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Dresdner Journal : 22.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189607220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960722
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960722
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-22
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 22.07.1896
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Erste Beilage zu ^7168 des Dresdner ^VUrNttls. Mittwoch, den 22. Juli 1896, abends. Tächsische Handwerks- und Kunstgewerbc- AuSpellung. XI. Im linken Flügelsaale, zu dem man durch einen weinspalierähnlichen Triumphbogen gelangt, finden wir längs der Seitenwünde eine Anzahl als Zimmer in den verschiedensten Stilarten eingerichteter Kojen In den meisten dieser Einzelausstellungen sind die Wände durch die Kunsthandlung von E Richter (Pragerstraße) in ge nauester Anpassung an den Stil der betreffenden Einricht ung mit Kupferstichen, Aquarellen und Ölgemälden ge schmückt Die genannte Kunsthandlung führt in diesen Kunstwerken nur auserlesene Arbeiten vor. Gleich rechts am Eingänge begegnen wir einem Speise- und Wohn zimmer von H Hellwig-Meißen, ersteres im Stile der Restauration (Vermischung von Renaissance- und Rach- Napoleonischem Stil), letzteres in Barockstil möbliert, an denen insbesondere die treffliche Holzarchitektur zu rühmen ist. Auch das von F. W. Georgi-Schneeberg ausgestellte Herrenzimmer weist recht sauber ausgesührte Schnitzarbeit auf. Köhler-Chemnitz bringt in seiner stilvollen Speise zimmereinrichtung die Gotik zu Ehren — nur schade, daß die dem Stil entsprechend ernst und vornehm wirkende Zimmerausstattung durch eine Anzahl recht wenig stilvoller Gesäße und Nippes beeinträchtigt wird; die Gobelin- und Glasmalereien sowie die Durchführung der Gotik in allen Schnitzereien lassen dagegen nichts zu wünschen übrig. Eine Abart dieses Stils, die tiroler Gotik, zeigt O. Wein hold-Olbernhau in einer reich geschnitzten Eßzimmer- cinrichlung, während das von ebendemselben ausgestellte Wohnzimmer im Stile der Restaurationszcit ausgestattet ist Die Ausstellung von Fr Schneider-Leipzig macht einen besonders gediegenen Eindruck; sein Herrenzimmer zeigt die Formen der edelsten deutschen Renaissance; Möbel und Paneel in Eiche mit Einlage von Birkenmaser, gehoben durch einzelne schwarze Profile, und die sehr geschmackvolle Holzdecke geben dem Raume ein ruhiges, vornehmes Gepräge. Das gewissermaßen ein Gegenstück zu dieser Herrenstube bildende Damenzimmer ist in englischem Stile durchgesührt, den die eines weit über die Grenzen unseres Vaterlandes wohlbekannte Firma als Spezialität pflegt Alle Einrichtungsstücke dieses Salons sind äußerst zierlich und mit großer Sorgfalt in Alt mahagoni ausgesührt. Die Schneidersitzen Zimmereinricht ungen zählen zu den hervorragendsten Objekten der Aus stellung. Das Rokoko vertritt in seinen gemütlichen und dabei doch so graziösen Formen G Ritter in stilvoller Durchführung. Die reiche Schnitzerei der Möbel beein trächtigt durchaus nicht deren gefällige Form. Eine sehr hübsch von R. Barthel gemalte Decke und korrekt im Stile gehaltene Kronleuchter (Ebeling u Croener) sowie ein als Wandschmuck dienendes Ölgemälde aus der Richter- fchen Kunsthandlung sind sehr hübsche Beigaben zu der Ritterschen Ausstellung. Eine einfachere, trotzdem sehr günstig wirkende, im englischen Stile gehaltene bürgerliche Wohnstube führt uns I. A. Br. König, eine „stimmungs volle" Schlafstube A. Helm-Blasewitz, ein Herrenzimmer in Spätrenaissance M TripS, ein Rokoko-Wohnzimmer A. Hahn-Chemnitz vor, dessen Möbel durch Zierlichkeit der Form und recht gut imitierte Gobelinüberzüge aus fallen. O. Schubert hat ein Speisezimmer, R. Hübner einen Empiresalon und ein Renaissance-Schlafzimmer aus gestellt, die einen recht behaglichen Eindruck machen. Die Dresdner Schriftmalerinnung hat eine Kollektivausstellung veranstaltet, die den Beweis dafür liefert, daß die sächsischen Lackarbeiten getrost mit den chinesischen und japanischen den Wettbewerb aufnehmen können; auch die Perlmuttereinlagen nehmen es mit den fremdländischen Arbeiten dieser Art aus. Unter den verschiedenen in diesem Raume ausgestellten einzelnen Einrichtungsstücken heben wir weiter ein von Scheller-Werdau gearbeitetes Boudoirschränkchen her vor, welches stellenweise in der Schattierung allerdings durch Brennarbeit nachgeholfene, sonst aber recht hübsche Intarsien zeigt. Die Verbindung eines Nachtschränkchens mit einem meist nur in Krankenstuben Aufnahme findenden Klosett, die uns A. Schubert-Freiberg vorsührt, er scheint etwas gesucht; auch das Patenttriumphbett mit eingearbeiteter Stahlscdcrmatratze von Beck u. Holz, welches das gefällige Außere eines Pianinos zeigt, dürfte nur ausnahmsweise Liebhaber finden. Als Muster von Fleiß und sauberer Arbeit können das von W. A. Hedrich-Pulsnitz in Laubsägearbeit gefertigte Modell des Kölner Domes und die von O. Eudner in Buchsbaumholz gedrehten Kugeln gelten, in die nach Art der chinesischen Schachfiguren noch andere Körper einaearbeitet sind Auch der Tisch von P. H. Schaarschmidt-Blasewitz, dessen Schubfach sich nach allen Seiten öffnen läßt, ist eine recht hübsche Spielerei. K. Weigel-Löbtau und I. G A Blochwitz-Großen hain haben sich auf die Herstellung von Spieltischen gelegt, die recht praktisch in der Form und sehr sauber in der Arbeit sind In diesem Saale wie im Hauptsaale finden wir noch Bilderrahmen und Holzvergoldungen aller Art in trefflicher Ausführung und stilvoller Zeichnung; W. Mittenzwei-DreSden und Leipzig und I Krüger Nchflg. vertreten diesen Zweig des Handwerks L. Starke hat eine Anzahl von Billards ausgestellt, von denen das eine, welches eine Nachbildung des Wettiner Fürstenzuges auf der AugustuSstraße hierselbst in eingelegter Arbeit zeigt, ein Meisterstück genannt zu werden verdient. Ein m einen Tisch zu verwandelndes Billard hat H Freyboth, ein in einen Schrank zu verwandelndes Bett H. Hübner, Bücher- und Geld schränke mit besonderen Vorrichtungen haben E. Leut hold-Dresden und C Grunert-Leipzig, ver schiedene Zeichnungen für Möbel- und Tischlerarbeiten F. Höpfner-Schandau und F. A. Held-Trebsen, vorzüg lich ausgeführte Arbeiten der Modelltischlerei C. Th. Satt ler ausgestellt. Recht gut beschickt ist ferner die Aus stellung mit Erzeugniffen des DrcchslergewerbeS: so führen R Liebscher eine reiche Kollektion von Tabakspfeifen, G. Busse-Meißen (neben allerlei hübschen Artikeln aus Hirschgeweih) Stöcke für Spaziergänger, „Dandus" und „Gigerl", Weickert allerliebste Perlmutterarbeiten und Kunstwerke der Gemmenschnitzerei, Pfeiffer, Seber und Vogelsang Drechslcrarbeiten verschiedensten Genres (ersterer u. a ein Steuerruder und ein Treppengeländer in dauerhaftester, dabei aber eleganter Ausführung) vor. L. E. Fischer-Neuhausen und C. Teich u Sohn ge hören zwar nicht der Drechslerinnung an, vertreten aber dieses Gewerbe mit vorzüglichen Arbeiten, letzterer be sonders mit Stöcken. Eine Anzahl recht gut gelungener Büsten sowie Mo delle sür Freihandzeichncr stellt die bekannte Firma Gebr. Weschke aus. Die in Elscnbcinmasse bez. Alabastergips nacb berühmten Originalen ausgesührten Nachbildungen verdienen mit vollem Rechte die im Katalog angegebene Bezeichnung „Zimmerschmuck". Außer den von uns bereits erwähnten Tischler- und Drechslerarbeiten werden uns in diesem Saale noch die verschiedenartigsten Apparate und Instrumente zu medi zinisch-chirurgischem Gebrauche, für die Elektrotechnik, die Aufnehme- und Vermessungskunst, wie auch sür physikalische Zwecke vorgesührt. Die Mehrzahl der Besucher wird ost nicht wissen, wozu die feinen, zierlich gearbeiteten Dinge bestimmt sind, sie wird aber staunen über die exakte Arbeit und die Reichhaltigkeit der Kollektionen, die hier, wohl gesichert gegen Staub, Zug und unberufenes Angreisen, in Glaskästen auslicgen. * tlachrichten aus den Landesteilen. * Leipzig, 21. Juli. Die gestrige öffentliche Buch- druckerversammlung im Thcatersaale des „Krystall- palastes", in welcher Eichler den Bericht über die Beschlüsse der außerordentlichen Generalversamm lung des Verbandes der Deutschen Buchdrucker erstattete, war von etwa 500 Personen besucht. Was diesen Bericht anbelangt, so bedarf es keines näheren Ein gehens aus ihn, da wir über die Generalversammlung ausführlich berichtet haben. Dagegen ist eines neu hinzu getretenen Vorganges zu gedenken. In der „Leipziger Volkszeitung" hat nämlich Pollender nachträglich sich über die Beschlüsse der Generalversammlung des längeren verbreitet. Dabei hat er zunächst die Tarifgemeinschaft in den schwärzesten Farben dargestcllt, sodann aber einige „geheime" Umtriebe enthüllt Die Spitze dieser Enthüll ungen richtet sich gegen Riedel und Eichler. Diese sollen nämlich vor einigen Jahren an Gasch das Ansinnen gestellt haben, wegen der Leisetreterei des Zcntralvorstandes gegen letzteren im „Correspondent" vor zugehen, was aber von Gasch, jedoch lediglich im Hinblick auf die Disziplin im Verbände, verweigert wurde. An sich kommt diese „Enthüllung", an deren Richtigkeit übrigens nicht zu zweifeln ist, post tostum, d. h. sie ist nicht im stände, das Verhältnis zwischen den genannten Personen und dem Zentralvorstande zu beeinflussen. Da gegen wurde sie immerhin etwas unangenehm empfunden In der Debatte nahm zunächst Kressin das Wort Der Genannte hat sich zum Führer der hiesigen „Oppo sition" aufgeschwungen Von der Generalversammlung ent warf er ein schreckliches Bild Sie sei brutal-reaktionär gewesen; die Opposition, die allerdings eine traurige Rolle gespielt habe, sei an die Wand gedrückt und Gasch in seiner Verteioigung beschränkt worden und dergleichen mehr. Was bei Ablehnung des Tarifs, den die Prinzipale wohl mit Recht als ein Ganzes betrachtet wissen wollen, geworden wäre, verriet Kressin frei lich ebensowenig, als man es auf der General versammlung anzugeben im stände war. Von der Oppo sition sprachen dann noch Kretzschmar, Lehme und Tanne berger, die durch ihre langatmigen Ausführungen die Ver sammlung sichtlich ermüdeten. Von den Delegierten sprachen Rauh, Riedel und Hövetborn. Sie stellten sich auf den Standpunkt, daß, nachdem die Generalversamm lung die Tarisgemeinschast beschlossen habe, diese auch bis zum Ablaufe des Vertrages anerkannt werden müsse. Um 12 Uhr nachts wurde zur Abstimmung über die cinge- gangencn Resolutionen geschritten. Eingegangen war zunächst eine von Zeumer, in der die Annahme des Tarifes als gegebene Thatsache und die Verpflichtung, sür seine Durchführung zu wirken, anerkannt wurden Ferner sollten die Gehilfenvertreter ersucht werden, dem Jnslebcn- treten des Tarifamtes und seiner Nebeninstitutionen ent- geqenzuwirken. Eine andere von Kressin eingebrachte Re solution mißbilligte „entschieden" die Sanktion der Tarif- gemeinschast durch die Generalversammlung, brachte dann aber zum Ausdruck, daß man, gleichwohl sich auf den Boden der gegebenen Thatsache stellend, die strikteste Be folgung des Tarifs sür notwendig erachte. Zu diesem Behufe solle der Vereinsoorstand alsbald eine Buch druckerversammlung einberusen, die eine Tarifkommission behufs Überwachung der Einhaltung de» Tarif« zu wählen habe Zur Abstimmung kam die Resolution Kressin Das Ergebnis war wohl zweifelhaft; der Vorsitzende (Schnei der) erklärte jedoch die Resolution für angenommen. Es blieb sich auch im Grunde genommen gleichgiltig, welche der beiden Resolutionen von den noch anwesenden un gefähr 300 Personen zur Annahme gelangte. Der Redak teur Gasch war nicht erschienen * Annaberg, 21. Juli. Das hiesige „Wochcnbl." dementierte kürzlich auf Grund einer Information „von zuverlässiger Seite" die Notiz, nach welcher Selbsteinschätzungsbogen zur Staatseinkommen steuer vom Jahre 1893 als Makulatur verkauft worden seien. Daß die Information des „Wochcnbl." indesien keineswegs besonders zuverlässig gewesen ist, geht aus folgendem hervor In der letzten Sitzung der hiesigen Stadtverordneten ergriff der Stadtverordnete Bockelmann das Wort, um Aufschluß über diese Angelegenheit zu er langen Er Halle eS gar nicht sür möglich, daß so etwas Vorkommen könne; die ganze Bürgerschaft sei über solche Nachlässigkeit cmpört, er fordere strengste, nicht im Sande verlaufende Untersuchung. Stadtrat Matthes teilte hierauf mit, daß die bereits eingeleitete Untersuchung bis jetzt folgendes Resultat ergeben habe: Die betreffende Liste sei, nachdem sie hinfällig geworden war, von dem be treffenden Beamten in das Fach sür „Wertlose Gegen stände" gelegt und dann beim Umräumen mit anderer Makulatur in den Papierkorb geworfen worden, um später einaeslampst zu werden. Beim Fortlragen dieses Papier korbes sei insofern eine gewisse Fahrlässigkeit und Un vorsichtigkeit begangen worden, als der betr. Arbeiter nicht beaufsichtigt worden sei, und es habe dieser die Makulatur an einen Fleischer verkauft. Inwieweit den Beamten eine Schuld treffe, darüber schwebe noch die Untersuchung. D * Niederwartha, 22. Juli. Als gestern nachmittags* ^4 Uhr das Dampfschiff „Kaiser Franz Joses" der Sächsisch-Böhmischen DampfschiffahrtSgescllschaft seine Fahrt von Dresden nach Meißen ausführte, bemerkte der Kapitän Helm dieses Dampfers zwischen Nieder wartha und Gauernitz einen m der Elbe ertrin kenden Knaben. Der Kapitän stoppte sofort und schickte ohne Verzug zwei Mann mit dem Rettungsboote dem Verunglückten zu Hilfe. Ter Knabe wurde glücklich noch den Fluten entrissen und einem am Ufer sich aufhaltenden Manne übergeben. * Kötzschenbroda, 22. Juli. Der beim Baden in der Elbe hier am letzten Sonntag abend ertrunkene junge Mann ist der Sohn des Topographen Mittelbach. Ter Leichnam des Verunglückten ist jetzt ganz in der Nähe der hiesigen Badeanstalt aufgesunden worden. * Aus dem oberen Elbthale, 21. Juli. Die an dauernde warme Witterung hat auf den Wasscrstand der Elbe einen so ungünstigen Einfluß ausgeübt, daß ersterer nunmehr bereits bis auf 106 am unter Null ge fallen ist. Daß dieser recht niedrige Wasserstand zunächst die Frachtenschiffahrt sehr beeinträchtigt, liegt klar auf der Hand und es ergiebt sich hieraus die Lösung für die auf fällige Erscheinung, daß der Frachtenverkehr zu Thal ganz außerordentlich abgenommcn hat. An der Brachlegung der Schifferei ist auch noch der Mangel an Ladung an der Oberelbe schuld. Für die Personendampsschiffahrt haben sich irgendwelche Verkehrshindernisse bis jetzt noch nicht ein gestellt. — Der am vergangenen Sonntag abend an der Hirschmühle oberhalb Krippen aus einen Heger fest gefahrene große Deckkahn des Schiffseigners F. Barthels- Hamburg konnte noch im Laufe des gestrigen Tages wieder flott gemacht werden, sodaß er alsbald seine Weiterreise anzulreten vermochte. Eine Beschädigung hatte das Fahrzeug durch das Fcstfahren nicht erlitten. * Aus dem Vogtlande, 21. Juli Die Heuernte, welche in diesem Jahre anfänglich unter regnerischer Witterung zu leiden hatte, ist in unserer Gegend noch glücklich zu Ende geführt worden; es wurde nicht nur viel, sondern auch gutes Heu geerntet. Die Körnerfrüchte, besonders aber Kartoffeln, Kraut und Rüben berechtigen zu den besten Hoffnungen. — Auf Nodersdorfer Jagd revier hat ein Jäger innerhalb weniger Tage zwei weiße Füchse erlegt. Vermischtes. * Kaiser Wilhelm II. und der „Genöral- Chanzy". Unser Mitarbeiter in Paris schreibt uns von dort unter dem 20. Juli: Der der Compagnie Trans- atlantic gehörige Dampfer „Geiwral-Chanzy", welcher an der norwegischen Küste auf Grund geriet, ist letzten Frei tag mittag wieder in Le Havre eingetroffen und mit ihm der schwedische Eisenbahnagent Berg, der das Schiff be gleitete. Diesen hat der „Figaro" über die näheren Um stände des Zusammentreffens mit dem Kaiser Wilhelm befragt und das genannte Blatt schreibt heute etwa fol gendes: „Das Auslaufen des „General-Chanzy" wurde durch die norwegischen Lotsen verschuldet, die sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen zeigten. Ter Deutsche Kaiser hatte nämlich für jedes seiner Schiffe drei Lotsen, also im ganzen zwölf, engagiert. Überdies brauchten einige englische Vergnügungüdampfer, die gerade in den Fjords anwesend waren, noch einige zwanzig Lotsen und so blieb sür den „General-Chanzy" ein minderwertiger Rest an solchen Leuten Der Kapitän, Lelanchon, that bei dem Unfälle, was er thun konnte, Hr. Berg ist indes der Meinung, daß das Paketboot der Compagnie TranS- atlantic ohne die Dazwischenkunft des Kaisers wahrschein lich heute noch auf dem Felsen des Nord-Fjord aufsäße. Die Passagiere des „Gerwral-Chanzy" kamen in Stalheim, wo der Kaiser ebenfalls wohnte, in der Nacht auf den 9. Juli an. Im Hotel hatte Hr. Berg für sie Zimmer bestellt. Da es sich jedoch um eine französische Reise gesellschaft handelte, frug der Besitzer des Hotels, in dem der Kaiser mit einem Gefolge von 32 Personen abgestiegen war, erst den Monarchen um Erlaubnis zur Aufnahme der Franzosen Ter Kaiser äußerte, daß er Tourist sei und nie mand genieren wolle. Es würde ihm leid thun, wenn Reisende, und besonders französische, durch seine Anwesen heit auf neutralem Boden in ihren Unternehmungen be hindert würden Damit war die Angelegenheit in Ord nung; aber als die Franzosen nachts zwischen 1 und 2 Ühr im Hotel anlangten, glaubte der Wirt, es nicht mit denjenigen zu thun zu haben, für welche die Zimmer bestellt waren Es kam zu lauten Auseinandersetzungen; der Kaiser wachte darüber auf Er erkundigte sich sofort und ließ dem Wirt sagen, daß die Ankömmlinge jeden falls die Erwarteten seien, da sie doch französisch sprächen. Diese erhielten hierauf ihre Zimmer. Am folgenden Tage schob der Kaiser sein Dejeuner um eine Stunde hinaus, um die Franzosen nicht zu inkommodieren. Aber diese wollten ihn gern sehen und waren nicht zu bewegen, den Speisesaal vor der Ankunft des Kaisers zu verlassen. Als der Kaiser erfuhr, daß letzterer noch nicht frei sei, machte er in der Umgebung des Hotels einen Spaziergang, und alsbald verließen auch die französischen Gäste den Speise saal. Später begab sich der Kaiser mit den Touristen zugleich nach den Wasserfällen von Stalheim; er schritt bis zu dem äußersten Abhang vor und legte so vor den Fran zosen, von denen ein einziger ihn durch einen Stoß gegen die Schulter in den Abgrund hätte stürzen können, seine Überzeugung an den Tag, daß von einem Franzosen kein hinterlistiger Anschlag zu befürchten sei, und daß er sich unter ihnen in vollkommener Sicherheit befinde. In der auf diesen Tag folgenden Nacht lief der „Gönäral-Chanzy" auf. Wie bekannt ist, wurde die Ausschiffung der Passa giere von einem englischen Schiffe gegen Bezahlung von 100 Frcs. pro Mann bewerkstelligt. Die Engländer scheinen niemand umsonst das Leben zu retten, und wir müssen zugeben, daß unter den obwaltenden Umständen das Ver halten des englischen Kapitäns in vollkommenem Gegensatz zu demjenigen des Kapitäns des deutschen Kreuzers stand, den der Kaiser ausschickte, um dem „Göneral-Chanzy" zu helfen. Sobald der Kaiser von dem Auslaufen des fran zösischen Schiffes erfuhr, beauftragte er den Kapitän des „Gefion", v. Eickstedt, dem Kapitän des „Göm-ral-Chanzy" sein Bedauern auszusprechen, sich zu erkundigen, ob alles an Bord in Sicherheit sei, und sich dem Kapitän des französischen Schiffes zur Verfügung zu stellen Obwohl der „Gefion" eine Dampfmaschine von 10000 Pferde kraft besitzt, gelang es doch nicht, den „Gönöral- Chanzy" abzubringcn Ersterer holte deshalb im be nachbarten Fjord zwei andere Dampfer und deren gemeinsame Anstrengungen waren von Erfolg gekrönt. Man fragt sich unwillkürlich, was aus dem „Gö- nöral-Chanzy" ohne die Hilfe des „Gefion" geworden wäre. Der Kaiser aber ließ es nicht bei Absendung des „Gefion" bewenden, sondern wünschte stündlich über den Verlauf des Flottbringens unterrichtet zu sein. Um den „Göiwral-Chanzy" zu entlasten, wurden die sämtlichen Kohlen auf den „Gefion" verladen. Kapitän Lelanchon bot diese Hrn. v. Eickstedt als „Recompense" für seine Mühwaltungen an, was dieser jedoch ebenso ausschlug, wie die Annahme einiger Kisten Champagner. Es blieb bei einem Höslichkeitsaustausch an Bord der beiden Schiffe. Nach dem Abbringen des „Göm-ral-Chanzy" blieb der „Gefion" noch die ganze Nacht bis morgens 'tz9 Uhr in dessen Nähe. Dann dampften die beiden Schiffe in der Richtung nach Bergen ab. Der „Gefion" übernahm die Führung. Beim Gudwangcn-Fjord, wo die deutschen Schiffe vor Anker lagen, stoppte der „Gefion" und ließ den „Gönöral-Chanzy" passieren, indem er ihm den üb lichen Gruß erwies, welcher sofort erwidert wurde. Ta der „Gönöral Chanzy" in Bergen, wo es kein Trockendock giebt, seinen Schaden nicht ausbessern konnte und dieser nur unbedeutend war, fuhr er direkt nach Le Havre weiter." * Die Sonnenfinsternis am 9 August d. I. wird auf einer Linie, die vom Atlantischen Ocean über Norwegen, Nowoje-Semlja durch Sibirien nach Japan verläuft, eine totale sein. Diese Naturerscheinung soll be sonders von russischen Astronomen an einer Anzahl sorg sam ausgewählter Stationen beobachtet werden. Die Sternwarte zu Pulkowa hat eine besondere Expedition an den unteren Amur gesendet, die St Petersburger Akademie der Wissenschaften eine andere nach Nowoje- Semlja; die Professoren Glasenapp und Vochikhowsky wollen die Finsternis in Finnland beobachten. Die neue russische Astronomische Gesellschaft hat drei Expeditionen 3« Heitz geliebt. Rcma» von Enrico Castelnuovo. 20 (Fortsetzung.) Eine» Morgens im Monat Mai war der Lärm im Hause Seriani aber ein geradezu außerordent licher. Schon seit sechs Uhr standen alle Fenster offen, und die ganze Familie befand sich in voller Aufregung und Thätigkeit. Es war der Lärm, wel cher der Abreise einer zahlreichen Familie voraufzu gehen pflegt. Da fehlten bald dem, bald jenem die Sachen; da wurde erinnert, gemahnt, gestritten, ge tröstet, denn Ugo, der zweite Sohn, mußte zu Hause bleiben, weil er die Schule nicht versäumen durfte. Da wurde gelacht und Mademoiselle, die Erzieherin, absichtlich in Verlegenheit gebracht. Da tutete der Jüngste in seine Trompete und Adele, die älteste, drehte sich zehnmal vor dem Spiegel herum, um sich in ihrem neuen Reisekleide zu bewundern. Umberto, der in das Institut zurückkehrte, war in ewiger Be sorgnis, daß seine Gepäckstücke mit den anderen ver wechselt werden könnten, und versicherte dem Vater wiederholt, daß er die Abzweigungen der Züge genau kenne Endlich bestieg alles die zwei Gondeln mit dem selben Lachen und Rufen, mit welchem man oben die Abreise vorbereitet hatte. Die Zurückbleibenden, Cavaliere Aristide, der Onkel Giulio mit dem schwarz seidenen Käppchen auf dem Kopfe, da- saubere Groß mütterchen und der unglückliche Ugo grüßten noch ein ¬ mal und noch einmal und riefen den Abführenden noch das und jenes nach. Dann verschwanden die Gondeln. Tiefe Stille lagerte sich wieder über den Rio, das Plätschern. des Wassers wurde leiser und leiser. Oben aber im Palaste der Torniglioni schaute noch lange ein Mädchenkopf aus dem Fenster. Un ausgehalten rannen die Thränen ihm über die Wangen. Und die Brust Cecilias durchzog eine un beschreibliche Sehnsucht nach Sonne und Natur, nach Lausen, Jagen und Lachen im Freien mit jenen glück licheren Kindern. Ihr Leben war wirklich ein trauriges und ein töniges. Es wäre ungerecht gewesen, hätte sie nicht ihren sie anbetendcn Großeltern Dankbarkeit gezollt, hätte sie nicht anerkennen wollen, daß Gräfin Lucrezia in Hinsicht auf ihr Alter geradezu ein Wunder jugend licher Willenskraft war. Aber alles in allem ge nommen, hätte sich kein anderes Haus weniger zur Erhaltung der fröhlichen, kindlichen Laune eignen können als dieses. Dieser sonnen- und luftleere Palast drückte wie ein Alp; zwei Personen, Graf Pompeo und seine Tochter, waren krank; und Gräfin Lucrezia schließlich, deren geniale Eigenschaften vor ihrer befehlshaberischen Laune verschwanden, wurde es mitunter sehr schwer, selbst mit den Leuten einig zu bleiben, die der Gräfin allezeit beipflichteten. Mit Ausnahme des Doktor Borgondi waren die Teil nehmer an den abendlichen Unterhaltungen wahre Mumien. Allein diese waren trotzdem nicht der Gräfin einzige Bekannte. Zweimal im Jahre vielleicht kamen des Sonnabends zu ihr zwanzig bis dreißig Damen des Adels, und nicht öfter erwiderte sie deren Besuch an deren Empfangstagen. Meist aus einem Gefühl instinktiver und unbewußter Eifersucht gegen jeden, der sich ebenfalls einen Platz im Herzen der Enkelin erobern zu wollen schien, gestattete sie Cilli keinen vertrauteren Umgang mit ihren Altersgenossin nen. Oft brachte eine Dame ihre eigene Tochter mit, um sie mit Cilli bekannt zu machen. Aber diese er widerte mit der Großmutter den Besuch stets erst nach so langer Zeit, daß es bei dieser oberflächlichen Bekanntschaft sein Bewenden hatte. Und wenn Cilli sich für dieses oder jenes junge Mädchen näher zu interessieren schien, so hatte diese und jene allerlei Fehler, kurz, es gab in der ganzen Stadt scheinbar keine, die für ihre Enkelin ein passender Verkehr ge wesen wäre. Doktor Borgondi allerdings scheute sich nicht, der Gräfin Vorwürfe über diese Taktik zu machen. Die Jugend gehöre zur Jugend. „Bravo", hatte darauf Gräfin Lucrezia wütend geantwortet, „meine Tochter Clarina verkehrte mit der Jugend, und was ist aus ihr geworden?" Noch andere Bekannte von bescheidencrem Aus sehen versammelten sich des Donnerstags abends im gräflichen Palaste zur Ausübung philanthropischer Zwecke. Ter Gräfin zur Seite stand bei diesen Gelegen- beiten Signora Beta, die Frau MelchioriS, gleichsam ihr GenrralstabSchef. Diesen WohlthätigkeitSabenden wohnte Cecilia nicht bei; doch oft, wenn die Klingel ertönte, huschte sie unter irgend einem Vorwande neugierig durch den Saal bis zur Thür der Dienstbotentreppe. Von hier aus sah sie einzeln oder paarweise in düstere Gewänder gekleidete Damen eintreten und sich links durch einen schmalen langen Korridor in ein eigens für diese Zwecke hergerichtetes Gemach be geben. Hier erwartete sie die Gräfin Lucrezia mit der einen stattlichen Schnurrbart zur Schau tragenden Signora Beta, welche an diesem Tage regelmäßig zum Essen eingeladen wurde. Selbst der kurze Herbstaufenthalt auf dem gräf lichen Landgute brach'e keine Änderung in der Lebens weise hervor. Dann ging Cecilia mit der Groß mutter in der Brenta anstatt an der Riva degli Schiavoni spazieren; anstatt in einer Gondel fuhr sie in einer Kutsche; sie besuchte mit der Gräfin die Messe in einer Dorfkirche, anstatt in einer Kirche der Hauptstadt. Diesem Landaufenthalte zog sie das Verbleiben in Venedig und eine Fahrt nach dem Garten des Onkels Lorenzo vor, wenn es sie nach etwas Grünem ver langte. Der Graf hatte seine Bärbeißigkeit zwar noch nicht abgelegt, doch brachte er ihr eine gewisse Sympathie entgegen. Sie äußerte sich darin, daß er gegen ihr Eindringen in sein Gebiet nichts ein wandte; auch hielt er sie für verständig genug, nur soviel von den Früchten zu essen, als ihr gut that. Black und Gurgiu, beide bereits hochbetagt, waren ihr ebenfalls ergeben, und die brummige Barbara sah ein ihr dann und wann gemachtes kleine- Geschenk verständnisinnig al- einen guten Vermittler für ein beiderfeitige- bessere- Verständnis an. (Forts folgt.)
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