabers der großen Brauerei Okarrioxton, Heuck L Oie. Diese Brauerei, deren Malzgeruch die angrenzenden Straßen durchströmt, deren hoher Wasserturm eine charakteristische Erscheinung im Ostend bildet, ist eines der finanziell bestgestelltesten und an Umfang größten Geschäftsunter nehmen Londons Unser Charrington empfing eine sorg fältige Erziehung zu Brighton und auf dem berühmten Marlborough College, dessen Anstaltsgeistlicher lange Zeit der bekannte vr. tksok Farrar, jetzt Dean von Canter bury, war. Wiederholte Reisen nach dem Festland er weiterten des Jünglings Gesichtskreis. Jedoch scheint er tiefere religiöse Eindrücke vor seinem zwanzigsten Jahre nicht empfangen zu haben. Denn als ein christlich interessierter Freund ihn 1868 frug, ob cr schon einmal über sein Seelenleben nachgedacht habe, wies er diese Frage al« eine Zudringlichkeit mit Entrüstung zurück Der Freund mußte sich darauf beschränken, ihm die Lek türe vom dritten Kapitel des Johannisevangeliums an gelegentlich zu empfehlen. Sein gewohnheitsmäßiges Sonntagschristentum erhielt zwei Jahre später eine ent scheidende Wendung. — Charrington war zufällig in Hastings, als dort der Disscntenprediger Lord Radstock seine Erweckungspredigten hielt. Aus dem anfänglichen Erstaunen darüber, daß seine Freunde, junge Aristokraten, diesen Prediger, der doch selber Aristokrat war, mit Be geisterung hörten, entwickelte sich ein inneres und bleibendes Interesse für die Sache des Evangeliums. Unter Rad- stockS Eindruck las er jetzt das dritte Kapitel im Johannis evangelium Der Geist Gottes ergriff seine Seele. Er ward ein Christ, und die erste Frage in dem neuen Leben, die ihn beschäftigte, war die Kernfrage des aktiven Christen tums: „Was kann ich für Jesus thun, der so viel für mich gethan hat?" Charrington trat in seines Vaters Geschäft ein. Aber das „Geschäft" konnte sein Leben nicht ausfüllen Er fühlte sich seinen Brüdern im Ostend verpflichtet Sein Drang, ihnen zu helfen, äußerte sich zunächst darin, daß er in Verbindung mit einigen gleichgesinnten Männern, worunter besonders Mr. Kerwin*) zu nennen ist, eine Nachtschule für verwahrloste Knaben einrichtete. Die ersten Versammlungen dieser Art fanden auf einem Heuboden über einem Pferdestall anfangs der siebziger Jahre statt. Gleichzeitig mietete er noch an anderen Stellen geeignete kleinere Säle Ein umgekehrter Paulus, arbeitete er am Tage in seinem Geschäft und lehrte des Abends und in der Nacht das Evangelium unter solchen, welche außerhalb eines kirchlichen Verbandes leben Diese Anfänge waren mit vielen Schwierigkeiten verknüpft Unter den verrotteten Straßenjungen und halbwüchsigen Burschen erhob sich ein Widerstand, der in Handgreiflichkeiten aus zuarten drohte. Eines Abends, während der religiösen Versammlung, wird gemeldet, ein Trupp Burschen lauere draußen auf Charrington und die von ihm „Bekehrten", um Rache zu nehmen für das ihnen unbequeme Vorgehen des „heiligen Bierbrauers". Charrington ging allein hinaus, redete den Trupp freundlich an und forderte sie auf, sich mit den christlichen Freunden zu vereinigen Dies beherzte Verhalten übte einen wunderbaren Einfluß aus; viele kamen und schüttelten nachher die Hände mit denen, welche sie anzufallen gedachten Auf den englischen Mob *) Jetzige Adresse: Asscmbly Hall, London kl. Zu Heist geliebt. Roman von Enrico Castelnuovo. 22 (Fortsetzung.) Nichtsdestoweniger ließen sich an einem der fol genden Tage Mutter und Tochter mit Erlaubnis der Großmutter nach den öffentlichen Anlagen rudern. Es war in der zweiten Hälfte des April, ein lachender Frühlingstag. Ein frischer, leichter Wind mäßigte die Glut der von dem weilen, mit Schiffen besetzten Bassin abprallenden Sonnenstrahlen. Seit vielen Jahren waren Claras Augen nicht mehr an ein solches Meer von Licht gewöhnt; es verwirrte ihr den Kopf. „Wenn Du wüßtest, Cecilia, wie sich mir der Kopf dreht, seit ich mein Nest verlassen habe", klagte sie und stützte sich fester auf den Arm der jugend lichen Gefährtin. „O, Du wirst Dich schon daran gewöhnen, Mama, ganz gewiß, Du wirst Dich daran gewöhnen." Allein diese Ausgänge erfolgten nur nach langen Pausen und jedeSmal nach einsameren Orten. „ES nützt nichts", klagte Frau Gilleri, „ich gehe lieber in die Kirche, wo ich ganz allein bin ; ich kann nicht mehr unter Menschen sein." Und jeder AuSgang versetzte sie in so große Gemütserregung, daß Borgondi selbst von jeder Nötigung abriet. Vor kurzem hotte er zu Cecilia noch gesagt: ehe eS zu spät ist. Jetzt fühlte er selbst, daß es bereits zu spät war. Und durch weitere zwei Jahre zehrte sich Frau Gilleri langsam ab. Im Monat März war sie aber nicht mehr im stände, ihr Zimmer zu verlassen. Man nahm eine Pflegerin, und Cecilia mußte notgedrungen das Zimmer räumen. Sie weinte und widersetzte sich, aber es half nichts. Mit Unterstützung des Doktors erhielt sie wenigstens ein Zimmer neben der Mutter, wogegen Gräfin Lucrezia sie am liebsten in den ersten Stock zu sich gebettet hätte. Diese letzte Zeit ihres Lebens war für Clara nicht die unglücklichste. Sie litt nicht besonders schwer, sodaß sie sich oft scheinbar besser fühlte Aber sie begriff gleichwohl, daß sie ihre Schlafstube nur noch mit dem Kirchhofe vertauschen würde. Diesem Augenblick sah sie kampflos, ohne Schmerz, mit Fass ung entgegen. „Geliebtes Kind," sagte sie des öfteren, „zwei volle Stunden miteinander allein zu sein, so gut haben wir eS lange nicht gehabt. Wie Du gewachsen bist, und wie Du ihm ähnelst! Ja, wir müssen wieder einmal von ihm sprechen. Doch Du mußt an daS Fenster gehen, ich darf Dich nicht zu nahe bei mir haben, meine Küsse . . . Der Arzt hat es so ge wünscht" „Der Arzt kann viel wünschen." „Ich. also bitte Dich, bleibt dort. So sehe ich Dich gut; arbeite rin wenig" macht überhaupt ein vertrauensvolle« Benehmen ganz be sonderen Eindruck General Booth verdankt dieser Art wunderbare Erfolge Vom berühmten Philantropen, Parlamentarier und Beförderer der Londoner Stadtmission, übrigen« auch Gönner Charrington«, von dem Grasen ShafteSbury wird folgender interessante Zug berichtet. Als er einst auf den berüchtigten „Diebsmarkt" im Süd osten London« zu gehen vorhatte, rieten ihm die Freunde, seine Uhr und alle Sachen von Wert zu Hause zu lassen. ShafteSbury lehnte diesen Rat mit dem Bemerken ab, man dürfe nicht so mißtrauisch sein. Er ging im Cylinder und mit seiner goldenen Uhr auf den Diebömarkt, um für« Evangelium zu wirken Zu Hause wieder angelangt, ver mißte er seine Uhr. Allein sein Vertrauen sollte doch noch eine kaum glaubliche, nachträgliche Rechtfertigung erfahren Nach ein paar Tagen fand er eines Morgens seine Uhr auf dem Schreibtisch; ein Dieb hatte sie mit dem Be merken zurückgesandt, „er habe zu seinem Bedauern er fahren, daß die Uhr dem klar! ok 8k»ttesbur^ gehöre, einen solch anständigen Gentleman zu bestehlen, sei nicht „schicklich'". Ähnliche Erfahrungen hat Charrington später ebenfalls wiederholt gemacht. Vorderhand indes hatte er anfangs der siebziger Jahre, ähnlich, wie die gleichzeitig auftretende Heilsarmee, die heftigsten Angriffe zu erfahren, die allerdings nur dazu beitrugen, ihn fester zu machen und die Aufmerksamkeit vieler edelgesinnter Kreise auf den energischen Mann hinzulenken Schwieriger aber als die äußeren Angriffe war ihm ein inneres Ärgernis. Noch war Charrington im väterlichen Geschäft. Und das war die große Brauerei Aus seinen Gängen la« er nun gerade in den verworfensten Gegenden an den Trinkhallen, Wirtshäusern und Vorstadttheatern die Anpreisungen des Bieres aus seinem väterlichen Geschäft: „Cdurrington, Heuck unä Co's Flntirs'".*) Während er sich früher darüber gefreut, klang ihm jetzt die reklamenhaste An preisung wie eine Selbstanklage Er sagte sich, wa« sich leider viele, die gern der Volksnot steuern wollen, oft nicht sagen, daß was er mit der einen Hand ausbaue, er mit der andern niederreiße. Denn er erkannte die Trunk sucht als das Grundübel im Ostend, als das National laster seines Volkes. *) Entire ist eine berühmte und beliebte Biersorte, etwa unserem Kulmbacher Bier entsprechend. (Schluß folgt.) Dresdner Nachrichten vom 24. Juli. « Aus Anlaß des am Montag, den 3. August d. Js, in Moritzburg-Eisenberg stattfindenden Roß-, Vieh- und Krammarktes verkehrt an diesem Tage ab Rade beul 6 Uhr 45 Min. vormittags ein Sonderzug nach Moritzburg. Die Rückfahrt aus Moritzburg erfolgt 1 Uhr 40 Min. nachmittags. ' Geradezu entsetzliche Folgen haben wieder zwei jener schon oft gerügten, aber sich trotzdem immer wieder holenden fahrlässigen Handlungen im Umgänge mit Petroleum und Spiritus gehabt Im be nachbarten Ort Gorbitz goß vorgestern ein größeres Mädchen, dem die Wartung einiger Kinder anvertraut war, beim Wärmen von Milch aus einer Flasche Spiritus nach. Das Gefäß explodierte hierbei und über schüttete die Unvorsichtige und eins der kleinen Kinder mit seinem brennenden Inhalt. Das kleine Kind erlitt so schwere Brandwunden, daß es bald darauf verstarb, während das Mädchen zunächst nach der hiesigen Kinder heilanstalt überführt wurde. Letztere ist jedoch so stark besetzt, daß die Verunglückte an das städtische Krankenhaus abgegeben werden mußte, wo die Bedauernswerte, wie wir hören, schwer darniederliegt. Der andere Fall trug sich gestern nachmittag zegen 6 Uhr im Hause Pfotenhauer straße 33 zu, wo die 52jährige Ehefrau eines dort im ersten Stockwerk wohnenden Handwerkers beim Zugießcn von Petroleum die Explosion der mit dem Ol angefüllten Blechkanne hervorrief und in Flammen geriet. Tie Un glückliche, augenscheinlich aller Besinnung beraubt, lief, einer Feuersäule gleichend, noch die Treppe hinab bis auf die Straße, wobei selbstredend die Flammen durch den vom Laufen erzeugten Luftzug nur noch mehr angefacht worden waren. Hinzueilende Personen leisteten die erste Hilfe; auch war erfreulich schnell ärztliche Hilfe zur Stelle, sodaß alsbald der Transport der Schwerverletzten nach dem Carolahaus erfolgen konnte. Dortselbst ist die Frau heute früh verstorben. — Diese traurigen Vorgänge beweisen wiederum, wie notwendig cs ist, daß jeder Haus haltungsvorstand wiederholt die weiblichen Personen seines Haushaltes — seien es Familienmitglieder oder Dienst boten — in nachdrücklichster Weise darauf hinweist, in welche Gefahr sie sich beim vorerwähnten Gebrauch von Petroleum und Spiritus begeben — Bei Schluß der Redaktion gehen uns noch zwei Berichte über Verbrenn ungen von Personen zu. Der erste Fall hat sich gestern nachmittag in der Allemann enstraße (Vorstadt Striesen) zugetragen, woselbst einem 14 Jahre alten Dienstmädchen beim Herausnehmen eines glühenden Plättstahls dieser auf den Körper fiel und die Kleidung in Brand setzte. Auch dieses Mädchen ist in der letzten Nacht den Ver ¬ letzungen erlegen. — Heute in der Mittagstunde ist wiederum, auf noch nicht ermittelte Weise, im Hause Kreutzer st raße 5 ein Mädchen schwer verbrannt worden Ein zufällig dort vorübergehender Feuerwehrmann löschte den in dem betreffenden Raume entstandenen Brand und sorgte für Herbcischaffung von Hilfe. * Am vergangenen Mittwoch abend wurde auf der „Freien Bühne" in der „Alten Stadt" das Fast nachtsspiel „Das Heyß Eysen" von Han« Sach« zum ersten Riale aufgeführt. Die Darsteller der Rollen de« Stückes, die Damen Frl. Wilhelmy und Frl. Böhme sowie Hr. Leitner, waren bemüht, die eigenartige Darstellungs weise, wie sie zur Zeit des Hans Sachs üblich war, zu charakterisieren, insbesondere die Steifheit der Nürnberger von 1531 zu kopieren, was den Schauspielern in der zweiten Hälfte des Stückes gelang, während anfangs Humor und volkstümliche Urwüchsigkeit infolge des ge künstelten Vortrags zu vermissen waren Den Darstellern ge bührt immerhin Anerkennung für ihre lobenswerten Leistungen, wie auch Hrn Maximilian Sonnenthal für seine ausgezeichnete Regie Dank zu zollen ist. An das Sachs'sche Stück schloß sich die treffliche Aufführung der Köllerschcn Panto mime „Harlekin". * Soeben ist der fünfte Jahrgang (1895) der Mit teilungen des Statistischen Amtes der Stadt Dresden erschienen Der Inhalt diese« Werkes erstreckt sich auf statistische Nachrichten über da« Jahr 1894 nebst Rückblicken, auf die Wahlen zur II. Ständekammer des Sächsischen Landtages in Dresden in den Jahren 1869 bis 1895, aus Statistik der Lebensmittelpreise, sowie auf die Ergebnisse der Arbeiterzählung vom 1. Mai 1896 in Dresden (vorläufige Mitteilung). — X. Die Blumenanlagen im König!. Großen Garten bieten alljährlich ein anderes Bild sowohl in der Zeichnung wie auch im Kolorit. Kompositionen, wie die sich um das Palais herumziehenden Blumcnparterres, sind gärtnerische Kunstwerke von ganz besonderer Schön heit. Dem Kgl Obergartendirektor, Hrn Bouche, welcher schon im allgemeinen durch eine Verschönerung und Er weiterung des Parkes nach Westen und Osten, sowie durch die Anlage der Carolaseen rc. sich bereits große Ver dienste erworben hat, gebührt auch für diese Kunstgebilde die volle Anerkennung. Mitten in einem Blumenteppich hineingesetzt erscheint das Palais. Ringsum ziehen sich grüne Rasenflächen, in welche die Hand des Gärtners in zarten Linien oder in dichtgedrängten Mengen die Kinder Floras eingezeichnet hat. Rechts wie links vom Palais sind die Parterres gleichmäßig, die überhaupt sämtlich von schmalen Kanten mit Monats-, Carmosi- oder Malmaison- Roscn begrenzt werden. Fünf geradlinige Kernstücke, halb kreisförmig aneinander gegliedert und mit Perlargonien in den verschiedensten Farben bepflanzt, breiten sich in der Mitte der Wiesenpläne aus. Von Burbaum umsäumte, mit blauen Lobelien gefüllte Zeilenbeete bilden die Kon turen des Teppichs, dessen äußerste Umrahmung durch Begonienlanten, kleine Teppichbeete und zwischen diese ein- gepslanzte Yuccas und Palmen (8ekuinerop» Kumuli») dargestellt wird Zur Besichtigung der direkt vor dem PalaiS ausgebrcitetcn Blumenteppichc begiebt man sich über die Freitreppe nach dem oberen Stockwerk des Palais, von dessen Fenstern aus man einen entzückenden Ueberblick ge nießt Zunächst tritt unS ein viereckiger Wiesenplan vor das Auge, dessen Mitte durch eine Dattelpalme bezeichnet wird Um diese schließt sich ein Rundbeet mit Heliotrop und an dieses wieder eine durch schmale Kiesstreifen getrennte achtgliedrige Beetgruppe mit prächtigen Pelargonien. CinKranz von gelbem Pyrethrum umläuft in einem Abstande dieses Stück der Anlage. Schmale Ranken aus Tepplchpflanzen durchbrechen als äußere Umrandung den grünen Unter grund, von dem sich noch Halbkreise mit Lobelien und buntblättrigen Pelargonien, Medaillonsbecte mit dunkel braunen Coleus und anderen Pflanzen vorteilhaft abheben Rechts und links von dein Parterre befinden sich Gruppen hochstämmiger, zur Zeit noch dankbar blühender Rolen. Ein Wiesenplan mit Baum-und Strauchwerk und mehreren Beeten mit Sommerpflanzen und seltenen beachtenswerten Echeverien trennt den großen dreiteiligen weiter zurück liegenden Blumenteppich von der oben geschilderten Änlage vor dem Palais. Das mit einer Marmorqruppc geschmückte Rundtcil des dreiteiligen Teppichs ist in der Mitte mit Blattpflanzen, die von dunklen Coleus umgeben sind, besetzt. Pelargonien in blendender Farbenpracht umschließen den Kern, während eine vielfach ausgebogte Ranke von Teppich pflanzen die Umrandung bildet. Dazwischen zeigt sich noch eine Teppichkante mit Lobelienfüllung. Die beiden an grenzenden Wiesenrechtecke sind von Schmalbeeten mit Verbenen, Coleus untssBegonien umsäumt, aus denen sich in gewissen Abständen Dracaenen und Palmen erheben, während hier und da Beete mit Pelargonien eingestreut liegen. Hinter dem Palais sind Rabatten mit Rosen, Sommerphlox und I'KIox pereuni» sowie Zinnien bepflanzt. Außerhalb dieser mit einem geschmackvollen eisernen Zaune umgebenen Palaisanlage sind zwischen einer langen Reihe kegelförmig geschnittener Koniferen Beete mit Heliotrop und Monatsrosen angelegt. * Im 2 Vierteljahre I8S6 legten 951 Personen 4t 406 M. 30 Pf. in die Mietzinssparkasse des hiesigen Vereins gegen Armennot (Elbgäßchen 8) ein. Bei der Wicderaus- zahlung am Biertcljahresschlusse erhielten die Sparer insgesamt 1065 M. 81 Pf. Prämien mit den Spargeldern eingehändigt. Cecilia mußte dann sich fügen. Doch nach wenigen Minuten legte sie die Ctickcreiarbeit in den Schoß. „Du wolltest doch mit mir vom Vater sprechen?" fragte sie. „Ja, ich werde Dir etwas geben", erwiderte zu sammenschauernd die Kranke „Jetzt aber ist der Augen blick noch nicht gekommen." Cecilia senkte den Kopf, um die hervorschießenden Thränen zu verbergen. Sie hatte erraten, was das für ein Augenblick sein würde, welchen die Mutter meinte. XIV. Der Palast Torniglioni und daS Haus Seriani fuhren fort, einander mürrisch anzublicken, oder um gerecht zu sein, der Palast knurrte noch immer das HauS an. Das letztere machte aus seiner Verachtung kein Hehl und beantwortete alle Herausforderungen des Gegners mit ruhiger Ironie. Während der Palast fest geschlossene Fenster zeigte, standen die des Hauses sperrangelweit offen; während an den großen Spiegelscheiben des ersteren kaum ein Schatten vor- überhuschte, sah man über die Fensterbrüstungen des Hauses drüben vom Morgen bis zum Abend heitere, offene Gesichter gelehnt; während der Palast wie ausgestorben schien, tönte das HauS von Lachen und Hellen Kinderstimmen wieder. Aber man konnte trotzdem nicht behaupten, daß die Seriani hochmütig oder unliebenSwürdig gegen die Nachbarn geworden wären. Die Mädchen grüßten bei sich dar bietender Gelegenheit stets zuerst. Gräfin Lucrezia konnte deshalb zu ihrem großen Leidwesen nicht be haupten, daß die Seriani ohne Bildung seien . . . Sie wußte aber ihren Todel dahin zu drehen, daß sie jene aufdringlich nannte: „Sie wollen um jeden Preis mit uns bekannt werden. Aber mit mir spaßt man schlecht." Mit unerbittlicher Strenge hatte sie auch der Dienerschaft verboten, mit der der „Handelsleute" freundschaftlich zu verkehren. Ihre Allmacht konnte jedoch nicht hindern, daß die Barkenführer beider Familien beim An- und Abfahren der Gondeln einige Worte miteinander wechselten, die des Abends in der Kneipe zu großen Reden wurden. Vor allem aber war es die Thürhüterin Agnese, die jedem Ver bot zum Trotze in Abwesenheit der Gräfin stets aus der Kanoltreppe saß und mit der Dienerin der Seriani, die um frische Lust zu schöpsen zum Kanal hinunterkam, ein langes Geklatsch zu sichren pflegte. Auf diese Weise war jede der beiden mit teilungsbedürftigen Seelen genau von den Vorgängen in beiden Häusern unterrichtet. Was sie erfahren, hütete sich Frau Agnese natürlich bestens, der Gräfin mitzuteilen; aber jedesmal wenn Cecilia sie besuchte, um nach der zahlreichen, sich stets vermehrenden Nach kommenschaft der Katze Griela zu blicken, begann sie von den Seriani zu sprechen. (Fortsetzung folgt.)
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